Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) bestehen aus einem Verbund aus mineralischen und dämmenden Komponenten und werden seit den 1960er-Jahren hauptsächlich mit expandiertem Polystyrol (EPS) als Dämmstoff verwendet. Aufgrund der langen Lebensdauer von WDVS fallen Abfälle erst Jahrzehnte nach dem Einbau an. Aktuell lässt sich ein Anstieg des WDVS-Abfallaufkommens in Deutschland beobachten, welcher sich noch mehrere Jahrzehnte fortsetzen wird.
Die derzeitigen Entsorgungsmöglichkeiten für diese Abfälle sind jedoch begrenzt. Müllverbrennungsanlagen (MVA), die derzeit den Status quo der Entsorgung darstellen, sind ausgelastet und deren Anlagentechnik ist für diese Abfälle nicht ausgelegt. Dies erhöht den Bedarf, neue Verwertungswege für EPS-haltige WDVS-Abfälle zu erschließen. Zudem wird bereits heute durch geltende rechtliche Bestimmungen, wie dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, eine hochwertige, insbesondere stoffliche Verwertung gefordert.
Zwei vielversprechende alternative Entsorgungsstrategien sind die stofflich-energetische Verwertung in Zementwerken und das physikalisch-chemische Recycling von EPS durch PolyStyreneLoop. In Zementwerken kann das heizwertreiche EPS als Sekundärbrennstoff energetisch genutzt werden. Die mineralische Komponente dient als Rohstoffersatz und wird in den Zementklinker eingebunden, wodurch Primärrohstoffe eingespart werden können. Umfangreiche Untersuchungen und erste Großversuche haben die technische Machbarkeit bestätigt.
PolyStyreneLoop zielt vornehmlich auf das Recycling des in WDVS enthaltenen EPS ab. Obwohl dieser Ansatz noch nicht etabliert ist, könnte er zukünftig in Kombination mit der stofflichen Verwertung der mineralischen WDVS-Komponenten in Zementwerken eine umfassende Entsorgungslösung darstellen.
Vor diesem Hintergrund wurden im IWARU im Rahmen eines Forschungsvorhabens alternative Verwertungsstrategien mithilfe einer Modellierung hinsichtlich ihrer ökologischen und ökonomischen Vorteilhaftigkeit gegenüber dem Status quo bewertet. Die Modellierungen zeigen, dass die genannten Strategien sowohl unter ökologischen (hier CO2-Emissionen) als auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten Vorteile bieten.
Hinweise
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
1 Einleitung
Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) bestehen aus mehreren, schichtweise verbundenen, unterschiedlichen Komponenten, die zur Dämmung und zum äußeren Abschluss von Fassaden sowohl bei Alt- als auch bei Neubauten dienen (s. Abb. 1).
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Seit den 1960er-Jahren werden WDVS mit expandiertem Polystyrol (EPS) als Dämmstoff verwendet und dominieren seitdem in Deutschland den WDVS-Markt. In den letzten Jahren ist jedoch der Marktanteil anderer Dämmstoffe wie Steinwolle- oder Holzweichfaserplatten gestiegen. Aufgrund des historisch hohen Marktanteils von EPS und der damit verbundenen Relevanz hinsichtlich der zukünftigen Entsorgungsmengen liegt der Fokus der folgenden Ausführungen auf WDVS mit EPS.
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Im Folgenden werden eine Prognose des zukünftigen Abfallaufkommens von WDVS mit EPS sowie ein Konzept alternativer Verwertungsstrategien dargestellt. Anschließend erfolgt eine Bewertung dieser Strategien hinsichtlich der entstehenden Treibhausgasemissionen und der Kosten.
2 Entwicklung des WDVS-Abfallaufkommens
In Deutschland wurden zwischen 1960 und 2023 rd. 1,4 Mrd. m2 WDVS verbaut (LGA 2020; VDPM 2023). Systeme mit EPS als Dämmstoff haben, bezogen auf den bislang verbauten Gesamtbestand, einen Anteil von ca. 80 % (Albrecht und Schwitalla 2015). Obwohl der jährliche Marktanteil von Systemen mit EPS in den letzten Jahren rückläufig war, bleibt er, ohne Berücksichtigung der EPS-Anteile bei Perimeterdämmplatten, auf einem hohen Niveau von etwa 48 % (s. Abb. 2) (VDPM 2023).
