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Open Access 07.08.2024 | Angewandte Geographie

Zur Situation und Verbesserung von Partizipation junger Menschen in der Stadtplanung

verfasst von: Sabine Hennig, Robert Vogler, Daniela Waltl, Tim Schötz

Erschienen in: Standort

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Zusammenfassung

Die Partizipation Jugendlicher in Planungsprozessen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Beteiligung junger Menschen bietet jedoch nicht nur Vorteile. Vielmehr stehen partizipative Initiativen auch vor Herausforderungen. Neben einer zu geringen Anzahl von Mitwirkenden bezieht sich dies auch auf die Qualität und Quantität der Beiträge. Allerdings gilt die Teilhabe junger Menschen per se als schwierig und bleibt oft hinter den Erwartungen zurück. Welche Vorteile und Herausforderungen charakterisieren partizipative Projekte mit der Beteiligung von Jugendlichen? Wie kann Partizipation junger Menschen optimal(er) gestaltet werden? Eine Online-Befragung von StadtplanungsakteurInnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die im Rahmen des Projekts u3Green durchgeführt wurde, adressiert diese Fragen. Die Antworten der über 80 Teilnehmenden zeigen, dass junge Menschen durchaus in stadtplanerische Belange eingebunden werden. Primär handelt es sich dabei um Projekte zur Gestaltung von Spiel- und Sportplätzen sowie vielseitig nutzbaren Freiräumen. Als wesentliche Vorteile der Teilhabe junger Menschen sehen die Befragten den Erhalt neuer Ideen und die Möglichkeit eines Perspektivenwechsels; als Herausforderungen jedoch z. B. den hohen Aufwand und notwendige pädagogische Fähigkeiten sowie Geduld und Durchhaltevermögen seitens der Projektdurchführenden. Die Befragungsergebnisse ermöglichen abschließend Empfehlungen zur besseren Umsetzung von Partizipation von Jugendlichen in entsprechenden Projekten.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Situation und Stellenwert von Jugendpartizipation

Seit Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention im Jahre 1989 kommt der Partizipation Jugendlicher kontinuierlich zunehmende Bedeutung zu (Bruselius-Jensen et al. 2021; Fors et al. 2021; McMellon und Tisdall 2020). Borojevic et al. (2023) stellen heraus, dass es für Regierungen, Organisationen der Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen sowie Unternehmen unerlässlich ist, die Bedeutung der Partizipation junger Menschen zu kennen und diese beim Mitwirken entsprechend zu unterstützen.
Gerade im Kontext von Stadtplanungsbelangen nimmt die Beteiligung junger Menschen einen zentralen Stellenwert ein (Cushing 2015; Goderbauer 2023; Malone 2002; Masri 2017). Neben der Tatsache, dass es sich mittlerweile um einen Aspekt mit rechtlicher Relevanz handelt (Bruselius-Jensen et al. 2021; Wilhelmsen et al. 2023), unterstützt und ermöglicht das Mitwirken Jugendlicher an Planungsfragen u. a. bessere Entscheidungen und größere Akzeptanz (Meier 2023). Da es sich bei Jugendlichen um BürgerInnen und EntscheidungsträgerInnen von morgen handelt, kommt deren Sensibilisierung für Partizipation wesentliche Bedeutung zu (Bruselius-Jensen et al. 2021; Walther et al. 2020).
In der Literatur wird indes thematisiert, dass Jugendliche in Planungsfragen immer noch ein zu wenig berücksichtigter Teil der Gesellschaft sind. Im Hinblick auf die verschiedenen Stufen von Partizipation (d. h. im Kontext von Partizipationsleitern; vgl. u. a. Agarwal 2001; Al-Dalou’ und Abu-Shanab 2013; Arnstein 1969) erfolgt die Teilhabe Jugendlicher zudem oft in Form weniger umfassender Beteiligung an einem Prozess, wie z. B. Information oder Konsultation (Norss 2021; Wilhelmsen et al. 2023).
Im Hinblick auf die Teilhabe junger Menschen an partizipativen Prozessen wird betont, dass verschiedene Barrieren und Herausforderungen bestehen (Borkowska-Waszak et al. 2020). So wird die Partizipation Jugendlicher als aufwendig und schwierig beschrieben (Hennig und Vogler 2016; JCCC 2008). Seitens der Verantwortlichen bestehen Unsicherheiten, wie junge Menschen in die entsprechenden Prozesse einbezogen werden können und wie deren Perspektiven tatsächlich in Planungen integriert werden können; zudem werden Hindernisse durch die institutionellen Strukturen gesehen (Bruselius-Jensen et al. 2021; Thorén und Nordbø 2020; Tisdall et al. 2014).
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, partizipative Initiativen mit Kindern und Jugendlichen genauer zu betrachten. Dadurch ergeben sich folgende Fragen: In welchem Umfang und wie werden Kinder und Jugendliche in stadtplanerische Fragen eingebunden? Welche Vorteile und Herausforderungen charakterisieren diese? Wie kann Partizipation mit der Zielgruppe optimal(er) gestaltet werden? Das Forschungsprojekt u3Green adressiert neben den übergreifenden Projektzielsetzungen (siehe Abb. 1) diese Fragen. Unter aktiver Einbeziehung von SchülerInnen wird untersucht, welche Rolle urbanes Grün für Jugendliche spielt, wie es genutzt wird und was relevante Aspekte bzgl. Ausstattung und Design sind. Aus den gewonnenen Erkenntnissen werden Empfehlungen für die Stadtplanung abgeleitet, sowohl im Hinblick auf die Umsetzung urbaner Grünflächen für Jugendliche als auch für die Einbeziehung Jugendlicher in entsprechende Initiativen.
Im Rahmen des Projekts wurde darüber hinaus den o. g. Fragen nachgegangen, wie sich die Umsetzung von Partizipationsprojekten mit der Zielgruppe Jugendliche generell konkret gestaltet (Abb. 2). Um hier einen Überblick zu gewinnen, wurde eine Umfrage an AkteurInnen in der Stadtplanung gerichtet und durchgeführt. Die Befragten wurden gebeten, mitzuteilen, ob bereits Erfahrungen in der Einbeziehung von Jugendlichen bestehen und, falls ja, diese anhand konkreter Projekte bzw. Initiativen zu beschreiben. Die Befragung wird im vorliegenden Artikel beschrieben und deren Ergebnisse vorgestellt.

