3.1 Trennungs- und Scheidungsfolgen
Ungefähr seit der Jahrtausendwende hat sich der Fokus der Familienforschung von der Untersuchung der Scheidungsursachen auf die Analyse von Scheidungsfolgen verschoben (Hill und Kopp
2015, S. 221). Eine zentrale Erkenntnis der Scheidungsfolgenforschung ist dabei die folgende: „Je höher der Institutionalisierungsgrad [der Beziehung], desto schwerwiegender sind in der Regel die ökonomischen Konsequenzen und die psychischen Beeinträchtigungen nach einer Trennung und umso schwieriger gestaltet sich der Prozess der Ablösung vom Ex-Partner.“ (Peuckert
2019, S. 282)
In Bezug auf die materiellen Trennungs- und Scheidungsfolgen, die in der soziologischen Forschung bislang am intensivsten erforscht wurden (Kopp et al.
2010, S. 166), ist festzuhalten, dass eine Trennung im Regelfall für beide Ex-Partner*innen mit finanziellen Verlusten einhergeht: Bei gemeinsamer Haushaltsführung werden vormalige Einsparnisse obsolet und die Aufteilung der gemeinsamen Besitztümer macht nicht nur Neuanschaffungen erforderlich, sondern auch zumindest für eine Partner*in den Umzug in eine andere, meist kleinere Wohnung – oder den Verkauf der ehemals gemeinsamen Wohnung unter Wert (Weiss
1980). Hinzu kommen Einkommenseinbußen, die Frauen besonders treffen (Andreß
2003; Bröckel und Andreß
2015). Seit der Jahrtausendwende hat auch die Abhängigkeit Geschiedener von staatlichen Transfers zugenommen (ebd.). Mit den materiellen Verlusten steigen zugleich die psychosozialen Belastungen (Kopp et al.
2010, S. 179), was möglicherweise auf einen Statusverlust zurückzuführen ist: Infolge einer Scheidung beispielsweise zur Arbeitslosengeldempfängerin zu werden, kann als Stigmatisierung empfunden werden (Lenz
2006, S. 140).
Darüber hinaus identifizieren verschiedene Studien eine Reihe sozialer Belastungen. Dazu gehören anhaltende Konflikte mit der Ex-Partner*in, etwa um Sorgerechts- und Unterhaltsstreitigkeiten. Doch dabei bleibt es nicht: Im Vergleich zu Müttern verschlechtert sich bei Vätern der Kontakt zu den Kindern sehr viel stärker (Amato
2014, S. 10). Zudem halten ehemals gemeinsame Freund*innen und Bekannte je nach Loyalität den Kontakt zu nur einer Person und brechen ihn zur anderen Person ab. Außerdem nimmt der Kontakt von Getrennten zu Paaren ab (ebd.). All dies kann Vereinsamungsgefühle begünstigen und sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken.
Hinsichtlich der psychischen und physischen Gesundheit zeigt sich, dass beide Partner*innen – also auch die Person, die die Trennung initiierte – über mehrere Jahre hinweg durchschnittlich stärker durch Versagensgefühle, Selbstzweifel, Schuld‑, Reue- und Hassgefühle oder Depressivität belastet sind als Verheiratete (ebd.; Beelmann
1994, S. 56 ff.; Werneck
2004). Diese psychischen Belastungen scheinen wiederum negative Effekte auf das Immunsystem zu haben, was Geschiedene anfälliger für Krankheiten verschiedener Art macht und in der Folge vermutlich zu ihrer erhöhten Krankheits- und Sterblichkeitsrate beiträgt (Filipp und Aymanns
2018, S. 90 ff.; Werneck
2004, S. 248).
Den (psycho-)sozialen und psychischen Trennungsfolgen kommt damit eine hohe Bedeutung für das generelle Wohlbefinden zu. Um sie präziser darstellen zu können, ist ein Blick über den Tellerrand der quantitativ geprägten Familiensoziologie nötig. Erforscht wurde diese Kategorie von Trennungsfolgen bisher nämlich vornehmlich in qualitativen (z.B. Hopper
2001; Riessman
1990; Sagstetter
1989; Schöningh et al.
