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2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Das organisationale Arsenal kalkulativer Praktiken

verfasst von : Thomas Matys

Erschienen in: Rating-Agenturen im Finanzmarktkapitalismus

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Das Kapitel behandelt die organisationale Arsenal kalkulativer Praktiken, insbesondere von Rating-Agenturen, die Unternehmen, Staaten und Finanzprodukte bewerten. Diese Praktiken finden auf Märkten statt, wobei Kapitalmärkte besonders relevant sind. Die Bewertungen auf Märkten sind entscheidend für die Funktionsweise der Wirtschaft, und Rating-Agenturen spielen eine zentrale Rolle dabei. Die Unsicherheiten auf Märkten werden durch die kalkulativen Praktiken der Agenturen beeinflusst, was besonders in der Finanzkrise 2007-2008 deutlich wurde. Die Bewertungen auf Märkten sind oft durch Knight’sche Unsicherheit geprägt, was die Fähigkeit der Rating-Agenturen, präzise Vorhersagen zu treffen, erschwert. Die kalkulativen Praktiken der Agenturen sind ein wesentlicher Bestandteil der Finanzmärkte und beeinflussen die Wahrnehmung und das Vertrauen in die Bewertungen. Der Text untersucht auch die historische Entwicklung dieser Praktiken und ihre Bedeutung für die moderne Gesellschaft.

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Fußnoten
1
Hierfür kann als Definition aus der Praxis „Corporate-Ratings“ (Gleißner und Füser 2014:18) gelten.
 
2
Die international durchgesetzte Definition hierfür lautet „Sovereign Credit Ratings“ (vgl. Hiß und Nagel 2012).
 
3
Zur Diskussion, Alltagsakteure an der Konstitution einer „Sicherheitsgesellschaft“ zu beteiligen, Unsicherheit staatlich (mit) zu erzeugen (u. a. auch die die Reaktion auf bzw. die Veränderung von privaten Wahrnehmungsstrukturen) vgl. Apelt und Senge 2015a: 5.
 
4
Zur allgemeinen Kritik einer „Herrschaft durch Organisation“ vgl. Türk 1976 ff., Türk et al. 2006 sowie besonders Abschn. 4.​3 dieser Arbeit. Zum grundlegenden Problemzusammenhang Organisation – Unsicherheit vgl. Apelt und Senge 2015b.
 
5
Insgesamt muss man allerdings feststellen, dass derartige Debatten in dieser Weise im Prinzip nie die Figur Individuum – Organisation einfangen: Wenn es in dieser Arbeit vor allem um die Performanz, die Handlungszuschreibungen und -folgen von finanzmarktlichen Organisationen, besonders Rating-Agenturen, geht, dann ist diese Figur fundamental betroffen. Im Kern geht es doch um ein Beziehungssystem, nämlich das zweier Strukturtypen – Individuum und Organisation. Wir müssen doch ganz im Sinne Luhmanns davon ausgehen, dass wir Individuum und Organisation als zwei bestimmte Muster, Modi, „Fälle“ von Gesellschaft begreifen müssen, die kommunikativ aneinander anschließen – Gesellschaft somit je spezifisch (re-) produzieren. Die kleinsten Einheiten dieser gesamtgesellschaftlichen (Re-) Produktion nennt Luhmann Kommunikationen, in Organisationen nennt er sie Entscheidungen. M. a. W. Methodologischer Individualismus ist stets immer auch methodologischer Organisationalismus (auch wenn es letzteren Begriff ‚offiziell‘ gar nicht gibt).
 
6
Schmid (2004) ordnet ein derartiges Verhalten der „orthodoxen ökonomischen Handlungstheorie“ (Schmid 2004: 100) zu.
 
7
Historisch noch früher war die Unterscheidung „Ungewissheit – Risiko/Unsicherheit“ bereits ein grundlegendes Problem in der Praxis, bspw. bei der Konstituierung der sog. Mercantile Agencies der USA des 19. Jhds. (vgl. Abschn. 2.​1 sowie (auch darin enthalten) Carruthers 2013).
 
8
Auch John Maynhard Keynes (1937) leistete einen Beitrag hierzu: Er irritierte die Neoklassik gründlich, indem er eigentlich eine Trivialität formulierte, dass nämlich das Wissen über zukünftige Entwicklungen sich stets verändere, vage und vor allem unsicher sei. Insgesamt kann man damit Keynes, wie auch den o. e. Knight, zu den Wirtschaftswissenschaftlern zählen, die eine komplett eigene Forschungsrichtung sich etablieren halfen, die heute durchaus zum Kanon der Wirtschaftstheorie gehört: die „Entscheidungstheorie“ (einschließlich der „Theorie der Wahlakte“) (vgl. Pribram 1992: 1085 ff.).
 
