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Erschienen in:

Open Access 04.08.2023 | Angewandte Geographie

Die Mischung macht’s? Das Shopping-Center wird zum Mixed-Use-Center

Auswirkungen von Mixed-Use-Centern auf die Zukunftsfähigkeit der Innenstädte

verfasst von: Marc Heptig, B.Sc.

Erschienen in: Standort | Ausgabe 3/2023

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Zusammenfassung

Grün, kompakt, gemischt, resilient, inklusiv – die Assoziationen zur (Innen‑)Stadt der Zukunft sind vielfältig und zielen zumeist auf eine nachhaltige Stadtentwicklung ab. Inwiefern innerstädtische Shopping-Center diese Entwicklung durch Mischnutzung auf Immobilienebene (z. B. Büros, Wohnungen oder Kultur- und Bildungseinrichtungen) fördern können, soll in diesem Beitrag beleuchtet werden. Für diesen Zweck wurden neben einer Literatur‑, Dokumenten- und Onlinerecherche Experteninterviews geführt. Die Ergebnisse zeigen, dass mischgenutzte Shopping-Center sowohl Chancen als auch Risiken für eine belebte, resiliente und nachhaltige Stadt(entwicklung) bergen. Einerseits schaffen Umnutzungen und Nachverdichtung alternative Besuchsanlässe und verringern Leerstände, reduzieren die Flächenversiegelung, den Ressourcenverbrauch und potenziell den Verkehr sowie können bei der Einbindung nichtkommerzieller Nutzungen eine sozial integrierende Wirkung entfalten. Andererseits können mischgenutzte Shopping-Center den Zielsetzungen der Innenstadtentwicklung schaden, indem sie den Besuch bestehender Nutzungen obsolet machen, den (sozial) exklusiven Charakter des Centers durch hochpreisige Nutzungsangebote intensivieren und das Verkehrsaufkommen steigern. Wenn den negativen Auswirkungen jedoch durch frühzeitige Überlegungen hinsichtlich Nutzungsart und -anzahl sowie der Komplementarität mit dem bestehenden Innenstadtangebot vorgebeugt wird, können mischgenutzte Shopping-Center als ein möglicher Baustein zur sukzessiven Transformation der Innenstädte fungieren. Beruhend auf den Ergebnissen werden zum Abschluss des Beitrags Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Hintergrund und Methodik

