Co-Working-Spaces werden als räumliche Antwort auf die Flexibilisierung von Arbeitsprozessen und zugleich v. a. als urbanes Phänomen diskutiert. Co-Working-Spaces werden jedoch nicht nur als Möglichkeit für mobiles Arbeiten verstanden, sondern auch als Chance, räumliche Entwicklung zu stärken. Allerdings können nicht alle Typen von Co-Working-Spaces gleichermaßen Impulse für Entwicklungen außerhalb des Co-Working-Space selbst setzen. Besonders prädestiniert für eine Unterstützung der Quartiers‑, Stadt- und Regionalentwicklung sind Co-Working-Spaces mit einer großen Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit. Differenziert werden 3 Typen von Co-Working-Spaces: solche, die sich durch Offenheit und Zugänglichkeit auszeichnen, solche, die sich an den geschlossenen Nutzerkreis der Co-Working-Spaces selbst richten, und solche, die eine Mischform aus den beiden anderen Typen darstellen. Dieser Beitrag setzt sich am Beispiel Baden-Württemberg mit der Frage auseinander, welcher Typus von Co-Working-Spaces eher in Kernstädten und im regionalen Verflechtungsbereich von Großstädten zu finden ist. Es wird auch betrachtet, welcher Typus außerhalb von Großstadtregionen im ländlichen Raum zu finden ist und welche Form von Öffnung bei Co-Working-Spaces außerhalb von Großstadtregionen beobachtet werden kann.
Der wirtschaftliche Strukturwandel hin zu einer stärker wissensbasierten Wirtschaft verändert die räumliche Strukturierung von Arbeit und die Anforderungen an Arbeitsplätze. Co-Working-Spaces sind nach Müller (2018, S. 43) eine „räumliche Antwort“ auf die zunehmende Flexibilisierung sowie die damit einhergehende Unsicherheit und Selbstbestimmung (Müller 2018). In Co-Working-Spaces können Arbeitsplätze mit sehr unterschiedlicher Ausstattung kurzfristig und zeitlich befristet angemietet werden. Sie bilden somit eine Alternative zur herkömmlichen Bürogemeinschaft.
Besonders Großstädte sind Standorte wissensintensiver und kreativer Tätigkeiten. Da v. a. in diesen Branchen viele Freischaffende und Selbstständige, die eine maßgebliche Nutzergruppe von Co-Working-Spaces bilden, tätig sind, werden Co-Working-Spaces v. a. als urbanes Phänomen diskutiert (Nakano et al. 2020; Merkel 2015). In Städten selbst werden Co-Working-Spaces jedoch nicht nur als räumliche Antwort auf die Flexibilisierung von Arbeitsprozessen gesehen. Co-Working-Spaces werden auch im Zusammenhang mit der Förderung kreativer und sozialer Wirtschaftsaktivitäten (Brown 2017; Bednář und Danko 2020; Schmidt 2020) und der Transformation von Städten im Strukturwandel diskutiert (Growe et al. 2020; Jamal 2018). So werden im Rahmen von Stadtentwicklungsprojekten beispielsweise Ansiedlungen von Co-Working-Spaces in leer stehenden Industrie- oder Bahngebäuden unterstützt, um Impulse für neu entstehende Stadtquartiere zu setzen (Abb. 1).
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Durch die positiven Assoziationen von Co-Working-Spaces mit wissensintensiven und kreativen Arbeitsprozessen und die Versuche in Großstädten, durch diese Einrichtungen weitere Entwicklungen anzustoßen, haben diese Arbeitsorte in Politik und Planung an Aufmerksamkeit gewonnen. Dabei steht nicht nur die Entwicklung von Räumen, sondern auch die Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen im Fokus (Terfrüchte 2019). So wird im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufgeführt: „Coworking-Spaces sind eine gute Möglichkeit für mobile Arbeit und die Stärkung ländlicher Regionen“ (SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP 2021, S. 69). Auch die räumlichen Folgen der Pandemie werden gegenwärtig als Treiber ländlicher Entwicklung diskutiert (Siedentop 2022).
