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2017 | Buch

Das Glück, Mathematiker zu sein

Friedrich Hirzebruch und seine Zeit

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Über dieses Buch

Das Buch berichtet über das Leben des Mathematikers Friedrich Hirzebruch (1927-2012) und seinen lebenslangen Einsatz für die Mathematik. Er war einer der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit und leistete Überragendes für den Wiederaufbau der wissenschaftlichen Forschung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und für nationale und internationale Zusammenarbeit auf vielen Ebenen. Seine Forschung hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der modernen Mathematik. 1952-1954 arbeitete er am Institute for Advanced Study in Princeton und wurde weltberühmt durch den Beweis eines Theorems aus der Algebraischen Geometrie und Topologie, des sogenannten Satzes von Riemann-Roch-Hirzebruch. Im Alter von 27 Jahren erhielt er den Ruf auf seine Professur an der Universität Bonn. In seinen Vorlesungen vermittelte er wie kaum ein Zweiter den Hörern einen Eindruck von der Schönheit der Mathematik und dem Glück, Mathematiker zu sein. Ab 1980 leitete Hirzebruch viele Jahre das von ihm gegründete Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn. Er war mit vielen führenden Mathematikern und Wissenschaftlern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts befreundet. Als Mathematiker und Wissenschaftsorganisator waren ihm auch die Beziehungen zu Israel und Polen und die Lösung der mit der deutschen Wiedervereinigung im Wissenschaftssystem entstandenen Probleme ein besonderes Anliegen. Seine Biografie ist zugleich ein Stück Wissenschaftsgeschichte und darüber hinaus auch Zeitgeschichte, von der Kriegs- und Nachkriegszeit bis zu den politischen Veränderungen nach 1990.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Prolog: Oktober 1945

Anfang Oktober 1945 fuhr ein junger Mann mit der Eisenbahn von Hamm nach Münster. Trotz der kurzen Entfernung war es eine lange Fahrt, denn viele Gleise und Stellwerke waren nach dem Krieg erst notdürftig repariert worden, und auf halber Strecke, in Drensteinfurt, musste die Lokomotive gewechselt werden. Der junge Mann war nicht ganz 18 Jahre alt, und doch hatte er schon manches erlebt: Dienst als Luftwaffenhelfer, Arbeitseinsatz, um Gefechtsstellungen auszubauen, Dienst als Soldat, Gefangenschaft. Seine Heimatstadt Hamm war weitgehend zerstört einschließlich des Hauses, das seine Familie bewohnt hatte, und der Schule, die er besucht hatte. Und fast noch schlimmer sah es in Münster aus, die gesamte Innenstadt war nur noch ein einziger Trümmerhaufen, und von der Universität, an der bereits sein Vater studiert hatte, war fast nichts mehr übrig geblieben.

Winfried Scharlau
2. Die Eltern

Friedrich Hirzebruch wurde als Sohn einer in Hamm/Westf. ansässigen Familie geboren. Soweit sich das ermitteln ließ, stammten auch die weiteren Vorfahren aus der ehemaligen Grafschaft Mark, also vor allem aus den heutigen Kreisen Hamm, Iserlohn, Unna und Umgebung. Wir beginnen diese kurze Familiengeschichte mit Hirzebruchs Vater, Dr. Fritz Hirzebruch, und einem Lebenslauf, den er für seine Dissertation verfasst hat:Ich, Fritz Hirzebruch, evangelischer Konfession, wurde am 15. Dezember 1886 als Sohn des Sattlermeisters Fritz Hirzebruch zu Groß-Holthausen, Kreis Hörde i.W., geboren. Von Ostern 1893 bis Ostern 1897 besuchte ich die Volksschule meines Geburtsortes, von Ostern 1897 bis Ostern 1901 die Mittelschule zu Annen i.W., von Ostern 1901 bis Ostern 1903 die Realschule in Witten a.d. Ruhr und von Ostern 1903 bis Ostern 1906 die Oberrealschule zu Dortmund. Darauf studierte ich Mathematik und Naturwissenschaften, und zwar ein Semester in Göttingen, drei Semester in Berlin und vier Semester in Münster i.W. Am 7. und 8. November 1910 bestand ich vor der Königl. Wissenschaftlichen Prüfungskommission zu Münster das Staatsexamen pro facultate docendi und am 19. Dezember 1910 die mündliche Doktorprüfung. Seit dem 1. April 1911 bin ich Assistent am mineralogischen Institut der Universität Münster.

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3. Jugend in Nazi-Deutschland

Es war Friedrich Hirzebruch bestimmt, Mathematiker zu werden. Es passte alles zusammen: eine überragende Begabung, ein frühes und tiefes Interesse an dieser Wissenschaft, ja eine Liebe zu ihr, die für ein so schwieriges Fach notwendige Selbstdisziplin, ein Elternhaus, das sein Interesse förderte, für ihn günstige Umstände im Studium, ganz früh schon Kontakte zu bedeutenden Mathematikern, die ihm entscheidende Anregungen gaben – und wenn das alles noch nicht genug war, dann kam manchmal auch noch reines Glück hinzu.

