Skip to main content

Zähne zeigen. Humor in der kritischen Migrationsforschung

  • Chapter
Migrationsforschung als Kritik?

Zusammenfassung

„Die Deutschen haben uns hierher eingeladen“, erklärte die russisch-jüdische Putzfrau des Hotels bereitwillig, „damit wir hier die Schwarzarbeit machen und das allgemeine kulturelle Niveau erhöhen.“ Diese klassische Anekdote über russischjüdische Migration in die Bundesrepublik arbeitet mit der Spannung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung in Migrationskontexten.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Vgl. dazu Becker 2001, Körber 2005, Hegener 2008.

  2. 2.

    Die überwiegend städtischen, sowjetischen Jüdinnen und Juden zeichneten sich trotz struktureller und alltäglicher Diskriminierungen durch hohe Bildungs- und Aufstiegsorientierung aus. Für die Migration der 1990er sprechen verschiedene Autor_innen von einer 40-70%igen „Hochqualifizierten- oder Akademikerquote“ (wobei diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind). Auf dem deutschen Arbeitsmarkt konnte diese Gruppe ihr hohes kulturelles Kapital ebenso wenig umsetzen, wie ihre oft langjährigen Berufserfahrungen, für die 2000er Jahre zeigen sich 40-60 Prozent der als Kontingentflüchtlinge eingereisten Menschen von sozialen Transferleistungen abhängig oder in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Gründe hierfür sind neben sprachlichen Problemen vor allem die Nichtanerkennung der ausländischen Bildungsabschlüsse und Berufserfahrungen (vgl. Cohen/Kogan 2007, Remennick 2007, Gruber 1999). Einige Autor_innen prognostizieren aber besonders für die zweite Generation eine wesentlich verbesserte Position auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Liebau 2010).

  3. 3.

    Im deutschsprachigen Raum sind es paradigmatisch Emine Sevgi Özdamar und Feridun Zaimoglu, die in den 90er-Jahren auch auflagenstark einen gewitzten, selbstbewussten Ton anschlagen. Für die Literatur von Migrant_innen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion sind der lakonische oder ironische Ton und das Spiel mit absurden Momenten eines Sergej Dovlatov stilbildend. Für heutige Autor_innen wie Wladimir Kaminer, Lena Gorelik, aber auch Gary Shteyngart, Anya Ulinich, Marina Lewycka ist dieser Ton fast schon eine notwendige Publikationsbedingung.

  4. 4.

    Dass die Auseinandersetzung mit Formen des Komischen eine wichtige Perspektive auf Positionen und Deutungsmuster migrantischer oder (post-)kolonialer Akteur_innen eröffnet, zeigen z. B. Maria do Mar Castro Varela (2007: 177-185) und Donna M. Goldstein (2003).

  5. 5.

    Für einen Überblick der jeweiligen Debatten: Moreall (2009) und Bremmer et al. (1999). Soziologische Ansätze finden sich bei Berger (1998), Luthe (1992) und Mulkay (1988).

  6. 6.

    In Bachtins Analyse steht das Prinzip der Umkehr der Herrschaftsverhältnisse im Zentrum. Der weltlichen Macht ist der Karnevalskönig, der Macht der Kirche die Verballhornung der heiligen Schrift gegenübergestellt (Bachtin 1995: 52f.).

  7. 7.

    Die Namen wurden anonymisiert.

  8. 8.

    Mat ist ein im russischen Sprachraum tabuisierter und zugleich weit verbreiteter Soziolekt basierend auf Schimpfwörtern.

  9. 9.

    Konversationelle Scherzaktivitäten umfassen neben Witzen eine Reihe anderer Figuren und Genres, dabei können innerhalb von Gruppen auch neue scherzhafte Genres kreiert werden (für einen Überblick zu Genres und Formen von Scherzaktivitäten vgl. Kotthoff 1998:347ff.). Für die von mir untersuchte Gruppe konnte ich vielfältige Scherzaktivitäten herausarbeiten, die hier genannten sind für den kommunikativen Stil der Gruppe besonders relevant.