In vielen der bislang vorliegenden Arbeiten zu Co-Working-Spaces auf dem Land werden ausgewählte Co-Working-Spaces als Fallbeispiele vorgestellt (BMEL 2021; Bähr et al. 2020). Ein systematischer Überblick über die Verteilung von Co-Working-Spaces in allen Raumeinheiten kann jedoch durch diese Herangehensweise nicht gewonnen werden. Bislang fehlen Informationen dazu, wie hoch der Anteil von Co-Working-Spaces außerhalb der großen Kernstädte ist und welche Typen von Co-Working-Spaces bevorzugt in den großen Kernstädten, welche Typen auch außerhalb der großen Kernstädte zu finden sind. Für Baden-Württemberg soll mit diesem Beitrag diese Lücke geschlossen werden. Dieses Bundesland ist aufgrund seiner ausgeprägten Wirtschaftskraft abseits urbaner Verdichtungsräume (Lang et al. 2019) besonders interessant für Fragen nach Standorten neuer Arbeitsorte in ländlichen Räumen. Es wird den Fragen nachgegangen, ob in Baden-Württemberg außerhalb der städtischen Zentren Co-Working-Spaces verortet sind, welche Eigenschaften diese Co-Working-Spaces haben und ob diese Eigenschaften als Anknüpfungspunkt für Raumentwicklungsprozesse dienen können. Ziel des Beitrags ist es, die Möglichkeiten von Co-Working-Spaces in ländlichen Räumen aufzuzeigen.
Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Zunächst wird erläutert, warum Co-Working-Spaces eine wichtige Rolle für ländliche Räume spielen können. Dann werden Grundlagen für eine Typisierung von Co-Working-Spaces eingeführt. Anschließend werden Ergebnisse der empirischen Analyse von Co-Working-Spaces in Baden-Württemberg vorgestellt, und zum Abschluss wird diskutiert, welche Rolle Co-Working-Spaces als Treffpunkte und „RuralHubs“ (Gandini und Cossu 2021) bislang außerhalb von Großstadtregionen in Baden-Württemberg spielen und wie positive Impulse besser genutzt werden können.
Typen von Co-Working-Spaces
Aufgrund der großen Dynamik und Diversität der Co-Working-Landschaft scheint bereits eine grundsätzliche Typisierung von Co-Working-Spaces schwierig. Die entstehenden Ausprägungen sind schwer zu fassen und zu klassifizieren (Seifert 2018; Merkel 2015). In einer Reihe von Publikationen wurden unterschiedliche Differenzierungen von Co-Working-Spaces entwickelt (Spinuzzi 2012; Schmidt et al. 2014, 2016; Gandini und Cossu 2021; Growe et al. 2020), die jeweils unterschiedliche Facetten des komplexen Phänomens abbilden. Die Differenzierungen von unterschiedlichen Co-Working-Typen in der Literatur können somit als komplementär und nicht als sich ausschließend verstanden werden.
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Für die Analyse der räumlichen Verteilung von unterschiedlichen Co-Working-Spaces in diesem Beitrag wurde die Typisierung von Gandini und Cossu (2021) gewählt, in der Co-Working-Spaces außerhalb von Städten als mögliche „RuralHubs“ diskutiert werden. Eine Gegenüberstellung der Qualitäten von Co-Working-Spaces in städtischen und in ländlichen Räumen ist mit dieser Abgrenzung gut möglich. Die Typisierung von Gandini und Cossu (2021) differenziert Co-Working-Spaces in einen renditeorientierten und einen gemeinwohlorientierten Typ. In Tab. 1 wird eine Zusammenfassung der Eigenschaften dieser beiden Co-Working-Typen gegeben.
