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Erschienen in: Wirtschaftsinformatik & Management 4/2021

Open Access 01.06.2021 | Spektrum

Cloud-Computing-Nutzung bei der Continental AG

verfasst von: Frederik Wulf, Prof. Dr. Markus Westner, Maximilian Schön, Prof. Dr. Susanne Strahringer, Prof. Dr. Claudia Loebbecke, M. B. A.

Erschienen in: Wirtschaftsinformatik & Management | Ausgabe 4/2021

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Dieser Artikel richtet sich an IT-Führungskräfte, die die Nutzung von Cloud Computing (CC) in ihren Unternehmen fördern wollen. Eine Fallstudie des Konzerns Continental AG zeigt, wie Continental CC in großem Maßstab für die Organisation nutzbar machte. Das Unternehmen ging dabei in drei Schritten vor: Nach einer Experimentierphase wurde der Einsatz zunehmend professionalisiert und CC abschließend umfangreich nutzbar gemacht. Hieraus können drei Handlungsempfehlungen für Führungskräfte abgeleitet werden: (1) die CC-Strategie nach dem Delivery-Modell differenzieren, (2) in die Integration von Infrastructure-as-a-Service (IaaS)- und Platform-as-a-Service (PaaS)-Anbietern investieren und (3) den Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens fördern, um Veränderungen zu ermöglichen.
Cloud Computing bedeutet einen Paradigmenwechsel für die Bereitstellung von IT-Infrastruktur und -Services. Das gilt auch für die Continental AG: Mittlerweile sind Hunderte von Cloud Accounts im Unternehmen aktiv. Bis 2019 wurden mehr als 2000 Server mit zwei Petabyte an Daten von Continental-Rechenzentren zu CC-Anbietern migriert. Dieser Beitrag beschreibt die verschiedenen Nutzungsphasen von CC bei Continental und welche Erfahrungen das Unternehmen dabei gesammelt hat (siehe dazu auch die ausführlichere Beschreibung in [1], auf der der vorliegende Beitrag basiert). Daraus werden Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger abgeleitet, um den Nutzungsgrad von CC in Unternehmen zu steigern.
Die IT-Organisation von Continental besteht sowohl aus globalen, zentralisierten als auch aus lokalen, dezentralen Einheiten. Eine zentrale IT-Funktion stellt Infrastruktur, globale IT-Services und IT-Services für andere dezentrale Unternehmenseinheiten bereit und betreibt drei große Rechenzentren in Deutschland, Singapur sowie den USA. In den Rechenzentren und an allen Standorten sind rund 20.000 Server in Betrieb. Lokale IT-Einheiten verwalten zusätzlich eigene kleinere Rechenzentren ihrer Standorte. Die Beschaffung der Softwareentwicklung erfolgt hauptsächlich innerhalb der Unternehmenseinheiten. Die Ressourcen für Softwareentwicklung werden primär von außen bezogen, wobei mit externen Softwareentwicklern zusammengearbeitet wird. Im Sinne der taktischen Ausrichtung ist die IT-Organisation bei Continental stark kostenorientiert. In der Vergangenheit zielte sie in erster Linie darauf ab, betriebliche Effizienz zu ermöglichen.
Die Nutzung von CC ist für Continental von strategischer Bedeutung. Die drei Kategorien für Anwendungsfälle von CC bei Continental sind (1) Produktionsdaten, (2) Servitization und (3) Mobilitätsdienstleistungen. Ein Anwendungsbeispiel, das Continental bereits in Bezug auf (1) Produktionsdaten implementiert hat, ist die Erkennung fehlerhafter Geräte in der Leiterplattenproduktion mittels maschineller Lernalgorithmen anhand von Leiterplattenfotos. Unter (2) Servitization fällt die dienstleistungsbasierte Bereitstellung ursprünglich produktgebundener Leistungen. Ein Anwendungsfall wäre das Chiptuning auf On-Demand-Basis, beispielsweise wenn sich ein Fahrer für eine Spritztour mit seinem Auto Zugang zu mehr PS verschaffen möchte. Während die Servitization darauf abzielt, bestehende Produkte um Funktionen zu erweitern (in diesem Fall die Motorsteuerung), zielen (3) Mobilitätsdienste darauf ab, Software zur Erweiterung des Produktangebots zu entwickeln. Ein Anwendungsfall im Kontext der Automobilität wäre die Fahrzeugferndiagnose. Dies würde es den Automobilherstellern ermöglichen, Muster innerhalb der Bewegungsdaten von Fahrzeugen zu analysieren und dadurch Autos mit ähnlichen Mustern zu identifizieren und beispielsweise zurückzurufen, bevor etwaige Dysfunktionen aufträten.
Die beschriebenen Anwendungsfälle können Kosteneinsparungen ermöglichen, z. B. bei der Erkennung fehlerhafter Leiterplatten, aber sie können aus Sicht von Continental auch großes Wachstumspotenzial eröffnen [2]. Unabhängig von der betriebswirtschaftlichen Zielsetzung weisen alle Anwendungsfälle aber eine grundlegende Gemeinsamkeit auf: Sie werden auf IaaS und PaaS entwickelt, zwei CC-Delivery-Modelle. Daher war und ist es von strategischer Bedeutung, dass diese Basistechnologie bei Continental operativ effizient und kostengünstig bereitgestellt und genutzt wird.