9
Wenn Luhmann zwischen Risiko und Gefahr unterscheidet, möchte er den ersten Begriff eher auf Organisationen, den zweiten eher auf Individuen angewendet sehen. In bestimmter Weise korreliert das mit Dahrendorfs Überlegungen, dass Erfolge, Handhabbares – im Grunde eher positiv Konnotiertes (im Vergleich etwa zu Nicht-Messbarem, ungewisser Erfolg, Nicht-Handhabbares) – einem Individuum, bspw. dem Manager, zugerechnet werden (so werden Belohnungen in gleicher Weise personal adressierbar wie Gefahren). Risiko dagegen bleibt abstrakt, ermöglicht eine Sozialisierung auf Organisation und trägt damit nicht unwesentlich zur „strukturierten Verantwortungslosigkeit“ bei (vgl. Matys 2008). Im Prinzip quer-liegend dazu fasst Beck Gefahren als höhere Gewalt, während Risiken Folgen von Organisationsentscheidungen sind (vgl. Beck 1986). Belassen wir es auf dieser abstrakten Ebene, trifft das so auch auf den Finanzmarkt zu.
 
10
Mit Ausnahme zweier Beiträge (Brückner und Wolff 2015 zu Bankenregulierung und Schwarting 2015 zu Hochfrequenzhandel) behandeln die Beiträge in diesem Band eher entweder allgemein organisationssoziologische oder (nicht finanzmarktliche) empirische Fragen zum Zusammenhang zwischen Organisation und Unsicherheit.
 
11
Die hier formulierte Wissens-Praxis-Relation verträgt sich gut mit auf dem Finanzmarkt, so auch bei Rating-Agenturen, vorzufindenden Wissenskulturen. Auch hier liegt die Betonung nicht auf institutionalisierten, vorab feststehenden, Normen und Rollen, die Praktiken generieren, sondern es ist eben davon auszugehen, dass diese Praktiken erst im Vollzug hervorgebracht werden (vgl. Knorr Cetina 2002, 2018; Keller und Poferl 2018; Spears und MacKenzie 2017).
 
12
Welche Gestik, Mimik, welche Körperbewegungen, Artikulationen etc. allerdings in Rating-Agenturen – analog zu denen auf dem Börsenparkett – praktiziert werden, könnte eine teilnehmende Beobachtung klären. Kritiker könnten einwenden, die hier dargelegten Aspekte in Bezug auf Wissen seien doch nur Mutmaßungen. Dagegen halte ich, dass es sich um plausible – literatur-gestützte – Argumentationen handelt, die in dem Umfang in Bezug auf die Körper-Thematik überhaupt nicht vorhanden ist. Aus diesem Grunde, aber auch, um allerdings etwaige Kritiker*innen nicht allzu sehr zu provozieren, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter über alle möglichen körperlichen Effekte in Rating-Agenturen mutmaßen. Mir kam es darauf an – und das verträgt sich mit aktueller allgemeiner soziologischer sowie mit der Akteur-Netzwerk-Theorie – Körper und Körperlichkeiten innerhalb jedweder sozialer Konfigurationen ernst zu nehmen und darauf hinzuweisen, dass beidem eine entsprechende Positionalität innerhalb sozialer Interaktion zuzuweisen ist und sie nicht länger – ähnlich wie lange Zeit das Phänomen Raum – als nicht-sozial-konstitutiv begriffen werden dürfen.
 
13
Im Grunde handelt es sich dabei auch um eine Form, dass organisationale Mitglieder lernen (müssen) – im Prinzip wird dieses Lernen zur „Dauerveranstaltung“ (Wilkesmann 2019: 1); vgl. zur Kritik am organisationalen Lernbegriff auch Türk 1995b.
 
14
Die Figur-Metapher auf ad personam Rating-Analysten zu beziehen, trifft die Intention Maeßes‘ – dass „komplexe Bedeutungshorizonte“ (als Diskurse begriffen) ebenso als „hybride Diskursfiguren“ bezeichnet werden könnten, sei hier angemerkt.
 
