Die vorliegende Studie untersucht die Machbarkeit von Drohnenlieferungen zur Verbesserung der ländlichen Nahversorgung am Beispiel der Brandenburgischen Flächengemeinde Wusterhausen/Dosse. Die Ergebnisse zeigen, dass der rechtliche Rahmen sowie die technischen Möglichkeiten durchaus die Umsetzung eines Lieferkonzeptes ermöglichen, welches den lokalen Lebensmitteleinzelhandel stärken und die Versorgungsbedarfe der Bevölkerung adressieren kann. Allerdings stehen die aktuellen Anschaffungs- und Betriebskosten einer marktwirtschaftlichen Machbarkeit des Anwendungsfalls entgegen. Da sinkende Kosten in den nächsten Jahren insbesondere für die Fernüberwachung der Drohne zu erwarten sind, könnte eine automatisierte, drohnengestützte Nahversorgung jedoch künftig an praktischer Relevanz für strukturschwächere Regionen gewinnen. Dabei wird in der ko-kreativen Planung des Lieferbetriebes mit lokalen Stakeholdern die notwendige Voraussetzung zur Hebung dieser Potenziale im Einklang mit bürgerschaftlichen Interessen gesehen.
Einleitung
Der Einsatz von Drohnen für zivile Anwendungen erfährt seit einigen Jahren immer stärkere Aufmerksamkeit. Während die Potenziale und Risiken der Technologie in der Landwirtschaft (Lutz 2017; Horstmann 2020), in der kommunalen Daseinsvorsorge (Streicher 2020) und im Einsatz durch Behörden mit Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben (Christen et al. 2018; Biehle 2020) zunehmend diskutiert werden, stellt der Einsatz von Lieferdrohnen für eine Verbesserung der Lebensmittelversorgung in dünn besiedelten, ländlichen Räumen eine in Deutschland bislang kaum diskutierte Nische dar (Million 2020; Crössmann 2022, Path et al. 2022). Infolge dieser geringen Aufmerksamkeit blieb bislang offen, ob in diesem Anwendungsfall ein gesellschaftlicher Mehrwert liegt und inwiefern dieser unter den aktuellen gesellschaftlichen, rechtlichen, technischen und betriebswirtschaftlichen Bedingungen realisiert werden kann.
Vor diesem Hintergrund liefert die vorliegende Machbarkeitsstudie einen systematischen Einblick in die Potenziale und Problemlagen des Einsatzes von Lieferdrohnen im Bereich der ländlichen Nahversorgung. Die Erkenntnisse speisen sich aus einem Fördervorhaben, das im Auftrag der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zwischen Februar 2021 und Januar 2022 von der Brandenburgischen Gemeinde Wusterhausen/Dosse durchgeführt wurde. Konkrete Zielstellung des Projekts war es, ergebnissoffen zu prüfen, ob der bestehende Einzelhandel und die lokale Bevölkerung in einer strukturschwachen Region mithilfe dieses innovativen Technologieangebots langfristig gestärkt werden können. Im Sinne einer sozialwissenschaftlichen Technikfolgenabschätzung lag dabei ein besonderer Fokus auf der ko-kreativen Planung des Anwendungsfalls zwischen Gemeinde und Bürgerschaft, um mögliche negative Auswirkungen eines Drohneneinsatzes frühzeitig erkennen und planerisch auflösen zu können (Grunwald 2011).
Anzeige
Nahrungsmittelversorgung mit Lieferdrohnen
Erste erfolgreiche Anwendungen im internationalen Kontext zeigen, dass Lieferdrohnen eine lohnende und wirtschaftlich effiziente Lösung für medizinische Transporte in abgelegenen und infrastrukturell schlecht erschlossenen Regionen darstellen können (Cheskes et al. 2020; Thapa 2021). Wenngleich technisch denkbar, kann allerdings noch nicht abgesehen werden, ob sich Lieferdrohnen auch für den Transport von Konsumgütern im Einzel- und Onlinehandel etablieren werden. Selbst wenn aktuell umfassende staatliche und private Investitionen in die Forschung und Entwicklung dieser Anwendungen fließen (vgl. BMVI 2020), bestehen vor allem gesellschaftliche Hürden gegen einen großflächigen Einsatz der Technologie (Kellermann et al. 2020). So sprechen sich 55 % der Befragten in einer für Deutschland bevölkerungsrepräsentativen Umfrage (n = 1000) aus dem Jahr 2020 gegen den Einsatz von Drohnen zur Auslieferung von Konsumgütern im städtischen Raum aus (Abb. 1). Mehrheitlichen Zuspruch scheint dieser Anwendungsfall hingegen im ländlichen Raum zu erhalten (VUL 2019; Eißfeldt und End 2020; Yoo et al. 2018).