1991; Singly
2011; Vaughan
1988; Weiss
1980) sowie psychologisch und therapeutisch orientierten Studien (Kopp et al.
2010, S. 167).
3.2 Sinn- und Selbstkrise
Von besonderer Bedeutung ist in diesen Studien das Verständnis von Trennung als kritisches Lebensereignis (stressful life event), das – so die stresstheoretische Annahme – angesichts seiner negativen Folgen einen Stressor darstellt, aber – so die entwicklungspsychologische Perspektive – mittelfristig auch zum persönlichen Wachstum beitragen kann (vgl. Filipp und Aymanns
2018). Lebenslauftheoretisch betrachtet stellt die Trennung ein nicht-normatives Lebensereignis dar: Während normative Lebensereignisse wie der Schul- oder Renteneintritt vorhersehbar sind, viele betreffen und, wie etwa die Heirat, generell als erwünscht gelten, treffen nicht-normative Lebensereignisse die Individuen überraschend, gelten als unerwünscht und sind nicht mit definierten Bewältigungsmustern verbunden (Schöningh et al.
1991, S. 25). Ferner stellen kritische Lebensereignisse das Weltbild der Betroffenen infrage und erschüttern deren Selbstbild und Selbstwertbezug, etwa durch den „Entzug sozialer Positionen“, den „Ausschluss aus sozialen Bindungen oder den Verlust wichtiger Bezugspersonen, die der Selbstbestätigung dienlich waren“ (Filipp und Aymanns
2018, S. 62). Schließlich wirken sie sich potenziell negativ auf die sogenannte Zielrelevanz aus, insofern sie Handlungs- oder gar Lebensziele durchkreuzen, was sich wiederum negativ auf die Selbstdefinition auswirken kann (ebd., S. 56 ff.). Verschiedene qualitative Studien, darunter die eigene (Eckert et al.
2019), zeigen, was dies für Getrennte konkret bedeutet.
Berger und Kellner (
1965) haben argumentiert, dass in Ehen – zeitgemäßer formuliert: in Paarbeziehungen – gemeinsam Wirklichkeit konstruiert wird. Trennungen lassen sich dementsprechend als umgekehrter Prozess verstehen: Der gemeinsame „nomos“ wird sukzessive aufgelöst und muss durch neue Weltsichten und Alltagsroutinen ersetzt werden (Singly
2011; Vaughan
1988; Weiss
1980; vgl. auch Herzer
2006). Dies kann zunächst zu einer Sinnkrise führen, die sich an der Deutung des Beziehungsscheiterns entzündet: Die Betroffenen fragen sich, wie es dazu kommen konnte. Dies gilt nicht nur für die verlassene Person, die mitunter von der Trennung überrascht wird, sondern trotz ihres Wissensvorsprungs (vgl. Vaughan
1988, S. 187 ff.) auch für die sich trennende Person. Obwohl sie unzufrieden war, kann sie die Gründe ihrer Unzufriedenheit nicht immer in Worte fassen. Für beide Ex-Partner*innen stellt sich daher die Aufgabe, eine Definition für die ungewisse Situation zu erarbeiten, was eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, wie z.B. Robert Weiss in seiner Studie beobachtete:
Gewöhnlich beschäftigen die Ereignisse, die zum Zusammenbruch geführt haben, die Gedanken der beiden getrennt lebenden Ehepartner noch Monate nach der Auflösung der Ehe. Wieder und wieder gehen sie in Gedanken durch, was schiefgegangen ist, rechtfertigen oder bedauern ihr Verhalten, wägen immer wieder ihre eigenen Worte und die des Ehepartners gegeneinander ab. […] Ganz allmählich kommen sie dann mit den Ereignissen ihrer Ehe ins reine. (Weiss
1980, S. 38 f.)