15
Zu ihnen zählen neben Rating-Analysten bspw. auch Konjunktur-, Zukunfts-, Wetter- oder Klima-Forscher.
 
16
Hiß betont, dass es besonders zentrale europäische Regulierungseingriffe sind, die den Wandel des Expertentums im Prinzip beförderten (vgl. Hiß ebd.). Hierauf soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Welche Regulierungsvorschriften für Rating-Agenturen zunehmend relevant wurden, wird in Abschn. 4.​3 dargelegt.
 
17
Insofern bleibt allerdings fraglich, warum die „Prognosegenauigkeit“ bei edv-basierten Systemen „niedriger“ als die durch menschliche Experten sein soll.
 
18
Durchaus können wir Latours Ansatz in einen new materialism einordnen, der die aktive Rolle von materiellen Dingen bei der Konstitution von soziotechnischen Konstellationen in den Vordergrund seiner Analyse hebt (vgl. Häußling 2019: 312).
 
19
Latour verwendet den Ausdruck „Aktanten“ (Latour 2002 [1991]) für nicht-menschliche Akteure, denen er potentielle Handlungsfähigkeit zuschreibt. Da die hier vertretene These ja ist, dass das, was von nicht-menschlichen Aktanten – nicht nur potenziell, sondern real wirkmächtig – vollzogen wird, in gleicher Weise als Handeln (besser: Praxis) zu bezeichnen ist, wie das, was von Menschen ausgeht, heißt der theoretische Ansatz Latours m. E. mit Fug und Recht „Akteur-Netzwerk-“ und nicht „Aktanten-Netzwerk-Theorie“.
 
20
Auf das Problem, dass ‚Zählen‘ und ‚Rechnen‘ im Prinzip allerdings nicht auf demselben Niveau stehen, gehe ich weiter unten ein.
 
21
Die Creditreform Rating AG ist eine deutsche Ratingagentur, die im Jahr 2000 als Teil der global tätigen Creditreform Gruppe gegründet wurde. Ihren Sitz hat sie in Neuss in Nordrhein-Westfalen.
 
22
Wenngleich auch symbolische Isomorphie im Prinzip ein Ausdruck struktureller Isomorphie ist.
 
23
Diese theoretische ‚Freiheit‘ haben die Rating-Agenturen durch ihre Symbolsysteme allerdings gleichsam code-artig nicht nur aufgegeben, sondern fix werden lassen: Bestimmte Zeichen (-Kombinationen) stehen für bestimmte Bonitäten.
 
24
Darauf, dass sich Symbolisierungen nicht nur auf Lautkörper sprachlicher oder schriftlicher Gebilde beziehen müssen, macht Hülst (1999) aufmerksam: „ … auch nichtsprachliche Objekte (Tiere, Pflanzen, Steine, Menschen, Körperteile) und sogar nicht materielle Existenzen (Geister, Tod, soziale Riten, Sozialbeziehungen, Treue, Stolz, Armut) können symbolische Funktionen übernehmen“ (Hülst 1999: 21). Gleich, worauf bezogen: „Mit Symbolen werden meist Bedeutungsgeschichten assoziiert, die mit der Vorstellung eines ‚tieferen Sinns‘ verbunden sind und die sich diesbezüglich als Sinn-Bild, als bildliche Vergegenständlichung von Sinn (Merk-‚Mal‘; Denk-‚Mal‘) auffassen lassen (ebd.; Herv. i. Orig.; einf. Anf.-Zeichen im Orig. hochgestellt).
 
25
Dies heißt in der Konsequenz allerdings nicht, dass Menschen niemals und zu keinen Zeiten über eines ihrer grundlegenden „künstlichen“ (Haustein 2004: IX; Herv. i. Orig.) Existenzmittel, das Messen, und mithin über das Zählen reflektiert hätten (vgl. Haustein 2004). Zählen, Messen und Rechnen sind seit jeher Teile der Universalsprache von Menschen im Umgang mit der Natur und seinesgleichen (vgl. ebd.: 1).
 
26
Die Bezeichnung ergibt sich daraus, dass die ermittelten Werte als Entscheidungsregel – für die Annahme oder Ablehnung einer Kreditentscheidung – fungieren (vgl. Henking et al. ebd.: 218).
 