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4. Studium in Ruinen, 1945–1948

Wenn es eines im Sommer und Herbst 1945 in Deutschland gab, das die Menschen einte, dann war es der Wille, den Schutt beiseite zu räumen und Deutschland wieder aufzubauen. Im Grunde war nicht daran zu denken, die Universität in Münster zu eröffnen, doch trotz aller Zerstörungen (Abb. 4.1) machte man sich an die Arbeit, und die britische Besatzungsmacht unterstützte die deutschen Bemühungen. Obwohl zum Beispiel für die ganze philosophische Fakultät, die damals auch Mathematik und die Naturwissenschaften umfasste, nur ein einziger Hörsaal zur Verfügung stand, entschloss man sich, zum Wintersemester 1945/46 mit dem Lehrbetrieb zu beginnen.

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5. In Zürich bei Heinz Hopf

Wie Hirzebruch nach Zürich kam, Schüler von Heinz Hopf wurde, wie es ihm in Zürich erging und was er dort lernte, hat er selbst berichtet. Er spricht von »zwei der erlebnisreichsten und intensivsten Jahre meines Lebens«. Der bereits erwähnte Bericht über meine Zeit in der Schweiz. . . ist sehr persönlich gehalten, gibt ein anschauliches Bild von Hirzebruchs Leben, Studium und Kontakten in dieser Zeit und beleuchtet darüber hinaus die Situation im Nachkriegsdeutschland, als das Schlimmste überwunden war und »es wieder aufwärtsging«.

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6. Promotion in Münster, Assistent in Erlangen

Im Jahr 1950 endete Hirzebruchs Studentenzeit, und seine Karriere als Mathematiker begann. Nach dem Aufenthalt in Zürich schloss er in großer Eile die Redaktion der Dissertation ab (Über vierdimensionale Riemannsche Flächen mehrdeutiger analytischer Funktionen von zwei komplexen Veränderlichen), so dass er Ende Juli promoviert wurde. Als »fertiger« Mathematiker konnte er im November 1950 eine Assistentenstelle in Erlangen übernehmen.

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7. Am Institute for Advanced Study, Princeton 1952–1954

Die Bedeutung der drei Aufenthalte in Princeton, insbesondere des ersten, für Hirzebruch selbst, für seine Familie, für die Entwicklung der Mathematik in Deutschland und darüber hinaus, ist kaum zu überschätzen. Über den ersten Aufenthalt Hirzebruchs in Princeton schreiben Atiyah und Zagier einleitend und gleichzeitig zusammenfassend:In 1952 came the development that was not only to be a turning point in Fritz’s mathematical career, but, as it transpired, to have a major influence on the later development of mathematics in Germany and in Europe: he was invited for two years to the IAS in Princeton, where he came into contact with many of the most brilliant mathematicians and most exciting new ideas of the period, and where he made the two discoveries with which his name is most strongly associated, the Signature Theorem and the Hirzebruch-Riemann-Roch Theorem.

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8. Der Internationale Mathematiker-Kongress in Amsterdam, Habilitation in Münster

Im Jahr 1954 gelang Hirzebruch der internationale Durchbruch. Er schrieb sein opus magnum Neue topologische Methoden in der Algebraischen Geometrie, er hielt auf dem Internationalen Mathematiker-Kongress in Amsterdam Aufsehen erregende Vorträge, und zu Ende des Jahres war klar, dass er bald mit einer Berufung rechnen konnte.

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9. Rufe nach Bonn und Göttingen

Nach dem Beweis des Satzes von Riemann-Roch war es klar, dass Hirzebruch einer der aufsteigenden Sterne in der Mathematik sein würde. Er hatte nicht nur großartige mathematische Resultate erzielt, sondern jeder konnte sich auch davon überzeugen, dass er glänzende Vorträge und Vorlesungen hielt, und sein ausgleichendes und bedachtes Wesen ließ erwarten, dass die Zusammenarbeit mit ihm im Institutsbetrieb und der akademischen Selbstverwaltung reibungslos verlaufen würde. Er war alles andere als ein Einzelgänger (die es in der Mathematik auch gab), sondern eingebunden in einen großen Bekannten- und Freundeskreis. Das Einzige, was man hätte einwenden können, war seine Jugend, doch dies war ein Mangel, von dem – wie der Pharmazeut Karl Winterfeld später in den Diskussionen der Berufungskommission bemerkte – man mit Sicherheit wusste, dass er vorübergehen würde.