×
In technischer Hinsicht werden für den Warentransport im Rahmen momentaner Modell- und Praxisanwendungen entweder manövrierstarke Koptersysteme oder reichweitenstarke Kipp- bzw. Starrflügler mit Batterieleistungen für aktuell 10–15 bzw. für 30–50 Flugkilometer eingesetzt. Die Nutzlast solcher Systeme beträgt bis zu 8 kg, wenngleich sich auch weit größere Lastendrohnen in der Entwicklung bzw. in der Anwendung befinden (Poikonen & Campbell 2021). Lösungen für die Warenaufnahme bzw. Warenabgabe umfassen unter anderem Fallschirmsysteme und Seilwinden. Das An- und Abkoppeln einer Transportbox am Boden kann händisch oder automatisiert an sogenannten Drone-Ports erfolgen (Scott und Scott 2020). Im Regelflugbetrieb außerhalb der Sichtweite eines Piloten müssen Drohnen in Deutschland aktuell fernüberwacht werden. Das Entwicklungsziel ist jedoch ein autonomer Betrieb und so ist es vor allem die damit verbundene Hoffnung auf Einsparungen bei Personalkosten, welche das Interesse großer Onlinehändler, von Einzelhandelsketten und Logistikanbietern an der Technologie begründen (Aurambout et al. 2019). Unter ökologischen Gesichtspunkten könnte eine drohnengestützte Lieferlogistik vor allem im Bereich von Spezialgütertransporten und dem Expressversand einen Beitrag zur Klimaneutralität des Güterverkehrssektors leisten. Dies ist insbesondere in solchen Szenarien realisierbar, in denen wenige Waren anstatt mit konventionellen Lieferfahrzeugen durch energieeffizientere Drohnen auf dem direkteren Luftweg transportiert werden (Kirschstein 2020).
Das Projekt „Stadt-Land-Drohne“
Die Gemeinde Wusterhausen/Dosse liegt im Nordwesten Brandenburgs, 75 km von Berlin entfernt. Mit knapp 196 km2 zählt sie zu den flächengrößten Gemeinden in Deutschland und umfasst insgesamt 22 Ortsteile (OT). Von den rund 5800 Einwohner*innen leben etwas mehr als die Hälfte im OT Stadt Wusterhausen. Gemeinsam mit den Autoren dieser Studie sollte geprüft werden, ob und wie mittels Lieferdrohnen die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs in den umliegenden, unterversorgten OT verbessert werden kann. Gleichzeitig sollte erörtert werden, ob und wie die Technologie dazu beitragen kann, noch bestehende Nahversorgungsstrukturen im Gemeindegebiet aufzuwerten.
Analyse der Nahversorgung und Ableitung der Versorgungsrouten
Um relevante Lieferrouten zu identifizieren, wurde zunächst die angebots- und nachfrageseitige Nahversorgungssituation im Gemeindegebiet untersucht (IÖW 2005). Auf Grundlage des Gewerberegisters und des aktuellen Gemeindeentwicklungskonzeptes (INGEK 2021) wurde der Marktplatz des OT Stadt Wusterhausen als das zentrale Versorgungszentrum identifiziert, von dem an Markttagen neben dem stationären Einzelhandel auch mobile Markthändler in einen warenoffenen Drohnenlieferservice eingebunden werden könnten (Abb. 2). Eigene Lieferservices werden hier mit Ausnahme der örtlichen Apotheke nicht angeboten. Zusätzlich wurde auf Grundlage von Interviews die Fleischerei im nahegelegenen OT Heilbrunn als in der Region nachgefragte Nahversorgungsstruktur herausgestellt.
×
Anzeige
Zur Untersuchung der Nachfrage wurde die Entfernung aller OT zum nächsten Nahversorger mit Vollsortiment, die Zahl der mit einem Lieferservice erreichbaren Haushalte sowie die Mobilitätskosten (Zeitaufwand und Fahrtkosten) für die Nahversorgung mit Pkw, Fahrrad und ÖPNV vergleichend aufgearbeitet. Unter ökologischen Gesichtspunkten wurden zudem Einsparpotenziale von Wegstrecken betrachtet, die sich aus der Differenz zwischen bodengebundener Fahrtstrecke und direkter Fluglinie mittels Lieferdrohne ergaben. Auf dieser Methodik aufbauend, wurden vor allem die nordöstlichen OT (Blankenberg, Trieplatz) sowie die südlichen OT (Barsikow) der Gemeinde als jene bewertet, in denen Anwohner*innen bezüglich ihrer Nahversorgungsmöglichkeiten gegenüber anderen OT benachteiligt sind. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurden potenzielle Versorgungsrouten abgeleitet (Abb. 3).