27
Es könnte ja eingewendet werden, dass es sich doch im Prinzip um ein Scoring für Unternehmenskredite handele. Ich möchte allerdings analytisch daran festhalten, dass es sich um einen Organisations-Score handelt: Letztlich kann kein Kredit wie auch immer ohne eine ‚dahinter stehende‘ Organisation bedient werden. Dieses ist aus organisationssoziologischer Perspektive alles andere als trivial, rückt doch durch eine Organisationsbewertung das Gesamt-Gebilde in den Mittelpunkt, produziert Assoziationen und Anschluss-Handlungen, die eben wiederum die gesamte Organisation betreffen und zwangsläufig absehen müssen von anderen einzelnen ‚Werten‘ der Organisation, die nicht in den Score eingeflossen sind.
 
28
Generell s. zu verschiedenen in Anschlag zu bringenden Kennzahlen (u. a. gewinn-, dividenden- oder schulden-basiert) Aktienfinder o. J.
 
29
Dass Schätzen und Rechnen zwei Seiten derselben (Rating-) Medaille sind, lehrt uns bereits Gutenberg: Er fasst die Spezifität ökonomischen Rechnungswesens – wozu doch ratende Prozesse im Prinzip auch gehören – in der „betriebswirtschaftlich so wichtige[n] Besonderheit des wirtschaftlichen Prinzips, nämlich im Bereich der Meßbarkeit und nicht nur des tastenden Abwägens“ (Gutenberg 1929: 30).
 
30
Hier wird besonders deutlich: Selbstverständlich können sämtliche – mehr oder weniger – gerechnete Modelle, die ihrerseits Parameter beinhalten und neue produzieren, für sich stehen, also bspw. das Discounted Cashflow-Verfahren einen „Discounted Cashflow-Score“ hervorbringen. Allerdings besteht ja die einzige Funktion der Produktion dieses Scores letztlich in der Mit-Produktion eines ‚größeren‘ Scores, der den Unternehmenswert anzeigt.
 
31
Die zunehmende Risikoneigung korrespondierte in komplexer Weise mit dem Ausbau eines staatlichen Regelwerks: Regelte noch Basel I, als „bankenaufsichtsrechtliches Regelwerk“ (Schneck 2004: 167) eine Mindestausstattung von Banken in Bezug auf ihr Eigenkapital, machten offenbar vermehrte Komplexität und der zunehmende Risikogehalt zahlreicher Finanzgeschäfte vonnöten, ein weiteres Regelwerk, Basel II, aufzulegen: Dieses formuliert Anforderungen dafür, dass die Höhe des Eigenkapitals der Banken sich viel stärker an den individuellen Risiken der vergebenen Kredite orientieren soll (vgl. ebd.). Rating-Prozesse sollen vor allem viel stärker als bisher die Bonität der Schuldner abbilden.
 
32
„Bei ihr wird eine Ausprägung derjenigen Kennzahlen berechnet, die für das Rating maßgeblich sind, sodass als Ergebnis eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Rating-Entwicklung entsteht“ (Gleißner und Füser 2014: 60). Nun kann man einwenden, so allgemein sagt diese Definition nichts aus und dürfte als grobes Ziel eines jeden Ratings verstanden werden können. Angelé (2014) spezifiziert am Beispiel S & P: „Ziel der MC-Simulation [Monte-Carlo-Simulation] ist die experimentelle Bestimmung einer Verlustverteilung für den Forderungspool. Dazu wird zunächst jeder Forderung eine Ausfallwahrscheinlichkeit zugeordnet (…). Sodann müssen Korrelationen nachgebildet (…) und die Verlustverteilung ermittelt werden (…). Aus der Verlustverteilung gewinnt S & P dann für jede Tranche die sog. scenario default rate (SDR), welche wiederum Ausgangspunkt für die spätere Betrachtung der Zahlungsströme ist (…)“ (Angelé 2014: 95; Herv. i. Orig.). Wie man sieht, spielen Korrelationen in Rating-Prozessen eine elementare Rolle (vgl. besonders Abschn. 4.​1).
 
33
Das Hervorbringen von artefakterieller Software beinhaltet seinerseits – und das ist hineinzulesen in das vorn zu Modellen Ausgeführte – die Entwicklung bestimmter Verfahren und Techniken, wie bspw. im Falle der Bewertungen strukturierter Finanzprodukte bei Moody´s der sog. „Binomial Expansion Technique (BET)“ (Angelé ebd.: 79; im Orig. kursiv).
 
34
Hiermit dürften standardisierte Programmierabläufe nach dem ‚Immer-Wenn-Dann-Muster‘ gemeint sein.
 
35
Diese sehr weitreichende Auflistung macht gut deutlich, wie sehr sich Digitalisierung – verstanden als Prozess – von einer ursprünglichen Beschreibung einer Zustandstransformation, nämlich einer Konvertierung analoger in digitale Daten (vgl. Hess 2018), entfernt hat.
 
