Zusammenfassung
In der vierzigJahrigen Geschichte der DDR kommt den achtziger Jahren eine besondere Bedeutung zu. Zu keinem anderen Zeitpunkt waren die Bemühungen der SED-Füihrung urn innere und ä ußere Anerkennung ihrer Herrschaft so erfolgreich wie in diesem Jahrzehnt — und doch formierte sich gerade zu dieser Zeit zum ersten Mal seit der Errichtung der kommunistischen Diktatur eine politische Gegenkraft, die die SED trotz aller Bemühungen nicht in den Griff bekam. Zu keiner anderen Zeit fühlte sich das Politbüro seiner Macht so sicher wie in der spaten Ara Honekker — und doch waren es gerade diese Jahre, die den Untergang der DDR einleiteten und fundierten. Das „Paradox von Stabilität und Revolution“1 wird nirgends so deutlich wie in dieser letzten Phase der SED-Herrschaft.
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Anmerkungen
Vgl. Sigrid Meuschel, Legitimation und Parteiherrschaft. Zum Paradox von Stabilitä t und Revolution in der DDR 1945–1989. Frankfurt/Main 1992.
Eine Bresche hat hier geschlagen: Erhart Neubert, Geschichte der Opposition in der DDR 1949–1989. Bonn 1997.
Ausführlicher zum Oppositonsbegriff: Hubertus Knabe, Was war die „DDR-Opposition“? Zur Typologisierung des politischen Widerspruchs in Ostdeutschland, in: Deutschland Archiv 29 (1996). 2, S. 184ff.
Ministerium für Staatssicherheit (künftig MfS), Hochschule, Grundorientierungen für die politisch-operative Arbeit des MfS zur Aufdeckung, vorbeugenden Verhinderung und Bekampfung der Versuche des Feindes zum MiBbrauch der Kirchen für die Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtatigkeit und die Schaffung einer antisozialistischen „inneren“ Opposition in der DDR, VVS JHS 0001–241/83, S. 468, Matthias-DomaschkArchiv (künftig MDA).
E. Honecker, Fernschreiben an die 1. Sekretä re der Bezirks- und Kreisleitungen der SED vom 16.4.1982, Bundesarchiv Berlin (künftig BuArch Bln) DY 30/IV B2/14/57.
Konzeption zur Weiterührung der politisch-ideologischen Arbeit zur Entwicklung des Friedensengagements der Kirchen und zur Verhinderung bzw. Zurückdrä ngung des feindlichnegativen Wirksamwerdens sogenannter ,Friedenskreise in den evangelischen Kirchen in der DDR, Anlage zur Hausmitteilung der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED an Erich Honecker vom 22.3.1983, BuArch Bln DY 30/IV B2/14/14, Bl. 3 und 5.
Information über ein Gesprach des Steilvertreters des Oberbürgermeisters für Inneres, Genossen Hoffmann, mit Generalsuperintendent Krusche am 14.7.1983, BuArch Bln DY 30/IV B2/14/96, Bl. 5ff.
MfS, Auskünfte zu Personenzusammenschlüssen, Anlage zum Schreiben des Ministers fur Staatssicherheit vom 23. Mai 1989 an die Leiter der Diensteinheiten, VVS MfS 0008–39/89, MDA, ohne Seitennumerierung (hier: „Friedenskreis“ der Evangelischen Kirchgemeinde Alt-Pankow).
Vgl. Walter Jahn, „Du bis wie Gift“. Erinnerungen eines Vaters, hrsg. vom Landesbeauftragten des Freistaates Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Erfurt 1996.
Vgl. Die Konflikte um den Jugenddiakon Lothar Rochau und seinen Dienst in HalleNeustadt 1981–1983. Ein Bericht im Auftrag der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, erarbeitet von Oberkirchenrat i.R. Rudolf Schulze, GEP-Buch, Frankfurt/Main 1996.
Vgl. Irena Kukutz, Die Bewegung „Frauen für den Frieden“ als Teil der unabhangigen Friedensbewegung der DDR, in: Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Band VII, Baden-Baden und Frankfurt am Main 1995, S. 1285ff.