×
Qualifizierung von Flugrouten und Verortung von Landeplätzen
In einem nächsten Schritt wurden diese Versorgungsrouten im Rahmen eines öffentlich beworbenen Planungsworkshops diskutiert. Dieser hatte zum Ziel, die Erfahrungen und das Wissen der Anwohner*innen aus den betreffenden OT in die Planung konkreter Flugrouten und Landeplätze einfließen zu lassen, um damit die Qualität und Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens zu verbessern. Gearbeitet wurde an Kartenmaterial, das jeweils die OT sowie die Korridore zwischen den OT abbildete. Auf diesen Karten waren neben den gemeindlichen und topografischen Gegebenheiten bereits genehmigungsrechtlich relevante Kriterien nach § 21h LuftVO abgebildet, beispielsweise Biogas‑, Windkraft‑, Solarkraftwerksanalagen, Habitate und Schutzgebiete sowie Hochspannungsleitungen. Zum anderen erlaubte der Austausch mit den 12 Teilnehmer*innen, die persönlichen Anforderungen und Bedenken in der weiteren Ausarbeitung des Lieferkonzeptes zu berücksichtigen (Abb. 4).
×
Technische Anforderungen
Aus den Flugrouten konnten technische Mindestanforderungen an das Flugsystem abgeleitet werden. Angesichts der bis zu 22 km langen Flugstrecke für den Hin- und Rückweg zwischen dem Marktplatz von Wusterhausen/Dosse und dem OT Blankenberg wurde ein Kipp- oder Starrflügelsystem als die geeignetste technische Lösung erachtet. Das System müsste dabei eine gewisse Wetterfestigkeit besitzen, um einen späteren Lieferbetrieb verlässlich umzusetzen. Weitere Anforderungen betrafen die Nutzlast (mind. 5 kg) und die Transportbox (mind. 5 l), welche den Hygienevorschriften im Nahrungsmitteltransport entsprechen müsste. Relevant war zudem, dass das gewählte Flugsystem die genehmigungsrechtlich notwendigen Datenschnittstellen und Funksysteme besitzt, um eine ferngesteuerte Überwachung außerhalb der Sichtweite eines Piloten (BVLOS-Operations) zu ermöglichen. Um Gefahren bei einer Störung technischer Komponenten zu kompensieren, sollte die Drohne über Redundanzsysteme verfügen (z. B. Energieversorgung, Steuermechanik, Autopilot und Notlandungsfunktion). Dabei wurden auch die Wartungsintensität und die Wartungskomplexität (Akkutausch, Abflugskontrolle) in die Abwägung einbezogen. Zudem spielten der Preis, die Lieferzeit wie auch das Vorhandensein eines guten technischen Supports eine zentrale Rolle. Auf Grundlage dieser Abwägungen wurde eine Marktanalyse durchgeführt.
Hinsichtlich der Bodeninfrastruktur wurde für den Drohnentyp ein eingezäuntes Areal von ungefähr 8 × 8 Metern als ideal definiert, um bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen sichere Starts und Landungen zu gewährleisten. Als notwendig definiert wurde zudem eine Stromversorgung ggf. mit Akku-Lademöglichkeit, ein Internetzugang und Webcams zur Überwachung des Landeplatzes und zur Autorisierung des Warenempfängers.
