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07.06.2022 | Cloud Computing | Interview | Online-Artikel

"Eine Cloud bietet Instituten eine Reihe von Vorzügen"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

6 Min. Lesedauer

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Die Finanzbranche ist seit geraumer Zeit damit beschäftigt, die Vorteile von Clouds zu nutzen, um schneller und flexibler zu agieren. Das gilt vor allem im Bereich standardisierter Software. Auf welche Projekte sich die Banken aktuell konzentrieren, erläutert Experte Christian Tölkes im Interview.

Springer Professional: Laut Ihrer aktuellen Studie plant das Gros der rund 150 befragten Banken, mehr als die Hälfte ihres sogenannten Mainframe Workloads in die Cloud zu verlagern, um sich stärker von Altsystemen zu lösen. Bei fast jedem vierten Geldhaus sollen sogar drei Viertel in die Datenwolke wandern. Um welche Funktionen und Prozesse geht es dabei vor allem?

Christian Tölkes: Mainframe-Systeme kommen vor allem für transaktionale bankfachliche Kernprozesse zum Einsatz, also zum Beispiel für Giro-, Spar- oder Kreditprodukte, aber auch für den Zahlungsverkehr. Einige Häuser betreiben nach wie vor auch dispositive Systeme auf Mainframe-Plattformen - insbesondere für das Reporting. Die Kunden- und Benutzerschnittstelle hingegen haben die meisten inzwischen vom Mainframe auf offene Systeme migriert beziehungsweise nie dort betrieben. 

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Was bedeutet das konkret?

Vereinfacht kann man sagen, dass überall dort, wo Standardsoftware vorhanden und mit geringen Anpassungen einsetzbar ist, der Umstieg umgehend erfolgt. Das gilt etwa für das nicht-bankfachlichen Umfeld, wie HR, Einkauf oder für das Front Office. Perspektivisch verbleibt dann die Herausforderung der Migration des eigenentwickelten Bankenkerns von der Mainframe-Plattform. 

Welche praktischen und monetären Vorteile versprechen sich die Finanzunternehmen von diesen Projekten?

Mainframe-Systeme sind besonders ausfallsicher, auf hohe Transaktionslasten ausgelegt und ihr Betrieb über Jahrzehnte erprobt und professionalisiert. Auch moderne Entwicklungs- und Betriebsansätze wie Agile Development und DevOps sind entgegen landläufiger Meinung problemlos möglich. Stückkostennachteile gegenüber anderen Plattformen kompensiert der Mainframe unter anderem durch sehr effizientes zentrales Ressourcenmanagement. Das führt dazu, dass der Umstieg häufig in den Gesamt-IT-Kosten nicht einfach darstellbar ist, da auch die erheblichen Einmalkosten für die Ablösung berücksichtigt werden. Die Treiber für den Umstieg sind daher eher strategischer Natur. 

Können Sie das im Detail erklären?

Erstens: Die in der Regel auf dem Mainframe eingesetzten Programme sind typischerweise Eigenentwicklungen und bereits vor Jahren in mittlerweile nicht mehr gängigen Programmiersprachen (COBOL, PL/1, Assembler) geschrieben, die unter Nachwuchsprogrammierern keine hohe Attraktivität genießen. Hieraus resultiert ein erhebliches operatives Risiko. Denn die Anwendungen müssen weiterhin gewartet werden, unter anderem um Anforderungen seitens der Regulatorik und Sicherheit dauerhaft zu entsprechen. 

Zweitens: Viele Kunden wollen eine Alternative zum Monopolisten im Markt aufbauen, um ihre Verhandlungsposition zu verbessern und in ihren Technologieentscheidungen unabhängiger zu werden. 

Drittens: Die Mainframe-Plattform nimmt innerhalb der IT-Einheiten aufgrund ihrer technologischen und prozessualen Besonderheiten häufig eine Sonderstellung ein, die ein übergreifendes Management von Technologie und Personal erschwert. 

Obwohl die Umstellung auf eine Cloud den Instituten eine Reihe von Vorzügen bietet, lassen sich manche Häuser mit der Migration bis zu fünf Jahre Zeit, ergab die Umfrage. Warum hat die Branche nicht früher begonnen, neben dem Online Banking oder mobilen Services zur Kundeninteraktion auch Bereiche wie Kundendaten, Zahlungsverkehr oder Compliance in die Cloud auszulagern? 