Fast 12 % der Ladeneinheiten standen im April 2022 in den innerstädtischen Shopping-Centern der fünf größten deutschen Städte leer (bulwiengesa AG 2022). Beträgt die Leerstandquote in den A‑Lagen jener Städte ca. 4 Prozentpunkte weniger (ebd.), liegt der geschätzte bundesweite Einzelhandelsleerstand in den B‑Lagen bei 15 % und in den C‑Lagen bei 21 % (imakomm AKADEMIE GmbH 2021, S. 15). Diese Vergleichswerte sind von Bedeutung, da die oberen Geschosse eines Shopping-Centers kaum der A‑Lage zugeschrieben werden können (Monheim 2019). Insgesamt deuten nicht nur die Leerstandquoten, sondern auch Frequenzverluste sowie Umsatzrückgänge in den Leitbranchen darauf hin (CIMA Beratung + Management GmbH 2022; HDE 2022), dass sowohl der innerstädtische Einzelhandel als auch die Betriebsform der Shopping-Center in den nächsten Jahren (weiterhin) vor großen Herausforderungen stehen werden (BMI 2021a; CIMA Beratung + Management GmbH 2022). Vor diesem Hintergrund scheint spätestens der „Brandbeschleuniger Corona“ eine Aufbruchsstimmung in der (Handels‑)Immobilienwirtschaft ausgelöst zu haben (DeWert GmbH 2021; Union Investment Real Estate GmbH und bulwiengesa AG 2021). Neben alterprobten Revitalisierungsmaßnahmen (Refurbishment und Repositionierung) gewinnen in jüngerer Vergangenheit Umnutzungen bei der Modernisierung von Shopping-Centern vermehrt an Bedeutung (Knopf und Lanzerath 2023; B1; B5; B9; B11). Außerdem sind 39 der 57 realisierten innerstädtischen Shopping-Center (2011–2021) Bestandteil einer Mixed-Use-Immobilie (eigene Berechnung auf Datenbasis von EHI Retail Institute e. V. 2021 und Online-Recherche). Die Rückkehr der Nutzungsvielfalt bietet große Potenziale, nicht nur für die Marktpositionierung der Shopping-Center (Stichworte „Third Places“ und „Lifestyle Hubs“) (Blocher 2014; Frechen 2018; Seitz und Schleicher 2017), sondern auch für die Zukunftsfähigkeit der Innenstädte. Da Letzteres bei der Auseinandersetzung mit Mixed-Use-Centern bisher kaum Berücksichtigung gefunden hat, soll dies in der vorliegenden Arbeit unter folgender Fragestellung beleuchtet werden: Inwiefern können innerstädtische Shopping-Center durch die Integration neuer Nutzungen auf Gebäude- und Blockebene zur Zukunftsfähigkeit der Innenstädte beitragen?
Um eine adäquate Beantwortung dieser Fragestellung zu ermöglichen, wurden neben einer Literatur‑, Dokumenten- und Onlinerecherche neun systematisierende Experteninterviews geführt (Bogner et al. 2014) (Tab. 1). Letztere bezogen sich allerdings auf eine andere, thematisch verwandte Forschungsfrage (Einfluss von Gebäude- und Blockmischung auf die Integration der Center). Die Auswertung des vollständig transkribierten Audiomaterials erfolgte mithilfe der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) in MAXQDA 2020.
Tab. 1
Geführte Experteninterviews. (Eigene Darstellung)
Kürzel
Akteur
Unternehmen/Amt
Termin
B1
Öffentliche Verwaltung
Stadtplanungsamt (Stadt Hanau)
22.02.2022
B2
B3
Centermanagement
Projektentwicklung
HBB Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH
23.02.2022
B4
B5
Öffentliche Verwaltung
Abteilung Stadtentwicklung (Stadt Mannheim)
Abteilung Städtebauliche Planung (Stadt Mannheim)
02.03.2022
B6
Architekturbüro
dreisterneplus GmbH
04.03.2022
B7
Öffentliche Verwaltung
Referat für Stadtplanung und Bauordnung (Stadt München)
09.03.2022
B8
Centermanagement
Hines Immobilien GmbH
10.03.2022
B9
Architekturbüro
blocher partners GmbH
24.03.2022
B10
Projektentwicklung
DIRINGER & SCHEIDEL Wohn- und Gewerbebau GmbH
04.04.2022
B11
Kommunalberatung
CIMA Beratung + Management GmbH
11.04.2022
Mit Ausnahme von B3 und B11 sind bzw. waren alle befragten Akteure bei der Planung oder dem Betrieb des Forum Hanau (Hanau), Q 6 Q 7 (Mannheim) oder der Hofstatt (München) beteiligt. Diese wurden auf Basis der Datenerfassung des EHI Retail Institute e. V. (2021) als Fallbeispiele gewählt, indem in einer gezielten Auswahl (Misoch 2019) drei innerstädtische Shopping-Center (2011–2021 eröffnet) selektiert wurden, die mindestens drei weitere Nutzungen aufweisen sowie sich hinsichtlich gewisser Center‑, Mischungs-, und Stadtmerkmale unterscheiden. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse ist aufgrund der geringen Fallzahl sowie dem fehlenden Einbezug von größeren Umnutzungsvorhaben (Fläche > ca. 500 m2) eingeschränkt. Gemäß den Internetrecherchen befindet sich ein Großteil dieser (z. B. Das Gerber, Ems-Quartier) allerdings erst in Planung oder im Bau (Stand: April 2023).

