Die NPRM Connected Vehicles sieht ein Verbot von Hard- und Softwarekomponenten aus kritischen Staaten vor. Welche Auswirkungen könnten die US-Maßnahmen auf die deutsche Automobilindustrie haben?
Die US-Regierung plant, bestimmte Komponenten, die zum vernetzten und automatisierten Fahren benötigt werden und in der Volksrepublik China (und der Sonderverwaltungszone Hong Kong) sowie Russland und weiteren Ländern hergestellt werden, auf dem amerikanischen Markt zu verbieten. Ziel der Regulierung ist es, langfristig Cyber- und Sabotageangriffe auszuschließen. Dabei geht es vor allem um Hard- und Softwarekomponenten, die missbräuchlich genutzt werden könnten. In der veröffentlichten Notice of Proposed Rulemaking (NPRM) "Connected Vehicles" hat die US-Regierung ihre Vorstellungen über die Regelung konkretisiert und für Stellungnahmen freigegeben. Das geplante US-Gesetz könnte noch von der Biden-Administration umgesetzt werden.
Die Regulierung hätte aufgrund des Grades internationaler Vernetzung schwerwiegende Konsequenzen für den Exportstandort Deutschland und Europa, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) erklärt. So würden beispielsweise resultierende Hardware- und Softwarevarianten der Fahrzeuge zusätzliche Entwicklungsaufwände generieren; höhere Kosten und mögliche Verzögerungen bei der Produktion von Fahrzeugen auf dem US-Markt könnten sich nachteilig auf die Kundschaft auswirken.
Inhalte des aktuellen Gesetzesentwurfs
Der NPRM "Connected Vehicles" führt umfangreiche neue Anforderungen für Hersteller von vernetzten Fahrzeugen und von Fahrzeugkonnektivitätssystemen ein, wie Dr. Marcus Bollig, VDA-Geschäftsführer Produkt & Wertschöpfung, erklärt. "Die aktuelle Fassung lässt dabei noch gravierende definitorische Unklarheiten offen, so dass sich die Regulatorik wie ein pauschales Verbot bestimmter Fahrzeugkomponenten auswirken könnte. Das wäre natürlich wenig zielführend", so Bollig.
Wie Bollig in einer Kommentierung zur NPRM erläutert, sollten etwa Bestandteile, die nicht zu Kommunikationssystemen gehören, auch nicht durch die Regulierung erfasst werden – beispielsweise Funktionen wie Standheizungen. Gleiches gelte für Systeme auf Level 1 bis 2+: Level des automatisierten Fahrens, in denen der Fahrer zwar unterstützt wird, aber stets die Kontrolle und Verantwortung über das Fahrzeug behält. "Diese nicht zum autonomen Fahren zählenden Funktionen wären unter der aktuellen Regelung erfasst, nur dadurch, dass die Formulierung nicht eindeutig ist. Viele dieser Ungenauigkeiten ließen sich durch eine klare Definition beseitigen", heißt es.
Angemessene Übergangszeiten nötig
Darüber hinaus sei der vorgeschlagene Zeitplan zur Einführung des Gesetzes laut Bollig unrealistisch. Das neue Gesetz würde bedeuten, das ganze Lieferketten kurzfristig umgestellt werden müssten. Der NPRM "Connected Vehicles" nennt folgende Fristen: bis zum Jahr 2027 für Software (Modelljahr 2027), bis zum Jahr 2030 für Hardware. Das sei laut Bollig "schlichtweg nicht leistbar". Solche kurzen Übergangszeiten würden sogar Gefahren bergen. Möglich wären nicht nur Einbußen im Fahrkomfort, sondern auch, dass Sicherheitsfeatures für vernetztes Fahren möglicherweise nicht zeitnah verfügbar wären. Wichtig wäre zudem, dass Fahrzeuge, die sich derzeit in laufender Produktion befinden, zugelassen werden dürften – obwohl sie den Anforderungen der NPRM nicht entsprächen.
Bollig empfiehlt der US-amerikanische Seite daher, den Zeitpunkt für Hardware und Software mindestens auf das Modelljahr 2030 zu schieben, "was immer noch höchst ambitioniert wäre", wie es heißt. Der für kürzere Fristen notwendige finanzielle und zeitliche Aufwand stünde in keinem Verhältnis zum erbrachten Mehrwert an Sicherheit.
Doppelte Regulierungen vermeiden
Nicht zuletzt sollte eine Mehrfachregulierung dringend vermieden werden. Heute existierten bereits Standards und bewährte Verfahren für die Cybersicherheit bei der Typgenehmigung. Hersteller würden bereits hohe Ressourcen zur Einhaltung der Cybersicherheit anwenden, wie sie beispielsweise in der UNECE R 155 gefordert werde, so Bollig.
Deutsche Autoindustrie auf dem US-Markt
Die deutsche Automobilindustrie ist auf dem amerikanischen Markt sehr präsent und die Handelsbeziehungen sind stark. In den Vereinigten Staaten von Amerika beschäftige die deutsche Automobilindustrie 138.000 Mitarbeitende, so Bollig. Davon würden 48.000 bei den Automobilherstellern und weitere 90.000 bei deutschen Zulieferern arbeiten. Die Produktion der deutschen OEMs in den USA habe im Jahr 2023 einen Rekordwert von 908.000 Pkw erreicht. Etwa jedes elfte in den USA produzierte Fahrzeug der Kategorie Light Vehicles trage das Logo einer deutschen Marke. Die Produktion der deutschen OEMs sei 2023 um 10 % und damit stärker als die Gesamtproduktion mit einem Anstieg von 5 % gewachsen. Die Exportquote der deutschen OEMs in den USA liege bei 51 %.