Musik lag schon immer – wie auch das von Alfred Marshall nicht näher bezifferte „something“ – in der sprichwörtlichen Luft. Doch seitdem Datenströme auf Streaming-Plattformen die physischen Tonträger fast vollständig ersetzt haben, fällt die Verortung von Musik, Musiker*innen und der Musikindustrie immer schwerer. Gleichzeitig hat gerade die Pandemie gezeigt, dass uns etwas fehlt, wenn wir Musik und Liveauftritte nur durch einen Blick ins Browserfenster erleben. Grund genug, den „Räumen der Musikindustrie“ und den in ihnen wirkenden Akteur*innen, Netzwerken und Institutionen ein Themenheft zu widmen.
Diese Räume bieten aus geographischer Sicht einen vielversprechenden Forschungsgegenstand. Denn auf der einen Seite scheinen technologische Entwicklungen die Musikindustrie räumlich zu entwurzeln. Immerhin gehören transnationale Kooperationen in vielen Genres und Bereichen der Musikindustrie mittlerweile zum Alltag. Andererseits ist die Musikindustrie auch weiterhin räumlich fest verankert. Schließlich können Veranstaltungsorte die sie umgebenden Städte und Quartiere maßgeblich beeinflussen und es finden sich weiterhin „Zentren der Macht“ und Cluster von bestimmten Akteur*innen, wie zum Beispiel Musiklabels. Damit eröffnen sich wiederum praktische Perspektiven auf die Musikindustrie. Denn Musik braucht und gestaltet Räume; sie ist daher immer häufiger Bestandteil von Strategien und Maßnahmen der Stadt‑, Kultur‑, Sozial- und Wirtschaftspolitik. In der Folge setzt sich dieses Themenheft mit dem vergangenen, bestehenden und zukünftigen Wandel ebendieser Räume auseinander.
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Das STANDORT-Themenheft können wir uns als physischen Tonträger vorstellen. Das Booklet wurde von den Moderatoren gestaltet und gibt Ihnen, den Lesenden, wertvollen Kontext für das Dargebotene. Es umfasst wie bei jeder guten Platte aber nicht nur das Cover und die Informationen der Liner Notes. Darüber hinaus gibt es einen kleinen Schlagabtausch der Moderatoren zu den Auswirkungen von Plattformen auf die standortgebundene Musikindustrie und eine Reihe von Buchempfehlungen. Doch auch wenn Cover und Booklet schön anzusehen und interessant sind, steht die Musik im Mittelpunkt. Die klangvollen Beiträge ordneten sich wie von selbst in zwei Blöcke, quasi die A- und B-Seite unseres Tonträgers.
Ein Interview mit Dr. Allan Watson leitet die A-Seite ein. Der Wirtschaftsgeograph forscht seit 20 Jahren zur Musikindustrie und stimmt mit einem differenzierten Porträt der Herausforderungen und Entwicklungen der Musikwirtschaft auf die Fachbeiträge ein. Es folgt ein etwas ruhigerer, aber nicht minder spannender Überblick über die deutsche Musikindustrie auf Basis amtlicher Statistik. Dieser überregionale Blick wird in dem anschließenden Beitrag weiter geschärft, indem die Netzwerke deutscher Musikproduktionsstandorte in den Fokus rücken. Den Abschluss bildet dann etwas vollkommen Ungehörtes: Hier wird HipHop mit Regionalmarketing in Ostdeutschland verbunden und gekonnt zu der stärker handlungsorientierten B-Seite übergeleitet.
Wie auf einer guten Platte ist diese B-Seite aber keineswegs B-Ware. Vielmehr liefert sie das Fundament, welches uns hilft, das Handeln verschiedener Akteur*innen in den Räumen der Musikindustrie zu ergründen. Sie beginnt mit einem Beitrag, der die Bedeutung von Proberäumen für die standortgebundene Musikindustrie betont und entsprechende Handlungsbedarfe auf der lokalen Ebene aufzeigt. Mit einem fast nahtlosen Übergang widmet sich der darauffolgende Artikel der Bedeutung von Live-Spielstätten für die urbane Musikkultur. Er bereitet damit auch die Bühne für den anschließenden Artikel, der sich der Frage annimmt, was Live-Spielstätten finanziell erfolgreich macht und was ihrem Überleben gegebenenfalls im Weg steht. Die Fachbeiträge werden mit einer Diskussion über die Nachtökonomie als Teil der Wirtschaftsförderung abgeschlossen. Eine Zugabe in Form eines Praxis-Beitrags verleitet dann dazu, das neu gewonnene Wissen noch lange nachklingen zu lassen.
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Die Bandbreite der Artikel und behandelten Themen zeigt, dass die Musikindustrie in der Geographie kein Nischenthema bleiben muss. Sie ermöglicht spannende Fragestellungen und hat das Potenzial, die Geographie in Forschung und Anwendung weiterzuentwickeln. Wir hoffen somit, dass auch Sie nach der Lektüre dieses STANDORT- Themenhefts Lust haben, einen neuen geographischen Blick auf das musikalische Angebot Ihres Plattenschranks, die Streaming-Plattformen Ihres Vertrauens oder das hippe Szeneviertel in Ihrer Nachbarschaft zu werfen.
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