Erhebung der Erfahrungen von StadtplanerInnen mit der Partizipation von Jugendlichen

Gestaltung und Streuung des Fragebogens

Die Umfrage wurde mit Survey123 für ArcGIS Online von ESRI (Web-Designer; www.​survey123.​arcgis.​com) umgesetzt. Basierend auf dem Feedback im Rahmen von internen (Projektteam/-partner) sowie externen Pre-Tests (ausgewählte StadtplanungsakteurInnen) wurde der Fragebogen in Bezug auf Inhalt und Gestaltung getestet und entsprechend angepasst. Erfragt wird, ob Erfahrungen in der Partizipation von Jugendlichen bestehen und – falls ja – wie diese sich gestalteten und bewertet werden. Dies geschieht über geschlossene und offene Fragen. Abb. 3 gibt einen Überblick über sämtliche Fragen und die Struktur des Fragebogens.
Die Auswahl der zu befragenden Einrichtungen bzw. AkteurInnen erfolgte über zwei Schritte. Erstens wurden Städte mit mehr als 20.000 EinwohnerInnen in der D‑A-CH-Region identifiziert und für die Befragung berücksichtigt. Während auf diese Weise alle österreichischen und schweizerischen Städte mit mehr als 20.000 EinwohnerInnen ausgewählt wurden, erfolgte für Deutschland aufgrund deren großen Anzahl eine weitere Einschränkung und es wurden 350 zufällig ausgewählt. Zweitens wurden die so ermittelten Städte hinsichtlich der Verfügbarkeit von Kontaktmöglichkeiten zu den entsprechenden Abteilungen bzw. Personen (E-Mail-Adressen, Kontaktformulare) auf ihren Webauftritten selektiert. Insgesamt wurde der Online-Fragebogen so an 398 Einrichtungen bzw. Personen versendet (335 in Deutschland, 37 in der Schweiz, 26 in Österreich). Mit 85 Antworten war die Rücklaufquote mit 21,4 % verhältnismäßig hoch. Besonders hervorzuheben ist hier Österreich mit einer Rücklaufquote von 42,3 % (11 von 26).

