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"Treten Szenarien nicht ein, bricht das Krisenmanagement zusammen"

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Interviewt wurde:
Felix Timtschenko

Felix Timtschenko ist Experte im Bereich Risikomanagement und Corporate Security sowie international tätiger Vortragsredner und Trainer.

Den Kopf in den Sand zu stecken, ist für das Management in der Corona-Krise nicht der richtige Weg. Es gilt, die Balance zwischen panischem Aktionismus und umfangreichen Szenarienkatalogen zu finden, so Experte Felix Timtschenko im Gespräch.

Viele Unternehmen haben bereits Krisenstäbe gebildet und arbeiten mit Szenarien. Was halten sie von dieser Krisenmanagement-Methode in Zeiten von Corona oder vieler anderer geopolitischer Risiken?

Um eine effiziente Krisenstabsarbeit zu leisten, muss ein Unternehmen klare Ziele definieren. Diese sind je nach Größe, Markt, geopolitischer Lage und Aufstellung unterschiedlich. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten. Alle Unternehmen wollen "back to normal“ oder im Idealfall sogar gestärkt aus einer Krise hervorgehen. Diese Zielverfolgung wird enorm erschwert, wenn der Krisenplan hunderte von Seiten mit möglichen und unmöglichen Szenarien umfasst. Im schlimmsten Fall tritt das Szenario, auf das Sie sich vorbereiten nicht ein oder es gibt eine gravierende Abweichung. Wenn diese Szenarien nicht eintreffen, droht auch das Krisenmanagement zusammenzubrechen. 

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Risikomanagement

Tritt das Unternehmen in die Sättigungsphase ein, so werden die Umsätze und Margen im härter werdenden Wettbewerb knapper. In dieser Zeit gehen nicht unerhebliche Risiken von den Unternehmenstätigkeiten aus. 

Die intelligentere Lösung ist das Denken in Prozessen und Outcome. Wie müssen Prozesse für die Krise sein, um das Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Dazu zählen zum Beispiel die Freigabe eines Budgets, die Absicherung der IT und des Know-how, Erreichbarkeiten und Alarmierung des Krisenstabes, Umgang mit unterbrochenen Lieferketten, Verlagerung der Produktion oder Standortschließungen. Diese Prozesse sind der Schlüssel zur Bewältigung der Krise, nicht einzelne Szenarien. 

In der Corona-Krise gilt es, schnell die richtigen Weichen zu stellen, um nicht in die Insolvenz zu rutschen. Was sind die wichtigsten wirtschaftlichen Risiken, um die sich Unternehmen kurzfristig kümmern müssen?

Eines der größten Risiken ist, dass Unternehmen in Zahlungsnot geraten, keinen Umsatz und Cashflow mehr haben und auf Reserven und Rücklagen zurückgreifen, um den Verbindlichkeiten nachzukommen beziehungsweise Fixkosten zu begleichen. Das schafft kurzfristig enorme Belastungen, denen oft auch große Unternehmen nicht gewachsen sind. Hier ist die Politik auf einem guten Weg mit Milliardenpaketen auch kleinere Unternehmen zu unterstützen. Ein zweites Problem, ist, dass Innovationen, Entwicklungen, neue Projekte nicht angestoßen werden, beziehungsweise auf Eis liegen, weil das Land sich im Krisenmodus befindet. Deutschland ist jedoch in hohem Maße abhängig von Innovationen und Know-how, dem Wissensvorsprung, den wir in so vielen Bereichen haben. Daran liegt sicherlich eine Gefahr für einige Wirtschaftszweige. 

Welche langfristigen wirtschaftlichen Risiken dürfen Unternehmenslenker gleichzeitig nicht aus dem Blick verlieren - etwa in Hinblick auf einen Neustart nach der Pandemie?