Tab. 1
Zusammenfassung der Eigenschaften renditeorientierter und gemeinwohlorientierter Co-Working-Spaces
Gemeinwohlorientierte Co-Working-Spaces
Renditeorientierte Co-Working-Spaces
Organisationsstruktur
Der Co-Working-Space ist kleiner und wird unabhängig geführt. Er wird als Alternative gegen den neoliberalen Trend in der Szene geführt
Der Co-Working-Space ist eine Kombination aus Immobilienunternehmen und Marktvermittlung. Dies sind oft große Co-Working-Anbieter wie WeWork, MindSpace oder Design Offices
Ziel der Co-Working-Space-Betreiber
Die Co-Working-Betreiber legen einen Fokus auf ökonomische Nachhaltigkeit vereint mit sozialer Wirkung. Ziel ist die Produktion eines gesellschaftlichen Mehrwertes
Der Fokus liegt auf der Generierung ökonomischen Gewinns, wobei dieser Fokus mit dem Begriff der „Generierung von Innovation“ eingerahmt wird
Physische Struktur
Die Infrastruktur im Co-Working-Space und seine Inneneinrichtung sind so gestaltet, dass sie soziale Interaktionen und praktisches Arbeiten fördern
Die Infrastruktur im Co-Working-Space und seine Inneneinrichtung bieten auf den Lifestyle der Technikbranche und von Kreativarbeitenden ausgelegte Arbeitsplätze
Sozial- und Kommunikationsstruktur
Im Co-Working-Space steht soziale Interaktion klar im Vordergrund. Die Entstehung einer Gemeinschaft ist zentral
Die Nutzung des Begriffs „Community“ erfolgt eher symbolisch und als Teil einer Vermarktungsstrategie
Vernetzung mit dem Umfeld des Co-Working-Space
Der Co-Working-Space hat eine Offenheit für externe Nutzer, die keinen Arbeitsplatz im Co-Working-Space haben. Der Kontakt zu Nachbarn und dem direkten Umfeld ist wichtig
Der Co-Working-Space hat keine besondere Offenheit für externe Nutzer. Die Vernetzung mit Akteuren außerhalb des Co-Working-Space ist gering, und Zugang besteht nur für Mitglieder gegen einen finanziellen Beitrag
Bezug von Fördermitteln
Der Co-Working-Space wird oft durch öffentliche Finanzierung/Spenden unterstützt
Der Co-Working-Space bezieht keine Fördermittel
Quelle: eigene Tabelle auf Basis von Gandini und Cossu (2021)
Co-Working-Spaces in ländlichen Räumen
Co-Working-Spaces an Standorten in ländlichen Räumen wurden lange Zeit in wissenschaftlichen Analysen vernachlässigt. Aufgrund der Heterogenität von ländlichen Räumen können Co-Working-Spaces sehr unterschiedliche Rollen für ländliche Räume einnehmen (Mose 2018). Es wird angenommen, dass Co-Working-Spaces in Umgebungen mit einer schwächeren Unternehmenskultur eine umso stärkere Rolle als Inkubator in der lokalen Gesellschaft einnehmen können (Gandini und Cossu 2021; Fuzi 2015; Brown 2017; Growe 2020). Befragungen von Co-Working-Nutzern zeigen, dass die Nähe von Co-Working-Spaces zum Wohnort an Bedeutung gewinnt (Spinuzzi 2012; Seifert 2018). Dies bedeutet, dass Co-Working-Spaces sich auch außerhalb des klassischen urbanen Umfeldes ansiedeln können, um den Marktdruck in den Städten zu meiden und Nutzern in ihrer Nachfrage buchstäblich entgegenzukommen. Auch Agglomerationsnachteile wie die Überlastung des ÖPNV, zunehmende Luftverschmutzung und hohe Mieten können abgeschwächt werden, wenn sich Co-Working-Spaces auch außerhalb der großen Zentren ansiedeln und (temporäre) Alternativen zum Pendeln in die großen Wirtschaftszentren bieten.
Da für Co-Working-Spaces nur die entsprechende Bürohardware benötigt wird, sind sie räumlich vergleichsweise ungebunden. Der Standort muss allerdings eine gute Internetverbindung bieten. Jedoch ist diese Anforderung zunehmend auch in ländlichen Räumen gegeben. Darüber hinaus besteht in ländlichen Regionen ein größeres Raumangebot. Gerade die Umnutzung von Leerständen zu Co-Working-Spaces bietet die Möglichkeit, günstiger Räumlichkeiten für Co-Working-Anbieter zu schaffen, und stärkt den Wirtschaftsstandort durch die Ansiedlung neuer Unternehmen (Seifert 2018; Fuzi 2015) oder durch das Einmieten größerer Unternehmen als flexible (und ggf. temporäre) Außenstelle (Kiese et al. 2018). Co-Working-Spaces können somit eine Möglichkeit sein, um Landflucht und den damit einhergehenden demografischen und wirtschaftlichen Konsequenzen entgegenzuwirken (Growe 2020).