36
Cashflow = „Überschuss der betrieblichen Einzahlungen über die betrieblichen Auszahlungen einer Periode“ (Wöltje 2012: 31); Nettofinanzverbindlichkeiten = „Sie stellen den Teil des verzinslichen Fremdkapitals dar, der nicht durch flüssige Mittel und kurzfristige Finanzanlagen abgedeckt ist“ (ebd.: 57).
 
37
Damit ist eine Verwandtschaft zu sog. „social bots“ (Leistert 2017) angezeigt.
 
38
Wir müssen wohl davon ausgehen, dass gerade im Portfoliomanagement Folgendes erkennbar ist: Kalkulative Darstellungs- werden mit narrativen Diskursstrategien verknüpft, sodass man sich vergegenwärtigen muss, dass Kalkulationen, Formelwissen etc. stets diskursiv gerahmt sind (vgl. Vormbusch 2018).
 
39
Zu weiteren Modellen dieser Provenienz (bspw. „Value at Risk“ oder „Cash Flow at Risk“) vgl. Gleißner und Füser 2014: 39 ff.
 
40
An dieser Stelle geht es um die grobe Konturierung der Tendenzen einer generellen Subjektivierung von Arbeit, deren Aspekte genügen, einen Bezug zum Arbeiten in Rating-Agenturen herzustellen. Für vertiefende Fragen, etwa zur Formierung einer „Wissensgesellschaft“, zum „Humankapital“, zum „Menschen als verkörperten Kapital“ im Rahmen des „Human Ressource Managements“ – stets in Verbindung mit strukturellen Fragen einer „Subjektivierung von Arbeit“ – sei auf Vormbusch 2012a verwiesen. Es soll ausdrücklich betont werden, dass dort diskutierte Punkte auch für Arbeitende in Rating-Agenturen von Bedeutung sein können, sollte es analytisch zielführend sein, werde ich diese Aspekte auch entsprechend aufgreifen; eine komplette Darstellung ist an dieser Stelle zum einen aus Platzgründen nicht möglich, zum anderen: Die genannten Aspekte werden dort in ihrer accounting-relevanten Allgemeinheit vertiefend behandelt, sodass eine nicht auf Rating bezogene bloße Rekapitulation sich hier verbietet.
 
41
Baethge selbst kann sich zwecks Begründung der „Normativen Subjektivierung von Arbeit“ (Baethge 1991) gut auf die schier uferlose Literatur zum gesellschaftlichen Wertewandel stützen, infolgedessen die veränderten Ansprüche und Forderungen der Arbeitenden sich ergäben hätten. Dies ist durchaus plausibel und gehört unbedingt zusammengedacht.
 
42
Als Rahmung durchaus äußerst spannend, aber hier thematisch nicht weiter entfaltbar, wenn Hanlon (ebd.) die (historische) Gleichursprünglichkeit von „Neoliberalismus“ und „Management“ anführt (vgl. Hanlon 2018).
 
43
Eine tiefergehende Betrachtung des Verhältnis von Organisation und Subjekt verbietet ein naive Simplifizierung dieser Figur: „Subjektivierung wird hier nicht als normative Forderung gesellschaftlich sozialisierter Subjekte aufgefasst, die diese nunmehr im Bereich der Erwerbsarbeit zur Geltung bringen wollen. Sie wird aber auch nicht als funktionale Anforderung des Betriebes an „fertige“ Subjekte beschrieben. Subjektivierung ist (…) ein Produktionsverhältnis, in dessen Rahmen Subjektivität sowohl genutzt als auch in spezifischer Weise „hergestellt“ wird“ (vgl. Vormbusch 2012a: 155; Herv. i. Orig.).
 
44
Nicht nur der organisationssoziologisch Informierte sollte Anstoß an einer derartigen Formulierung nehmen. Was soll das heißen: Sind die „hierarchischen“ und „funktionalen“ Tätigkeitsbereiche nicht auch Teil des Organisatorischen? Oder meint „organisatorisch“ einfach nur Aufteilung, Differenzierung? Auch jenseits einer Differenzierung zwischen Alltagssprache und Wissenschaftssprache zeigt sich hier: Eine klare und eindeutige Sprachverwendung ist stets anzustreben.
 
Metadaten
Titel
Das organisationale Arsenal kalkulativer Praktiken
verfasst von
Thomas Matys
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-40796-4_3