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05.12.2017 | Compliance | Schwerpunkt | Online-Artikel

Sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vorbeugen

verfasst von: Andrea Amerland

3:30 Min. Lesedauer

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Sie findet nicht nur auf dem Besetzungssofa von Filmboss Harvey Weinstein statt: sexuelle Belästigung. Auch viele Beschäftigte in Deutschland haben bereits entsprechende Erfahrungen am Arbeitsplatz gemacht. Was Unternehmen dagegen tun können.

"Ich wünschte, die grausamen Geschichten, die ich über Harvey Weinstein lese, seien eine seltene Erscheinung in unserer Gesellschaft. Aber das stimmt einfach nicht", sagte Model Heidi Klum dem Magazin "People". "Wir sollten nicht so naiv sein zu denken, dass solch ein Verhalten nur in Hollywood passiert", erklärte sie und hat damit offensichtlich Recht. 

Denn nicht nur der Hollywood-Filmboss Weinstein belästigte und vergewaltigte offenbar mehr als 30 Jahre lang Frauen, darunter viele bekannte US-Schauspielerinnen. Auch US-Schauspieler Kevin Spacey kommt aus den Negativschlagzeilen und den Belästigungsvorwürfen aktuell nicht heraus. Selbst der Klassikbetrieb bleibt nicht verschont. Jetzt sieht sich auch Stardirigent James Levine mit Vorwürfen konfrontiert.

Empfehlung der Redaktion

2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Umgang mit Mobbing, sexueller Belästigung und Stalking

Unbearbeitete Konflikte können zu Mobbing führen. Das Thema Mobbing ist in der Vergangenheit in der Öffentlichkeit häufig diskutiert worden. Im folgenden Kapitel wird beschrieben, welche Auswirkungen Mobbing, Stalking oder sexuelle Belästigung in Unternehmen haben und was dagegen getan werden kann. 


Selbst in deutschen Büros ist sexuelle Belästigung an der Tagesordnung. Laut der aktuellsten Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2015 (PDF) waren rund 50 Prozent der Befragten bereits davon betroffen. Unter dem Hashtag #MeToo machen inzwischen Millionen von Frauen weltweit solche Belästigungen öffentlich. Bereits im Jahr 2013 hatte die Journalisten Laura Himmelreich unter #aufschrei eine Sexismusdebatte wegen des FDP-Politikers Rainer Brüderle losgetreten und dafür den Grimme-Preis erhalten.

Rechtliche Definition von sexueller Belästigung

Doch wann wird aus einem unbedachten Spruch oder einer spontanen Berührung sexuelle Belästigung? Wann wird aus Spaß Ernst? Springer-Autor Joachim H. Becker zieht im Buchkapitel "Umgang mit Mobbing, sexueller Belästigung und Stalking" auf Seite 197 die rechtliche Grenze zwischen sexueller Belästigung und sexueller Gewalt.

Zur sexuellen Belästigung zählen verbale, bildliche, schriftliche und/oder körperliche Übergriffe mit sexuellem Bezug. Sexuelle Belästigung wird häufig mit sexueller Diskriminierung und sexueller Gewalt gleichgesetzt. Auch wenn die drei Phänomene häufig gemeinsam auftreten, ist es wichtig, die Begriffe klar voneinander abzugrenzen: Sexuelle Diskriminierung meint die persönliche, geschlechtsbezogene Herabsetzung. Mit sexueller Gewalt ist dagegen Nötigung und Vergewaltigung gemeint.

Was juristisch eine sexuelle Belästigung ist, dokumentiert § 3 AGG. Demnach ist ein unerwünschtes, sexuell motiviertes Verhalten kennzeichnend. Dazu gehören

  • unerwünschte sexuelle körperliche Berührungen
  • Äußerungen sexuellen Inhalts
  • das unerwünschte Zeigen oder Anbringen von pornographischen Darstellungen
  • bereits das dichte Herantreten an eine Kollegin und der Blick in das Dekolleté

In § 12 Abs. 3 des AGG sind zudem die arbeitsrechtlichen Maßnahmen definiert, die Arbeitgeber im Fall der Fälle ergreifen können. Dazu gehören neben der Abmahnung, die Umsetzung, die Versetzung oder die Kündigung. 

Schutz vor sexueller Belästigung im Betrieb


Grundsätzlich sind Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, die Belegschaft vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen. Darunter fallen nicht nur Präventionsmaßnahmen, sondern auch, Übergriffe gezielt zu ahnden, betont Joachim H. Becker auf Seite 198.

Was Betriebsräte und Arbeitgeber gegen sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz tun können, haben jetzt zwei Wissenschaftlerinnen in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung auf Basis von 120 betrieblichen Vereinbarungen aus dem öffentlichen Dienst, der Industrie und dem Dienstleistungssektor ermittelt. Wichtig sind laut Sabine Oertelt-Prigione, Professorin für Gendermedizin an der Universität Nijmegen, und Sabine Jenner, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an der Berliner Charité, Regeln, die für Transparenz und Handlungssicherheit sorgen. 

Neben der präzisen Definition von sexueller Belästigung, die Unternehmen am besten aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz übernehmen sollten, sind konkrete Verhaltenskodizes für alle Arbeitnehmer unabdingbar – auch für diejenigen, die ein Fehlverhalten bemerken. Allgemeine Verhaltensgrundsätze fanden sich immerhin in rund der Hälfte (45 Prozent ) der ausgewerteten Unternehmensrichtlinien.

Mit betrieblichen Vereinbarungen gegen sexuelle Belästigung

Als weitere vorbeugende Maßnahmen empfehlen die Forscherinnen, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Handlungsmöglichkeiten transparent zu kommunizieren. Dazu zählen das Wissen um das Beschwerdeverfahren und die Ansprechpartner für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, aber auch arbeitsrechtliche Sanktionen, die in der betrieblichen Vereinbarung dokumentiert sind. 

Last but not least kommt Führungskräften bei diesem Thema eine Vorbildfunktion zu, sind sich Becker, Oertelt-Prigione und Jenner einig. Vorfälle im Unternehmen sollten mit Führungskräften besprochen werden, rät Becker. Dass jede Form von Mobbing, Diskriminierung und sexueller Belästigung untersagt ist, müsse fester Bestandteil jedes Unternehmensleitbildes sein.

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