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Bauprodukte wie WDVS sind in der Regel sehr langlebig und fallen erst Jahrzehnte nach dem Einbau als Abfall an. Diese Abfallmengen werden in Deutschland z. Z. statistisch nicht separat erfasst. Daher wurde das heutige und zukünftige Abfallaufkommen auf Basis von vorliegenden Statistiken zum Inverkehrbringen von WDVS-Produkten ermittelt, wobei bei der Berechnung der Abfallmengen folgende Punkte berücksichtigt wurden:
Die tatsächliche Lebensdauer der Systeme ist, bedingt durch Umnutzung, Sanierung oder Gebäuderückbau, häufig geringer als die maximal mögliche Lebensdauer.
Eine Verteilungsfunktion zur Beschreibung der Lebensdauer.
Die Absatzmengen der nichtdämmenden WDVS-Komponenten.
Ein konstanter WDVS-Absatz zur Berücksichtigung zukünftiger Rückbauten.
Abb. 3 zeigt neben dem berechneten Absatz von WDVS mit EPS auch die daraus resultierenden prognostizierten Abfallmengen. Am realistischsten wird die mittlere Rückbaurate eingeschätzt, bei der eine Normalverteilung um einen Erwartungswert von 50 Jahren angesetzt wurde.
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Bedingt durch Sanierungs‑/Modernisierungs- und Rückbaumaßnahmen fallen derzeit jährlich rund 100.000 Mg WDVS mit EPS an. Bis zum Jahr 2030 kann, bei einer angenommenen durchschnittlichen Rückbauaktivität, mit über 155.000 Mg Abfall an WDVS mit EPS pro Jahr gerechnet werden (Heller 2022).
3 Aktuelle Entsorgungssituation
Trotz der z. Z. noch eher geringen Rückbauraten stellt die Entsorgung der WDVS-Abfälle eine Herausforderung dar. Da bis 2015 fast ausschließlich EPS-Dämmplatten mit dem mittlerweile europaweit verbotenen Flammschutzmittel HBCD verwendet wurden, gilt die Regelvermutung, dass EPS-haltige WDVS-Abfälle aus heutigen Rückbaumaßnahmen überwiegend HBCD-haltig sind. Aus der EU-POP-Verordnung geht hervor, dass HBCD-haltige Abfälle so zu beseitigen oder zu verwerten sind, dass HBCD dabei zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird (Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union 2019). Die Zerstörung wird bei einer Mindesttemperatur der Verbrennungsgase von 850 °C und einer Verweilzeit von mindestens zwei Sekunden sichergestellt. Abfallgemische mit einer HBCD-Konzentration von mindestens 500 mg/kg (Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union 2022) fallen zusätzlich in den Anwendungsbereich der POP-Abfall-ÜberwV, infolgedessen bei der Entsorgung Nachweis- und Registerpflichten gelten (Bundesregierung D 2022).
WDVS werden zurzeit unabhängig von der Art des Rückbaus, der sowohl händisch als auch maschinell mit einem Bagger erfolgen kann, oft als Abfallgemisch entsorgt. Eine Trennung der WDVS-Komponenten in einzelne Abfallfraktionen mit unterschiedlichen Entsorgungswegen findet i. d. R. nicht statt. Eine direkte Deponierung (ohne vorgeschaltete thermische Behandlung) einer aus Putzen bestehenden Abfallfraktion scheidet aus, da die bei WDVS häufig eingesetzten Putze mit einem Glühverlust von bis zu 15 % die in der deutschen Deponieverordnung definierten Maximalwerte für den organischen Anteil überschreiten (Bundesregierung D 2021).
Zurzeit stellt in D die Entsorgung in Müllverbrennungsanlagen (MVA) für 95 % des Gesamtabfallaufkommens von WDVS mit EPS den Status quo dar (Lindner et al. 2017). Hierdurch wird sichergestellt, dass das ggf. im EPS enthaltene HBCD zerstört oder umgewandelt wird, wie ein Großversuch im Müllheizkraftwerk Würzburg gezeigt hat (Dresch 2015).