Phasen der Cloud-Computing-Nutzung

Die Adoption von CC bei Continental kann als ein Prozess mit drei Phasen beschrieben werden, der in Abb. 1 dargestellt ist. In der Phase des Experimentierens wurden die ersten Erfahrungen mit der neuen Technologie gesammelt. In der Phase des Professionalisierens wurden zwei IaaS- und PaaS-Anbieter konzernweit verfüg- und nutzbar gemacht sowie ein konzernweites Software-as-a-Service(SaaS)-Proof-of-Concept durchgeführt. In der aktuellen Phase geht es darum, den Nutzungsgrad von CC zu steigern.

„Experimentieren“

Zur Beurteilung des Anwendungspotenzials von CC hatte Continental einen dreistufigen Prozess zur Identifizierung, Bewertung und Kategorisierung von IT-Services hinsichtlich ihrer Cloud-Readiness entwickelt [3]. Als Ergebnis dieses Prozesses beurteilte Continental im Jahr 2011 15 von 29 betrachteten IT-Dienstleistungen der Corporate IT als „wahrscheinlich cloud-ready“. Geschäftskritische und komplexe Services wie ERP-Services wurden damals als „nicht cloud-ready“ bewertet.
Nach der initialen Beurteilung des Anwendungspotenzials begann Continental mit der Operationalisierung des Ergebnisses. Damals hatte Continental noch kaum Erfahrung mit der Anwendung von CC. Continental musste deshalb zunächst grundlegende Nutzungsvoraussetzungen schaffen und z. B. Sicherheitsanforderungen an Cloud-Anbieter, Datenklassifizierungsregeln, interne Beschaffungs- und Buchhaltungsprozesse sowie Verantwortlichkeiten für die Überwachung von Cloud Accounts definieren.
Die Linienorganisation von Continental schien noch nicht darauf vorbereitet zu sein, Cloud-Services zu „konsumieren“. Die dezentrale Organisation und Kultur des Unternehmens erschwerte einen effektiven zentralisierten Top-down-Ansatz, wie er sich eigentlich aus der „Cloud-Readiness“-Beurteilung 2011 ergeben hatte. Continental begann mit dezentralen Bottom-up-Experimenten auf Basis einzelner Anwendungsfälle. Ziel war es, nachzuweisen, dass CC für das Unternehmen von Vorteil sei. Ebenso war es notwendig, Entscheidungsträger in den dezentralen Einheiten von CC zu überzeugen.
Damals waren noch nicht alle Entscheidungsträger von der Notwendigkeit des Einsatzes von CC bei Continental überzeugt, vor allem weil die Vorteile noch nicht vollständig sichtbar waren. In der Vergangenheit verfügte Continental über eine kostenorientierte IT-Organisation. Um die bisherige Beschaffungsstrategie zu ändern, erwarteten die Entscheidungsträger entweder einen klaren Kostenvorteil oder funktionale Vorteile bei gleichem Kostenniveau. Continental hatte außerdem einen ausgereiften Sourcing-Ansatz, der die IT-Services in interne und externe Services unterteilte. Viele Entscheidungsträger hielten diesen Sourcing-Ansatz im Gegensatz zu CC für voll funktionsfähig und kosteneffizient. Zudem wurde CC als schwierig in der Handhabung empfunden. Wollte man beispielsweise den Continental IT-Service „Managed Server“ über einen IaaS-Anbieter beschaffen, konnte der Provider das Betriebssystem, das eigentlich Teil der Servicedefinition war, nicht mit bereitstellen. Daher mussten die Verantwortlichkeiten dafür, was von wem verwaltet werden sollte, anders verteilt werden als bei bisher ausgelagerten IT-Services. Durch die Auseinandersetzung mit der Technologie in ersten Pilotprojekten in den Jahren 2013 und 2014 wurden die Vorteile von CC in Bezug auf Schnelligkeit der Servicebereitstellung ersichtlich. Die ersten Piloten konzentrierten sich dabei auf eng definierte oder einfache Anwendungsfälle wie einen Back-up-Service sowie den Aufbau einer SharePoint-Umgebung. Dann fokussierte sich das Experimentieren auf weitere Anwendungsfälle mit höherer Komplexität: Auf IaaS-Basis wurde eine Flottenmanagementlösung entwickelt und eine HR-Lösung für die gesamte HR-Funktion des Unternehmens eingeführt. Die beschriebenen Anwendungsfälle konnten die Vorteile von CC einem breiteren Publikum in der Organisation demonstrieren. Die Pilotprojekte mit CC zeigten jedoch die Notwendigkeit, diese Bottom-up-Pilotprojekte durch eine Top-down-Strategie zu ergänzen: Continental sah sich aufgrund des hohen Dezentralisierungsgrades vor der Herausforderung, Dienstleistungen aus der Cloud unternehmensweit anzubieten. Darüber hinaus zeigte sich, dass die breite und heterogene Landschaft der Serviceangebote für IaaS und PaaS eine Top-down-Entscheidung darüber erforderte, wie viele und welche Anbieter Continental für die Erbringung von Dienstleistungen nutzen sollte. Eine weitere Lektion aus den frühen Piloten war, dass fundierte Kenntnisse des jeweiligen Anbieters notwendig waren, um CC in einem IaaS- oder PaaS-Bereitstellungsmodell effektiv einzusetzen. Continental definierte daher Ende 2014 eine unternehmensweite CC-Strategie.
Eine CC-Strategie sollte hierbei die Zielsetzung je nach Delivery-Modell differenziert definieren: Aus Sicht des CC-Anbieters ist der Fachbereich der Kunde im Falle von SaaS-Anwendungen, während für IaaS und PaaS die zentrale IT-Funktion den Kunden darstellt [4]. Daher ergibt sich aus Sicht der IT-Funktion für die Delivery-Modelle IaaS und PaaS eine stärkere Steuerungsmöglichkeit durch Wahl der Anbieter. Bei SaaS erfolgt die Wahl des Anbieters primär durch den Fachbereich und lässt sich daher nicht zentralisiert steuern. Die Aufgabe der IT-Funktion beschränkt sich daher auf die Definition von Qualitäts- und Sicherheitsstandards an die Anbieter. Es ist also aus Sicht der IT-Funktion sinnvoll, eine Delivery-Modell spezifische CC-Strategie zu definieren. Aus Sicht einer zentralen IT-Funktion sollte sich diese Strategie insbesondere auf IaaS und PaaS fokussieren.