Abteilung Parteiorgane des ZK, Information Ober Aktivitä ten wahrend der „Friedensdekade 1983“ der evangelischen Kirchen in der DDR und über besondere Vorkommnisse, BuArch Bln DY 30/IV B2/14/96, Bl. 8. Ganz ä hnlich auch die Einschatzung der Abteilung II des Staatssekretä rs für Kirchenfragen vom 19. Oktober 1984, in der es hieB: „ Wä hrend die erste Friedensdekade stark von politisch negativen Kraften im kirchlichen Raum geprä gt war und so viele Moglichkeiten für eine offene Konfrontation gegen die Friedenspolitik der DDR bot, gelang es in den folgenden Jahren realistischen Krä ften vor allem in den Kirchenleitungen, die Veranstaltungen loyaler zu gestalten und den Spielraum für Provokationen immer weiter einzuengen. “ BuArch Bln DY 30/IV B2/14/96, B1. 31.
Information über ein Gesprach (siehe Anm. 7), B1. 7; zu den Blues-Messen: Rainer Eppelmann, Fremd im eigenen Haus. Mein Leben im anderen Deutschland. Köln 1993, S. 139ff.
Zitiert nach Gerhard Besier, Der SED-Staat und die Kirche 1983–1991. Hohenflug und Absturz. Berlin und Frankfurt/Main 1995, S. 15.
Information Ober ein Gesprach (siehe Anm. 7), B1. 1.
Ausführlicher dazu: Stephan Bickhardt, Die Entwicklung der DDROpposition in den achtziger Jahren, in: Materialien der Enquete-Kommission (siehe Anm. 11), S. 474ff.
Hochschule des MfS, Dissertation zum Thema: Das aktuelle Erscheinungsbild politischer Untergrundtatigkeit in der DDR und wesentliche Tendenzen seiner Entwicklung. VVS JHS 0001–230/89, S. 82, MDA. Ob die Zahl der Friedensgruppen gegenüber dem Stand vom April 1983 tatsä chlich von 50 auf 100 anstieg, ist z.Zt. nicht nachzuprufen, da genauere Angaben über den Zuwachs der Gruppen in den achtziger Jahren fehlen. Zweifel an der Zuverlassigkeit der Angaben ergeben sich aber daraus, daB fur 1983 noch gar keine Umweltgruppen registriert werden — was erwiesenermalßen falsch ist. Einer anderen MfS-Dissertation zufolge war im Januar 1984 die „Bildung von mehr als 50 sogenannten Friedenskreisen in alien Bezirken der DDR“ charakteristisch; MfS, Hochschule, Forschungsergebnisse zum Thema: Die weitere Qualifizierung der Arbeit mit Zentralen Operativen Vorgangen (ZOV) zur wirksamen Bekampfung feindlicher Tatigkeit, insbesondere feindlicher Stellen und Krä fte, GVS JHS 0001–30/83. S. 145, MDA. DaB die Zahl der Gruppen 1983/84 deutiich anstieg, lä ßt sich indirekt aber aus einem MfS-Bericht vom Mai 1989 ableiten, der von 150 der insgesamt 175 erfaBten Gruppen das GründungsJ ahr nennt: Danach entstanden 1983 16 der (1989 noch existierenden) Gruppen, davon 6 zum Thema Frieden, 7 zum Thema Umwelt und eine zu beiden Themen; 1984 grundeten sich 20 der Kreise, davon 10 zum Thema Frieden, 7 zum Thema Umwelt und 3 zu beiden Themen; vgl. MfS, Auskünfte zu Personenzusammenschlüssen (siehe oben Anm. 8).
AnstöBe X, April 1984, S. 4; siehe auch Anm. 17.
Vgl. dazu den Beitrag in diesem Band: „Samisdat — Gegenoffentßichkeit in der DDR in den 80er Jahren“.
Zahlen aus: Bernd Eisenfeld, Die Ausreisebewegung — eine Erscheinungsform widerstä ndigen Verhaltens, in: Ulrike Poppe, Rainer Eckert, Ilko-Sascha Kowalczuk (Hrsgg.), Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstandes und der Opposition in der DDR. Berlin 1995, S. 202. Vgl. auch seinen Beitrag zur Ausreisebewegung in diesem Band.