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10. Princeton 1955/56 und die Konferenz in Mexiko

Hirzebruch verbrachte das akademische Jahr 1955/56 als Assistant Professor an der Princeton University. Gewiss wurde über diesen Aufenthalt schon gesprochen, als er noch am IAS war, und man wird annehmen dürfen, dass insbesondere Spencer und Kodaira versuchten, ihn für einen längeren Aufenthalt zu gewinnen. Am 22.10.1954 schrieb der Chairman des mathematischen Instituts Albert W. Tucker:The Dean of the Faculty has given his approval to the recommendation of the Department of Mathematics that you be appointed Assistant Professor for three years beginning September 1955, at an annual salary of $5250.00. Formal action on your appointment will have to be taken by the Board of Trustees at its next meeting, until which time no publicity should be given to your appointment. [. . .]

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11. Als junger Professor in Bonn

Hirzebruch trat am 1.6.1956 sein Amt als Extraordinarius in Bonn an. Bereits am 26.6. erfolgte die Ernennung zum persönlichen Ordinarius. Dies bedeutete, dass er in Bezug auf die akademischen Rechte den Ordinarien gleichgestellt wurde. Zum 1.4.1958 wurde das Extraordinariat in ein Ordinariat umgewandelt, und am 12.8.1958 wurde Hirzebruch zum ordentlichen Professor ernannt.

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12. Die ersten Arbeitstagungen

Friedrich Hirzebruch war nicht nur ein genialer Mathematiker und begnadeter Universitätslehrer, sondern auch ein hervorragender Wissenschaftsorganisator. Spricht man über seine Verdienste auf diesem Gebiet, wird immer an erster Stelle die Gründung und Durchführung der mathematischen Arbeitstagungen in Bonn genannt werden. Es dürfte keine Würdigung Hirzebruchs geben, in der nicht die Arbeitstagung an prominenter Stelle genannt wird.

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13. Zusammenarbeit mit Michael Atiyah

Sir Michael Francis Atiyah (Abb. 13.1) ist der Mathematiker, mit dem Hirzebruch am längsten zusammengearbeitet hat. Aus der gemeinsamen mathematischen Arbeit, die am intensivsten in den Jahren 1955–1962 war, erwuchs eine lebenslange persönliche Freundschaft (Abb. 13.2). Beide haben sich bei verschiedenen Gelegenheiten dazu geäußert. Wir beginnen mit den Worten, mit denen Atiyah seinen Rückblick auf die gemeinsame Zeit einleitet und zusammenfasst:Fritz Hirzebruch played a major part in my life, particularly over the early formative period. He became a close personal friend, a long-term collaborator and, through the Arbeitstagung, my introduction to the mathematical world. I learned a good deal from him on how to write papers, how to present talks, and, most importantly, how to handle people. In short he was an ideal role model.

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14. Der dritte Aufenthalt in Princeton 59/60

Nach den ersten beiden Besuchen in Princeton entstand der Wunsch, ein weiteres Jahr dort zu verbringen. Es scheint, dass daran von Anfang an sowohl Hirzebruch selbst als auch das IAS und die Princeton University interessiert waren. Über das Angebot der Universität wurde bereits früher berichtet. In einem Sitzungsprotokoll der School of Mathematics des IAS vom 1.10.1957 heißt es: »It was voted to explore the possibility of inviting Dr. F. Hirzebruch to spend next year as a member of the Institute with a joint appointment with the University.«

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15. Euromat, Oberwolfach und eingeplantes Max-Planck-Institut für Mathematik

Die Gründung des Max-Planck-Instituts für Mathematik (MPI) im Jahr 1980 war ein Höhepunkt in Hirzebruchs lebenslangem Bestreben, aus Bonn ein international führendes Zentrum in der Mathematik zu machen. Die Vorgeschichte reicht bis in die fünfziger Jahre zurück. Wir berichten in diesem Kapitel über die ersten gescheiterten Versuche zur Gründung eines Max-Planck-Instituts und in späteren über die erfolgreiche Gründung des Sonderforschungsbereichs und dann auch des Max-Planck-Instituts. Die gesamte Vorgeschichte ist kompliziert und verworren. Es wird jedoch deutlich, dass Hirzebruch seit seiner Berufung nach Bonn eine führende Rolle in der Gemeinschaft der Mathematiker in Deutschland spielte. Er begann der allgemein anerkannte und unumstrittene Sprecher der Community zu werden.

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16. Die sechziger Jahre: Forschung und Lehre, Mitarbeiter und Kollegen

In diesem und den folgenden Kapiteln berichten wir über die sechziger Jahre in Bonn. Dabei gehen wir nicht streng chronologisch vor. Vielmehr gliedern wir den Stoff nach Themenkreisen. Wir berichten zunächst schwerpunktmäßig über Hirzebruchs Arbeitsgruppe und den Ausbau der Mathematik in Bonn. Seine nationalen und internationalen Aktivitäten kommen im nächsten Kapitel zur Sprache. Einigen Themenkreisen aus diesem Jahrzehnt sind gesonderte Kapitel gewidmet.