„Professionalisieren“

Die erste Corporate CC-Strategie von Continental ermöglichte es, Anbieter für IaaS/PaaS nutzbar und eine SaaS-Lösung für die gesamte dezentrale Organisation verfügbar zu machen. Um die Anwendbarkeit von CC innerhalb des Unternehmens zu demonstrieren, führte Continental ein flächendeckendes Pilotprojekt für SaaS durch. Die Erwartung war, aus diesen Projekten verallgemeinerbare Ergebnisse abzuleiten, die als Vorlagen für die anschließende Integration weiterer SaaS-Anwendungen dienen könnten. Um eine möglichst hohe Sichtbarkeit des Pilotprojektes zu generieren, wurde Office 365 dafür ausgewählt. Für die Integration von Anbietern für IaaS/PaaS wurde ein Cloud-Ermöglichungsprojekt gestartet.
Continental ergriff parallel die ersten Maßnahmen, um die Migration auf CC innerhalb der dezentralen und relativ autonomen IT-Organisation zu kommunizieren: Ein Gremium, das sich aus allen CIOs der Geschäftseinheiten zusammensetzt, kommunizierte ein neues Credo für die Beschaffung von IT-Dienstleistungen namens „Cloud preferred“. Dieses neue Credo stellte einen großen Schritt dar, denn durch die Entscheidung und ihre prominente Kommunikation in das Unternehmen lebte das Topmanagement das neue Konzept bereits vor.
Eine der Schwierigkeiten im Prozess der CC-Nutzung bei Continental bestand darin, dass die Geschäftseinheiten praktisch keine IaaS-/PaaS-Angebote nachfragten. Daher entschied sich die zentrale IT-Funktion, die Nutzung von CC-Anbietern so einfach wie möglich zu gestalten und in die bisherigen IT-Service-Sourcing-Prozesse zu integrieren, um durch das Angebot eine Nachfrage nach CC zu schaffen. Allerdings stellte sich die Frage, wie viele CC-Anbieter verfügbar gemacht werden sollten. Eine größere Anzahl von Anbietern würde die Anzahl der von der CC-Infrastruktur und -Plattform unterstützten Anwendungsfälle erhöhen, aber auch die Komplexität durch die parallele Verwaltung mehrerer CC-Ökosysteme. Eine größere Anzahl von Anbietern wäre auch mit geringeren Skaleneffekten durch die Verteilung des CC-Verkehrs auf eine größere Anzahl von Anbietern verbunden. Die Erfahrungen der ersten Piloten zeigten jedoch auch, dass der Aufbau von Wissen über die Besonderheiten der Anbieter notwendig ist, um ihre technologischen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Daher wäre für Continental die Nutzung technologischer Möglichkeiten mit einer höheren Anzahl von Anbietern schwieriger gewesen. Die Einkaufsabteilung wiederum riet, mehr als einen Anbieter zu beauftragen. Continental entschied schlussendlich, sich auf zwei Anbieter zu konzentrieren. Diese Anbieter sollten technologisch führend sein und eine hohe Kompatibilität mit dem Ökosystem der Continental ermöglichen. Aufgrund ihrer führenden Marktpositionen und ihrer wahrgenommenen Reife entschied sich Continental für Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure. Noch immer befinden sich diese Anbieter in einem „Kopf-an-Kopf-Rennen“ um die Ausweitung ihres Produktangebots [5]. Der erste von Continental vorgesehene Anbieter, der dem Unternehmen zur Verfügung gestellt wurde, war AWS, wegen niedrigerer vertraglicher Eintrittsbarrieren.