Definition: Shopping-Center, Mixed-Use-Center und Zukunftsfähigkeit

Die zugrunde liegende Begriffsbestimmung von Shopping-Centern orientiert sich an der Definition des EHI Retail Institute e. V. (2021, S. 18). Demnach sind Shopping-Center „aufgrund zentraler Planung errichtete großflächige Versorgungseinrichtungen, die unter einheitlichem Management stehen und eine Mietfläche von mindestens 10.000 qm aufweisen“.
Als Mixed-Use-Center definiert der vorliegende Beitrag „ein einheitliches, aber nicht unbedingt simultan geplantes und errichtetes Immobilienprojekt, das neben Einzelhandels‑, Gastronomie- und Dienstleistungsflächen in der Form eines Shopping-Centers mindestens eine weitere (davon unabhängige) Nutzung mit relevantem Flächenanteil (ca. 500 m2) auf Gebäude- oder Blockebene vorzuweisen hat“. Für die Operationalisierung wurden die einzelnen realen Nutzungen (z. B. Wohnungen bzw. spezifische Wohnimmobilienart, Kindergarten oder Bibliothek) zu Nutzungsklassen zusammengefasst. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden sechs Nutzungsklassen (Tab. 2). Diese könnten zukünftig um weitere, bisher nicht oder wenig bedeutsame Nutzungen ergänzt werden, wie z. B. Pflegeinrichtungen, Urbane Produktion, Handwerk oder Logistik.
Tab. 2
Die relevanten Nutzungsklassen in Mixed-Use-Centern, deren Häufigkeiten in Neuentwicklungen und Umnutzungen sowie Beispiele für Umnutzungen. (Eigene Darstellung auf Datenbasis von EHI Retail Institute e. V. 2021 und Online-Recherche)
Nutzung
Häufigkeit in 57 Neubauten 2011–2021 (%)
Häufigkeit in Umnutzungen (Einschätzung des Autors)
Beispiele für Umnutzungen (in Planung, Bau und Betrieb)
Büros
56,14
Häufig
Sevens, Konrad-Koch-Quartier
Praxen
40,35
Eher häufig
Forum Mülheim, Nürtinger Tor
Freizeit, Entertainment
33,33
Eher häufig
Flair Fürth (z. B. Hologate World), Hofstatt (Fitnessstudio)
Wohnungen
15,79
Selten
Ems-Quartier
Hotel
12,28
Eher selten
Das Gerber, Ems-Quartier
Kultur, Bildung
10,53
Selten
Dorotheen Quartier (Pop-Up-Galerie), Rathaus Galerie Wuppertal (Universität)
Die Zukunftsfähigkeit der (Innen‑)Städte soll als ein Zusammenwirken aus Nachhaltigkeit und Resilienz verstanden werden. Auch wenn sich Trade-offs zwischen den beiden Leitbildern bzw. Konzepten ergeben können (z. B. Effizienz vs. Redundanz) (BBSR 2023; Elmqvist et al. 2019), zeigt nicht zuletzt das Ziel 11 der Agenda for Sustainable Development, dass Nachhaltigkeit und Resilienz für zukunftsfähige Städte zusammengedacht werden müssen (UN General Assembly 2015). Der Brundtland-Bericht prägte das Verständnis von Nachhaltigkeit entscheidend (Growe und Freytag 2018) und definiert Nachhaltigkeit als „[a] development … that … meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (WCED 1987, S. 54). Um Nachhaltigkeit in seiner Ganzheitlichkeit zu erfassen, umfasst das Konzept die drei Säulen bzw. Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales und versucht, diese miteinander in Einklang zu bringen (UN General Assembly 2015). Unter urbaner Resilienz versteht der vorliegende Beitrag entsprechend Meerow et al. (2016, S. 39) „… the ability of an urban system … to maintain or rapidly return to desired functions in the face of a disturbance, to adapt to change, and to quickly transform systems that limit current or future adaptive capacity.“

Aktueller Diskurs und Forschungsstand

In Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft werden seit der COVID-19-Pandemie verstärkt unterschiedliche Konzepte, Strategien und Maßnahmen diskutiert, um den Frequenz‑, Funktions- und Bedeutungsverlusten der Innenstädte entgegenzuwirken und sie für die Zukunft aufzustellen. Ein Strategiebaustein, der sich auch im Leitbild der „kompakten und durchmischten Stadt“ niederschlägt, ist die Nutzungsmischung auf jeglichen Maßstabsebenen (Jessen 2018). Um von den potenziell positiven Auswirkungen wie Vitalität, Verkehrs- und Abgasreduktion sowie effizienterer Flächennutzung zu profitieren (Bretschneider 2007), verweisen zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, Positionspapiere und politische Leitvorstellungen auf die Notwendigkeit, proaktiv unterschiedlichste Nutzungen (wieder) in der Innenstadt anzusiedeln (z. B. BMI 2021a, 2020; Deutscher Städtetag 2021; Diringer et al. 2022; Renner 2022). Diese vernachlässigen jedoch im Regelfall die Umsetzung und den Beitrag von Nutzungsmischung auf Gebäude/-Immobilienebene (Diringer et al. 2022). Dieses Defizit ist auch in der Shopping-Center-Literatur festzustellen. Monheim (2019) betrachtet zwar die Auswirkungen von Shopping-Centern auf die Nachhaltigkeit der Innenstädte, das Kapitel zur Nutzungsmischung entspricht allerdings eher einer Deskription einzelner Mixed-Use-Center als einer Analyse ihrer Auswirkungen. Pesch (2014) fokussiert sich mehr auf die Zukunftsfähigkeit der Shopping-Center selbst. Bedeutende Erkenntnisse zur Mischnutzung in Shopping-Centern liefert v. a. Mayer-Dukart (2010). Jedoch wird auch in ihrer Arbeit nur bedingt eine Verbindung zwischen dieser und der Zukunft der Innenstädte hergestellt. Umnutzungen spielen in den erwähnten Publikationen höchstens implizit eine Rolle.

