Industrie 4.0 in der Produktion heißt vor allem: Mehr Flexibilität! Das zeigte bereits die Studie des Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) "Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0". Flexibilität ist demnach ein Schlüsselfaktor für die Produktionsarbeit in Deutschland und wird in Zukunft noch kurzfristiger als heute. Die Flexibilität muss in Zukunft zielgerichtet und systematisch organisiert werden. Und damit verändern sich natürlich auch die Anforderungen an das Controlling.
In dem Buchkapitel "Controlling in einer "Industrie 4.0" – Neue Möglichkeiten und neue Grenzen für die Steuerung von Unternehmen" zeigen die Springer-Autoren Robert Obermaier und Markus Grottke, dass auf das Controlling einerseits neue Herausforderungen zukommen. Andererseits bieten sich auch neue Potenziale (Seite 142): "Neue technologische Möglichkeiten, die derzeit unter dem Schlagwort einer "Industrie 4.0" diskutiert werden, bieten für Unternehmen eine Vielzahl betriebswirtschaftlicher Gestaltungsoptionen. Für das Controlling ergeben sich daraus Herausforderungen, mit diesen technologisch induzierten Änderungen umzugehen, aber auch Ansatzpunkte für eine Veränderung des Controllings und der Controller selbst."
Kennzahlensysteme müssen angepasst werden
In vielen produzierenden Unternehmen haben sich verschiedene Abläufe über die Jahre etabliert und bewährt. Das trifft auch auf das Controlling zu. Bestimmte Instrumente kamen zum Einsatz und lieferten die Daten, die benötigt wurden. Doch mit Industrie 4.0 muss auch das Controlling umdenken. Welche Instrumente bieten sich an? In dem Beitrag "Produktion 4.0 mit den richtigen Kennzahlen steuern" empfehlen Jan A. Kempkes, Francesco Suprano und Professor Andreas Wömpener (Seite 56): "Um die veränderten Anforderungen an die Produktionssteuerung adäquat umzusetzen, bieten sich insbesondere ausgewogene Kennzahlensysteme an, wie etwa die Balanced Scorecard (BSC). Sie kann an die Industrie-4.0-spezifischen Charakteristiken und Anforderungen angepasst werden, insbesondere auch im Hinblick auf flexibilitätsbezogene Kennzahlen."
Balanced Sorecard für die Produktion 4.0 entwickeln
Wie die klassische Balanced Scorecard (BSC) für Industrie 4.0 weiterentwickelt werden kann, erklären die Autoren detailliert. Sie stellen eine neu entwickelte Produktion-4.0-Scorecard vor, die relevante produktionsbezogene Flexibilitätskennzahlen berücksichtigt. Aus ihrer Sicht ergeben sich dabei folgende vier Perspektiven:
- eine Produktionsprogramm-,
- eine Produktionsprozess-,
- eine Produktionsfaktor- und
- eine Finanzperspektive.
Sie raten Unternehmen (Seite 59): "Fokussieren Sie sich bei der Ausgestaltung Ihrer Produktion-4.0-Scorecard auf die für Ihr Unternehmen aussagekräftigsten Kennzahlen. Die jeweiligen Perspektiven sollten dabei nicht mehr als acht Kennzahlen umfassen." Jedoch gibt es keine Standardlösung, welche Perspektiven durch Kennzahlen abgebildet werden. Jedes Unternehmen muss ermitteln, was für den eigenen Betrieb relevant ist.
Kennzahlen für das Produktionscontrolling
Mögliche Flexibilitätsdimensionen und exemplarische Kennzahlen stellen die Autoren in folgender Tabelle vor (Seite 59):
Flexibilitätsdimensionen | exemplarische Kennzahlen |
Anlagen | einsetzbare Werkzeuge pro Anlage Quote der CAD/CRM-kompatiblen Anlagen |
Bearbeitung | Anzahl fertigungstechnischer Eigenschaften pro Werkstoff bzw. Produktteil |
Expansion | durchschnittliche Dauer der Personalakquise prozentuale Flächenreserve |
Markt | erforderliche Anlaufzeit Quote der vom Markt beeinflussbaren Produktionsschritte Reaktionszeit der Produktionsprogrammplanung auf Kundenaufträge |
Materialbereitstellung | kritische Bereitstellungszeit |
Produkt | durchschnittliche Achsenanzahl der Roboter Anteil der Produktteile mit multiplen Verwendungsmöglichkeiten |
Produktion | Anzahl der vom bestehenden Fertigungssystem herstellbaren Produktvarianten |
Programm | Anteil automatisierter Wartungsprozesse durchschnittliche vollautonome Produktionszeit |
Prozess | Anzahl der bearbeitbaren Produktvarianten pro Anlage |
Routing | Anzahl unterschiedlicher Produktionspfade für die Herstellung eines Produktes |
Volumen | durchschnittlicher Zeitaufwand der Personalplanung Überstunden pro Mitarbeiter Sensitivität des Produktionsprogramms auf Planmengenabweichungen Break-Even-Menge |
Produktion 4.0 heißt vor allem: Flexibilität
Im Zusammenhang mit Industrie 4.0 wird häufig nicht mehr von "Produktion" sondern von "Smart Factory" gesprochen. Das Controlling kann einen wertvollen Beitrag liefern, damit sich die Produktionsprozesse entsprechend entwickeln können. Die Autoren verdeutlichen, dass es insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Individualisierung der Nachfrage und der erhöhten Segmentierung der Absatzmärkte erforderlich ist, die Flexibilisierung in der Fertigung zu stärken und Flexibilität als Steuergröße zu integrieren. Ihrer Ansicht nach ist die Produktion-4.0-Scorecard ein adäquates Instrument, das die Flexibilität nicht nur als Ziel-, sondern auch als Potenzialgröße berücksichtigt.
Fazit: Flexibilität ist ein entscheidender Faktor um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das muss auch das Controlling abbilden und die eingesetzten Instrumente und Kennzahlensysteme entsprechend ausrichten.