„Nutzen“

Der aktuelle Schwerpunkt der CC-Strategie von Continental liegt auf der verstärkten Nutzung von CC-Delivery-Modellen innerhalb des Unternehmens. Daher ist die Strategie darauf ausgerichtet, die Nutzung von SaaS-Lösungen zu erhöhen und die Applikationsentwicklung auf Basis der bereits aktivierten IaaS-/PaaS-Anbieter zu fördern. Teil der aktuellen CC-Strategie von Continental ist auch eine Hierarchisierungslogik, die klare Präferenzen für die drei Delivery-Modelle IaaS, PaaS und SaaS festlegt. Die CC-Strategie von Continental favorisiert die Nutzung von SaaS gegenüber der Nutzung von PaaS und IaaS. Da das SaaS-Bereitstellungsmodell das Modell mit dem höchsten Grad an ausgelagerten Services ist, sind die potenziellen Kosteneinsparungen am größten. Solche Einsparungen gehen jedoch zulasten einer begrenzten Flexibilität bei der Softwareindividualisierung im Vergleich zu IaaS.
Eine praktische Herausforderung bei der Implementierung von CC stellt die Integration der bestehenden Applikationslandschaft dar [6]. Continental wandte ein schrittweises Vorgehen zur Migration bestehender Anwendungen an. Dieses Vorgehen zielte darauf ab, Anwendungen an strategischen Entscheidungspunkten ihres Lebenszyklus zu bewerten: am Anfang der Entwicklung neuer Anwendungen, am Anfang eines neuen Softwareentwicklungszyklus oder wenn die zugrunde liegende Infrastruktur am Ende ihrer Lebensdauer steht und erneuert werden muss. Bei der Entscheidung, die Anwendung in die Cloud zu migrieren, muss man abwägen, ob die Anwendung mit „Lift-and-Shift“, d. h. nahezu unverändert, migriert werden kann oder ob ein sogenannter transformativer Übergang, d. h. eine Anpassung an die Cloud, erforderlich ist. Ein solcher transformativer Übergang bedeutet, die Anwendungsarchitektur neu zu gestalten, um das Innovationspotenzial der Cloud oder Optionen zur Kosteneinsparung zu nutzen. Daher stellte sich für jede bestehende Anwendung, bei der ein neuer Entwicklungszyklus anstand oder bei der sich die Infrastruktur am Ende ihrer Lebensdauer befand, die Frage, ob und wie die Infrastruktur innerhalb des nächsten Lebenszyklus der Softwareentwicklung/Infrastruktur in die Cloud migriert werden sollte.
Die Alternative zum schrittweisen Vorgehen wäre ein Big-Bang-Ansatz. Der Hauptvorteil des Big-Bang-Ansatzes liegt in der Geschwindigkeit der Umsetzung. Wenn man sich für die Migration der Infrastruktur nach dem Big-Bang-Ansatz entschiede, würde die schnelle Migration von Anwendungen auf IaaS darauf abzielen, die Kostenvorteile von CC so rasch wie möglich zu nutzen. Eine wichtige Eigenschaft des Big-Bang-Ansatzes ist, dass er neben einem großen Pool an internen und externen Personalressourcen auch beträchtliches Kapital benötigt, um eine große Anzahl von Anwendungen in Chargen in die Cloud zu migrieren. Da dieser Ansatz die Migration von Anwendungen innerhalb ihres Softwareentwicklungs‑/Hardwarelebenszyklus beinhalten würde, folgt der Ansatz einem einfachen „Lift-and-Shift“ ohne einen transformativen Übergang während der Migration in die Cloud. Dadurch könnten möglicherweise weder das Innovationspotenzial noch Kosteneinsparungen realisiert werden. Ein weiterer Nachteil dieses Ansatzes ist, dass das Unternehmen nicht nach und nach lernen kann, was funktioniert und was nicht, und daher den Ansatz zur Migration von Anwendungen in die Cloud nicht entsprechend anpassen kann. Unter Abwägung dieser Vor- und Nachteile entschied sich Continental für einen schrittweisen Implementierungsansatz.