In Kleinstädten außerhalb der Verdichtungszentren werden Co-Working-Spaces vereinzelt bereits als wünschenswerte Einrichtungen thematisiert. Zum Beispiel wurden in Zell am Harmersbach, einer Kleinstadt mit knapp 8000 Einwohnern, im Rahmen eines Szenarioprozesses „Zell2030“ die Vorteile von Co-Working-Spaces als flexible Arbeitsorte für die örtliche Bevölkerung und als Motivation für Besucher und Zuzug aufgegriffen (Abb. 2). So hofft die Stadt, durch einen Co-Working-Space ihre Attraktivität als Wohn- und Arbeitsstandort steigern zu können (Growe 2020).
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Die Umsetzung eines Co-Working-Spaces in Zell am Harmersbach konnte jedoch bis heute nicht realisiert werden. Dies zeigt, dass ein grundsätzliches politisches Interesse sowie ein Raumangebot nicht ausreichen. Bei der Analyse von Co-Working-Spaces in ländlichen Räumen wird deutlich, dass für den Betrieb und bei der Nachfrage von Co-Working-Spaces in ländlichen Räumen andere Bedingungen herrschen als in der Stadt (BMEL 2021). Eine Differenzierung von Co-Working-Spaces kann weiterführende Hinweise geben, welche Merkmale Co-Working-Spaces aufweisen, die bereits erfolgreich außerhalb der großen Kernstädte existieren. Zu vermuten ist, dass renditeorientierte Co-Working-Spaces eher in Großstadtregionen und gemeinwohlorientierte Co-Working-Spaces eher in ländlichen Räumen zu finden sind.
Co-Working-Spaces in Baden-Württemberg
Eine zentrale Herausforderung bei der flächendeckenden Analyse zu Standorten von Co-Working-Spaces ist die Datenverfügbarkeit. Da keine Datenbanken zu Standorten von Co-Working-Spaces vorliegen, müssen die Daten mit Primärerhebungen gewonnen werden. Um für die vorliegende Untersuchung die notwendigen Basisdaten zu generieren, wurde die Methodik Desktop Research (Schmidt et al. 2014, 2016) verwendet, und im ersten Halbjahr 2020 wurden Darstellungen von Webseiten sowie Mitglieder- und Adresslisten ausgewertet. Neben dem Standort wurden bei der Datenerhebung weitere Merkmale erfasst, die eine Typisierung der Co-Working-Spaces entsprechend der Typisierung von Gandini und Cossu (2021) in Baden-Württemberg ermöglichen sollten.
Insgesamt konnten mit der Desktop Research Methode 128 Co-Working-Spaces in Baden-Württemberg erhoben werden. Die Ermittlung der für eine Klassifizierung notwendigen Merkmale (s. Tab. 2) war durch die teilweise sehr unterschiedlichen Onlinepräsenzen der Co-Working-Spaces nicht immer vollständig möglich. Diese Liste der typisierten Einrichtungen umfasst 119 Co-Working-Spaces in Baden-Württemberg.
Tab. 2
Indikatoren und Merkmalsausprägung für die Typisierung von Co-Working-Spaces
Eigenschaft des Co-Working-Space
Indikator
Merkmalsausprägung zur Einordnung der Co-Working-Spaces als „gemeinwohlorientiert“
Merkmalsausprägung zur Einordnung der Co-Working-Spaces als „renditeorientiert“
Organisationsstruktur
Betreibermodell
Privat, eingetragener Verein (e. V.), Kommune, gemeinnützige GmbH
GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung), GmbH & CO. KG (Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft), Unternehmergesellschaft (UG), Aktiengesellschaft (AG), Eingetragener Kaufmann (e. K.)