Jedoch ist einerseits der hohe Heizwert von EPS (ca. 38 MJ/kg) für den Einsatz in MVA (Auslegungs-Heizwertbereich: 10–11 MJ/kg) ungeeignet und andererseits führt der hohe Anteil an mineralischen Bestandteilen im WDVS (ca. 90 % des WDVS bestehen aus Putz und Kleber) zu einem signifikanten Anstieg des Ascheanteils und damit verbundenen zusätzlichen Kosten für die MVA-Betreiber. Zudem sind die MVA in D aktuell sowie mittel- bis langfristig weitgehend ausgelastet, wodurch WDVS-Abfälle aus Sicht eines MVA-Betreibers wirtschaftlich uninteressant sind. Dies zeigt sich in den aktuellen Entsorgungspreisen für Bau- und Abbruchabfälle mit WDVS, welche teilweise über 350 €/Mg liegen (AWISTA 2024). Laut Aussage von Marktteilnehmern verweigern einige Entsorgungsunternehmen die Annahme von EPS-haltigem WDVS-Abfall zu den Konditionen von gemischten Bau- und Abbruchabfällen, sodass in manchen Regionen unabhängig von der genauen Zusammensetzung bereits über 1750 €/Mg (AWISTA 2024) verlangt werden (Heller 2022).
Für die zukünftig steigenden Mengen an WDVS-Abfällen auf EPS-Basis werden daher neue, unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten vorteilhafte, Verwertungsstrategien benötigt.
4 Entwicklungsstand bei Verwertungswegen für WDVS-Abfälle
Im Folgenden werden potenzielle alternative Verwertungswege für WDVS mit HBCD-haltigem EPS aufgezeigt und unter ökologischen (hier CO2e‑Emissionen) sowie ökonomischen Gesichtspunkten mit dem aktuellen Entsorgungsweg (MVA) verglichen.
4.1 Stoffliche und energetische Verwertung von WDVS in Zementwerken
Die Verwertung von Abfällen in Zementwerken ist in Deutschland etablierte Praxis. So wird der Energiebedarf für den Produktionsprozess aktuell zu über 70 % aus sekundären Brennstoffen sichergestellt. Darüber hinaus können mineralische Bestandteile in den Abfällen, bei entsprechender Eignung, stofflich verwertet werden und Teile des Rohmehls ersetzen (Verein Deutscher Zementwerke e. V. 2023).
Dies eröffnet auch neue Verwertungsoptionen für WDVS-Abfälle, die bislang in Zementwerken nicht eingesetzt wurden. Ein erster orientierender Großversuch organisiert vom IWARU und begleitende Analysen zeigten, dass bei einer entsprechenden Konfektionierung der WDVS-Abfälle deren Einsatz im Zementwerk technisch möglich ist (Winkelkötter et al. 2023). Mit einem weiteren Großversuch mit erhöhter WDVS-Einsatzmenge und einem umfangreichen Analysenprogramm sollen diese ersten Erkenntnisse vertieft und weiter abgesichert werden.
Beim Zementherstellungsprozess werden Kalkstein, Ton und Mergel zu Rohmehl vermahlen und zu Zementklinker gebrannt. Aus diesem wird anschließend, unter Zugabe von weiteren mineralischen Komponenten, Zement mit definierten Eigenschaften hergestellt.
Beim Brennprozess gehen auch die Aschen der eingesetzten Primär- und Sekundärbrennstoffe als mineralische Komponenten in den Zementklinker ein, was dessen technologische und umweltrelevante Eigenschaften beeinflussen kann. Neben einer Primärfeuerung, in der vorwiegend hochkalorische und feinstückige Brennstoffe eingesetzt werden, verfügen viele Zementwerke auch über eine Calcinator- oder Sekundärfeuerung, in der grobstückige und aschereiche Brennstoffe aufgegeben werden können (s. Abb. 4).
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Voraussetzung für den Einsatz von WDVS-Abfällen im Zementwerk ist neben der Freiheit von Fe- und NE-Metallen eine gute Blasfähigkeit des Abfallgemisches, da der Brennstoff i. d. R. pneumatisch eingebracht wird. Diese Eigenschaft kann durch eine vorherige Abfallaufbereitung mittels Zerkleinerung und Metallabscheidung unter Verwendung etablierter Aufbereitungsaggregate gewährleistet werden, sodass der Einsatz über die Sekundärfeuerung möglich ist.