Ergebnisse

Um erste Erkenntnisse zur Bearbeitung der erläuterten Forschungslücke besteuern zu können, werden zuerst die Chancen und Risiken für die Zukunftsfähigkeit der Innenstädte durch die Realisierung von Mixed-Use-Centern anhand von Nachhaltigkeit und Resilienz erörtert. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass es vielfältige, komplexe Überlagerungen und Interdependenzen zwischen den Dimensionen der Nachhaltigkeit untereinander als auch mit der Resilienz gibt und eine eindeutige Zuordnung bestimmter Chancen und Risiken daher kaum möglich ist. Auf die Verschränkung der Nachhaltigkeitsdimensionen weisen u. a. Hassan und Lee (2015) hin. Anschließend an die Kapitel zur Nachhaltigkeit und Resilienz wird auf die Förderfaktoren und Herausforderungen bei Umnutzungsvorhaben in Shopping-Centern eingegangen sowie ein Blick auf die Rolle der Kommunen geworfen.

Nachhaltigkeit der Innenstädte

Die Entwicklung von Mixed-Use-Centern kann als Baustein zur ökonomischen Nachhaltigkeit der Innenstadt beitragen, indem sie durch Risikostreuung und eine höhere (Nutzungs‑)Flexibilität mittel- bis langfristig einen hohen Immobilienwert sicherstellt (DeWert GmbH 2021; Vogel 2010; B1; B3). Aufgrund räumlich begrenzter Expansionsmöglichkeiten in den dicht bebauten Innenstädten wird die Nutzungsanreicherung zumeist als Umnutzung oder Aufstockung vollzogen. Weiterhin gilt Nutzungsmischung durch die potenzielle Förderung von Ungleichheit, Ungleichzeitigkeit und Ungleichwertigkeit als Voraussetzung für die Entfaltung von Urbanität (Häußermann 2006). Nach dem Städtebau- und Entwurfsplaner Prof. W. Christ ist Urbanität „der einzige Aspekt, den man nicht digitalisieren kann“ (Christ und Willhardt 2012, S. 39) und daher der entscheidende Wettbewerbsvorteil von analogen gegenüber digitalen Marktplätzen. Ob die bestehenden Nutzungen von der potenziell entstehenden Urbanität bzw. der Belebungswirkung und folglich den Umsatzsteigerungen profitieren können, hängt davon ab, ob diese trotz der neuen Nutzungen im Center weiterhin aufgesucht werden. Daher sollte bereits bei der Planung darauf geachtet werden, dass die neuen Nutzungen das bestehende Innenstadtangebot komplementieren (B1; B3; B7; B11). Immobilieninterne Synergien sind zwar ein entscheidender Vorteil von Mixed-Use-Centern (DeWert GmbH 2021; B1; B2; B3; B6; B8; B10). Dennoch steigt mit jeder weiteren (publikumsintensiven) Nutzung das Risiko, dass ein Großteil der Bedürfnisse innerhalb des Centers befriedigt wird und ein Besuch der gewachsenen (Einkaufs‑)Lagen obsolet werden könnte (B5). Relativiert wird diese Befürchtung durch die Ausführungen der befragten Experten, dass die Immobilie in diesem Fall äußerst große Dimensionen annehmen müsste und die Menschen i. d. R. vielen Tätigkeiten (Nahversorgung, Naherholung, Hausarzt etc.) in der Nähe ihres Wohnumfeldes nachgehen (B1; B9; B11). Bei publikumsschwächeren Nutzungen (Wohnungen, Büro, Hotel) bedeutet Komplementarität insbesondere die Bereitstellung von Angeboten unterschiedlichen Preisniveaus bzw. für unterschiedliche Zielgruppen zwischen Center und Innenstadt (B5; B11) (Abb. 1).