Hochschule des MfS, Dissertation (siehe Anm. 17), S. 82. Anderen MfS-Angaben zufolge bestanden Anfang 1984 35 Umwelt- und Okologiegruppen, von denen 20 regelmaBige Aktivitä ten entfalteten; im Oktober 1985 soll dieses Verhä ltnis 42:28 Gruppen mit ca. 550–600 standigen Mitgliedern betragen haben; MfS, HA XX, Arbeitshinweise über die Entwicklung, Plane, Absichten und Aktivitä ten gegnerischer und feindlich-negativer Krä fte zur Schaffung einer sogenannten Okologie- und Umweltschutzbewegung in der DDR und deren operative Bekampfung, VVS MfS 0008–72/85, S. 13, Archiv Kirchliches Forschungsheim Wittenberg (KFH). Ausführlicher zur DDR-Okologiebewegung: Hubertus Knabe, Umweltkonflikte im Sozialismus. Moglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Problemartikulation in sozialistischen Systemen. Eine vergleichende Analyse der Umweltdiskussion in der DDR und Ungarn. Köln 1993, S. 280ff.; zur unabhangigen Frauenbewegung in der DDR: Irena Kukutz (siehe Anm. 11) sowie Samirah Kenawi, Frauengruppen in der DDR der 80er Jahre, hrsg. von Grauzone. Dokumentationsstelle zur nichtstaatlichen Frauenbewegung in der DDR. Berlin 1995.
Einschatzung der 6. Friedensdekade der Evangelischen Kirchen „Frieden wä chst aus Gerechtigkeit“ vom 10.-20.11.1985 in der Hauptstadt, BuArch Bln DY 30/IV B2/14/96, Bl. 123
Information ohne Datum, BuArch Bln DY 3(0/IIV B2/1 4/20
Zitiert nach Besier (siehe oben Anm. 14), S. 96 und S. 119.
Anlage Nr. 13 zum Protokoll Nr. 1 der PB-Sitzung vom 7.1.1986: Information zu aktuellen Fragen der Politik gegenüber den evangelischen Kirchen, BnArch Bln I IV 2/2/21 48 S
Vermerk über ein Gesprach mit Konsistorialprasident Manfred Stolpe beim Hauptabteilungsleiter (des Staatssekretä rs für Kirchenfragen), Genossen Heinrich, am 13.11.1985, BuArch Bln DY 30/IV B2/14/96, Bl. 116ff. Da sich die Kirchenleitung wegen ihrer Grundordnung weitgehend machtlos gegenüber den inkriminierten Gemeindepfarrern fühite, hatte Generalsuperintendent Krusche schon Ende September gegenüber dem Staatssekretariat für Kirchenfragen die Frage aufgeworfen, ob nicht „staatliche Maßnahmen, wie etwa die Einleitung eines Ordnungsstrafverfahrens [gegen Eppelmann — H.K. J, die Auseinandersetzungen in der Kirchenleitung im positiven Sinne beeinflussen würden “; Vermerk über ein Gesprach mit dem Berliner Generalsuperintendenten Dr. Krusche vom 27.9.1985, BuArch Bln DY 30/IV B2/14/96, S. 1.
So berichtete der Staatssekretä r für Kirchenfragen, Klaus Gysi, von einem Gesprach mit den Kirchenvertretern Stolpe und Ziegler am 9.12.1987, in dem deutlich sichtbar geworden sei, „daß die Haltung Zieglers wie z.B. auch die Haltung des Generalsuperintendenten Krusche in Richtung einer Trennung der Kirchen von diesen Gruppen ging “; Information vom 10.12.1987, BuArch Bln DY 30/IV B2/14/42, Bl. 196.
Grenzfall, 1. Ausgabe zur Berliner Friedenswerkstatt, 29.9.1986, dokumentiert in: Ralf Hirsch und Lew Kopelew (Hrsgg.), Grenzfall. Vollstandiger Nachdruck aller in der DDR erschienenen Ausgaben (1986/87). Erstes unabhangiges Periodikum, Berlin 1989 (Selbstverlag), S. 1.
Vorstellung der Initiative „Frieden und Menschenrechte“ zum Tag der Menschenrechte am 10.12.1987 in der Gethsemanekirche, in: ebenda, S. VIII.
Ausführlicher zur IFM siehe den Beitrag der Mitbegründer Wolfgang Templin und Reinhard Weißhuhn in diesem Band.
MfS, HA XX, Monatliche Lageeinschatzung vom 20. Dezember 1986, B1. 286, MDA.
Zur Reformdiskussion in den Gruppen vgl. Hubertus Knabe, Konzeptionen üür die Erneuerung. Demokratie-Diskussion in der DDR, in: Kirche im Sozialismus, 5/1989, S. 181ff.
