Die Zeiten für Unternehmensgründer scheinen gut zu sein. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom würden 95 Prozent der befragten Gründer wieder ein Start-up an den Markt bringen. Viele Arbeitsplätze konnten geschaffen werden und 77 Prozent wollen weitere Mitarbeiter einstellen. Das Thema Finanzen ist jedoch wichtig: Laut der Umfrage brauchen
- sieben von zehn Start-ups für die kommenden zwei Jahre frisches Kapital;
- 85 Prozent sind zuversichtlich, die benötigten Finanzspritzen –durchschnittlich 2,5 Millionen Euro – auch zu bekommen.
- Im Hinblick auf die Venture-Capital-Szene bevorzugen 78 Prozent Investoren, die auch über Branchenexpertise verfügen.
- Nur 19 Prozent würden das Geld unabhängig vom Background des Investors nehmen.
Diese klaren Vorstellungen junger Gründerunternehmen stimmen durchaus positiv. Doch wie gehen Start-ups generell mit ihren Finanzen um? Nur, wer über entsprechende Kennzahlen verfügt, kann auch beispielsweise seinen laufenden Kapitalbedarf für das eigene Geschäftsmodell solide ermitteln.
In vielen jungen Unternehmen gibt es jedoch noch kein klassisches Controlling. Und wenn doch eine Finanzfachkraft eingestellt wird, fängt diese bei Null an. Es gibt außerdem häufig kein Buchhaltungs- oder Controllingsystem. Eine Routine ist noch nicht vorhanden. Von Alltagsfragen wie beispielsweise der Organisation einer Belegablage bis zur Auswahl und Ermittlung von Kennzahlen steckt alles Organisatorische in der ersten Unternehmensphase nach Gründung meist noch in den Kinderschuhen. Dennoch sollte gerade der Finanzbereich in Start-up-Unternehmen professionell aufgestellt sein.
Controlling-Prozesse einführen
Dr. Marco Vietor und Ben Wagemann erläutern wichtige Fragen dazu in ihrem Beitrag "Von der Vernachlässigung des Controllings in Start-ups" in der Zeitschrift Controlling & Management Review. Sie empfehlen Start-ups beim Aufsetzen ihrer Controlling-Prozesse:
- Schwachstellen in der Buchhaltung zu vermeiden,
- Ressourcenmangel durch Pragmatismus zu ersetzen,
- die Pläne mit der Realität zu vergleichen und
- so früh wie möglich den Einsatz von Benchmarking zu planen.
Zudem sollten Start-ups dynamisch sein. Laut den beiden Autoren sind jedoch vor allem die Gründer selbst dabei das größte Problem (Seite 13):
Häufig sehen sich die Gründer eines Start-ups aber weniger als Unternehmer, sondern mehr als Visionäre. Welcher Visionär braucht schon Controlling?"
Der Druck, sich eben doch mit Controlling auseinanderzusetzen, komme nach Auffassung der Autoren dann häufig von den Investoren.
Finanzierungsbedarf muss gedeckt sein
Wie Start-ups erfolgreiche Management-Control-Systeme (MCS) entwickeln können, erörtern Martin Lycko und Matthias Mahlendorf in ihrem Zeitschriftenbeitrag. Auch sie stellen fest, wie wichtig die Finanzierung ist (Seite 27): "Viele Start-ups scheitern, weil sie nicht ausreichend finanziert sind." Die Autoren empfehlen daher, zunächst überschaubare Planungssysteme einzuführen. Denn wie sollen Investoren überzeugt werden, wenn die Gründer selbst noch keine Planzahlen vorweisen können? Die Experten stellen dar, wie bei jeder weiteren Phase, beispielsweise dem Markteintritt des Unternehmens, das Controllingsystem weiterentwickelt werden sollte. Dafür unterteilen sie die Entwicklung des Start-ups in unterschiedliche Wachstumsphasen.
Wann Fachleute für den Finanzbereich eingestellt werden sollten
Auch Christian Lüdtke beschreibt in seinem Beitrag "Pragmatisch und flexibel: Controlling in der Frühphase", dass bei der Einführung eines Controllings genau geschaut werden sollte, an welchem Punkt sich das Unternehmen gerade befindet. Seiner Meinung nach sollte zu Beginn zu viel Komplexität vermieden werden. Er empfiehlt (Seite 37): "Start-ups müssen ihr Controlling sowie die selbst entwickelten Kennzahlen-Systeme auf ihre Bedürfnisse abstimmen und zwischen Finanz-Controlling und operativem Controlling unterscheiden."
Lüdtke beschreibt, dass es nach etwa ein oder zwei Jahren, wenn das Unternehmen gewachsen ist und erste Strukturen gebildet hat, an der Zeit ist, auch Fachleute für den Finanzbereich zu rekrutieren. Während zuvor vor allem das operative Controlling von zentraler Bedeutung war, sollte dann auch ein Finanzcontrolling aufgebaut werden. Die Beiträge in der Zeitschrift und Controlling & Management Review verdeutlichen, wie wichtig das Controlling für eine erfolgreiche Unternehmensgründung ist – und zwar nicht erst, wenn Investoren entsprechende Kennzahlen fordern. Gründer sollten bereits frühzeitig das Controlling einsetzen, um die angepeilten Unternehmensziele nicht nur zu kontrollieren sondern auch zu optimieren.