Umnutzungs- und Nachverdichtungsvorhaben leisten ebenfalls entscheidende Beiträge zur ökologischen Nachhaltigkeit der Center sowie der (Innen‑)Städte. Zum einen wird die wertvolle Ressource Boden vor zusätzlicher Versiegelung geschützt sowie Rohstoffe und graue Energie bzw. Emissionen durch die (Weiter‑)Nutzung des Bestandes eingespart (Bundesstiftung Baukultur 2023; Union Investment Real Estate GmbH und bulwiengesa AG 2021). In diesem Kontext bieten die Flachdächer von Shopping-Centern i. d. R. günstige Voraussetzungen für eine Nutzung (z. B. als Aufenthaltsfläche oder für Urban Gardening) oder Aufstockungen. Städtebaulich wird bei Aufstockungen zudem davon profitiert, dass Shopping-Center vor der Aufstockung zumeist eine niedrigere Höhe als die Umgebungsbebauung besitzen. Zum anderen wird der Erhalt und die Stärkung von Nutzungsmischung unter Konzepten wie der „15-Minuten-Stadt“ als eine entscheidende Maßnahme für die Förderung nachhaltiger Verkehrsträger und deren positiver Auswirkungen auf Umwelt und Mensch erachtet (Bretschneider 2007; B11). Durch kürzere Distanzen werden die Mikromobilität und die Nutzung des ÖPNV gestärkt. Dabei gilt jedoch zu beachten, dass für eine „Verkehrswende“ weitere Maßnahmen ergriffen sowie Kompaktheit und Durchmischung im gesamten Stadtgebiet konsequenter umgesetzt werden müssen (Banister 2008; BBSR 2017). Außerdem kann argumentiert werden, dass die Implementierung neuer Frequenzbringer weiteren Verkehr erzeugt und die weiterhin mit großzügigen Parkangeboten ausgestatteten Shopping- bzw. Mixed-Use-Center den Pkw als Verkehrsmittel begünstigen (B5). Dennoch dürfen die Vorreiterrolle großer Immobilienprojekte, immobilieninterne Synergien (z. B. Wohnen und Nahversorgung im Center) sowie Potenziale hinsichtlich der Unterbringung von Micro-Hubs und der Bereitstellung von Last-Mile-Delivery (Pilotprojekt pakadoo im LAGO Konstanz) nicht unterschätzt werden (BBSR 2017; B8; B11).
„Die gerechte Stadt lässt niemanden außen vor. Sie bietet jeder und jedem die Möglichkeit, sich in die Gesellschaft zu integrieren“ (BMI 2020, S. 5). Shopping-Center stehen in der Kritik, die Zielsetzung sozialer Nachhaltigkeit durch Kommerzialisierung und Privatisierung zu konterkarieren. Inszenierte (Stadt‑)Erlebnisse und „simuliert[e]“ Urbanität (Häußermann 2006, S. 35), temporäre und rechtliche Zugangsbeschränkungen sowie die (folgliche) Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen stehen dabei häufig im Mittelpunkt (Mayer-Dukart 2010; Monheim 2019). Unterbinden neue Nutzungen diesen Charakter nicht gänzlich, können sie dennoch einen Beitrag zur Erreichung neuer Zielgruppen, zur Schaffung von Begegnungsräumen für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und zur Erzeugung von Urbanität leisten (Häußermann 2006; B1; B6; B11). Der öffentlichen Verwaltung und besonders (öffentlichen) Kultur- und Bildungseinrichtungen wird diese Qualität zugeschrieben (Anders et al. 2020; Diringer et al. 2022) (Abb. 2). Diese sind i. d. R. „losgekoppelt von der Kommerzentscheidungsfindung“ (B6, Z. 409) und gelten als Orte der Begegnung, Integration und Teilhabe (BMI 2021a; BMVBS 2011; B1; B6; B11). Finanzielle Interessen und eine Trägheit bei Standortverlagerungen stehen der Einbindung dieser Nutzungen jedoch oft entgegen (B3; B5; B7; B9; B10). Allerdings ist die inklusionsfördernde Wirkung auch auf die Räumlichkeiten jener Einrichtungen sowie den (halb‑)öffentlichen Stadtraum begrenzt, da auf den Erschließungswegen und in den Shopping-Centern i. d. R. centertypische Hausordnungen gelten. Im Gegensatz zu Verwaltungs‑, Kultur- und Bildungseinrichtungen können andere Nutzungen, wie z. B. Wohnungen, Büros oder Hotels, den Exklusionsgrad des Centers durch die oftmals hochpreisigen Angebote erhöhen und als Instrument neoliberaler Stadtentwicklung angesehen werden. Die Zielgruppe dieser Nutzungen, wie auch von Freizeit- und Entertainmentnutzungen, bezeichnet der Sozialwissenschaftler Prof. Volker Eichener als „moderne Lifestyle-Gruppen“, die rund 30 % der Bevölkerung ausmachen (Selle 2011, S. 8).