Genehmigungsrechtliche Betrachtung
Der Kontakt zum zuständigen Luftfahrtbundesamt wurde aufgenommen, nachdem sich eingehender mit der Routenplanung und den technischen Komponenten des ausgewählten Produktes auseinandergesetzt wurde. Zur Beantragung einer Betriebsgenehmigung im vorliegenden Anwendungsfall bedarf es einerseits einer detaillierten Beschreibung des angestrebten Flugbetriebes, der damit verbundenen Risiken, sowie einer Strategie zur Risikobewältigung (ConOps). Andererseits bedarf es einer Risikoanalyse der lokalen Luft- und Bodenrisiken (SORA). Eine entsprechende Dokumentation wurde in einem Vorgespräch vorgestellt und diskutiert. Dabei lag ein besonderes Augenmerk der Behörde auf den notwendigen Sicherheitsabständen zu Besiedlung unter Abwägung zum Flugmanöver der Lieferdrohne (Start- und Landeanflug). Auf Grundlage der Rückmeldungen wurde die Dokumentation überarbeitet und zu einem Betriebshandbuch ausgearbeitet (Operations Manual). Positiv hervorzuheben ist die Möglichkeit, dieses Betriebshandbuch nach erteilter Betriebsgenehmigung mittels Änderungsantrag zeit- und kostensparend um weitere Flugstrecken ergänzen zu können. Voraussetzung dafür ist der betreiberseitige Nachweis, dass die geplanten neuen Flugrouten kein ungleich größeres Luft- und Bodenrisiko bergen. Eine formelle Eröffnung des Genehmigungsverfahrens war im Rahmen der Machbarkeitsstudie nicht vorgesehen.
Lieferkonzept
Auf Grundlage der Nahversorgungsbedarfe, der technischen Möglichkeiten und Grenzen der gewählten Drohne sowie der rechtlichen Rahmenbedingungen wurde nunmehr die ko-kreative Entwicklung eines Betriebskonzeptes forciert. Mit potenziellen Kund*innen und Projektinteressierten wurde dazu auf zwei Strategietreffen in den OT evaluiert, wie ein Bestell‑, Liefer- und Abrechnungsprozess gestaltet werden kann, sodass konkrete Versorgungsbedarfe adressiert und die Nutzerfreundlichkeit auf Anbieter- und Nachfrageseite gewährleistet werden. Die Ergebnisse dieser Workshops wurden in einem Konzept verdichtet.
Erarbeitet wurde ein Drohnenliefersystem, das regelmäßig wiederkehrend während der offiziellen Markttage Waren aus dem Umfeld des Wusterhausener Marktplatzes in die OT liefern soll. Dabei sollten alle Warengruppen der stationären und mobilen Händler*innen im Umkreis des Marktplatzes geliefert werden können, soweit dies technisch und rechtlich möglich ist. Um mit dieser neuen Vertriebsform den lokalen Einzelhandel zu stärken, soll dabei jedoch von einer Zusammenarbeit mit den umliegenden Discountern abgesehen werden.
Die Bestellungen erfolgen telefonisch oder digital durch registrierte Nutzer*innen mit einem Kundenkonto, wobei die beanspruchten Services per Lastschrifteinzug abgerechnet werden. Die Gewerbetreibenden kooperieren mit dem Lieferservice, indem sie ihre Warensortimente und wöchentlichen Angebote auf einer digitalen Plattform einbinden lassen bzw. sie durch Aushänge in den OT zur Verfügung stellen. Die Entgegennahme der Waren erfolgt entweder durch die Kund*innen selbst, welche telefonisch über die Abwicklung der Bestellung und die Ankunft der Drohne informiert werden, oder durch eine ehrenamtlich organisierte Vertretung in den OT. Um den Service praktisch umzusetzen, ist für den Markt in Wusterhausen/Dosse zudem eine Kontaktperson mit kaufmännischen Aufgaben vorgesehen. Dieser Dispatcher verantwortet die Pflege der Bestellplattform, die Entgegennahme von Kundenbestellungen, das Kommissionieren und Abrechnen der Waren, die Bestückung der Drohne, sowie sicherheitsrelevante Prüfungen am Gerät anhand einer Checkliste.
Prüfung der Kostenstruktur von Drohnenlieferungen
Die Bewertung der wirtschaftlichen Machbarkeit wurde anhand eines Szenarios vorgenommen, das von einer Umsetzung des Lieferkonzeptes über ein Jahr an wöchentlich zwei Markttagen für jeweils 4 h am Tag ausgeht. Angenommen wurden etwa eine Lieferung jede halber Stunde, was rund 650 realisierten Lieferungen über 12 Betriebsmonaten entspricht. Der finanzielle Gesamtaufwand für dieses Szenario beträgt ca. 210.000 €. Dabei entsprechen die Investitions- und Anschaffungskosten von rund 153.000 € ca. 70 % der Gesamtausgaben. Die Betriebskosten belaufen sich im angenommenen Szenario auf rund 57.000 €. Eine Auflistung zentraler Kostenpositionen findet sich in Tab. 1.