Umweltblä tter, 1. November 1987, S. 6. Auch andere Samisdat-Zeitschriften widmeten sich ausführlich dem SED-SPD-Papier; vgl. „Kontext“, Heft 1, ohne Datum, und Heft 2 vom 27.4.1988.
BeschluB der Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR zum Bericht der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen, Görlitz 22.9.1987.
Umweltblä tter, 1. Oktober 1987, S. 4; vollstandig abgedruckt in: Wolfgang Rüddenklau, Störenfried, DDR-Opposition 1986–1989. Mit Texten aus den „Umweltblä ttern“. Berlin 1992, S. 144f.
Wesentliche Texte der Initiative sind dokumentiert in: Stephan Bickhardt (Hrsg.), Recht ströme wie Wasser. Christen in der DDR fur Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung. Ein Arbeitsbuch. Berlin 1988, hier S. 17.
Ausführlicher zu den Vorgangen um die Einbringung des Antrages auf der Görlitzer Bundessynode im September 1987: Besier (siehe oben Anm. 14), S. 228ff.
„Zur weiteren Arbeit mit den evangelischen Kirchen in der DDR“, Anlage 1 zum Protokoll Nr. 112 der Sitzung des Sekretariates des ZK am 14.10.1987, BuArch Bln IV 2/3/4171, S. 3.
Umfassend dokumentiert wurden die Vorgange seinerzeit in: EPD-Dokumentation Nr. 9/1988.
Zur Luxemburg-Affare vgl. Freya Klier, Aktion „Störenfried“. Die Januar-Ereignisse von 1988 im Spiegel der Staatssicherheit, in: Hans Joachim Schädlich (Hrsg.), Aktenkundig. Berlin 1992, S. 91ff. Die Jarowinsky-Erklarung wurde veröffentlicht in: EPD-Dokumentation Nr. 43/1988, S. 60–68.
Ausführlicher zu den kirchenpolitischen Entwicklungen des Jahres 1988: Besier (siehe oben Anm. 14), S. 267ff.
Zur Entwicklung in Leipzig vgl. Christian Dietrich, Fallstudie Leipzig 1987–1989. Die politisch-alternativen Gruppen in Leipzig vor der Revolution, in: Materialien der EnqueteKommission (siehe oben Anm. 11), S. 558ff. sowie den Beitrag von Christian Dietrich und Martin Jandler in diesem Band.
Der FortsetzungsausschuB (FA) des Seminars hatte die Erarbeitung eines Positionspapiers vorgeschlagen, welches der theologische Berater des FA, Hans-Joachim Tschiche, im Februar 1988 vorstellte und das u.a. „die pluralistische, demokratische und dezentralisierte Organisation des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in der DDR“ forderte. Die Mehrheit der Teilnehmer sprach sich jedoch gegen eine Verabschiedung aus und beauftragte eine Redaktionsgruppe bis zum nä chsten Seminar ein neues Papier vorzulegen; der ursprüngliche Entwurf ist abgedruckt bei: Bickhardt (siehe oben Anm. 16), S. 501ff.
Information über ein Gesprach des Stellvertreters des Oberbürgermeisters für Inneres, Genossen Hoffmann, mit Konsistorialprasident M. Stolpe und Generalsuperintendent Dr. Krusche am 19.12.1988, BuArch Bln DY 30/IV B2/14/43, B1. 150.
Vgl. den Beitrag von A. Holzweißig über Medien und Medienlenkung in Band 1 dieser Reihe (Die SED-Herrschaft und ihr Zusammenbruch, Leverkusen 1996), S. 51–81.
MfS, Information Nr. 150/89 über beachtenswerte Aspekte des aktuellen Wirksamwerdens innerer feindlicher, oppositioneller und anderer negativer Krä fte in personellen Zusammenschlüssen, abgedruckt in: Armin Mitter und Stefan Wolle (Hrsgg.), Ich liebe euch doch alle! Befehle und Lageberichte des MfS Januar-November 1989. Berlin 1990, S. 47.
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Knabe, H. (1999). Der lange Weg zur Opposition — unabhängige politische Bestrebungen 1983 bis 1988. In: Opposition in der DDR von den 70er Jahren bis zum Zusammenbruch der SED-Herrschaft. Am Ende des realen Sozialismus, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01229-0_6
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