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2017 | Buch

Das Schädigungsverbot im Völkerrecht

Eine Untersuchung anhand des Umwelt-, Welthandels- und Finanzvölkerrechts

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Über dieses Buch

Die Arbeit befasst sich mit der Frage nach Existenz und Umfang des Schädigungsverbots im Völkerrecht. Dabei liegt der Arbeit das Verständnis zugrunde, dass auch rechtmäßige Handlungen der Staaten durch die zunehmende Interdependenz zu Beeinträchtigungen bis hin zu Schädigungen bei anderen Staaten führen können. Dabei wurden die Referenzgebiete mit Blick darauf gewählt, dass es sich beim Umweltvölkerrecht um ein gewohnheitsrechtlich verankertes Schädigungsverbot zum Schutze der territorialen Souveränität handelt, beim Welthandelsrecht und Währungsrecht das Schädigungsverbot in Form einer vertraglichen Ausgestaltung vorliegt und beim Steuerrecht überlegt werden kann, welche grundsätzlichen Überlegungen zur Akzeptanz eines Schädigungsverbots in einem Gebiet führen, das jedenfalls auf multilateraler Ebene noch nicht vertraglich durchdrungen ist.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung: Problemstellung und Gang der Darstellung
Zusammenfassung
Der Grundsatz sic utere tuo ut alienum non laedas besagt, dass niemand seine Rechte so nutzen soll, dass einem anderen Schaden entsteht.1 Es ist also das Verbot, einen anderen zu schädigen, das in der angelsächsischen Literatur auch kurz als no harm Prinzip bezeichnet wird. Im Folgenden wird hier vom Schädigungsverbot oder auch kurz von neminem laedere 2 gesprochen.3 Im Grundsatz soll es niemand hinnehmen müssen, dass ein anderer in seinem Rechtskreis Schäden verursacht.4 Dem Schädigungsverbot liegt der Gedanke zu Grunde, dass die absolute Handlungsfreiheit des einen durch die Interessen des anderen eingeschränkt wird.
Jelena Bäumler
1. Kapitel: Grundlegende Fragen
Zusammenfassung
Neben Begriffen und Abgrenzungsfragen (I.) stellen sich als grundlegende Überlegungen insbesondere auch solche der Einordnung des Schädigungsverbots in die Systematik des Völkerrechts und der anzuwendenden Methodik (II.).
Jelena Bäumler
2. Kapitel: Schädigungsverbot in völkerrechtswissenschaftlichen Nachbardisziplinen
Zusammenfassung
Betrachtet man zunächst die Frage, welchem Gedanken das Schädigungsverbot Rechnung trägt, zeigt sich, dass die Überlegung, dass Menschen sich gegenseitig keinen Schaden zufügen dürfen, vor allem in philosophischen Denkschulen eine lange Tradition hat und immer mit dem Konzept der Gerechtigkeit verbunden war (I.). In der Wirtschaftswissenschaft ist eine Politik, die auf Kosten der anderen geht, als „beggarthy- neighbours“ spätestens seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre bekannt (II.). In den verschiedensten innerstaatlichen Rechtsordnungen ist das Schädigungsverbot tief verwurzelt und anerkannt (III.).
Jelena Bäumler
3. Kapitel: Das Schädigungsverbot im Gefüge des Völkerrechts
Zusammenfassung
Wenn das Schädigungsverbot als Regulierungskonzept für die widerstreitenden Interessen der Staaten dienen soll, werden die betroffenen Staaten sich auf ihre Souveränität berufen: der handelnde Staat auf seine grundsätzliche Handlungsfreiheit und der abwehrende Staat auf sein Recht, von den störenden Einflüssen anderer Staaten frei zu sein. Das Konzept der Souveränität ist ein altes, wenn auch nicht unumstrittenes Konzept im Völkerrecht, das im Laufe der Zeit verschiedene Interpretationen erfahren hat und daher der näheren Beleuchtung bedarf.210 Dem steht die Integrität gegenüber, wobei es heute als allgemeiner Konsens angesehen werden kann, dass keines von beiden Konzepten absolute Geltung beanspruchen kann.211 Vielmehr folgt aus der Gleichheit aller Staaten, dass sich Souveränität und Integrität gegenseitig einschränken (I.). In eben diesem Interessenskonflikt zwischen Souveränität auf der einen und Integrität auf der anderen Seite kann das Schädigungsverbot seine Wirksamkeit entfalten. Es hat daher grundsätzliche Anerkennung auch im Völkerrecht erfahren (II).