Ziel der Co-Working-Space-Betreiber
Preis für Monatsmitgliedschaft (++)
Bis zu 200 €a
Über 200 €
Tagestickets möglich (Sonderfälle: bei Werkstätten aus Versicherungsgründen und teilweise wegen fehlender Verwaltungskapazitäten nicht möglich)
Ja
Nein
Physische Struktur
Vorherrschendes Design (++)
An praktischer Arbeit orientiert
Stylisch, modern, teuer
–
Werkzeuge vorhanden (++)
Ja
/
Sozial- und Kommunikationsstruktur
Kommunizierte Arbeitsstruktur und Umsetzung beispielsweise durch Gemeinschaftsräume und intern nutzbare Gastronomiebereiche wie Cafés (++)
Anmietung ganzer Office-Räume, beispielsweise für Unternehmen
Nein
Ja
Möglichkeit für ein Virtual Office
Nein
Ja
Vernetzung mit dem Umfeld des Co-Working-Space
Anmeldung vorher notwendig
Nein
Ja
Hinweis auf lokales Umfeld und Nachbarschaft, beispielsweise Öffnung für externe Nutzer (++)
Ja
Nein
Bezug von Fördermitteln
Bezug von Fördergeldern, Spenden (++)
Ja
/
Quelle: eigene Darstellung
aIn Ballungsräumen kosten fest buchbare Arbeitsplätze pro Monat ca. 250–300 € pro Monat. In ländlichen Räumen sind die Kosten jedoch niedriger (Kollewe 2017). Um einen vergleichbaren Wert für Großstadtregionen und ländliche Räume heranziehen zu können, wird der Schwellenwert auf 200 € festgelegt
Basierend auf Tab. 2 wird die jeweilige Ausprägung eines Merkmals mit 1 Punkt für gemeinwohlorientierte oder für renditeorientierte Typen bewertet. Bei doppelt gewichteten Indikatoren (markiert mit einem Doppelplus) wird die jeweilige Ausprägung eines Merkmals mit 2 Punkten bewertet. Doppelt gewichtete Indikatoren repräsentieren die Unterschiede zwischen gemeinwohl- und renditeorientierten Co-Working-Spaces in besonderem Maße, beispielsweise durch Preis, Bezug zur Nachbarschaft im Quartier und der Einrichtung, mit der unterschiedliche Nutzergruppen angesprochen werden sollen.
Für die Typisierung der Co-Working-Spaces wird dann das Verhältnis der Punkte für eine Typisierung als „gemeinwohlorientiert“ den Punkten für eine Typisierung als „renditeorientiert“ gegenübergestellt (s. Tab. 3). Eine Einordnung der Co-Working-Spaces als gemeinwohlorientiert oder als renditeorientiert erfolgt nicht, wenn die Merkmale (fast) gleich für beide Typen ausgeprägt sind, sondern bei einem Verhältnis der Merkmalsausprägungen von einem Drittel zu zwei Drittel.
Tab. 3
Grundlagen der Typisierung der Co-Working-Spaces
Verhältnis der Merkmalsausprägungen der Co-Working-Spaces
Typisierung als „gemeinwohlorientiert“
Mischform
Typisierung als „renditeorientiert“
Punkte zur Einordnung des Co-Working-Space als „gemeinwohlorientiert“
≥ 65 %
< 65 % und > 35 %
≤ 35 %
Punkte zur Einordnung des Co-Working-Space als „renditeorientiert“
≤ 35 %
> 35 % und < 65 %
≥ 65 %
Quelle: eigene Erhebung, Auswertung und Darstellung
Mit der geschilderten Methode (s. Tab. 2 und 3) wurde von den 119 Co-Working-Spaces in Baden-Württemberg folgende Klassifizierung vorgenommen: 50 Co-Working-Spaces sind als „gemeinwohlorientiert“, 34 Co-Working-Spaces sind als „renditeorientiert“ und 35 Co-Working-Spaces sind als Mischform klassifiziert.
Zur Beantwortung der Frage, ob und welche Co-Working-Typen außerhalb der städtischen Zentren zu finden sind, wurde die Klassifikation zu Großstadtregionen des BBSR herangezogen (s. auch Abb. 3).
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In Abb. 3 und 4 wird deutlich, dass der Großteil von Co-Working-Spaces (55 %) zwar in Kernstädten – als Zentren der Großstadtregionen – zu finden ist, 10 % aller Co-Working-Spaces in Baden-Württemberg sind jedoch in den weniger stark auf die Kernstadt bezogenen Bereichen der Großstadtregion (engerer und äußerer Verflechtungsbereich) lokalisiert. Darüber hinaus befinden sich sogar 25 % aller Co-Working-Spaces außerhalb von Großstadtregionen.
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Hinsichtlich der Lage sind viele Co-Working-Spaces außerhalb der Großstadtregionen um den Bodensee lokalisiert. Auch entlang der gut erschlossenen Rheinschiene sind in städtischen Zentren außerhalb von Großstadtregionen Co-Working-Spaces zu finden. Im ländlich geprägten Hochrhein sind noch einige wenige Co-Working-Spaces verortet, während auf der Schwäbischen Alb und der Hohenloher Ebene keine Co-Working-Spaces lokalisiert sind (Abb. 3).