Im Zuge dieser Infragestellung des Weltbilds wird auch das Selbst infrage gestellt (vgl. z.B. Hopper
2001). Mit Blick auf Berger und Kellners Analyse (
1965) liegt dies daran, dass in Beziehungen auch Identitäten ausgebildet und stabilisiert werden. Eine Trennung bedeutet die Umkehrung auch dieses Prozesses: „Um auseinandergehen zu können, müssen die beiden Partner nicht nur ihren materiellen Besitz, sondern auch ihre Identitäten entflechten.“ (Vaughan
1988, S. 13) Wie de Singly (
2011) zeigt, fällt diese Neudefinition der eigenen Person umso schwerer, je stärker die paarbezogenen, gemeinschaftlichen Anteile an der Identität ausgeprägt waren. Je mehr die eigene Identität hingegen durch beziehungsunabhängige Ich-Autonomie bestimmt wird, desto einfacher gestaltet sich die Trennung. Hinzu kommt in allen Fällen, dass die Ex-Partner*in als identitätsstabilisierende signifikante Andere wegbricht (Sagstetter
1989; Vaughan
1988). Die Entwicklung einer „nachehelichen“ Identität sowie deren interaktive Abstützung stellt daher eine zentrale Herausforderung dar (Weiss
1980).
Damit ist die durch Trennungen ausgelöste Identitätskrise aber noch nicht vollständig beschrieben. Vielmehr wird das Beziehungsscheitern auch als Scheitern des Selbst hinsichtlich gehegter oder antizipierter Erwartungen wahrgenommen:
Because personal relationships are almost universally viewed in success/failure terms, any party to a terminated or even a spoiled relationship is tarred by failure and – even more than the widowed or the orphaned – regarded as somehow odd, deficient, or deviant. (McCall
1982, S. 219; ähnlich Gerstel
1987, S. 173)
Dies gilt auch in Zeiten der eingangs angesprochenen öffentlichen Normalisierung, Entproblematisierung und Entstigmatisierung von Trennung und Scheidung, die im Privaten allerdings (noch?) nicht vollzogen sind. Nach wie vor gilt in großen Teilen der Bevölkerung eine feste Beziehung oder Ehe im Erwachsenenalter als erstrebens- und aufrechterhaltenswert. Vor diesem Hintergrund erscheinen Trennungen noch immer begründungspflichtig und werfen ein negatives Licht auf die Einzelnen (vgl. Doering
2010; Hopper
2001; Zartler
2012). Diese privatisierende Zurechnung des Beziehungsscheiterns wird dadurch verstärkt, dass von wenigen Ausnahmen abgesehen kaum institutionalisierte und leicht zugängliche Übergangsrituale und -skripte für die Passage von der ehelichen in die nacheheliche Beziehungsphase bzw. von der Beziehung in die Zeit danach existieren (Arosio
2016; Riessman
1990, S. 161 ff.).
5 Damit einhergehend stehen kaum positiv besetzte Rollen für Getrennte und Geschiedene zur Verfügung, sodass sich die Betroffenen latent in einer „gesellschaftliche[n] Ausnahmeposition“ wähnen (Sagstetter
1989, S. 118). Die durch Trennungen ausgelöste Identitätsbedrohung wird für Eltern noch dadurch gesteigert, dass die intakte Kernfamilie nach wie vor als Idealfamilie gilt, wohingegen andere Familienformen unter dem Verdacht stehen, für das Wohlergehen der Kinder schädlich zu sein (Zartler
2012).
In der Folge sieht sich die Trennungsinitiator*in typischerweise mit der Schuldfrage konfrontiert, wie ich am Beispiel von Helen Schmahl, einer unserer Interviewpartner*innen, illustrieren möchte.
6 Helen verließ ihren Mann Chris Schmahl, mit dem sie zwei Kinder hat, nach sechsjähriger Beziehung, nachdem sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte:
HS: Ich hab immer sehr, sehr hohe Ansprüche gehabt an mich und wer ich sein wollte und das war zum Beispiel eine Person, die immer ehrlich und aufrichtig ist und nicht fremd geht, eine Person, die (.) eine liebevolle, gute Mutter ist (..) und ein treuer Partner ist äh (.) halt auch im Sinne von loyal, im Sinne von aufeinander bezogen und das (..) quasi, ich hab die Erwartungen von allen an mich und von mir selber an mich enttäuscht.