Aufbereitung und Analyse der Fragebogenergebnisse

Die eingegangenen Antworten wurden zunächst gesichtet und hinsichtlich ihrer Gültigkeit geprüft (d. h. Beantwortung mind. einer Frage, keine Duplikate). Die als gültig bewerteten Antworten wurden dann aufbereitet und für die weitere Analyse in Betracht gezogen. Die geschlossenen Fragen wurden statistisch unter Nutzung von MS Excel und die freie Programmiersprache R in der integrierten Entwicklungsumgebung RStudio analysiert. Die Auswertung der offenen Fragen (15, 16) erfolgte qualitativ. Bei der ersten Sichtung der Antworten zu den offenen Fragen wurde festgestellt, dass Informationen zu Verbesserungsvorschlägen z. T. bei den positiven Erfahrungen genannt wurden und vice versa. Daher wurden die Antworten auf beide Fragen in eine Analyseeinheit überführt. Das Material wurde dann entsprechend zweimal hinsichtlich der beiden Fragen analysiert. Die Analyse erfolgte nach der induktiven Kategorienbildung der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010, 2019), d. h. die identifizierten Kategorien hinsichtlich der positiven Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge wurden direkt aus dem Material extrahiert. Wurde ein Kriterium identifiziert, wurde dies abstrahiert und in eine Kategorie überführt (sofern diese noch nicht gefunden wurde) oder einer bestehenden Kategorie zugeordnet (sofern diese bereits gefunden wurde). So können z. B. bei der Frage nach positiven Erfahrungen die Textstellen „Die Kinder waren total kreativ“, „teils ganz gute Ideen, die auch uns und den Planern neu waren“ und „Jugendliche gehen viel kreativer an solche Themen heran“ der Kategorie „Kreativität Jugendlicher/neue Ideen“ zugeordnet werden. Nach Abschluss der Kategorienbildung wurden dann semantische Oberkategorien (thematische Cluster) entwickelt und die einzelnen Kategorien entsprechend zugeordnet. So können einerseits die Kriterien unvoreingenommen direkt im qualitativen Material identifiziert und andererseits geordnet, sowie aufgrund ihrer Frequenz quantitativ gewichtet werden.

Ergebnisse

Insgesamt gingen 85 Antworten ein, davon sind 82 gültig. Von diesen Antworten kommen 62 aus Deutschland, 11 aus Österreich und 7 aus der Schweiz. In zwei Fällen wurde keine entsprechende Information genannt. Seitens der Befragten gaben 65 an, dass ihre Einrichtung Erfahrungen in Partizipation mit jungen Menschen hat. Von den 17 Befragten ohne Erfahrung bzgl. Partizipation mit der Zielgruppe nannten 12 Gründe dafür. Beispiele sind fehlende Zuständigkeiten, keine geeigneten Themen, fehlendes Interesse seitens der Zielgruppe sowie ein zu großer Aufwand. Vier Personen merkten an, dass Partizipation mit Kindern und Jugendlichen zwar bisher nicht erfolgte, aber in Vorbereitung ist.
Von den 65 Personen bzw. Einrichtungen mit Erfahrungen in Partizipation mit jungen Menschen haben 9 mehrere Projekte angegeben. So wurden insgesamt 84 Projekte genannt und mithilfe der Fragen adressiert, was die Grundgesamtheit der im Folgenden beschriebenen Ergebnisse darstellt.

Umfang und Themen

Die Themen der genannten Projekte beziehen sich auf die Gestaltung von Stadtleben/-qualität, Spielplätzen/-räumen, Sport‑/Bewegungsräumen und umfassenden Aufenthalts- bzw. Freiräumen (Tab. 1). Zu 22 der genannten Projekte wurden Webseiten bzw. online verfügbare Materialien angegeben.
Tab. 1
Themen der Projekte mit Partizipation junger Menschen (Mehrfachantworten; Urheber: u3Green Team)
Kategorie
Anzahl (absolut)
Anzahl (relativ [%]) bzgl. Anzahl genannter Projekte (84)
Stadtleben/-qualität
38
45,2
Spielplatz/-raum
30
35,7
Umfassender Aufenthaltsraum/Freiraum
17
20,2
Sport‑/Bewegungsraum
11
13,1
Park/Grünanlage/Gartenanlage
7
8,3
Klima
5
6,0
Partizipation
5
6,0
Verkehr/Mobilität
4
4,8
Wasser
3
3,6
Planung Schulhof/Jugendtreff
2
2,4
Sonstiges
5
6,0
Keine Angabe
16
19,0