Jelena Bäumler
4. Kapitel: Ursprünge des Schädigungsverbots im zwischenstaatlichen Umweltrecht
Zusammenfassung
Das vergleichsweise junge Umweltvölkerrecht ist in vielerlei Hinsicht Entwicklungsmotor des Völkerrechts.310 Auch für das Schädigungsverbot bildet es den Ausgangspunkt, denn hier haben sich besonders früh und in beachtlichem Maße die Notwendigkeiten für eine internationale Zusammenarbeit gezeigt. Im Rahmen grenzüberschreitender Umweltbelastungen ist das Schädigungsverbot zunächst durch eine zentrale Entscheidung zur weltweiten Beachtung gelangt (I.). Der Anwendungsbereich hat sich jedoch schnell über das Nachbarverhältnis hinaus ausgeweitet und ist mittlerweile für den zwischenstaatlichen Bereich umfassend anerkannt und in den verschiedensten Teilgebieten des Umweltrechts konkret umgesetzt (II.).
Jelena Bäumler
5. Kapitel: Schädigung von Gemeinschaftsgütern
Zusammenfassung
Eng verwandt mit dem zwischenstaatlichen Schädigungsverbot im Umweltbereich ist das Schädigungsverbot an Gemeinschaftsgütern. Gemeinschaftsgüter sind dadurch gekennzeichnet, dass sie niemandem gehören und deswegen grundsätzlich von allen genutzt werden können. Dazu zählen etwa die Hohe See, der Weltraum, aber auch die Antarktis und die Ozonschicht (I.).406 Das Schädigungsverbot an Gemeinschaftsgütern ist strukturell insofern vom zwischenstaatlichen Bereich zu unterscheiden, als es im Rahmen von Gemeinschaftsgütern gerade nicht um die Schädigung eines anderen Staates, sondern um eine Schädigung in hoheitsfreien Räumen geht. Wenn zum Beispiel Müll auf der Hohen See abgeladen und diese dadurch unbefahrbar würde, dann würde dadurch nicht in das territoriale Souveränitätsrecht eines anderen Staates eingegriffen. Allerdings wird sein Nutzungsrecht an diesem Gemeinschaftsgut aufgrund der übermäßigen Nutzung durch einen anderen Staat eingeschränkt. Während das Schädigungsverbot im zwischenstaatlichen Umweltvölkerrecht mittlerweile zweifellos anerkannt ist, wird durchaus gelegentlich noch in Frage gestellt, ob es auch ein Schädigungsverbot an Gemeinschaftsgütern gibt. Im Ergebnis überwiegen aber die Anzeichen für eine umfassende Anerkennung eines Schädigungsverbots an Gemeinschaftsgütern (II.).
Jelena Bäumler
6. Kapitel: Weiterentwicklung und konkrete Ausgestaltung des Schädigungsverbots im Welthandelsrecht
Zusammenfassung
Zentral für diese Untersuchung ist das Welthandelsrecht, da sich anhand dessen zwei wichtige Aspekte des Schädigungsverbots zeigen lassen: zum einen wird der Kritik entgegengetreten, das Schädigungsverbot sei insbesondere mit Blick auf den Kausalitätsnachweis nicht konkretisierbar.490 Die detaillierte Umsetzung des Schädigungsverbots im Welthandelsrecht zeigt, dass es nicht nur ein abstraktes Prinzip, sondern eine konkrete Rechtsnorm sein kann und in durchsetzbaren Rechtsnormen den konkreten Interessensausgleich zwischen Staaten herbeiführen kann.