Resilienz der Innenstädte

Neben einer auf Dauer angelegten nachhaltigen Entwicklung werden in Zeiten multipler Krisen die (kurzfristige) Widerstands- und Anpassungsfähigkeit physischer, sozialer und wirtschaftlicher (Infra‑)Strukturen stetig wichtiger (BBSR 2023; BMI 2021b). Die Rückbesinnung auf gemischt genutzte Stadtstrukturen, wie sie für die europäische Stadt bis zur Industrialisierung konstitutiv war (Bretschneider 2007), schafft neue Besuchsanlässe und reduziert die Abhängigkeit der Attraktivität, Passantenfrequenzen und Umsätze vom Einzelhandel (BBSR 2017; Weidner 2021). Aufgrund ihrer großen Kubatur sind Shopping-Center besonders geeignet, feinkörnige Gebäudemischungen zu realisieren (BBSR 2017) sowie großflächige Angebote wie Bibliotheken und Museen, Boulderhallen oder Mobilitätshubs in der Innenstadt anzusiedeln.
Auf Immobilienebene bedeutet Mischnutzung die Steigerung der (ökonomischen) Resilienz bzw. Widerstandsfähigkeit durch Risikostreuung zwischen den einzelnen Nutzungen bzw. Assetklassen gegenüber stress- oder schockinduzierten Nachfrageschwankungen (DeWert GmbH 2021; B1; B3). Zusätzlich bieten mischgenutzte Strukturen günstige Voraussetzungen für die Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen (Trautmann und Eisele 2020; Vogel 2010). Die Voraussetzungen sind umso günstiger, je nutzungsflexibler die Räume bzw. Gebäude hinsichtlich Eigenschaften wie Grundriss, Erschließungskerne und Deckenhöhe gestaltet werden (Union Investment Real Estate GmbH und bulwiengesa AG 2021; B6; B9; B11).
Insgesamt gewährleistet die gesteigerte Resilienz den Investoren und Eigentümern eine hohe Stabilität der Cashflows und reduziert die Anzahl struktureller Leerstände im Mixed-Use-Center (DeWert GmbH 2021; B1; B3). Dies kann sich positiv auf die (unmittelbare) Umgebung auswirken, da vor allem großflächige Center-Leerstände das Stadtbild entscheidend prägen und Trading-Down-Effekte induzieren können (Block und Icks 2010; B3). Dennoch muss eingeräumt werden, dass die erhöhte Resilienz der Center-Immobilie nur geringfügige Impulse für die Resilienz- und Urbanitätssteigerung der gesamten Innenstadt setzen kann. Außerdem können die gesteigerte Resilienz und die Möglichkeit zur Quersubventionierung, aber auch die gute verkehrliche Anbindung und die Existenz eines Centermanagements, Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen innerstädtischen (Handels‑)Immobilien darstellen. Insofern können Standortverlagerungen von Nutzungen in das Center zu Leerständen in anderen Immobilien führen. Dem Autor bekannte Beispiele (Forum Hanau, Rathaus Galerie Wuppertal) zeigen aber, dass Verlagerungen bisher eher eine Folge von Flächenmangel am alten Standort waren (B1).
Neben der gesteigerten baustrukturellen und ökonomischen Resilienz kann Nutzungsmischung auch die Resilienz der im Center angebotenen (sozialen) Infrastrukturangebote erhöhen. Diese können in Mixed-Use-Immobilien bzw. -Quartieren in Krisenzeiten weiterhin aufrechterhalten werden, da sie von den nicht betroffenen, (zeitweise) ertragsstärkeren Nutzungen indirekt quersubventioniert werden können (bulwiengesa AG 2020).
Abschließend fasst Abb. 3 die bedeutendsten Ergebnisse zusammen.