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17. Die sechziger Jahre: nationale und internationale Beziehungen

Am 13.8.1961 wurde in Berlin die Mauer gebaut. Es wurde sehr schnell klar, dass damit die fast vollständige Teilung Deutschlands bevorstand, und es war damit zu rechnen, dass auch so unpolitische Organisationen wie die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV) davon betroffen sein würden. Die Jahrestagung der DMV fand in jenem Jahr vom 18. bis 24.9.1961 in Halle in der DDR statt. Es war einige Zeit unklar, ob die Tagung überhaupt abgehalten werden könnte, was viele Westdeutsche zur Absage ihrer Teilnahme veranlasste. Westberliner erhielten schon zu diesem frühen Zeitpunkt keine Einreiseerlaubnis in die DDR mehr. Die Tagung endete mit einem Busausflug in den Harz. Zurück in Halle gingen die Teilnehmer gedrückter Stimmung auseinander, wie sich ein Teilnehmer erinnert.

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18. Die Gründung der Universität Bielefeld

Anfang 1965 erteilte der nordrhein-westfälische Kultusminister Paul Mikat dem Münsteraner Soziologen Helmut Schelsky den Planungsauftrag für eine Universität im ostwestfälischen Raum. Dieser verfasste im Februar 1965 einen ersten Entwurf der Grundkonzeption der neuen Universität. Der Entwurf erhielt in informellen Gesprächen allgemeine Zustimmung, wie Schelsky zum Beispiel in einem Brief vom 4.8.1965 an Grotemeyer feststellte. Ende 1965 konstituierten sich der Gründungsausschuss und der Wissenschaftliche Beirat der zu gründenden Hochschule. Beiden Gremien gehörten viele spätere Bielefelder Professoren an. Unmittelbar danach wurden die ersten Fachkommissionen gebildet, in denen der inzwischen überarbeitete Entwurf Schelskys gründlich diskutiert wurde. So liegt eine ausführliche Stellungnahme der Fachkommission Mathematik vom 18.12.1965 vor.

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19. Die siebziger Jahre in Bonn: Lehre und Schüler, Mitarbeiter und Kollegen

Ungefähr mit Beginn der siebziger Jahre änderte sich Hirzebruchs wissenschaftliches Leben in vieler Hinsicht. Das wichtigste Ereignis war die Gründung des Sonderforschungsbereichs 40 Theoretische Mathematik (s. Kap. 21). Während in den sechziger Jahren auswärtige Mathematiker nur einzeln und für kurze Zeit eingeladen werden konnten, waren jetzt ständig Gäste anwesend. Dadurch wurde die Atmosphäre viel internationaler. Auch entstanden Arbeitsgruppen, die eng zusammenarbeiteten. Für Hirzebruch bedeutete diese sehr erwünschte Entwicklung aber auch eine enorme Zunahme der Verwaltungsarbeit. Man kann kaum ermessen, wie viele Briefe er für den SFB schrieb, wie viele Telefongespräche er führte, wie oft er mit Gästen zum Essen ging und um wie viele ganz triviale Angelegenheiten (Wohnung, Hotel, Reisekosten . . . ) er sich kümmern musste. Er musste Sitzungen leiten und war verantwortlich für die Berichte und die Verlängerungsanträge des SFB.

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20. Geometrie und Topologie

Es ist schwierig, in vielen Fällen unmöglich, einem Nichtmathematiker zu erklären, welche Probleme am Mathematischen Institut, am Sonderforschungsbereich oder überhaupt in dieser Zeit erforscht wurden. Am ehesten ist dies sicher in der Geometrie möglich, wo sich mit der Fachterminologie öfter anschauliche Vorstellungen verbinden. Wir wollen jetzt versuchen, einige Probleme der Differentialgeometrie und -topologie zu beschreiben. Seit Mitte der sechziger Jahre gab es am Mathematischen Institut, am Sonderforschungsbereich und später am Max-Planck-Institut eine starke und aktive Gruppe auf diesen Gebieten.

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21. Der Sonderforschungsbereich Theoretische Mathematik in Bonn