Während hierbei EPS aufgrund seines hohen Heizwertes energetisch genutzt wird, ersetzen die vorwiegend mineralischen Bestandteile des WDVS Anteile der Primärrohstoffe. Die Eigenschaften des Zementklinkers dürfen hierdurch nicht negativ beeinflusst werden. Dies wird durch entsprechende mineralogische Untersuchungen des WDVS im Vorfeld sichergestellt. Analog gilt dies für weitere umweltrelevante Inhaltsstoffe, wie z. B. Schwermetalle, in Bezug auf die Emissionen bzw. die Verlagerung in den Zementklinker. Aktuelle Ergebnisse zeigen, dass WDVS-Abfälle diesbezüglich grundsätzlich geeignet sind, da bestehende Grenzwerte für den Input (brenn- und rohstoffseitig) eingehalten werden (Winkelkötter et al. 2023). Zudem wird bei einer Materialaufgabe über die Calcinatorfeuerung durch die vorhandenen Verbrennungsbedingungen (Verweilzeiten >2 s bei über 850 °C) eine Zerstörung von HBCD, siehe oben, sichergestellt (VDI 2021).
4.2 Stoffliche Verwertung von EPS aus WDVS durch PolyStyreneLoop
Neben der stofflich-energetischen Verwertung aller WDVS-Komponenten im Zementwerk besteht zudem die Möglichkeit einer stofflichen Verwertung der EPS-Fraktion im Rahmen des PolyStyreneLoop-Verfahrens (PS Loop), einer Initiative der Polystyrol-Hartschaum-Industrie mit dem Ziel, HBCD-haltiges EPS zu recyceln und das enthaltene Brom zurückzugewinnen. Im Juni 2021 wurde dazu eine Demonstrationsanlage mit einer jährlichen Kapazität von 3300 Mg EPS-Abfall in Terneuzen, Niederlande, in Betrieb genommen. Im Jahr 2022 hat das neu gegründete Unternehmen PS Loop B.V. mit der kontinuierlichen Produktion von 5 Mg/Woche recyceltem Polystyrol aus HBCD-haltigen EPS-Bauabfällen begonnen (PS Loop 2024).
PS Loop basiert auf dem CreaSolv®-Verfahren, einem physikalisch-chemischen Verfahren auf Basis einer selektiven Extraktion. Dabei wird Polystyrol zurückgewonnen, das anschließend als Rohstoff für die Herstellung von neuem EPS verwendet werden kann. Zusätzlich entsteht ein HBCD-haltiger Schlamm, aus dem das darin enthaltene Brom gewonnen werden kann (van Dijk und Reichenecker 2020).
Die Anlieferung der EPS-Abfälle, derzeit überwiegend noch aus Flachdachdämmungen, erfolgt über Sammelstellen („Hubs“) vertraglich gebundener Entsorgungsunternehmen. Verwertet wird hauptsächlich sortenreines, HBCD-haltiges EPS. Um EPS aus WDVS-Abfällen hier einsetzen zu können, ist eine entsprechende Aufbereitung erforderlich. Großtechnische Versuche im Rahmen der Arbeit von Heller haben gezeigt, dass die Anforderungen und Vorgaben seitens PS Loop mittels entsprechender Aufbereitungstechnik erreicht werden können und sich so eine weitgehend sortenreine EPS-Fraktion aus WDVS-Abfall erzeugen lässt (Heller 2022).
Da beim PS-Loop-Verfahren keine Verwertung der im WDVS massenmäßig überwiegenden Abfallbestandteile wie Putze, Kleber und Gewebe (bis zu 90 %) stattfindet, ist dieser Verwertungsweg zukünftig aber nur in Kombination mit weiteren Verfahren, wie z. B. der Verwertung der mineralischen Bestandteile in der Zementindustrie, im Sinne einer ganzheitlichen WDVS-Verwertungsstrategie, zielführend.
5 Ökologische und ökonomische Bewertung der Verwertungsstrategien
Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und der dringenden Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, führte Heller eine umfassende Bewertung verschiedener Entsorgungsstrategien für WDVS-Abfälle hinsichtlich ihrer CO2-Emissionen durch (Heller 2022). Ziel der Untersuchung war es zudem, die wirtschaftliche Rentabilität ökologisch vorteilhafter Verfahren zu überprüfen. Dazu wurden die Kosten sowie potenzielle Einsparungen im Rahmen der Verwertungsprozesse betrachtet. Die Bewertungen basieren auf Modellierungen unter Einbeziehung von Erkenntnissen aus großtechnischen Versuchen, Datenbanken und bestehenden Lebenszyklusanalysen. Im Folgenden werden die modellierten Szenarien, grundlegende Parameter sowie die Ergebnisse dieser Betrachtungen dargestellt.