Förderfaktoren, Herausforderungen und Akteure bei der Realisierung von Umnutzungen

Obwohl Mixed-Use-Immobilien inzwischen ein attraktives Investment darstellen und Shopping-Center geeignete Voraussetzungen für Umnutzungen bieten, ergeben sich auf Immobilienebene von deren Initiierung bis zum Betrieb vielfältige Herausforderungen (Abb. 4).
Während die Kommune beim Neubau die Mischung unterschiedlicher Nutzungen und deren Charakteristika über formelle Instrumente vorschreiben kann (BBSR 2017; Pesch 2014), sind die Steuerungsmöglichkeiten im Bestand deutlich eingeschränkter (Bundesstiftung Baukultur 2023; Deutscher Städtetag 2021). Aktuelle Umnutzungsvorhaben deuten jedoch darauf hin, dass die Veränderungsbereitschaft in der Immobilienwirtschaft sukzessive zunimmt. Inwiefern die Schaffung neuer Förder- und Anreizstrukturen (Mensing 2019) hierfür als Katalysator dienen kann und welche Instrumente wirkungsvoll sind, gilt es weiterhin zu untersuchen.
Die drei untersuchten Fallbeispiele zeigen, dass der frühzeitige, regelmäßige Austausch zwischen Eigentümer bzw. Projektentwickler, Investoren, Architekten und der Kommune ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der Umsetzung von Nutzungsmischung im Neubau war (B01; B02; B05; B06). Auch bei Umnutzungsvorhaben gelten Kommunikations- und Verhandlungsansätze als unverzichtbar. Die Kommune ist hierbei angehalten, langfristig angelegte Dialogstrukturen mit den relevanten Innenstadtakteuren aufzubauen, für Nutzungsmischung aus ökologischer, sozialer, wirtschaftlicher und städtebaulicher Perspektive zu werben und Finanzierungsmöglichkeiten darzulegen (BBSR 2017).