Seit seiner Berufung nach Bonn war Hirzebruch bestrebt, aus Bonn ein internationales Zentrum mathematischer Forschung zu machen. Es bedurfte eines langen Atems, um dieses Ziel zu erreichen. Der erste große Durchbruch war im Jahr 1969 die Gründung des Sonderforschungsbereiches Theoretische Mathematik. Etwa zwölf Jahre später entstand aus dem SFB das Max-Planck-Institut für Mathematik (MPI). Bei der Eröffnungsfeier des Hausdorff Center for Mathematics (HCM) am 19.1.2007 blickte Hirzebruch auf die Entstehung des Sonderforschungsbereiches zurück:Als das neue Programm der Sonderforschungsbereiche um 1965 bekannt wurde, waren alle Teile der Bonner Mathematik begeistert [. . .] und investierten viel Arbeit in die ungewohnte Antragstellung. [. . .] Es war eine Aufbruchstimmung ähnlich wie heute. Der Antrag für einen gemeinsamen Sonderforschungsbereich wurde eingereicht. Ich wurde beauftragt, ihn bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu vertreten. Ich saß vor der Tür des zuständigen Ausschusses, als der Mathematiker Karl Heinrich Weise (Universität Kiel) herauskam und sagte: »Wir können den Antrag nicht bewilligen, der SFB wäre viel zu groß, aber wir haben beschlossen, zwei Sonderforschungsbereiche für Mathematik in Bonn einzurichten, falls Sie einverstanden sind.« So entstanden der SFB 40 (Theoretische Mathematik) und der SFB 72 (Approximation und mathematische Optimierung in einer anwendungsbezogenen Mathematik). In der nächsten Fakultätssitzung gab es auch kritische Bemerkungen: »Herr Hirzebruch, Sie sollten einen SFB mitbringen, aber nicht zwei!« oder »Wenn das so weitergeht, dann haben wir in der Mathematik bald Verhältnisse wie in Harvard!«, worauf ich sagte: »Das wäre doch nicht so schlimm.« Die Fakultät lachte.

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22. Topologie, Zahlentheorie und Hilbertsche Modulflächen

Das wichtigste Arbeitsgebiet Hirzebruchs in den siebziger Jahren war die Theorie der Hilbertschen Modulflächen und verwandte Fragestellungen. In seinen Gesammelten Abhandlungen sind etwa fünfzehn Arbeiten der Jahre 1970 bis 1980 diesem Thema gewidmet. Dazu gehört vor allem die hundertseitige Arbeit Hilbert modular surfaces (Nr. 51 der Ges. Abh.). Diese Arbeiten zeigen Hirzebruchs Vorliebe für konkrete Beispiele und explizite Rechnungen. Er kehrte mit diesem Thema zu seinen Anfängen zurück: Schon in seiner Dissertation hatte er sich mit komplex zweidimensionalen Mannigfaltigkeiten beschäftigt.

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23. Die siebziger Jahre: internationale Beziehungen

Die mathematischen Arbeitstagungen waren Fixpunkte im Jahresrhythmus der Mathematik in Bonn. Vor allem waren sie Ausdruck der internationalen Verflechtungen der Mathematik. Deshalb beginnen wir dieses Kapitel mit diesem Thema.

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24. Besuche in Irland

Die Reisen der Hirzebruchs nach Irland erstreckten sich über einen Zeitraum von vierzig Jahren. In den siebziger Jahren war Irland das bevorzugte – in der Tat fast das einzige – Ferienziel der Familie. Im Februar 2008 reiste die Familie Hirzebruch zum letzten Mal nach Irland, zu einem kurzen Besuch von Crookhaven.

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25. Die Gründung des Max-Planck-Instituts

Der Sonderforschungsbereich hatte 1969 seine Arbeit aufgenommen. Wie es seiner vorausschauenden Art entsprach, machte Hirzebruch sich schon früh Gedanken, wie es nach den maximal 15 Jahren Laufzeit des SFB mit der Mathematik in Bonn weitergehen könnte. In einem Vortrag Gründungsgeschichte des Max-Planck-Instituts für Mathematik am 31.3.2006 zum 25-jährigen Bestehen des Instituts beschrieb Hirzebruch, wie es im zweiten Anlauf zur Gründung eines Max-Planck-Instituts für Mathematik (MPI) sehr viel reibungsloser und erfolgreicher ging als beim ersten Mal (s. Kap. 15):Ein SFB hatte eine Lebenszeit von maximal 15 Jahren. Deshalb wandte ich mich 1978 an den dritten Präsidenten der MPG, Reimar Lüst. Entscheidend war ein Treffen bei der Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Innsbruck im September 1978. Am 20. September 1978 trafen meine Frau und ich Reimar Lüst zum Mittagessen. Alle Probleme wurden besprochen, aber diese hörten auf, Probleme zu sein. Lüst erwähnte, dass die Gutachten von 1960 insgesamt sehr gut seien, auch das von Courant. Wichtig war, dass der SFB keine Wissenschaftler auf Dauerstellen hatte, die die MPG zwangsläufig hätte übernehmen müssen. Am 1. November 1978 schrieb ich an Lüst einen Brief, in dem ich die Funktionsweise eines Gastforscherinstituts und die mögliche Transformation des SFB in ein MPI erläuterte. Im Frühjahr 1979 beschloss die Max-Planck-Gesellschaft die Einsetzung einer Kommission so wie vor 20 Jahren. Der damalige Generalsekretär der Alexander von Humboldt- Stiftung, Heinrich Pfeiffer, der sich stets für das MPI für Mathematik eingesetzt hat und heute anwesend ist, veranstaltete vom 17.–29. März 1979 eine Tagung in der Humboldt- Stiftung zur Diskussion der Frage, warum in der Mathematik so wenige Humboldt-Preise for senior scientists beantragt würden und warum die Qualität der vorgeschlagenen Preisträger manchmal nur durchschnittlich sei. [. . .] Auch der Präsident der MPG, Reimar Lüst, nahm an der Tagung teil. Es wurde viel über die Lage der Mathematik in Deutschland diskutiert. Später wurde mir klar, dass das ganze auch eine Veranstaltung war, bei der indirekt der Antrag, ein MPI für Mathematik zu gründen, auf der Tagungsordnung stand. Ein Jahr später [am 7.3.1980] beschloss der Senat der MPG die Gründung des MPI für Mathematik.

