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31.03.2020 | Corona-Krise | Fragen + Antworten | Online-Artikel

Insolvenzantragspflicht vorübergehend ausgesetzt

verfasst von: Dr. Alexandra Schluck-Amend

3:30 Min. Lesedauer

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Die Insolvenzantragspflicht ist vorerst bis Ende September 2020 ausgesetzt, um die Folgen der Corona-Krise abzumildern. Was das für Geschäftsführer und ihre Haftungsrisiken bedeutet, erläutert Rechtsanwältin Alexandra Schluck-Amend.

Am 27.03.2020 wurde das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVInsAG) verabschiedet. Das neue Gesetz soll die Wirtschaft vor den gravierenden Auswirkungen der Corona-Krise schützen. Eine besondere Rolle spielen dabei die Regelungen rund um die Insolvenz und die Erfüllung gegenseitiger Verträge, die für viele Unternehmen in diesen Tagen eine besondere Herausforderung darstellen. Diese sind in Art. 1 des Gesetzes enthalten.

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Wann besteht Insolvenzantragspflicht?

Geschäftsführer einer GmbH und Vorstände einer AG trifft die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn ihr Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Zuwarten können Geschäftsleiter mit der Insolvenzantragsstellung maximal bis zu drei Wochen. Kommen die Geschäftsleiter ihrer Insolvenzantragspflicht nicht nach, können sie persönlichen Haftungsrisken ausgesetzt sein und sich sogar strafbar machen.

Wann ist die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt?

Nach Inkrafttreten des COVInsAG wird die Insolvenzantragspflicht vom 01. März 2020 bis 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt für Unternehmen, die aufgrund der Folgen der Covid-19-Pandemie insolvent wurden und bei denen die Aussicht auf Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit besteht. Beides wird vermutet, wenn das Unternehmen zum 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll Unternehmen über die Schwierigkeiten hinweghelfen, dass Sanierungskonzepte angesichts der herrschenden Unsicherheit über die künftigen Entwicklungen und dem Zeithorizont kaum verlässlich ausgearbeitet werden können und Zahlungsunfähigkeit wegen Umsatzeinbrüchen eintritt.

Welche Haftungsrisiken bestehen für Geschäftsleiter?

Liegen die Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor, schützt das COVInsAG die Geschäftsführer und Vorstände insoweit als Haftungsrisiken reduziert sind. So haften Geschäftsleiter grundsätzlich für Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen ab Insolvenzreife persönlich. Ohne Haftungsrisiko dürfen Geschäftsleiter ab Insolvenzreife nur noch wenige Zahlungen leisten, wie beispielsweise die von Steuern. Das COVInsAG lockert dieses faktische Zahlungsverbot nun. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, können Geschäftsleiter ohne Haftungsrisiko leisten.

Zu Zahlungen "im ordnungsgemäßen Geschäftsgang" zählen insbesondere solche, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen. Übersetzt bedeutet dies, dass sämtliche bisher üblichen Zahlungen des Unternehmens, wie etwa Miete und Lieferantenrechnungen, in der Regel auch nach Insolvenzreife weiterhin bezahlt werden können.

Es verbleiben jedoch die darüber hinaus bestehenden Haftungsrisiken, zum Beispiel aufgrund von Verstößen gegen Kapitalschutzvorschriften, und eine Strafbarkeit sowie damit verbunden auch eine persönliche Haftung des Geschäftsleiters. Etwa, wenn er neue Verträge im Namen des Unternehmens abschließt und bereits weiß, dass es seine eigenen Leistungspflichten aus dem Vertrag nicht erfüllen können wird.

Dürfen Geschäftsleiter Zahlungen verweigern?

Die geschlossenen Verträge und damit die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen gelten grundsätzlich. Es ist nicht möglich, die Zahlung mit Verweis auf die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen zu verweigern. Anders als in einer frühen Entwurfsfassung des Gesetzes vorgesehen und von einigen Stimmen der Wirtschaft gefordert, wurde im Gesetz kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht für Schuldner verankert.

Ein Leistungsverweigerungsrecht steht nur Verbrauchern und Kleinstunternehmen für Verträge zu, die vor dem 08. März 2020 geschlossen wurden. Das Leistungsverweigerungsrecht greift, wenn Verbraucher oder Kleinstunternehmen die Leistung aufgrund der Folgen der Covid-19-Pandemie nicht erbringen können oder die Leistung die wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsbetriebs gefährden würde. Das Leistungsverweigerungsrecht gilt allerdings nicht für Miet-, Pacht- und Darlehensverträge sowie für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen.

Was müssen Geschäftsleiter nun beachten?

Geschäftsleiter sind verpflichtet, stets die Solvenz ihres Unternehmens zu überwachen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt zunächst nur bis zum 30. September 2020. Das COVInsAG sieht eine Verlängerungsmöglichkeit bis zum 31. März 2021 vor. Um sich vor Haftungsrisiken im Falle einer späteren Insolvenzeröffnung zu schützen, sollten Geschäftsleiter dokumentieren, dass ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf der Covid-19-Pandemie beruhen und dass Sanierungsaussichten bestehen. Hilfreich ist ferner die Dokumentation, dass das Unternehmen zum 31.12.2019 zahlungsfähig war. Im Zweifel sollten Geschäftsleiter Rechtsrat einholen, um verbleibende Risiken zu minimieren und die Vorgaben richtig umzusetzen.

Die Zeit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht will genutzt sein. Gelingt es während des Zeitraums nicht, eine Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung zu beseitigen, gilt es, ein Insolvenzverfahren gut zu planen und vorzubereiten. Dies ist die Voraussetzung für eine gelungene Sanierung des Unternehmens im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens nach den schwierigen Zeiten.

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