Jelena Bäumler
7. Kapitel: Schädigungsverbot im Rahmen des internationalen Finanzrechts
Zusammenfassung
Kaum ein anderer Wirtschaftsbereich hat stärker an der Globalisierung teilgehabt als das internationale Finanzrecht.850 Daher stellen sich auch hier neue Herausforderungen für die Kooperation der Staaten.851 Im Gegensatz zum Umwelt- und auch zum Welthandelsrecht werden aber Streitfragen außerhalb des Internationalen Währungsfonds (IWF) bislang noch kaum in globalen Foren gelöst.852 Was etwa in Bezug auf Subventionen im Rahmen der WTO bereits vereinbart wurde, nämlich dass ein konkreter Interessensausgleich zwischen den Staaten geschaffen wurde, findet bei monetären Interessenskonflikten derzeit noch kaum statt. Auch insgesamt ist eine weitaus geringere Verrechtlichung dieses Gebietes zu verzeichnen und es gilt in monetären Fragen ein hoher Grad an Souveränität der Staaten.853
Jelena Bäumler
8. Kapitel: „Harmful Tax Competition“: ein neues Schädigungsverbot im Steuerrecht?
Zusammenfassung
Einen Themenkomplex, in dem man die Diskussion des Schädigungsverbots auf multilateraler Ebene derzeit auch beobachten kann, stellt das Steuerrecht dar, das gegenwärtig noch vornehmlich durch bilaterale Abkommen geregelt ist.971 Das Steuerrecht ist, ähnlich wie das Währungswesen, eine der traditionellen Domänen jedes Staates.972 Die Erhebung von Steuern ist ein wichtiger Bestandteil für die Selbsterhaltung des Staates, die Finanzierung des Staatsapparates und die Generierung von Einkünften.973 Vom Bundesverfassungsgericht wurde sie im Lissabon- Urteil sogar in Bezug auf eine mögliche Europäisierung als „integrationsfest“ bezeichnet974, was erklärt, warum von der „hohen Souveränitätssensibilität des Steuerrechts“ gesprochen wird.975
Jelena Bäumler
9. Kapitel: Ergebnisse dieser Untersuchung für die Völkerrechtsordnung
Zusammenfassung
Es hat sich gezeigt, dass das Schädigungsverbot im Völkerrecht tiefer verwurzelt und auch weiter verbreitet ist, als gemeinhin angenommen wird. War es zwar vom IGH in Korfu Kanal als Prinzip des Völkerrechts erstmals formuliert worden, schien es dennoch in seiner konkreten Anwendung nur im Umweltvölkerrecht eine praktische Rolle zu spielen. Die Untersuchung der Umsetzung des Schädigungsverbots auch in anderen Rechtsgebieten ergab jedoch, dass es sich um ein Prinzip handelt, das in vielen Fällen zwischenstaatlicher Konflikte Berücksichtigung finden kann und tatsächlich in einigen Bereichen bereits auch Anwendung findet (I.). In seiner spezifischen Ausprägung als Rechtsnorm können für das Schädigungsverbot drei allen bisherigen Anwendungen gemeinsame Voraussetzungen festgestellt werden (II.). Zum Abschluss erfolgt eine Betrachtung der Konsequenzen des Schädigungsverbots für die Völkerrechtsordnung (III.) sowie des Verhältnisses zu anderen völkerrechtlichen Rechtsinstituten (IV).
Jelena Bäumler
10. Kapitel: Ausblick und Schluss
Zusammenfassung
Die Anwendung des Schädigungsverbots ist oft ein erster Schritt hin zu einer größeren Verrechtlichung in einem Sachgebiet. Aufgrund der Offenheit des Schädigungsverbots lässt sich kein abschließender Katalog über seinen Anwendungsbereich erstellen. Vielmehr werden auch in Zukunft immer wieder auch andere Bereiche in Betracht kommen, in denen das Schädigungsverbot diskutiert und möglicherweise zur Anwendung gebracht werden kann. Im derzeitigen völkerrechtlichen Diskurs lässt sich eine vermehrte Aufmerksamkeit für das Schädigungsverbot inter alia in folgenden Bereichen verzeichnen.
Jelena Bäumler
Summary
Zusammenfassung
The notion sic utere tuo ut alienum non laedas requires one not to use its property in a way that causes damage to others. The prohibition on causing harm, also known as the no harm principle, is based on the idea that the one’s freedom ends where another’s sphere of rights begins. This work examines the role and rationale of the no harm principle in international law. It relies on both deductive and inductive reasoning in order to understand the general concept behind the no harm principle, as well as its implementation in different areas of international law, in order to arrive at a holistic understanding of this important principle in the international legal order.
Jelena Bäumler
Backmatter
Metadaten
Titel
Das Schädigungsverbot im Völkerrecht
verfasst von
Jelena Bäumler
Copyright-Jahr
2017
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-53299-7
Print ISBN
978-3-662-53298-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-53299-7