Tab. 1
Prognostizierte Kostenstruktur des Lieferkonzeptes
Kostenstruktur des Lieferkonzeptes
Investitions- und Anschaffungskosten
Akkumulierte Kosten
Drone-Ports auf gemeindeeigenen Flächen (5)
127.500 €
UAV – Wandelflugzeug (1)
Akkus (3)
Ladegeräte (2)
Betriebsgenehmigungen
17.000 €
Aufbau Bestellplattform und Abrechnungssystem
Mitarbeiterschulungen
Arbeitsmaterialien Dispatcher
Organisations- und Betriebskosten
Akkumulierte Kosten
Dispatcher
48.000 €
Piloteneinsatz
Datenabo UTM Flugsicherung
12.500 €
LTE-Datenvolumen Drone-Ports
LTE-Datenvolumen Drohne
C2 Cloud zur Steuerung der Drohne
Wartungskosten
Versicherungen
5000 €
Raummiete
Stromkosten Drone-Ports
Stromkosten Drohne
Erwartete Gesamtkosten
210.000€
Prognostizierte Kostenstruktur des Lieferkonzeptes
Einnahmen aus dem Lieferkonzept könnten sich aus Liefergebühren ergeben, die auf Kundenbestellungen erhoben werden, sowie aus Gebühren für die teilnehmenden Händler*innen, welche einen Anteil am Wert der gelieferten Waren entsprechen. Werden die Liefergebühren mit 2,50 € festgesetzt und bei durchschnittlichen Lieferwerten von 6 € eine Umsatzbeteiligung an den Händler*innen von 10 % angenommen, ergeben sich für 650 Lieferungen im einjährigen Szenario circa 2000 € Einnahmen. Für die wirtschaftliche Tragfähigkeit des vorgestellten Lieferkonzeptes sind demnach deutlich höhere Einnahmen und geringere Betriebskosten notwendig.
Diskussion der Ergebnisse
Entsprechend können die Leitfragen der Machbarkeitsstudie wie folgt beantwortet werden. Eine technische Machbarkeit erscheint klar gegeben, da für den entwickelten Anwendungsfall marktreife, das heißt zertifizierte Drohnen und Steuerungssysteme zur Verfügung stehen. Start- und Landeplätze des vorgesehenen Drohnentyps müssen einen sicheren Betrieb gewährleisten, sind sonst jedoch an keine unverhältnismäßigen Auflagen gebunden, die gegen einen kostensparenden Bau in Eigenverantwortung sprechen würden. Eine rechtliche Machbarkeit und die Genehmigung des Anwendungsfalls sind ohne verhältnismäßig große Hürden und Kosten möglich. Die Option einer sukzessiven Ausweitung der Betriebsgenehmigung um weitere Flugrouten bzw. weitere Start- und Landeplätze ist positiv hervorzuheben. Erweiterungen des Liefernetzwerkes sind dadurch möglich.
Hinsichtlich der bürgerschaftlichen Einstellung scheint eine Machbarkeit ebenfalls gegeben. Zwar wird sich eine belastbare Meinung gegenüber dem Einsatz von Lieferdrohnen im Gemeindegebiet erst während eines Praxisbetriebs entwickeln. Die im Rahmen eines Workshops und zweier Fokusgruppen eingebundene Anwohnerschaft äußerte sich jedoch positiv erwartungsvoll. Die Rückmeldungen der Beteiligten waren zudem zentral, um Anforderungen, beispielsweise bei der Streckenführung oder der Verortung von Landeplätzen in den OT zu identifizieren.
Der Kundenmehrwert des Lieferkonzeptes liegt in der unmittelbaren Verfügbarkeit (erwartete Lieferzeit circa 30 min) eines breiten Marktsortimentes an Nahrungs- und Bedarfsartikeln vom städtischen Marktplatz. Seitens der Bevölkerung wurde dabei besonders positiv hervorgehoben, dass das Lieferkonzept den Konsum regionaler Waren befördern und den lokalen Einzelhandel unterstützen kann. Für diesen wiederum ergibt sich die Möglichkeit, von einer zusätzlichen Vertriebs- und Vermarktungsform zu profitieren, welche den jeweiligen Verkaufsradius, den potenziellen Kundenkreis und damit den Umsatz erhöhen kann.
