Angenommen, ein mittelständischer Betrieb möchte auf seinem Gelände eine neue Fabrikhalle bauen, aber die zuständige Gemeinde zögert mit der Baugenehmigung. Angenommen, der Betrieb lässt seine jährliche Spende für soziale Zwecke nun auf Rat eines Unternehmensberaters dem kommunalen Kindergarten zukommen. Für einen Erweiterungsbau. Dann haben doch beide Seiten was davon, oder? Der Grad zwischen Handlungen, die strafrechtlich als Korruption behandelt werden und den als Win-Win-Deals unter Freunden wahrgenommenen Vergünstigungen ist schmal. Großkonzerne wissen um die Risiken und Schäden von Korruption bescheid. Sie setzen auf Präventionsprogramme, Leitlinien, Schulungen und externe Ansprechpartner. Kleine und mittlere Unternehmen versucht ein Workshop mit Fallbeispielen wie diesem für das Thema zu sensibilisieren.
Wo jeder jeden kennt, wird nicht geschmiert
Das Problembewusstsein für Korruption wird offenbar umso geringer, je kompakter die Belegschaft. Geschäftsführende von KMU argumentieren ihre eigene Korruptionsanfälligkeit gerne klein. Wo Chefs und Beschäftigte sich noch persönlich kennen, wird Korruption als Nebenbaustelle abgehandelt, weiß Springer-Autorin Tanja Rabl. Die Professorin an der Technischen Universität Kaiserslautern hat mit Forscherinnen des Lehrstuhls für Personalmanagement, Führung und Organisation einen Sensibilisierungsworkshop zur Korruptionsprävention in KMU erarbeitet. Der Workshop wurde konzipiert auf Grundlage der Ergebnisse einer quantitativen Befragung von 349 Managerinnen und Managern von KMU. Aufwändig, teuer und komplex sind die Ausreden gegen Antikorruptionsmaßnahmen, gute Gründe sich damit zu beschäftigen fielen den Studienteilnehmern auch ein (Seite 102):
- der Druck durch wichtige Stakeholder, den Gesetzgeber und die Öffentlichkeit
- die eigene Überzeugung über ausreichend Kenntnisse zu verfügen, um Präventionsmaßnahmen selbst durchführen zu können
- die Sicherheit, Antikorruptionsmaßnahmen mit den nötigen finanziellen, zeitlichen und personellen Ressourcen ausstatten zu können
- die persönliche moralische Verpflichtung
- das Gefühl für die Wahrscheinlichkeit von korruptem Handeln in den eigenen Reihen
Was gegen Korruption hilft
Der anderthalbtägige Sensibilsierungsworkshop adressiert diese positiven und handlungstreibenden Einflussfaktoren. Wie Unternehmen Antikorruption außerdem angehen können, erklärt die von den Wissenschaftlerinnen in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband für mittelständische Wirtschaft (BmW) herausgegebene Broschüre "Herausforderung Korruptionsprävention in KMU meistern". Sie zeigt die Motive und Konsequenzen für korrupte Akteure und ihre Unternehmen und hilft ein Maßnahmenpaket zu erstellen, das zum Unternehmensprofil passt. Eine allgemeingültig Empfehlung oder eine Blaupause könne es nicht geben, stellt Tanja Rabl klar. Mit Blick auf Personal und Kosten rät sie dazu, bereits bestehende Kontrollmechanismen und Prozesse mit Blick auf eine zusätzliche Nutzung zur Korruptionsprävention zu überprüfen. Faktoren, die Mitarbeiter dazu bringen, Korruptionsprävention zu unterstützen und zu fördern sind:
- eine ethische Unternehmenskultur
- Vorbildfunktion von Führungskräften, Kolleginnen und Kollegen
- Wahrnehmung des Präventionsprogramms als sinnvoll, effektiv und unterstützend
- Kenntnis über Erwartungen an das eigene Verhalten
- Hohe Entdeckungswahrscheinlichkeit und damit einhergehend hohe Sanktionen und Sanktionswahrscheinlichkeit
Weder der Königsweg noch die Resignation sind für Springer-Autor Dominik Bräuer geeignete Instrumente der Korruptionsprävention: "Organisationen müssen sich, besonders auch im Hinblick auf die Korruptionsprävention, kontinuierlich verändern, um konkurrenzfähig zu bleiben. Nur durch die Anpassung an die sich verändernden Umweltbedingungen kann eine moderne Organisation produktiv und wirtschaftlich sein und ihre Organisationsziele langfristig erreichen." (Seite 14)