5.1 Szenarien und Parameter
Zukünftig mögliche Verwertungsstrategien für WDVS-Abfälle mit EPS wurden in vier Szenarien zusammengefasst. Diese Szenarien repräsentieren verschiedene mögliche Kombinationen der zuvor beschriebenen Entsorgungswege (s. Abb. 5). Szenario 0 zeigt den aktuellen Status quo (MVA), während Szenario A die Entsorgung eines WDVS-Abfallgemisches in der Zementindustrie darstellt. In den Szenarien B und C wird das EPS nach entsprechender Aufbereitung jeweils einer stofflichen Verwertung bei PS Loop zugeführt, während die mineralische Komponente des WDVS in der MVA (Szenario B) bzw. im Zementwerk (Szenario C) verwertet wird.
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5.2 Ökologische und ökonomische Betrachtung
Basierend auf diesen Szenarien wurde mittels Modellierung gezeigt, dass nahezu alle untersuchten Entsorgungsstrategien (Szenarien A bis C) im Vergleich zum Status quo (Szenario 0) sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bieten. Hierfür wurden die Treibhausgas-Emissionen sowie die Kosten entlang der verschiedenen Prozessschritte (Aufbereitung, Transport, Verbrennung und sonstige Prozesse) und den damit verbundenen Emissionen und Kosten, einschließlich Gutschriften aus bspw. der Substitution von Metallen oder der energetischen Verwertung berechnet (s. Abb. 6 und 7).
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In den Szenarien A und C werden für die Verwertung im Zementwerk hypothetische Annahmegebühren ausgewiesen, bei denen die gesamten Entsorgungskosten nicht höher als im Szenario MVA (Status quo) liegen (214 €/Mg inkl. Transportkosten). Für die Verwertung von EPS bei PS Loop fielen zum Zeitpunkt der Modellierung keine Verwertungsentgelte an.
Es zeigt sich, dass insbesondere Szenario C aufgrund des hohen Anteils einer stofflichen Verwertung die beste CO2-Bilanz aufweist, und damit die Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (Bundesregierung D 2023) am besten erfüllen könnte. Dabei ist jedoch anzumerken, dass sich die einzige derzeit existierende Anlage für das PS-Loop-Verfahren noch in einem Entwicklungsstadium befindet und dieser Verwertungsweg daher noch nicht flächendeckend verfügbar ist.
Szenario A stellt im Vergleich zum Status quo ebenfalls einen ökologisch vorteilhaften Verwertungsweg dar, der auch ökonomische Vorteile hat, da die abgeleiteten potenziellen Verwertungsentgelte über den derzeitigen Annahmepreisen für Fraktionen zur Verwertung in der Sekundärfeuerung von Zementwerken liegen. Auch das ökologisch vorteilhaftere Szenario C besitzt das Potenzial, eine wirtschaftlich attraktive Entsorgungsstrategie zu sein. Basierend auf ersten Erkenntnissen aus praktischen Großversuchen scheint eine kurzfristige Etablierung dieses Verwertungswegs möglich zu sein.
Szenario B stellt dagegen mit abgeleiteten Entsorgungskosten von 303 €/Mg WDVS-Abfall sowie einer ungünstigeren CO2-Bewertung (im Vergleich zu Szenario A und C) keine wirtschaftlich tragfähige Alternative dar.
6 Erprobung der Verwertung von WDVS-Abfällen im großtechnischen Maßstab im Zementwerk
Umfangreiche Voruntersuchungen sowie ein erster praktischer Tastversuch zum Einsatz von WDVS im Zementwerk im Jahr 2022, bei dem etwa 14 Mg WDVS eingesetzt wurden, bestätigten, dass der Einsatz aufbereiteter WDVS-Abfälle ohne Betriebsstörungen und ohne negative Auswirkungen auf die Emissionen oder den Zementklinker möglich ist.
Mit dem Ziel, diesen Verwertungsweg flächendeckend zu etablieren und die Grundlagen für die administrativen Rahmenbedingungen zu schaffen, wurde im Dezember 2023 ein weiterer Versuch im großtechnischen Maßstab durchgeführt. Dabei wurden kontinuierlich über vier Tage insgesamt rd. 70 Mg (≈ 7000 m2) aufbereitete WDVS-Abfälle, einschließlich nachweispflichtigem WDVS, eingesetzt.