7 (HS
2016)
Durch ihre Trennungsinitiative sieht Helen ihre angestrebten Identitätsfacetten als gute Mutter und gute Partnerin infrage gestellt und muss sich entsprechend wie andere Trennungsinitiator*innen mit dem realen oder imaginierten Vorwurf auseinandersetzen, egoistisch gehandelt und viel Leid verursacht zu haben (vgl. auch Doering
2010, S. 75):
HS: Ich hab auch ((schluchzend) wir haben immer uns ausgemalt, wie wir zusammen alt werden und so (...) ich hab diesen Traum aufgebaut mit ihm und hab ihn zerstört. Ich hab ihn weggenommen (.) ich hab ihm die Kinder weggenommen.) (HS
2016)
Für Verlassene rückt demgegenüber verstärkt die Scham in den Vordergrund, keine adäquate Partner*in gewesen zu sein (vgl. ebd., S. 74) – oder in den Worten von Chris Schmahl:
CS: Das Problem bei der ganzen Sache war, sie hat etwas beendet, was ich eigentlich noch für ziemlich gut hielt und äh (..) diese Traurigkeit führte dann dazu, dass ich mich gefragt habe, bin ich so ein furchtbarer Mensch, dass sie es nicht mehr mit mir aushält? Und bereit ist, all das, was wir haben, eben auch mit den Kindern, hinzuwerfen? (CS
2016)
Chris’ Kränkung, von Helen zurückgewiesen worden zu sein, wird noch dadurch verstärkt, dass er ihre neue Partnerwahl nicht nachvollziehen kann, da ihr neuer Partner ihn „unterbietet“: Während Chris selbst zum Trennungszeitpunkt 28 Jahre alt, verheirateter Familienvater und in den Endzügen seines Studiums war, war Helens neuer Partner „22, hieß Justin und wohnte bei seiner Mutter“. Dass Helen Justin trotz seines jungen Alters, seines Namens mit geringem Sozialprestige und seiner Unselbstständigkeit als Partner vorzieht, stellt für Chris eine zusätzliche Degradierung dar, die seine Selbstzweifel und Verunsicherung weiter steigern.
Insgesamt hat die Identitätskrise verschiedene Seiten, sowohl in Bezug auf die infrage gestellten Identitätsfacetten als adäquate Partner*in und gute Mutter bzw. guter Vater als auch hinsichtlich der Selbstwahrnehmung
und der Identifizierung durch andere (vgl. Sagstetter
1989), denn „[z]um Verlust an Selbstwertgefühl kommt der Verlust an Ansehen“ (Vaughan
1988, S. 172). Letzteres zeigt sich auch in den Herausforderungen bei der Gestaltung des Trennungs-„Outings“, das sorgfältig vorbereitet wird, um Freund*innen oder Familienangehörige auf die eigene Seite zu ziehen (Gerstel
1987, S. 184).