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26. Die achtziger Jahre: Forschung und Lehre, Mitarbeiter und Schüler

Wie bei der Ernennung zum Direktor des MPI vereinbart, schränkte Hirzebruch seine Vorlesungstätigkeit etwas ein. In diesem Jahrzehnt übernahm er nur einmal einen Anfängerkurs, und öfter als früher beanspruchte er Forschungsfreisemester. In der Lehre galt jetzt sein Hauptinteresse fortgeschrittenen Studenten, auch von auswärts, und Doktoranden. Entsprechend hielt er mehrere Spezialvorlesungen für diesen Hörerkreis. Im Wintersemester 1992/93, dem letzten vor seiner Emeritierung an der Universität, hielt er seine letzte Vorlesung. Es ist sicher kein Zufall, dass er zuvor noch einmal fast einen ganzen Anfänger-Zyklus gelesen hat. Hier ist eine Aufstellung seiner Vorlesungen, die mit Ausnahme der letzten beiden alle 4-stündig gehalten wurden:WS 1979/80 Infinitesimalrechnung IIISS 1980 Funktionentheorie IWS 1980/81 Funktionentheorie IISS 1981 Funktionentheorie mehrerer VeränderlicherWS 1981/82 Algebraische FlächenSS 1982 Algebraische Flächen, insbesondere ModulflächenWS 1982/83 Komplexe MannigfaltigkeitenSS 1983 Komplexe MannigfaltigkeitenWS 1983/84 Theorie 4-dimensionaler Mannigfaltigkeiten mit Beziehungen zur Mathematischen PhysikSS 1984 keine VorlesungWS 1984/85 Infinitesimalrechnung IIISS 1985 Funktionentheorie IWS 1985/86 Funktionentheorie IISS 1986 keine VorlesungWS 1986/87 Kodierungstheorie und Beziehungen zur GeometrieSS 1987 Charakteristische KlassenWS 1987/88 Mannigfaltigkeiten und ModulformenSS 1988 keine VorlesungWS 1988/89 Elementare ZahlentheorieSS 1989 Zahlentheorie in der TopologieWS 1989/90 Infinitesimalrechnung ISS 1990 Infinitesimalrechnung IIWS 1990/91 keine VorlesungSS 1991 Funktionentheorie IWS 1991/92 Funktionentheorie IISS 1992 Kodierungstheorie und ModulformenWS 1992/93 Reminiszenzen zum Satz von Riemann-Roch; Anwendungen und Verallgemeinerungen

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27. Das Max-Planck-Institut, 1981–1995

Die Gründung und der Aufbau des Max-Planck-Instituts für Mathematik wurde in Kapitel 25 besprochen. Zur besseren Übersicht geben wir eine Aufstellung wichtiger Daten:7.3.1980 Der Senat der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) beschließt die Gründung des Institutes.23.6.1980 Abschluss des Vertrages zwischen der MPG und Hirzebruch über die Errichtung eines MPI für Mathematik in Bonn1.10.1980 Hirzebruch beginnt mit den Vorarbeiten zur Errichtung des MPI.1.1.1984 Zagier wird wissenschaftliches Mitglied.31.12.1985 Beendigung des SFB Theoretische Mathematik1.4.1991 Harder wird wissenschaftliches Mitglied.11.5.1993 Manin wird wissenschaftliches Mitglied.1.7.1994 Faltings wird wissenschaftliches Mitglied.31.10.1995 Nach Vollendung seines 68. Lebensjahres beendet Hirzebruch seine Tätigkeit als Direktor des MPI.1.11.1995 Das MPI hat vier Direktoren, Faltings, Harder, Manin, Zagier, die jeweils einen geschäftsführenden wählen, als ersten Zagier.1.3.1999 Bezug neuer Räumlichkeiten im Post-Carré in der Innenstadt von Bonn, Eröffnungsfeier am 13.4.199931.3.2006 Feier zum 25-jährigen Bestehen des Instituts

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28. Die achtziger Jahre: Reisen und internationale Beziehungen

Bevor wir über Hirzebruchs Reisen und Auslandsaufenthalte in diesem Jahrzehnt berichten, soll gesagt werden, dass er weiterhin Ämter und Aufgaben in internationalen Institutionen und Organisationen übernahm. Diese Ämter hatten viele Reisen zur Folge. Sie werden nicht im Einzelnen erwähnt, denn oft handelte es sich um Kurzreisen, die nur der Teilnahme an einem Treffen dienten. Eine dieser Aufgaben, die sich über etwa 15 Jahre erstreckte, war seine Mitgliedschaft im Verwaltungsrat des Institut des Hautes Etudes Scientifiques (IHES).