  10. 10.

    Bajka ist der russische Begriff für eine persönliche, humoristische Erzählung oder Anekdote.

  11. 11.

    Rabinowitsch ist eine klassische Figur jüdischer, aber auch antisemitischer Witze. Der heldenhafte Rotarmist Chapaev und der Nazis bekämpfende KGB-Agent Stirlitz sind Protagonisten populärer Filme und Serien, die in Witzserien weitergeführt wurden (vgl. Graham 2003).

  12. 12.

    Lange Passagen beschäftigten sich beispielsweise mit der Verhandlung verschiedener Konzepte jüdischer Identität, mit der Vermittlung von mehrfachen Gefällen zwischen Deutsch- und Russischkenntnissen.

  13. 13.

    Russ.: aöpHflaTbCfl/abrydat’sja: Ist ein Neologismus aus dem Wort heulen, weinen und dem Präfix aß, was mit „voll“ oder „durch“ übersetzt werden kann.

  14. 14.

    Ein Partikel aus dem Russischen, der so etwas in der Art wie „Na“ bedeutet.

  15. 15.

    Mildes, häufig im Alltag verwendetes Schimpfwort Ejum/Blin/Pfannkuchen ersetzt das richtige Maf-Schimpfwort Bljad/Schlampe.

  16. 16.

    Im Russischen heißt Fahrrad Veloziped, Fahrradfahrer Velozepidist.

  17. 17.

    „Kruta“ („steil“), ist ein umgangssprachliches Wort für cool.

Literatur

  • Bachtin, Michail M. (1995). Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur, Frankfurt am Main.

    Google Scholar 

  • Becker, Franziska (2001). Ankommen in Deutschland. Einwanderungspolitik als biografische Erfahrung im Migrationsprozess russischer Juden, Berlin.

    Google Scholar 

  • Berger, Peter L. (1998). Erlösendes Lachen. Das Komische in der menschlichen Erfahrung, Berlin. Bremmer, Jan/Roodenburg, Hermann/Brodersen, Kai (Hg.) (1999). Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, Darmstadt.

    Google Scholar 

  • Castro Varela, María do Mar (2007). Unzeitgemäße Utopien. MigrantInnen zwischen Selbsterfindung und gelehrter Hoffnung, Bielefeld.

    Google Scholar 

  • Cohen, Yinon/Kogan, Irena (2007). Next Year in Jerusalem … or in Cologne? Labour Market Integration of Jewish Immigrants from the Former Soviet Union in Israel and Germany in the 1990s, European Sociological Review, Vol. 23(2),155–168.

    Article  Google Scholar 

  • Coser, Rose Laub (1960). Laughter among Colleagues. A Study of the Social Functions of Humour among the Staff of a Mental Hospital, in: Human Relations Vol. 12, 171–182.

    Article  Google Scholar 

  • Critchley, Simon (2004). On Humor, Wien.

    Google Scholar 

  • Davies, Christie (1990). Ethnic Humor around the world. A comparative analysis, Bloomington. Dunphy, Raymond Graeme/Emig, Rainer (2010). Hybrid humour. Comedy in transcultural perspectives, Amsterdam.

    Google Scholar 

  • Freud, Sigmund (1905/1994): Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, in: Uexküll, Thure von/Grubrich-Simitis, Ilse (Hg.): Sigmund Freud Studienausgabe, Frankfurt am Main, Vol. 4, 9–220.

    Google Scholar 

  • Goldstein, Donna Meryl (2003). Laughter out of place. Race, class, violence and sexuality in a Rio shantytown, Berkeley.

    Google Scholar 

  • Göktürk, Deniz (2004). Strangers in Disguise: Role-Play beyond Identity Politics in Anarchic Film Comedy, in: New German Critique, Vol. 92, 100–122.

