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10.11.2021 | Corporate Governance | Interview | Online-Artikel

"Mut zu verändern, ist sehr wichtig in Führungsetagen"

3:30 Min. Lesedauer

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Corporate-Governance-Systeme für internationale Konzerne unterscheiden sich je nach Land erheblich. Das prägt die Arbeit und die Interaktion der Gremien. Was einen Aufsichtsrat im globalen Umfeld auszeichnet, skizziert Expertin Julia Hansch im Gespräch.

Springer Professional: Was unterscheidet Corporate Governance für internationale Konzerne von Corporate Governance auf nationaler Ebene?

Julia Hansch: In internationalen beziehungsweise multinationalen Konzernen müssen verschiedenste Systeme unter einen Hut gebracht werden. Wenn ich zum Beispiel als deutscher Konzern in Form einer AG Tochtergesellschaften im europäischen Ausland habe, sind diese ganz anders organisiert: Während wir in Deutschland ein zweistufiges Modell mit Vorstand und Aufsichtsrat haben, gibt es in vielen europäischen Ländern ein einstufiges Modell mit dem Board of Directors, kurz BoD. Oder es gibt Mischformen. Hier muss sich das Mutterunternehmen auf viele unterschiedliche Konstellationen einlassen.

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Corporate Governance für internationale Konzerne

Die Corporate Governance Systeme der Länder in Europa und anderen wichtigen Kernregionen wie z. B. den USA sind sehr unterschiedlich. Diese Unterschiede finden sich nicht nur auf gesetzlicher Regelungsebene, sondern auch in der Interaktion miteinander.

Wie verändert sich derzeit die Corporate Governance?

Im Bereich der Corporate Governance sind aktuell drei Aspekte besonders in Bewegung: Die Zusammensetzung des BoD beziehungsweise des Aufsichtsrats oder auch allgemein der Top-Management-Teams wird unter dem Stichwort Diversity diskutiert. Neben der Gender-Perspektive werden Fragen wie mangelnde Internationalität, Ausbildung und Erfahrung, soziale Herkunft und die Altersdiversität diskutiert. Weitere, nicht minder wichtige Punkte, sind zum einen die rechtskonforme und -sichere Unternehmenskontrolle, also Compliance, und zum anderen die zunehmende Relevanz nicht-finanzieller Berichterstattung, also Stichworte wie ESG, Environmental Social Governance und NFR, Non Financial Risks.

Welche Rolle spielen Frauen in Aufsichtsräten internationaler Konzerne? 

Um es kurz zu fassen: Noch nicht die, die sie spielen könnten oder sollten. Je nach Land bewegt sich die Beteiligung von Frauen auf oberster Ebene zwischen über 40 Prozent wie in Norwegen bis unter zehn Prozent wie in Griechenland, Russland oder Brasilien. In Deutschland sind in den Unternehmen, in denen die Quote für Aufsichtsräte greift, 30 Prozent und mehr Frauen in den Gremien vertreten. Immer mehr Länder haben sich für eine Quote entschieden, darunter als einziger Staat der USA auch Kalifornien unter dem Motto "No more all male boards".

Die deutsche betriebliche Mitbestimmung durch Arbeitnehmervertreter bereitet in Weltkonzernen oft Schwierigkeiten, weil es sie in dieser Form in anderen Ländern nicht gibt. Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Konzernspitze funktionieren?

Das ist eine gute Frage und sicherlich nicht pauschal zu beantworten. Ich würde sagen, es ist von größter Wichtigkeit, das Wissen der Arbeitnehmervertreter in den Gremien zu nutzen und damit eventuelle Informationsasymmetrien innerhalb der Aufsichtsräte zu beheben. Es gibt eine Vielzahl von Studien zur deutschen Mitbestimmung, die zu unterschiedlichsten Ergebnissen im Hinblick auf die Produktivität, die Rendite oder auch die Mitarbeiterbindung kommen.

Was zeichnet einen guten Aufsichtsrat im globalen Umfeld aus?

Auch hier gibt es unterschiedlichste Meinungen: Diskutiert werden die Teamzusammensetzung, die Größe des Gremiums, wenn sie denn nicht gesetzlich geregelt ist, oder die Arbeitsweisen. Ein Faktor, der in Aufsichtsräten, Boards und generell in den Führungsetagen von Unternehmen sehr wichtig ist, ist der Mut. Mut zu verändern, Fragen zu stellen, zu hinterfragen und auch einmal Nein zu sagen. Sehr wichtig ist ganz banal auch die regelmäßige und gut vorbereitete Teilnahme an den Sitzungen. 

Die Anwesenheit des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden kann sich als wertvoll erweisen, da er das Geschäft gut kennt, Erfahrungen in der Branche hat und dort gut vernetzt ist. Andererseits mag es hier potenziell an Unabhängigkeit mangeln. Daher halte ich die Cooling-off-Periode von zwei Jahren für sehr gut. Der Vorsitzende sollte Wert auf eine offene Arbeitsatmosphäre und  Diskussionskultur legen. Zu guter Letzt halte ich eine wechselnde Besetzung von Komitees und Arbeitsgruppen für sinnvoll, um neue Perspektiven zu generieren. 

Sie haben unterschiedliche Aufsichtsräte für Ihr Buch interviewt. Gibt es ein Stimmungsbild, dass sie in wenigen Worten – vielleicht in einem Satz  - auf den Punkt bringen können?

Die Aufsichtsrätinnen stimmen dahingehend überein, dass  Aufsichtsräte heute divers zusammengesetzt sein sollten und dass die einzelnen Mitglieder sich ihrer Verantwortung bewusst sind, mutig unangenehme Fragen zu stellen, Entscheidungen zu hinterfragen und das Wohl des Unternehmens jederzeit im Blick zu haben.

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