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29. Beziehungen nach Israel

Ab den achtziger Jahren entwickelte Hirzebruch enge wissenschaftliche und persönliche Beziehungen zu israelischen Mathematikern. Zusammen mit seiner Frau unternahm er zahlreiche Reisen in dieses Land, und es kam auch zu Aufenthalten israelischer Mathematiker am Max-Planck-Institut in Bonn und anderen Gegenbesuchen. Die bilaterale Zusammenarbeit wurde unter dem Dach der Max-Planck-Gesellschaft verstärkt. Zusammenfassend kann man sagen, dass Hirzebruch die Pflege der Beziehungen zu Israel ein besonderes Anliegen war. Es ging ihm von Anfang an um mehr als nur um wissenschaftliche Kontakte.

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30. Die neunziger Jahre

Die neunziger Jahre brachten wesentliche Veränderungen in Hirzebruchs Leben. Zum Teil war dies ganz natürlich und vorhersehbar gewesen. Mit Ende des Wintersemesters 1992/93 wurde er an der Universität emeritiert. Damit beendete er seine mehr als vierzigjährige Vorlesungstätigkeit, wenn man von einer Gastvorlesung im Frühjahr 1996 an der ETH Zürich absieht. Die Emeritierung bedeutete auch, dass der fast fünfzig Jahre anhaltende Kontakt zu Studenten, besonders in den ersten und mittleren Semestern, sich sehr lockerte oder sogar fast ganz aufhörte. Das ist für jeden Hochschullehrer ein einschneidendes Ereignis.

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31. Neue Aufgaben: die Wiedervereinigung Deutschlands

Die Wiedervereinigung Deutschlands in den Jahren 1989 und 1990 war das wichtigste Ereignis der deutschen Geschichte seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Am 9.11.1989 wurde die Mauer geöffnet, am 3.10.1990 wurde die Vereinigung durch Beitritt der DDR zur Bundesrepublik juristisch vollzogen. Es war eine große nationale Aufgabe, die wissenschaftlichen Institutionen der DDR in das System der Bundesrepublik zu überführen.

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32. Die neunziger Jahre: internationale Kontakte, Reisen, Ehrungen

Ohne Zweifel war die politische Wende von 1989/90 eines der bedeutendsten historischen Ereignisse, das in Hirzebruchs Lebenszeit fiel. Es war eine aufregende Zeit: Der eiserne Vorhang war gefallen, und die Länder Osteuropas befreiten sich vom Kommunismus. Jeder Bewohner der früheren DDR, jeder Bewohner der osteuropäischen Staaten und sehr viele BürgerWestdeutschlands waren persönlich unmittelbar von den Entwicklungen dieser Jahre betroffen.

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33. Ein Land im Umbruch: Beziehungen nach Polen

Seit der Vorkriegszeit hatte die Mathematik in Polen auch im internationalen Vergleich ein hohes Niveau. Als ein Ergebnis der allgemeinen Wertschätzung wurde beschlossen, den Internationalen Mathematiker-Kongress 1982 in Warschau abzuhalten. Die politischen Ereignisse in Polen, auf die hier nicht eingegangen wird, führten zu einer Stornierung und erneuten Diskussion dieser Entscheidung. Der Kongress wurde dann mit einjähriger Verspätung vom 16. bis 24.8.1983 veranstaltet. Vorsitzender des Organisationskomitees und Präsident des Kongresses war Czesław Olech, der vor und nach der politischen Wende eine führende Rolle in Polen spielte. Er war Direktor der beiden angesehensten Institutionen der Mathematik in Polen, von 1970 bis 1986 des Mathematischen Instituts der Polnischen Akademie der Wissenschaften (IMPAN) und von 1972 bis 1991 des Banach-Zentrums (Stefan Banach International Mathematical Center) in Warschau.

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34. Ein Buchstabe in der Schrift der Natur

Auf Hirzebruchs Grabstein befinden sich Abbildungen der fünf regelmäßigen Polyeder, der platonischen Körper Tetraeder, Würfel, Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder (Abb. 34.4). Das Ikosaeder ist gewissermaßen auch das »Wappen« des Max-Planck-Instituts für Mathematik in Bonn (Abb. 34.1).

