Die Kompetenzen von Aufsichtsräten stehen immer wieder in der Kritik. Aktuell monieren Vorstände deren Know-how rund rum Künstliche Intelligenz, ergibt eine Studie. Doch das sind noch nicht alle Corporate-Governance-Baustellen.
Da gibt es noch viel Luft nach ob. Auf diese Kurzformel lassen sich die Ergebnisse der Corporate-Governance-Studie 2024 der Unternehmensberatung Kienbaum in Zusammenarbeit mit der Rechtsberatungsgesellschaft Flick Gocke Schaumburg bringen, für die 120 Aufsichtsräte und Vorstände zwischen November 2023 und Januar 2024 befragt wurden.
Demnach finden die Unternehmenschefs die KI-Kompetenzen in deutschen Aufsichtsräten zu dünn. Während sie selbst auf ihrer Ebene zu 80 Prozent KI verankert haben (fast 50 Prozent bei CIO/CTO, 40 Prozent beim CEO), beschäftigt sich der Aufsichtsrat nur in etwa einem Viertel der Unternehmen (28 Prozent) regelmäßig mit diesem zukunftsweisenden Thema.
Denn gut drei Viertel der Befragten (80 Prozent) erkennen die große Chancen, die KI Unternehmen bietet, um die Wettbewerbsposition langfristig zu stärken und etwa der Hälfte sitzt die Angst vor dem disruptiven Einfluss auf das eigene Geschäftsmodell im Nacken.
Aufsichtsräte stufen ihre KI-Fitness besser ein
Während 27 Prozent der befragten Aufsichtsräte ihrem Gremium genügend KI-Kompetenz zusprechen, sehen das nur fünf Prozent der Vorstände auch so. Selbst- und Fremdeinschätzung klaffen auch bei der Frage auseinander, wie intensiv die Auseinandersetzung mit dem Thema ist. So geben 38 Prozent der Aufsichtsräte an, Künstliche Intelligenz regelmäßig auf der Agenda zu haben, während nur sieben Prozent der Vorstände das ebenso bewerten. Dementsprechend sind auch 55 Prozent der Aufsichtsräte davon überzeugt, moderat bis stark in Themen rund um KI involviert zu sein, während nur 16 Prozent Vorstände dem zustimmen würden.
Die Berater empfehlen daher, dass Aufsichtsräte rund um KI geschult werden sollten. Außerdem raten sie dazu, die Zusammenarbeit auf Management-Ebene zu verbessern, um gemeinsam eine KI-Strategie zu entwickeln, die auch ethische Fragen zum Aufbau von Kundenvertrauen berücksichtigt.
Corporate Governance wenig divers und nachhaltig
Auch bei der Zusammensetzung der Kontrollorgane hat die Studie Verbesserungspotenzial ermittelt. So verfügen 47 Prozent der Corporate-Governance-Gremien über keine im Ausland geborenen Mitglieder, obwohl sie geschäftlich international agieren. Bei Vorständen sind es sogar 53 Prozent. Daher plädieren die Studienautoren dafür, mehr Vielfalt in Hinblick auf Herkunft, Erfahrungen und Perspektiven in Vorständen und Aufsichtsräten zu etablieren. Denn Diversity sei entscheidend für eine bessere Entscheidungsfindung sowie die Entwicklung von innovativen Lösungen.
Ebenso ist die Rolle der Aufsichtsräte bei der nachhaltigen Transformation und der Umsetzung von ESG-Anforderungen (Environmental Social Governance) laut Umfrage noch ausbaufähig. Nur eine Minderheit der Teilnehmenden gibt beispielsweise an, dass der Aufsichtsrat im eigenen Unternehmen stark in Themen rund um ESG und Nachhaltigkeit involviert ist (vier Prozent). Auch hier gibt es also noch viel Luft nach oben.