Der von Continental gewählte schrittweise Implementierungsansatz überträgt die Entscheidung über Infrastruktur und Entwicklungsplattformen den Projektleitern der Softwareentwicklung. So stellt sich die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass Projektleiter CC als eine mögliche Beschaffungsoption betrachten. Continental hätte das Management durch Zielvereinbarungen zum Einsatz von CC verpflichten können. Dieser Ansatz wurde jedoch verworfen, da er die Entscheidungsträger eingeschränkt hätte, eine bewusste Entscheidung darüber zu treffen, ob sie einen bestimmten Service aus der Cloud beziehen oder nicht. Möglicherweise hätte es gar falsche Anreize gesetzt und zu CC als Beschaffungsoption führen können, obwohl es im konkreten Einzelfall nicht vorteilhaft wäre. Daher entschied sich Continental dafür, Wissen und Fähigkeiten über CC als Ansatz für die Einführung von CC zu vermitteln, also den Transfer von Wissen innerhalb des Unternehmens zu ermöglichen [7]. Die wichtigsten Kanäle des Wissenstransfers bei Continental sind „Cloud Consultants“ und innerbetriebliche Kommunikation.
Cloud Consultants beraten sowohl die IT-Funktion (zentralisiert) als auch in den Geschäftsbereichen (dezentralisiert). Trotz ihrer geografischen Verteilung verstehen sich die Cloud Consultants von Continental als virtuelle Einheit innerhalb des Unternehmens. Ihre Aufgabe ist es, Softwareentwicklungsprojekte zu beraten, die Infrastruktur oder Entwicklungsplattform für ihr Projekt aus der Cloud beziehen könnten. Darüber hinaus beraten sie die Entscheidungsträger an den zuvor genannten strategischen Entscheidungspunkten dahin gehend, ob die Anwendung von CC im konkreten Kontext möglich und sinnvoll ist. Dazu gehören auch Demonstrationen des Potenzials der Cloud, sodass die Vorteile von CC erlebbar werden. Darüber hinaus werden anbieterspezifische Vor- und Nachteile dargestellt, um die Entscheidungsträger bei der Auswahl eines geeigneten Anbieters zu unterstützen. Während der Implementierung zeigen die Cloud Consultants dann die ersten Schritte im Cloud Account (z. B. wie man Server einrichtet). Darüber hinaus fungieren sie als Unterstützer des Wandels hin zur Cloud und sollen daher Entscheidungsträger/-innen in allen Unternehmensteilen überzeugen, den Wandel mitzugestalten und umzusetzen.
Innerbetriebliche Kommunikation fördert das allgemeine Wissen über CC bei den Endanwendern („Wide Dive“), während die gezielte Kommunikation den im Rahmen der Softwareentwicklung tätigen Mitarbeitern detailliertere Informationen über CC („Deep Dive“) liefert. Der Umfang der Kommunikation über CC, die ein Mitarbeiter erhält, variiert je nach den erforderlichen CC-Kenntnissen, die der Mitarbeiter zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Darüber hinaus trägt das Pilotprojekt Office 365 dazu bei, die CC-Anwendung bei Continental bekannt zu machen: Praktisch jeder Mitarbeiter bei Continental ist Teil des Rollouts und sammelt somit erste Erfahrungen als CC-Anwender. Auch die prominente Platzierung der Entscheidung „Cloud preferred“ durch die CIOs trägt zur Kommunikation bei.

