2002 | OriginalPaper | Buchkapitel
Das liberale Denken
verfasst von : Jürgen Hartmann, Bernd Meyer, Birgit Oldopp
Erschienen in: Geschichte der politischen Ideen
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Enthalten in: Professional Book Archive
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In der ersten Phase der Französischen Revolution wurde Ludwig XVI. (1754–1793) eine Verfassung (1791) aufgezwungen, die das Land von einer absoluten Monarchie in eine konstitutionelle Monarchie umwandelte. Die Jakobinerherrschaft und das von ihr ausgelöste Chaos riefen Napoleon Bonaparte auf den Plan. Dieser behielt zwar Zeit seiner Herrschaft gewisse, konstitutionell anmutende Herrschaftsformen bei. Faktisch regierte er jedoch ähnlich unumschränkt wie die Bourbonen. Der Zusammenbruch des bonapartistischen Frankreich (1814/15) warf die Frage auf, unter welcher politischen Ordnung die Bourbonendynastie restauriert werden sollte. Die Jahre der bonapartistischen Herrschaft hatten Frankreich tiefgreifend verändert. Der Nimbus der Unverletzlichkeit des Monarchen und des Gottesgnadentums war ein für allemal zerstört. Die Monarchie und der katholische Klerus waren so tief gedemütigt, dass es unmöglich erschien, eine vollständige Restauration der Bourbonendynastie zu leisten. Die 1815 einsetzende Restauration war ein äuβerlicher Vorgang. Wirtschaftlich hatte sich Frankreich unter Bonaparte dramatisch gewandelt. Die Verkehrsinfrastruktur war besser geworden, die Franzosen hatten eine konkretere Vorstellung von der Gröβe ihres Landes gewonnen. Die Auseinandersetzungen mit den übrigen europäischen Mächten, aber auch die kriegsbedingte Kenntnis anderer Völker hatten eine Identität wachsen lassen, die zum Kristallisationskern eines modernen Nationalbewusstseins wurde. Schlieβlich war neben den Adel des Ancien régime, d.h. die alte, in der bonapartistischen Ära entmachtete Elite, eine neue Elite getreten. Der Neuadel bonapartistischer Provenienz rekrutierte sich aus Beamten, Offizieren und Unternehmern.