Compliance-Abteilungen von Finanzinstituten müssen aus vielen neuen oder geänderten Vorgaben zur Nachhaltigkeit Handlungsempfehlungen ableiten. Hierzu nutzt das Risikomanagement große, oft unstrukturierte Datenmengen. KI-Technologie und Natural Language Processing (NLP) sorgen für mehr Durchblick.
Die regulatorischen Vorgaben zur Nachhaltigkeit im Risikomanagement umzusetzen, ist für viele Banken eine enorme Herausforderung angesichts riesiger Datenmengen. Moderne Tools helfen dabei, die oft unstrukturierten Informationen schnell und effizient zu verarbeiten.
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Vieles dreht sich aktuell bei Finanzdienstleistern um drei Buchstaben: ESG. Das Kürzel steht für Environmental (Umwelt), Soziales sowie Governance und fasst den Nachhaltigkeitsgedanken zusammen, den Politik, Gesellschaft und Wirtschaft derzeit in den Vordergrund vieler Handlungen stellen. Die EU und andere internationale Organisationen, nationale Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden erlassen dazu im Moment zahlreiche Regularien und ändern bestehende: Das soll gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle schaffen und zugleich beim Erreichen der vereinbarten Nachhaltigkeitsziele helfen.
Notwendige Compliance-Prozesse und ESG-Daten
Aus den umfangreichen und häufig interpretationsbedürftigen Vorgaben müssen die Banken interne Prozesse und Datenerfordernisse ableiten, um die notwendige Compliance zu erreichen und gegebenenfalls auch nachzuweisen. Das bedeutet aktuell einen Berg an manueller Arbeit, der entsprechende Ressourcen benötigt. Und mit der reinen Implementierung der ESG-Regularien ist es keineswegs getan. Denn oftmals fehlen hier die für ein sauberes Risikomanagement notwendigen Informationen. Welche Bank führte bislang exakt Buch, ob sich Kreditobjekte möglicherweise in einer wettergefährdeten Region befinden? Wer hat schon einen genauen Überblick über die Treibhausgasemissionen sämtlicher Kunden? Und wer kann sagen, ob ein Firmenkunde sämtliche Sozialstandards einhält?
Die Daten dazu finden sich weit verstreut, etwa in Katastern, behördlichen Genehmigungsunterlagen, Tarifverträgen und Geschäftsberichten. Auch hier liegt das Problem in der fehlenden einheitlichen Struktur. Die Institute müssten händisch eine kaum überschaubare Masse von Informationsquellen durchforsten. Der damit verbundene Aufwand dürfte für viele Finanzdienstleister angesichts des ohnehin am Markt herrschenden Kostendrucks prohibitiv wirken.
NLP macht Automatisierung möglich
Abhilfe versprechen die Künstliche Intelligenz (KI) sowie das Natural Language Processing (NLP). Diese Technologien schaffen es inzwischen, riesige Datenmengen in kürzester Zeit effizient zu verarbeiten. Die Kosten für entsprechende Anwendungen sind mittlerweile überschaubar. Wichtig ist hier primär die Verwendung oder - sofern noch nicht vorhanden - der Aufbau einer passenden Ontologie, also einem geeigneten Netzwerk von Informationen mit logischen Relationen. Über diese lässt sich domänenspezifisches Wissen in einem maschinenlesbaren Format darstellen.
PPI AG
Ein sorgfältiges Vorgehen ist dabei unerlässlich. Fachexperten der Bank, des Anwendungsherstellers, aber auch externe Partner sollten ihr Wissen in die Waagschale werfen, um eine breite, aber zugleich problemspezifische Ontologie zu erstellen. Abhängig von der konkreten Konstellation eines Use Cases lässt sich gegebenenfalls auf eine bereits vorhandene und erprobte Ontologie aufsetzen und diese dann sukzessive anpassen.
Arbeitsersparnis von bis zu 80 Prozent
Eine NLP-Anwendung für die Daten- und Inhaltsanalyse im ESG-Bereich zu erstellen, ist ein komplexes Unterfangen. Aber es lohnt sich, denn die Arbeitsersparnisse sind enorm. Ein am Beispiel zweier EBA-Guidelines zu den Themen IT-Sicherheit und Outsourcing durchgeführter Proof of Concept mit einer entsprechenden Software ergab eine Treffergenauigkeit des KI-Algorithmus von rund 95 Prozent. Zugleich gab es eine Reduzierung der Bearbeitungszeiten um 80 Prozent. Auf diese Weise lassen sich Standard-Umsetzungsvoraussetzungen für neue Regularien herauslesen und eventuell sogar automatisiert in Handlungsempfehlungen umsetzen. Aber genauso ist es auch möglich, Problemstellen zu identifizieren und beschleunigt einer manuellen Bearbeitung zuzuleiten.
Auf einer solchen Ontologie für die teilautomatisierte Vorschriftenanalyse ließe sich auch aufsetzen, um andere unstrukturiert vorliegende Informationen zu durchsuchen - etwa im Hinblick auf ESG-relevante Daten. Auch hier gilt ähnliches wie bei den Rechtstexten: Eindeutige Angaben werden gekennzeichnet und unmittelbar einer dafür vorbereiteten Datenbank zugeleitet. Mögliche Treffer werden dagegen vom Programm automatisch markiert und geschulten Experten zur Interpretation zugeleitet. Da sich die zugrundeliegende Ontologie nahezu beliebig erweitern und anpassen lässt, kann mit einer entsprechenden Anwendung ein sehr breites Datengerüst für das ESG-Risikomanagement generiert werden.
Die so gewonnene Zeit können die Experten in den Compliance-Abteilungen, aber auch ESG-Analysten dafür verwenden, wirklich komplexe, der KI nicht zugängliche Fälle zu bearbeiten. Die deutlich verbesserte Datenlage kommt darüber hinaus dem Institut als Ganzes und ferner auch der Gesellschaft zugute. Denn auf einer soliden Basis lassen sich viel zielgenauer Entscheidungen über Investitionsmöglichkeiten treffen. Was ganz im Sinne der ESG-Regularien ist.