Mit Bezug zu den beiden differenzierten Typen sind außerhalb von Großstadtregionen überwiegend Co-Working-Spaces des Typs „gemeinwohlorientiert“ und Mischformen der beiden Typen zu finden. Der Anteil von Co-Working-Spaces des Typs „renditeorientiert“ ist dagegen in Zentren (31 %) deutlich höher als außerhalb von Großstadtregionen (22 %).
Bei dem Typus der gemeinwohlorientierten Co-Working-Spaces ist die Entstehung einer Gemeinschaft im Co-Working-Space, aber auch der Kontakt zu benachbarten Akteuren und dem unmittelbaren Umfeld des Co-Working-Space sehr wichtig. So bietet dieser Co-Working-Space-Typus grundsätzlich die Möglichkeit, über das Bereitstellen von Büro- oder Werkarbeitsplätzen hinaus positive Impulse für die Entwicklung im Umfeld des Co-Working-Space zu setzen. Ein wichtiger Schritt dazu ist die Öffnung des Co-Working-Space für Externe, also für Personen, die nicht selbst im Co-Working-Space arbeiten. So können Co-Working-Spaces als Begegnungsorte und Treffpunkte für Arbeits- und Kreativprozesse und darüber hinaus wirken (Growe et al. 2020; Schmidt 2020).
Um als Treffpunkt und als „RuralHub“ (Gandini und Cossu 2021, S. 441) wirken zu können, muss eine Öffnung des Co-Working-Space für externe Nutzer möglich sein (s. Tab. 2). Bei der Recherche konnte v. a. eine Öffnung von Co-Working-Spaces für die Durchführung von Veranstaltungen und Ausstellungen durch externe Akteure festgestellt werden. In deutlich weniger Co-Working-Spaces war auch die Nutzung gastronomischer Einrichtungen wie eines Cafés oder einer Küche bzw. eines Bistros für externe Akteure möglich (s. Abb. 5).
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Auffallend ist dabei, dass sich in Baden-Württemberg bislang die Öffnung von Co-Working-Spaces in Zentren stärker durchgesetzt hat (mehr als die Hälfte aller Co-Working-Spaces ist für Externe geöffnet) als außerhalb der Großstadtregionen (weniger als die Hälfte aller Co-Working-Spaces ist für Externe geöffnet).
Fazit
Die Analyse zeigt, dass Co-Working-Spaces, insbesondere Co-Working-Spaces des Typus „gemeinwohlorientiert“, in vielen Teilräumen außerhalb der Großstadtregionen zu finden sind. In diesem Typus stehen die Schaffung einer Gemeinschaft und die Öffnung des Co-Working-Spaces in die Nachbarschaft stärker im Fokus als bei Co-Working-Spaces des Typs „renditeorientiert“. Insbesondere in der landschaftlich attraktiven Gegend um den Bodensee sind sehr viele Co-Working-Spaces zu finden. Hier dürften allerdings auch die räumliche Nähe zur Schweiz für die Nachfrage nach Arbeitsplätzen sowie die Wirtschaftsstärke dieser Region eine Rolle spielen (Danielzyk et al. 2017).
Auffallend ist jedoch, dass Co-Working-Spaces außerhalb von Großstadtregionen bislang auf die Inkubator- und Vermittlerrolle in ökonomisch und sozial ausgerichteten Arbeitsprozessen fokussieren, indem sie für kleine und mittelständige Unternehmen, aber auch Start-ups einen lokalen gemeinsamen Arbeitsort schaffen.
Die Öffnung von Co-Working-Spaces für externe Akteure wird bislang weniger umgesetzt als in den Zentren der Großstadtregionen. Hier gibt es für Akteure der Dorf‑, Stadt- und Wirtschaftsentwicklung noch viel ungenutztes Potenzial. Besonders im Zusammenhang mit gastronomischen Nutzungen könnten Co-Working-Spaces in ländlichen Räumen noch weitere Impulse setzen. Wird die mögliche Multifunktionalität von Co-Working-Spaces stärker in der Regionalentwicklung aufgegriffen, so bietet sich die Möglichkeit, durch Integration von gastronomischen Einrichtungen oder Bildungsorten wie Ausstellungsräumen oder Bibliotheken ländliche und periphere Räume nicht nur als Arbeitsort, sondern auch als Wohnort zu unterstützen. So kann wirtschaftlichen und demografischen Problemen in Kommunen entgegengewirkt werden.
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