Einer der Schlüsselpunkte wird der Umgang mit dem Thema Personal sein. Es wäre aus meiner Sicht fatal, jetzt hochqualifizierte Fachkräfte in allen Bereichen zu entlassen, um dann nach der Krise in einen neuen Recruiting-Prozess zu starten, der zeit- und kostenintensiv ist. An dieser Stelle würden Unternehmen wertvolle Ressourcen verschwenden, die nach der Krise dringend gebraucht werden. Es gibt durchaus eine gute Chance für Unternehmen, die Themen Digitalisierung, Remote-Arbeitsplätze, Flexibilität, Agility, die schon so lange in aller Munde sind, jetzt mit Leben zu erfüllen und über Prozesse im Unternehmen neu nachzudenken, Entscheidungen zu treffen und konsequent umzusetzen. Die Erfahrung der letzten 100 Jahre hat gezeigt: Nach der Krise ist definitiv vor der Krise. Dann gilt es, diesen neuen Herausforderungen zu begegnen und sich aber jetzt darauf vorzubereiten. 

Schnell sein, transparent sein, an die Mitarbeiter denken, Risiken abwägen: Geschäftsführern verlangt die Corona-Krise einiges ab. Welche Methoden können sie anwenden, um schnell zu guten Entscheidungen zu gelangen?

Generell gibt es im Risikomanagement vereinfacht gesagt nur vier Methoden, mit Risiken umzugehen und zu fundierten Entscheidungen zu gelangen. Sie können Risiken vermeiden, minimieren, sie transferieren oder akzeptieren. Wenn Sie vor einer Entscheidung stehen, betrachten Sie diese unter den oben genannten Gesichtspunkten. Stellen Sie sich Fragen. Lassen Sie Fragen von Kollegen, Mitarbeitern und Gechäftspartnern zu, diskutieren sie offen die Möglichkeiten. Was ist das Worst-Case Scenario? Wenn das Projekt, Problem oder die Entscheidung jetzt angegangen werden muss, was kann ich mit jedem einzelnen Risiko machen? Kann ich es vermeiden und wenn ja, was wären die Konsequenzen? Gibt es Methoden, die Risiken, die ich identifiziert habe zu minimieren, wie können diese Methoden aussehen? Kann eine Versicherung oder ein Investor meine Risiken tragen? Was würde mich das kosten? Wie hoch ist das Restrisiko, welches ich bereit bin zu akzeptieren? Diese Fragestellungen helfen, bessere Entscheidungen schneller zu treffen.

Was ist mit Unternehmen, für die Krisenprävention bislang ein Fremdwort war und die von der Corona-Krise eiskalt erwischt wurden? Wie bringen solche Firmen Struktur ins Chaos, um wieder handlungsfähig zu werden? Last-Minute-Krisenmanagement sozusagen …

Ein Tipp wäre, unbedingt alle Aufgaben zu priorisieren, die auf den Tisch kommen. Es gibt wichtige Aufgaben und es gibt dringende. Wenn Unternehmen das Chaos beherrschen wollen, führt kein Weg an Priorisierung vorbei. Ein weiter Tipp wäre: Klar und deutlich zu kommunizieren. Clarity is power. Die Erfahrungen aus zahlreichen Krisen haben gezeigt, dass Mitarbeiter und Geschäftspartner bereit sind, vieles zu ertragen, wenn sie das Gefühl haben, es wird ehrlich und offen kommuniziert. Tipp Nummer drei ist: Mit gutem Beispiel vorangehen und sich selbst führen. Wenn Mitarbeiter sehen, dass Führungskräfte voran gehen, zupacken, Zuversicht verbreiten, kreative Lösungen suchen, dann sind sie bei ihnen. Vieter Tipp: Nutzen Sie die Zeit für Brainstorming, Neuausrichtung, Anpassungen der Prozesse und tun Sie dies strukturiert und zielgerichtet. Es wird eine Zeit nach dieser Krise geben und dann können Sie von den Hausaufgaben profitieren, die Sie jetzt erledigt haben.    

Alle tagesaktuellen Beiträge rund um die Corona-Krise finden Sie hier

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