    Google Scholar 

  • Graham, Seth Benedict (2003). A cultural analysis of the Russo-Soviet Anekdot, Pittsburgh.

    Google Scholar 

  • Gruber, Sabine (1999). Osteuropäische Ingeneure und Naturwissenschaftler im Spannungsfeld beruflicher Integration. Eine vergleichende Analyse des Hochschuldidaktischen Zentrums Dortmund, in: Schoeps, Julius Hans/Jasper, Willi/Vogt, Bernhard (Hg.): Ein neues Judentum in Deutschland? Fremd- und Eigenbilder russisch-jüdischer Einwanderer, Potsdam, 265–312.

    Google Scholar 

  • Hausbacher, Eva (2009). Poetik der Migration. Transnationale Schreibweisen in der zeitgenössischen russischen Literatur, Tübingen.

    Google Scholar 

  • Hegener, Victoria (2008). Gelebte Selbstbilder. Gemeinden russisch-jüdischer Migranten in Chicago und Berlin, Frankfurt am Main.

    Google Scholar 

  • Kotthoff, Helga (1998). Spaß verstehen. Zur Pragmatik von konversationellem Humor, Tübingen.

    Google Scholar 

  • Kotthoff, Helga (Hg.) (1996). Scherzkommunikation. Beiträge aus der empirischen Gesprächsforschung, Opladen.

    Google Scholar 

  • Körber, Karen (2005). Russen, Juden, Emigranten. Identitätskonflikte jüdischer Einwanderer in einer ostdeutschen Stadt, Frankfurt am Main.

    Google Scholar 

  • Lewis, Ben (2008). Hammer and Tickle. A history of communism told trough communist jokes, London.

    Google Scholar 

  • Liebau, Elisabeth (2010). Arbeitsmarktintegration von hochqualifizierten Zuwanderern: Erklärung des spezifischen Integrationsmusters in den deutschen Arbeitsmarkt von Aussiedlern und jüdischen Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion, Mannheim. Internet: http://madoc.bib.uni-Mannheim.de/madoc/volltexte/2011/3130/ (Recherchedatum 15.09.2011)

  • Luthe, Hans Otto (1992). Komik als Passage, München.

    Google Scholar 

  • Lynch, Owen H (2002). Humorous communication. Finding a place for humour in communication research, in: Communication theory, Vol. 12(4),423–445.

    Article  Google Scholar 

  • Morreall, John/Mankoff, Robert (2009). Comic relief. A comprehensive philosophy of humor, Chichester, U.K, Malden, MA.

    Google Scholar 

  • Mulkay, Michael (1988). On Humor. Its nature and its place in society, Oxford.

    Google Scholar 

  • Powell, Chris/Paton, George (Hg.) (1988). Humour in society: resistance and control. Basingstoke.

    Google Scholar 

  • Remennick, Larissa (2007). Russian Jews on Three Continents: Identity, Integration, and Conflict. New Brunswick.

    Google Scholar 

  • Thurston, Robert (1991). Social Dimensions of Stalinist Rule: Humor and Terror in the USSR, 1935–1941, in: Journal of Social History, Vol. 25, 541–562.

    Article  Google Scholar 

  • Yurchak, Alexei (1997). The Cynical Reason of Late Socialism: Power, Pretence and the Anekdot, in: Public Culture Vol. 9, 161–188.

    Article  Google Scholar 

  • Zijderveld, Anton (1976). Humor und Gesellschaft. Eine Soziologie des Humors und des Lachens, Graz, Wien, Köln.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2013 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Klingenberg, D. (2013). Zähne zeigen. Humor in der kritischen Migrationsforschung. In: Mecheril, P., Thomas-Olalde, O., Melter, C., Arens, S., Romaner, E. (eds) Migrationsforschung als Kritik?. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19144-7_13

Download citation

Publish with us

Policies and ethics