Fazit und Handlungsempfehlungen

Die Ergebnisse zeigen, dass Mischnutzung auf Centerebene einen entscheidenden Beitrag für die Nachhaltigkeit und Resilienz und demnach die Zukunftsfähigkeit und (Lebens‑)Qualität der Innenstädte leisten kann (Abb. 3). Es wäre allerdings ein Irrglaube, dass Mischnutzung allein die Probleme des innerstädtischen Einzelhandels beheben könnte. Maßgeschneiderte, lokalspezifische (Mischnutzungs‑)Konzepte können dem Center und der Innenstadt jedoch Emotionalität und Individualität, Erlebnis und Convenience sowie eine offenere Gestaltung verleihen, deren Bedeutung als Profilierungsmerkmale zukünftig weiter zunehmen wird (Seitz und Schleicher 2017). Dies sorgt für neue Frequenzen, reduziert das Leerstandrisiko und steht für eine neue Qualität der Innenstädte. Dabei ist zu beachten, dass Mixed-Use-Center nicht a priori positive Auswirkungen auf die Innenstadt haben bzw. verträglicher als konventionelle Shopping-Center sind. Entscheidend ist vor allem die Komplementarität der Nutzungen im Center und der Innenstadt. Außerdem sind gewisse (positive) Auswirkungen (v. a. Belebungsgrad und Inklusion) räumlich beschränkt, durch die Besuchszeiten der entsprechenden Nutzung zeitlich determiniert und von der Nutzungsart bzw. deren Zielgruppe abhängig. Ein Mixed-Use-Center kann daher nur einer von vielen Bausteinen zur Erhöhung der Nutzungsvielfalt und der Transformation der Innenstädte darstellen (vgl. BBSR 2017).
Der Trend zu Mixed-Use-Centern ist unverkennbar. Dennoch verhindern vielfältige Herausforderungen (Abb. 4) eine tiefgreifende Transformation (zumindest auf Center-Ebene) weitestgehend und fördern weiterhin die Dominanz von Handels- und Büronutzungen, nun ergänzt durch Gastronomie‑, Freizeit- und Entertainmentangebote. Der Mehrwert für die Stadtgesellschaft würde jedoch um ein Vielfaches steigen, wenn Nachverdichtungspotenziale besser ausgeschöpft werden sowie Wohnungen und nichtkommerzielle Nutzungen das oftmals hochpreisige Angebot der kommerzorientierten Center-Nutzungen ergänzen. Ehemals ungenutzte oder private (Handels‑)Flächen könnten durch Nutzungen wie (öffentliche) Kultur- und Bildungseinrichtungen, Erholungs‑, Anbau- oder Experimentierflächen für die Allgemeinheit (zurück)gewonnen werden.
An dieser Stelle ist auf die Handlungsempfehlungen von ARL (2020), BBSR (2017), BMI (2021a) und Diringer et al. (2022) zu verweisen, die die Förderung von Nutzungsmischung im Allgemeinen adressieren. Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse wurden folgende Handlungsempfehlungen für die Mischnutzung in Shopping-Centern abgeleitet:
1.
Anlässlich immobilieninterner Vorteile sowie bei entsprechender Umsetzung positiver Auswirkungen auf die Innenstadt wird eine Integration neuer Nutzungen in den Bestand grundsätzlich empfohlen. Um die Art und die Anzahl der Nutzungen adäquat bestimmen zu können, ist eine Einbindung in kommunale Entwicklungskonzepte sowie die Durchführung einer umfassenden Markt- und Standortanalyse anzuraten, u. a. der bestehenden innerstädtischen Nutzungsstrukturen, der Standortfaktoren und der vorhandenen Bausubstanz.
 
2.
Aufgrund ihrer besonderen Qualitäten (Belebung, Integration, langfristige Mietverträge) ist v. a. die Realisierung (öffentlicher) nichtkommerzieller Nutzungen zu prüfen. Senkungen der Mieterwartungen, der Einsatz alternativer Miet- und Finanzierungsmodelle (z. B. Umsatzmiete, Quersubventionierung) sowie frühzeitig offene Dialoge zwischen den relevanten Akteuren sind hierfür – aber auch für Nutzungsmischung im Allgemeinen – erforderlich.
 
3.
Spätestens ab einer gewissen Größe (> ca. 15 %) und Dauerhaftigkeit der Handelsleerstände sollte der Center-Eigentümer Umnutzungsmöglichkeiten oder zumindest Pop-Up-Konzepte prüfen. Die Einbindung weiterer Nutzungen bietet sich v. a. für die frequenzärmeren Obergeschosse an.
 
4.
Unabhängig von den Handelsleerständen sollten die Möglichkeiten einer Nachverdichtung bzw. Aufstockung ermittelt werden. Dadurch lässt sich der Flächenverbrauch reduzieren und die Flächenrentabilität des Grundstücks erhöhen.
 
5.
Die Kommunen sollten sich zum Ziel setzen, über informelle Instrumente mehr Einfluss auf Bestandsgebäude und deren (Um‑)Nutzung zu nehmen sowie die Bevölkerung (intensiver) einzubinden.
 

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt dem Geographischen Institut Heidelberg und Frau Prof. Dr. Anna Growe für die Betreuung meiner Bachelorarbeit, auf deren Basis dieser Artikel entstanden ist. Außerdem möchte ich mich recht herzlich bei den Expert*innen für ihre Teilnahme und Informationsbereitschaft sowie bei den zwei anonymen Reviewer*innen für ihr konstruktives Feedback bedanken.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.
Literatur
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Metadaten
Titel
Die Mischung macht’s? Das Shopping-Center wird zum Mixed-Use-Center
Auswirkungen von Mixed-Use-Centern auf die Zukunftsfähigkeit der Innenstädte
verfasst von
Marc Heptig, B.Sc.
Publikationsdatum
04.08.2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Standort / Ausgabe 3/2023
Print ISSN: 0174-3635
Elektronische ISSN: 1432-220X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00548-023-00877-8

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