Das dafür von mehreren über Deutschland verteilten Baustellen stammende WDVS-Material wurde vor der Annahme anhand von Deklarationsanalysen auf mögliche Schadstoffe untersucht. Die Aufbereitung des WDVS-Materials erfolgte mit einfacher mobiler Zerkleinerungstechnik (Doppstadt AK 565 Plus, mit integrierter FE-Abscheidung) (s. Abb. 8).
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Da auch ein gewisser Anteil an Aluminiumeckschienen im Material enthalten sein kann, sollte zukünftig eine NE-Abscheidung in den Aufbereitungsprozess integriert werden. Im Rahmen des Versuchs wurden vorhandene Schienen händisch aussortiert.
Das auf eine Korngröße <50 mm zerkleinerte Material wurde über die Sekundärfeuerung in das Zementwerk eingebracht. Der Prozess der Zementherstellung wurde über mehrere Tage durch umfassende Emissions- und Materialuntersuchungen einer unabhängigen und anerkannten Messstelle begleitet.
Dieser Großversuch, der in enger Abstimmung mit der zuständigen Genehmigungsbehörde durchgeführt wurde, zielte darauf ab, mithilfe der gesammelten Erkenntnisse u. a. Bilanzierungen (Emissionsmessungen und Klinkeranalyse) für ausgewählte Inhaltsstoffe (insbesondere für das in HBCD enthaltene Brom) durchzuführen sowie die bautechnische Qualität des Zementklinkers umfassend zu bewerten (die Auswertungen liegen z. Z. noch nicht vollständig vor). Darauf aufbauend wird eine Handlungsempfehlung für das Verfahren zur Verwertung von EPS-haltigen WDVS-Abfällen im Zementwerk entwickelt.
7 Schlussfolgerungen
Gemäß den durchgeführten Prognosen werden die Mengen an EPS-haltigen WDVS-Abfällen zukünftig zunehmen. Die Entsorgungskapazitäten in MVA sind nicht nur stark begrenzt, es kommt regional bereits heute zu erheblichen technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen bei der Entsorgung von WDVS-Abfällen über diesen Weg. Angesichts politischer und gesellschaftlicher Anforderungen sind daher andere, ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Verwertungsstrategien erforderlich.
Alternative Verwertungsstrategien wie die stofflich-energetische Verwertung in Zementwerken bieten vielversprechende Ansätze. Erste Großversuche belegen die technische Machbarkeit und zeigen, dass WDVS-Abfälle ohne negative Auswirkungen auf Emissionen oder die Qualität des Zementklinkers verwertet werden können. Zudem ermöglicht dieser Weg die stoffliche (Mineralik) und energetische (EPS‑)Verwertung, was zur Reduzierung von Primärrohstoffen beiträgt.
Die stoffliche Verwertung des im WDVS enthaltenen EPS in der Anlage von PolyStyreneLoop bietet eine zusätzliche Möglichkeit, HBCD-haltiges EPS zu recyceln und wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen. Diese Methode ist jedoch noch nicht etabliert und allein nicht ausreichend, sodass sie mit weiteren Verfahren, wie der Verwertung der mineralischen Anteile in Zementwerken, kombiniert werden muss.
Modellierungsergebnisse zeigen, dass die hier betrachteten alternativen Verwertungsstrategien im Vergleich zum Status quo zu einer deutlichen Verringerung der Treibhausgasemissionen führen, wobei die Kombination aus stofflicher Verwertung des EPS bei PS Loop und der mineralischen Fraktion im Zementwerk die größten Einsparungen bietet und gleichzeitig die gesetzlichen Anforderungen der Kreislaufwirtschaft am besten erfüllen kann.
Die kurz- bis mittelfristige Umsetzung dieses Ansatzes erscheint aufgrund der aktuell begrenzten Annahmekapazitäten der Pilotanlage in Terneuzen nicht möglich. Im Gegensatz dazu ist die ebenfalls ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Verwertung von WDVS im Zementwerk kurzfristig realisierbar. Die Erkenntnisse aus dem Großversuch 2023 bieten eine solide Grundlage für die Entwicklung von Handlungsempfehlungen für den Prozess von der Baustelle, über die Aufbereitung bis zum Einsatz im Zementwerk und ermöglichen damit einen umfassenden Verwertungsweg für WDVS-Abfälle.
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