Die Ablösung veralteter Eigenentwicklungen ist komplex, kostspielig und risikobehaftet. Daher haben sich bisher viele Institute vor der Umsetzung gescheut. Wie angesprochen haben auch viele dieser Projekte einen schwierigen und spät einsetzenden Return on Investment, kurz RoI, gegen die reinen IT-Kosten. Mittlerweile hat sich jedoch eine Reihe von Ansätzen am Markt gerade im Umfeld der Public-Cloud-Anbieter etabliert, die zum Beispiel die Ausführung von COBOL-Code auf Cloud-Plattformen erlauben oder diesen sogar automatisiert in gängige Sprachen auf offenen Plattformen übersetzen. Hierbei gibt es nach wie vor keinen Königsweg, da die technologische und auch vertragliche Ausgangssituation der Institute in der Regel unterschiedlich ist. 

Bei der Form der Cloud entscheiden sich der Studie zufolge fast zwei Drittel für eine Public-Cloud-Lösung. 31 Prozent wollen ein hybrides System nutzen und nur sechs Prozent eine Private Cloud. Welche Faktoren spielen bei der Wahl die größte Rolle? 

Die Public Cloud bietet neben praktisch unlimitierter Rechenleistung und Speicherkapazität vorinstallierte Fähigkeiten etwa für die Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen, auch und gerade mittels KI. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Tools bereits vorhanden, die Entwicklung, Integration und Test erheblich beschleunigen. Private Clouds bieten keine nennenswerten Vorteile gegenüber einem gut gemanagten internen oder externen Infrastrukturbetrieb. Viele Häuser sind nach wie vor aus Datenschutz- oder Sicherheitsbedenken skeptisch gegenüber der Public Cloud. Diese Herausforderungen lassen sich aber in der Regel lösen. 

Beeinflussen auch etwa komplexe Eigenentwicklungen in der IT, wie sie unter anderem bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken häufiger vorkommen, die Planung von Cloud-Projekten? 

Ja, allerdings haben beide Sektoren schon vor langer Zeit zentrale IT-Dienstleister gegründet, die Entwicklung und Betrieb bankfachlicher Anwendungen als Kerngeschäft betreiben. Angesichts der Größe der Sektoren und ihrer Fokussierung primär auf das Retail- und Commercial-Segment haben sie einen erheblichen Skalenvorteil gegenüber etwa der IT privater Universalbanken. Nichtsdestotrotz gelten die oben genannten strategischen Treiber für die Cloud-Nutzung auch für diese Häuser, die bei entsprechender Planung und strategischer Fortschreibung der IT-Architektur auch für komplexe Eigenentwicklungen gelingt.

Ein großes Problem für die Umsetzung liegt auch in der Rekrutierung von IT-Fachkräften mit entsprechender Bankexpertise. Wie gestalten die Institute ihre Talentsuche in der Praxis und was könnten sie im Hinblick auf das Halten und Weiterbilden von Know-how im Unternehmen besser machen?

In der Tat ist die Kombination aus bankfachlichem Verständnis und Cloud-Kenntnissen ein absoluter Hot Skill, der gerade am üblichen Standort Frankfurt hart umkämpft ist. Als eine Erfahrung aus der Pandemie bieten viele Institute nun weitreichende Homeoffice-Verträge an, um auch Mitarbeiter aus anderen Standorten anziehen zu können. Als vorteilhaft haben sich strategische Partnerschaften mit externen Dienstleistern erwiesen, die neben der Unterstützung der Projekte auch die Belegschaft in den neuen Technologien und Methoden schulen. Damit leisten sie auch einen generellen Beitrag zur digitalen Transformation des Unternehmens. 

Wo sehen Sie die deutsche Bankenbranche auf Sicht von fünf bis zehn Jahren in Sachen Cloud-Migration?

Ich denke, dass in spätestens fünf Jahren alle relevanten Marktteilnehmer Teile ihrer IT-Landschaft in der Public Cloud betreiben werden. Wir sehen heute einen klaren Trend zu Cloud First - bei jedem neuen Projekt wird erst einmal geprüft, ob es sich mit Cloud-Technologie realisieren lässt. Viele Häuser haben bereits Rahmenverträge mit Public Cloud-Dienstleister abgeschlossen und daher ein Grundinteresse, diese mit Leben zu füllen. Ob die komplette Ablösung der Altsysteme durch Public Cloud tatsächlich erfolgt, wird davon abhängen, wie resilient die Geschäftsbeziehung der Cloud-Dienstleister mit den Instituten etwa gegen geopolitische Einflüsse und datenschutzrechtliche Anforderungen ausgestaltet werden kann. Aber auch die Fähigkeit der Institute, Standards als solche zu akzeptieren und Kompromisse bei ihren fachlichen Sonderanforderungen einzugehen, wird eine Rolle spielen. Die Cloud-Dienstleister selbst investieren zurzeit stark in industriespezifische Lösungen auch und gerade für Banken, was die Adoption von Public Cloud operativ und finanziell schrittweise weiter vereinfachen wird. 

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