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35. Schatten der Vergangenheit: Felix Hausdorff

Das tragische Schicksal Hausdorffs, der von den Nationalsozialisten in den Selbstmord getrieben wurde, war den Bonner Mathematikern seit Ende des Zweiten Weltkrieges bekannt. Im Eingang des Mathematischen Instituts befindet sich seit 1980 eine Gedenktafel, und schon etwa 1948 stiftete die Universität den Hausdorff-Gedächtnispreis, der jährlich für die beste Bearbeitung eines mathematischen Themas verliehen wird, das reihum von den Professoren gestellt wird. De facto wurde damit fast immer eine hervorragende Dissertation ausgezeichnet. Zu den Preisträgern gehörten viele Mathematiker, die später Karriere machten, u. a. Karzel, Leis, Jänich, Neukirch, Zagier, Steffen, Jantzen, Knörrer, Jost, Bemelmans, Struwe, Scholze.

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36. Verabschiedung als Direktor des Max-Planck-Instituts

Am 31.10.1995 endete Hirzebruchs Amtszeit als Direktor des Max-Planck-Instituts. Es war eine wesentliche Zäsur in seinem Leben, ein tieferer Einschnitt als seine Emeritierung als Universitätsprofessor. Die lange Periode seines Lebens, die mit der Ernennung zum Professor in Bonn am 1.6.1956 begonnen hatte, fand ihren Abschluss. Vielleicht änderte sich an seinem täglichen Leben zunächst nicht sehr viel, aber es muss einen großen Unterschied gemacht haben, nicht mehr allein die Verantwortung für das MPI zu tragen.

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37. Das Max-Planck-Institut nach 1995

Das letzte Kapitel endete mit der Abschiedsfeier für Hirzebruch im Universitätsclub am 29.10.1995. Es gab danach noch eine zweite Feier, nämlich zur Amtsübergabe an die neuen Direktoren. Zagier schreibt: »Am 31.[10.1995] hat Herr Hirzebruch eine schöne Zeremonie zur offiziellen Amtsübergabe arrangiert, im Laufe derer er mir einen symbolischen ›Reichsapfel‹ in Form eines Ikosaeders aus Kristall überreichte, den ich und meine Nachfolger jeweils am Ende unserer Amtszeiten weiterzureichen haben.«

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38. Das letzte Jahrzehnt

Die großen Aufgaben, die Hirzebruch noch in den neunziger Jahren übernommen hatte – im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung, in Israel und Polen und bei der europäischen Integration –, traten allmählich in den Hintergrund. Jedoch erhielt er immer noch viele Einladungen zu Vorträgen, zu Tagungen, zu Jubiläen, zu Veranstaltungen aus erfreulichem oder aus traurigem Anlass. Die Akten »Erledigte Einladungen, Reisen« in seinem Arbeitszimmer sind genauso umfangreich wie in früheren Jahren. Er erhielt mehr Einladungen, als er Zusagen geben konnte. Doch man hat den Eindruck, dass er sie weiterhin alle annahm, wenn es sich nur irgend ermöglichen ließ. Seine Vorträge bereitete er wie seit jeher sorgfältig vor, und er schrieb mit der Hand aus vielen Anlässen persönliche Briefe.

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39. Rückblicke und Erinnerungen

Wenn irgendwo ein 25., 40., 50., 60., 70., 75., 80., 90., 100., 200. oder 400. Geburtstag zu feiern war, wurde Friedrich Hirzebruch eingeladen, einen Vortrag zu halten. Auch zu anderen Jubiläen, Ehrungen, feierlichen Eröffnungen, Emeritierungen und Pensionierungen, aber auch zu Gedenkveranstaltungen und Beerdigungen wurde er eingeladen. Naturgemäß nahmen diese Veranstaltungen in den letzten Jahrzehnten und Jahren seiner Tätigkeit sehr zu. Manchmal musste er auch zu seiner eigenen Ehre sprechen, etwa als »Erwiderung« bei einer Ehrenpromotion.

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40. Die letzten Wochen

Wie in Kapitel 38 berichtet, hielt Hirzebruch seinen letzten auswärtigen Vortrag am 19.4.2012 in Bielefeld. Wenige Tage später, am 23.4., folgte in Bonn sein letzter Vortrag überhaupt, klar, präzise und verständlich wie sein erster, den er im Geometrie-Seminar bei Keller gehalten hatte, und wie alle danach. Es gibt nicht wenige Mathematiker, deren letzte Lebensjahre in Krankheit, Resignation, Vergessen, der Unfähigkeit zu arbeiten dahingingen. Hirzebruch hatte das Glück, dass ihm das erspart blieb.

Winfried Scharlau
Backmatter
Metadaten
Titel
Das Glück, Mathematiker zu sein
verfasst von
Winfried Scharlau
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-14757-0
Print ISBN
978-3-658-14756-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-14757-0