2008 | OriginalPaper | Buchkapitel
Das Ausgangsproblem
verfasst von : Sabine Lederle
Erschienen in: Die Ökonomisierung des Anderen
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.
Wählen Sie Textabschnitte aus um mit Künstlicher Intelligenz passenden Patente zu finden. powered by
Markieren Sie Textabschnitte, um KI-gestützt weitere passende Inhalte zu finden. powered by
Am 18. November 2005 fand nicht nur die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag statt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik deckten die populärsten Anwärter für die oberste Riege des politischen Feldes, die als „Kerndimensionen von Vielfalt“ bezeichneten und durch die EU-Antidiskriminierungs- Richtline benannten sozialen Kategorien ab: Geschlecht, Behinderung, Herkunft, sexuelle Orientierung, Religion und Alter. Einer dieser Kategorien anzugehören, schien von diesem Tage an kein Hindernis mehr dafür zu sein einen Platz unter den Mächtigen einzunehmen. Diese Entwicklung wurde durch gesellschaftlichen Wandel ermöglicht und gleichermaßen beeinflusst. Dass personelle Vielfalt in den Zentren der politischen Macht und noch mehr in den Führungsetagen der Wirtschaft nicht als selbstverständlich erachtet wird, zeigte sich nicht zuletzt in der Diskursivierung von Geschlecht und Herkunft der Kanzlerkandidatin. Im öffentlichen, d.h. im medialen Diskurs wurde auf soziale Kategorien hingewiesen, über die man bei ihren Vorgängern schwieg. Über Angela Merkel wurde nicht nur als Bundeskanzlerin berichtet, sondern auch als erste
Frau
und
Ostdeutsche
in diesem Amt
(‘Ossis sind die Bossis’
1
) — mit all den Erläuterungen zu spezifischen Auswirkungen von Geschlecht und Herkunft auf die Arbeitstätigkeit. Die Wahl einer
ostdeutschen Frau
ist eine Titelschlagzeile wert, da dies Aufmerksamkeit und damit Auflagszahlen garantiert. Dies ist nur möglich, wenn ein Sachverhalt einen Neuigkeitswert impliziert und Emotionen weckt. Personelle Vielfalt in den Führungseliten von Politik und Wirtschaft gilt bis heute nicht als
taken for granted
.