Identitätsentwürfe zeichnen sich ferner dadurch aus, dass sie in die Zukunft projiziert werden. Eine trennungsinduzierte Identitätskrise lässt Pläne obsolet werden und stellt die Betroffenen vor die Aufgabe, Alternativen zu entwerfen, ihr Leben neu zu konzipieren (vgl. Singly
2011) und alltagspraktisch neu zu organisieren (vgl. Lenz
2006, S. 137; Weiss
1980, S. 370 ff.). Für Chris Schmahl beispielsweise stellt sich die Aufgabe, es Helen im „Entlieben“ gleich zu tun, mit ihr einen freundschaftlichen, respektvollen Umgang zu finden, sich selbst neu zu verlieben und die angestrebte neue Partnerschaft mit der Erziehung der Kinder vereinbaren zu können. Für eine Interviewpartnerin Mitte 50 stellen sich nach dem Ende einer 35-jährigen Beziehung die drei „Kernfragen“ „wer bin ich, wo will ich hin und mit wem?“ (NU
2017), die sie der Reihe nach klären will. Eine andere Interviewpartnerin, Ende 30, sieht ihren zentralen Wunsch nach einer Familiengründung außer Reichweite, nachdem sie von ihrem Verlobten verlassen wurde:
CE: Es ist klar sehr schmerzhaft, jetzt fang ich wieder an zu heulen ((weinen) dass ich nicht weiß, wie’s mit Partnerschaft ist, und dass ich halt nicht mehr so jung bin. Das war halt irgendwie schon mein erster Gedanke, dass ich dachte, das nach all der Zeit, das war schon das Gefühl, dass ich dachte, jetzt hab ich so lang gewartet, jetzt könnt’s losgehen, jetzt) war’s, also da war ich knapp acht und oder siebenunddreißig noch und so ne Verarbeitung braucht Zeit, ich bin nicht jemand, der sich schnell wo anders reinstürzt, ich bin, das macht auch kein Sinn, kann man auch nicht forcieren und das ist halt das Gefühl, ich weiß nich, ((weinend) ob meine Träume noch erfüllt werden). (CE
2017)
3.3 Trennungsbewältigung
Die beschriebenen Sinn‑, Selbst- und Planungskrisen lassen sich auch als interpretative Probleme fassen, die von den getrennten Personen auf je individuelle Weise zu lösen sind (Hopper
2001). Wie zahlreiche Forschungen zur Bewältigung von Trennungen und zur Anpassung an die neue Lebenssituation zeigen, ist eine gelingende Problemlösung nicht nur von verfügbaren Ressourcen – darunter sozialer Unterstützung, auf die ich noch näher eingehen werde –, sondern auch von subjektiven Redefinitionen abhängig (Amato
2000,
2014; Arránz Becker
2015; Gray und Silver
1990; Kopp et al.
2010; Wang und Amato
2000).
Hinsichtlich des Beziehungsscheiterns geht es für die Betroffenen darum, zu verstehen, wie es zur Trennung kam, und das komplexe Geschehen in eine für sie sinnhafte und in der Regel zeitlich linearisierte Gestalt zu bringen, die es ihnen erlaubt, Kontrolle zurückzugewinnen und die Trennung als abgeschlossenen Teil der eigenen Vergangenheit zu betrachten (Weiss
1980). Wer sich und anderen die Trennung erklären kann, fühlt sich weniger belastet, wobei zu gelten scheint: „Je mehr subjektive Ursachen insgesamt genannt werden, desto geringer fällt die Belastung nach der Trennung aus“ (Kopp et al.
2010, S. 183). Auch die Art und Weise der Ursachenzuschreibung ist bewältigungsrelevant, wie Studien zeigen, die mit Varianten der Attributionstheorie
8 (Grych und Fincham
1992) oder mit dem Account-Konzept
9 (Hopper
2001) arbeiten. Entgegen der attributionstheoretischen Erwartung, dass sich eine Externalisierung der Trennungsverantwortung positiv auswirkt, zeigt sich, dass eine reine Opferrolle die Anpassungsfähigkeit beeinträchtigt (Amato und Previti
2003; Gray und Silver
1990) – genauso wie das Fehlen einer Erklärung: „Having a sense of being a victim and having no explanation for the event may contribute to a focus on the past that may interfere with the ability to move forward with one’s life“ (Gray und Silver
1990, S. 1189). Am besten gelingt die Anpassung denjenigen, die gewisse Handlungsspielräume hinsichtlich einer Kontrollmöglichkeit über das Geschehen bei sich selbst sehen und die Trennungsursache in der Beziehung, insbesondere in der Nicht-Passung der beiden Partner*innen, verorten. Dadurch erscheint ihnen die Trennung retrospektiv unvermeidbar (Amato und Previti
2003, S. 620; Kopp et al.
2010, S. 183; vgl. auch Grych und Fincham
1992).