Die wirtschaftliche Machbarkeit des skizzierten Betriebskonzeptes scheint zunächst nicht gegeben. Förderliche Faktoren würden vor allem geringere Kosten für die Anschaffung und für die Fernüberwachung der Drohne im operativen Betrieb darstellen. Auf der anderen Seite könnten höhere Einnahmen aus Liefergebühren erzielt werden, wenn die Kundennachfrage erhöht (Ausweitung des Liefernetzes, Lieferung weiterer Warengruppen) und das gebuchte Zeitkontingent des Drohnenpiloten effizienter genutzt würde (zeitgleiche Überwachung mehrerer Lieferdrohnen, Erhöhung der Lieferfrequenz). Des Weiteren könnten Formen einer Querfinanzierung in Betracht gezogen werden, beispielsweise durch höherpreisige gewerbliche Lieferungen, oder durch die Vermietung der Drohne für Sensorik-Dienstleistungen in der örtlichen Land- und Bauwirtschaft.
Zusammenfassung: Lieferdrohnen im ländlichen Raum
In der zusammenfassenden Betrachtung der aktuellen Potenziale und Limitationen von Lieferdrohnen für die Verbesserung der Nahversorgung im ländlichen Raum ergibt sich damit ein ambivalentes Bild.
Im Hinblick auf ihre technischen Eigenschaften können Lieferdrohnen bereits heute für eine Anzahl kleiner und wenig mobiler Haushalte eine Lösung zur selbstständigen Versorgung mit Lebensmitteln darstellen. Für größere Haushalte können Lieferdrohnen eine Ergänzung darstellen, ohne den Aufwand, einen örtlichen Nahversorger aufzusuchen, gänzlich kompensieren zu können. In diesem Zusammenhang ist anzunehmen, dass sich der Wunsch nach flexibler Nahversorgung und hoher Angebotsqualität auch in ländlichen Räumen positiv auf die Nachfrage nach dieser Angebotsform auswirken wird (Kokorsch und Küpper 2019).
In Konkurrenz steht das Nahversorgungskonzeptes dabei vor allem zu großen Onlinehändlern und dem Lieferservice von Einzelhandelsketten, deren Vertriebslogik jedoch weniger auf der Stärkung regionaler Netzwerke aus Erzeugern und Verbrauchern beruht (Mensing 2018). Mit der dezidierten Fokussierung eines entsprechenden Drohnenliefersystems auf den örtlichen Einzelhändler sollte somit die Möglichkeit hervorgehoben werden, den jeweiligen Verkaufsradius lokaler Produkte deutlich zu erhöhen und von einer digital gestützten, lokalen Produktvermarktung zu profitieren, welche helfen kann, Nischen gegenüber verkehrlich oft günstiger gelegenen Discountern zu besetzen (Ievoli et al. 2019; Mettenberger et al. 2021).
Auf Grundlage von Liefergebühren und ohne zusätzliche Querfinanzierung wird der Betrieb von Lieferdrohnen in der ländlichen Nahversorgung jedoch nur bei einer drastischen Reduktion operativer Kosten betriebswirtschaftlich sinnvoll. Dies scheint möglich, sobald lizensierte Betreiber zeitgleich mehrere Fluggeräte fernüberwachen können. Mit einer entsprechenden Anpassung des Rechtsrahmens ist jedoch nicht vor 2025 zu rechnen (vgl. SESAR JU 2017).
Unter dieser Voraussetzung wäre ein Mehrwert von Lieferdrohnen in der ländlichen Nahversorgung nicht nur für strukturstärkere oder topografisch abgeschiedene Regionen, sondern ebenso für strukturschwächere und dünn besiedelte Flächengemeinden möglich. Im bedarfsorientierten Auf‑, Aus- und Rückbau des Liefernetzes sowie im erwarteten Grad an Automatisierung des Transportprozesses liegen dabei die zentralen Vorteile gegenüber bodengebundenen Lieferalternativen.
Eine an den tatsächlichen Bedarfen der Bevölkerung ausgerichtete Entwicklung dieses Potenzials erfordert jedoch die Zusammenarbeit mit lokalen Stakeholdern. Ein gesellschaftlicher Mehrwert muss im Zentrum einer Drohnennutzung stehen, damit die Voraussetzungen geschaffen sind, dass die Bevölkerung mögliche negative Auswirkungen öffentlicher Lieferflüge in ihrem Lebensumfeld akzeptieren kann (Boucher 2014).
Danksagung
Wir bedanken uns bei der Gemeinde Wusterhausen/Dosse, namentlich beim Bürgermeister Herrn Philipp Schulz und Frau Julia Tscharntke für die engagierte Koordination der Aktivitäten vor Ort. Wir danken Sven Jürß von Dronegy für seine fundierten technischen und genehmigungsrechtlichen Zuarbeiten im Rahmen der Machbarkeitsstudie.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.