Fazit und Zusammenfassung

Die Implementierung von CC in einem globalen Unternehmen wie Continental ist ein komplexer Vorgang, der mit der initialen Entscheidung, CC im Unternehmen einzusetzen, beginnt, aber damit noch lange nicht endet. Zuerst ist für die IT-Funktion zu entscheiden, wie viele und welche Anbieter für IaaS und PaaS im Unternehmen eingesetzt und integriert werden sollen. Aus den ersten Pilotprojekten sollten wiederverwendbare Vorlagen für folgende Anwendungsfälle abgeleitet werden. Die Vorteilhaftigkeit der Cloud-Migration der bestehenden Applikationslandschaft sollte schrittweise und auf Applikationsebene geprüft werden. Insbesondere ist es für das Gelingen wichtig, dass Mitarbeiter die erforderlichen Informationen und Kenntnisse erlangen, um entscheiden zu können, ob CC im jeweiligen Fall vorteilhaft ist.
Zusammenfassung
  • Continental ist ein globaler Konzern mit ca. 3400 IT-Mitarbeitern.
  • Cloud Computing bildet die technologische Grundlage für das Wachstumsfeld digitaler Innovationen.
  • Die Nutzung der Cloud-Computing-Delivery-Modelle Infrastructure-as-a-Service (IaaS) und Platform-as-a-Service (PaaS) wird durch drei Handlungsempfehlungen unterstützt.
Kernthesen
  • Der erfolgreichen Nutzung von Cloud-Computing gehen die Phasen des Experimentierens und Professionalisierens voraus.
  • Während das Experimentieren und Professionalisieren maßgeblich durch die IT betrieben wird, benötigt das Nutzen die Mitwirkung der gesamten Organisation.
  • Unternehmensinterne Cloud Consultants können den Wissenstransfer in die Organisation hinein erheblich erleichtern.
Handlungsempfehlungen
  • Definieren Sie eine Delivery-Modell-spezifische Cloud-Computing-Strategie.
  • Erstellen Sie wiederverwendbare Vorlagen für folgende Anwendungsfälle aus den ersten CC-Pilotprojekten.
  • Fördern Sie den Wissenstransfer über CC im Unternehmen.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
3.
Zurück zum Zitat Loebbecke, C., Thomas, B., & Ullrich, T. (2012). Assessing Cloud Readiness at Continental AG. MIS Quarterly Executive, 11, 11–23. Loebbecke, C., Thomas, B., & Ullrich, T. (2012). Assessing Cloud Readiness at Continental AG. MIS Quarterly Executive, 11, 11–23.
Metadaten
Titel
Cloud-Computing-Nutzung bei der Continental AG
verfasst von
Frederik Wulf
Prof. Dr. Markus Westner
Maximilian Schön
Prof. Dr. Susanne Strahringer
Prof. Dr. Claudia Loebbecke, M. B. A.
Publikationsdatum
01.06.2021
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Wirtschaftsinformatik & Management / Ausgabe 4/2021
Print ISSN: 1867-5905
Elektronische ISSN: 1867-5913
DOI
https://doi.org/10.1365/s35764-021-00342-x

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