Für eine solche Ursachenzuschreibung stellt das tatsächliche Beziehungs- und Trennungsgeschehen zwar den Ausgangsstoff dar. Allerdings bestehen einige interpretative Freiheiten, bestimmte Situationen zu dramatisieren und andere auszusparen (Weiss
1980, S. 39) sowie bestimmte Rollen zu konstruieren (Hopper
2001). Im Ergebnis werden Trennungsgeschichten in einer „biased and ego-enhancing fashion“ (Gray und Silver
1990, S. 1180) erzählt. Accounts stellen daher stets auch „face-saving devices“ (Riessman
1990, S. 14) dar, die Schuld abwenden, ihre Erzähler*in im Diesseits der moralischen Ordnung situieren und der Ex-Partner*in die Rolle der Bösen zuschreiben. Dies ist insofern wichtig, als die Trennungsbewältigung auch eine erfolgreiche Identitätsrekonstruktion erfordert: „Successful adjustment also requires people to develop new identities that no longer are bound up with the former marriage“ (Amato
2014, S. 11). Relevant hierbei scheint, dass neben der Vergewisserung, moralisch richtig gehandelt und sich nichts vorzuwerfen zu haben (Hopper
2001), ein konsistentes Selbst in der diskontinuierlichen Zeit des Beziehungsscheiterns konstruiert wird (Filipp und Aymanns
2018, S. 205 ff.).
Neben der erfolgreichen subjektiven Redefinition des Beziehungsscheiterns und des Selbst trägt das Vorhandensein von Ressourcen zu einer erfolgreichen Bewältigung bei, wobei an erster Stelle soziale Unterstützung zu nennen ist (vgl. Wang und Amato
2000, S. 666 f.; sowie Filipp und Aymanns
2018, S. 233 ff. in Bezug auf kritische Lebensereignisse generell). Dass Frauen häufig über bessere Unterstützungsnetzwerke verfügen als ihre Ex-Partner, kann ein Grund dafür sein, dass ihnen die Anpassung an die neue Lebenssituation in der Regel besser gelingt (Hill und Kopp
2015, S. 223). Auch eine neue Beziehung erleichtert die Trennungsbewältigung (Wang und Amato
2000, S. 666 f.). Worauf genau die positiven Effekte sozialer Beziehungen beruhen, ist allerdings noch zu klären. In der Forschung zu kritischen Lebensereignissen dominierten bislang die Analyse konkreter Unterstützungsleistungen und die Frage ihrer taxonomischen Ordnung im Sinne emotionaler, informationeller bzw. kognitiver und instrumenteller Unterstützungsformen (vgl. Filipp und Aymanns
2018, S. 261 f.).
Der dargelegte Forschungsstand zum Thema Trennungsfolgen und -bewältigung zeigt, dass nach Trennungen neben ökonomischen Problemen vor allem interpretative Probleme bewältigt werden müssen. Während das gängige familiensoziologische Theorieinstrumentarium insbesondere mit Ansätzen im Anschluss an Gary Becker ökonomische Probleme gut fassen kann (Kopp et al.
2010, S. 186), werden interpretative Probleme wenn überhaupt meist nur anhand psychologischer Konzepte gefasst. Zu letzteren gehören unter anderem stresstheoretische Ansätze (Amato
2000; Andreß
2003, S. 280 ff.; Hill und Kopp
2015, S. 222) und das Konzept der kritischen Lebensereignisse (Sagstetter
1989; Schöningh et al.
1991). Im Unterschied dazu genuin soziologischer Art, eignet sich Goffmans Cooling-out-Konzept als
integratives Instrumentarium für unterschiedlichste Verlust- und Krisenerfahrungen und damit einhergehende Bewältigungsaufgaben (vgl. auch Usera
2018). Es schärft den Blick für die vielgestaltigen interpretativen Krisen – von Sinn- über Selbst- bis hin zu Planungskrisen –, mit denen sich Ex-Partner*innen nach einer Trennung konfrontiert sehen. Wie in diesem Beitrag gezeigt wird, gilt dies zumal dann, wenn man das Konzept um weitere Ansätze aus Goffmans Werk erweitert.