Beurteilung der Projekte durch Durchführende

Die Befragten bewerteten die Partizipation junger Menschen in den Projekten hinsichtlich Zeitaufwand, Teilnahmebereitschaft, Qualität der Ergebnisse und Projekterfolg in den 84 genannten Projekten durchaus unterschiedlich (Abb. 4). Die Kernpunkte sind im Folgenden gelistet:
  • Etwas weniger als die Hälfte bewertete den Zeitaufwand als sehr hoch bzw. hoch, 41 % beurteilten diesen als wie erwartet und nur 4 % beschrieben ihn als geringer als erwartet.
  • In 42 % der Projekte wurde die Teilnahmebereitschaft als meist hoch und in 26 % als hoch angesehen, für 25 % lediglich als teilweise vorhanden sowie für 2 % als gering.
  • Die Ergebnisse der jeweiligen Projekte bewerteten 32 % bzw. 49 % der Befragten als sehr gut bzw. gut.
  • Der allgemeine Projekterfolg wurde überwiegend als sehr erfolgreich (30 %) bzw. erfolgreich (52 %) beurteilt; keine(r) der Befragten gab an, dass Projekte kaum oder gar nicht erfolgreich verlaufen sind.
Einhergehend mit einem verhältnismäßig hohen Zeitaufwand wurden die Projekte und damit die Einbeziehung von Jugendlichen seitens der Durchführenden entsprechend durchaus positiv bewertet.

Einsatz analoger und digitaler Werkzeuge

Im Hinblick auf die Nutzung analoger und digitaler Werkzeuge in den genannten 84 Projekten wurden in 79 Projekten analoge und in 54 digitale Werkzeuge genutzt. In 49 Projekten wurden sowohl analoge als auch digitale Tools verwendet, hingegen in fünf Projekten lediglich digitale und in 49 Projekten nur analoge Werkzeuge. Wie Abb. 4 zeigt, sind dabei Umfang bzw. Ausmaß der Nutzung bei analogen (41 Projekte mit hoher bzw. ausschließlicher Nutzung) deutlich größer als bei digitalen Verfahren (elf Projekte mit hoher bzw. ausschließlicher Nutzung). Die Verteilung der Nutzung analoger und digitaler Werkzeuge in den Projekten ist im Detail Abb. 5 zu entnehmen.
In Projekten mit Nutzung digitaler Werkzeuge wurden für 30 konkrete Beispiele genannt, für 24 hingegen keine. Werkzeuge beziehen sich bspw. auf proprietäre Lösungen der einzelnen Einrichtungen, Geographische Informationssysteme, Online-Karten, Social Media oder (Online‑)Krizzelboxen.

Erfahrungswerte (offene Fragen)

Hinsichtlich der positiven Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Jugendlichen wurde von den 84 genannten Projekten in 28 Fällen keine Rückmeldung gegeben und in 10 Fällen eine Rückmeldung, die keinen Bezug zu positiven Erfahrungen enthielt. Somit konnten 46 Rückmeldungen analysiert und kategorisiert werden.
Genannt wurden v. a. positive Aspekte für das Projekt selbst. Hier wurde häufig berichtet, dass die Begeisterungsfähigkeit und das Interesse der Jugendlichen das Projekt bereichern und häufig die Kreativität der Jugendlichen betont, die die Planungen mit neuen Ideen und Perspektiven unterstützen. Ein ebenso wesentlicher Faktor ist die positive Bewertung der Expertise der Jugendlichen einerseits für ihre eigenen Interessen und andererseits hinsichtlich ihres lokalen Wissens. Ebenso positiv bewertet wurde die sich durch die Jugendpartizipation ergebende Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, wie z. B. Schulen oder Jugendbüros. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der sich in den Einschätzungen herauskristallisiert, sind positive Aspekte für die beteiligten Jugendlichen (wie z. B. Wissenszuwachs oder Selbstverwirklichung). Eine detaillierte Übersicht der identifizierten Kategorien inkl. deren Häufigkeiten und damit impliziter Gewichtung sind in Tab. 2 thematisch gruppiert aufgelistet.
Tab. 2
Rückmeldungen zu positiven Erfahrungen in Planungsprojekten mit Jugendbeteiligung (Urheber: u3Green Team)
 
Genannt in % der gültigen Rückmeldungen (n = 46)
Positive Aspekte für die Initiative
Interaktion
Engagement, Interesse & Begeisterungsfähigkeit Jugendlicher
30,43
Persönlicher Kontakt mit Jugendlichen bereichernd
8,70
Verständnis entwickeln/Vorurteile abbauen
6,52
Klare, direkte und aktive Kommunikation mit Jugendlichen
6,52
Inhalt/Wissen
Kreativität Jugendlicher/neue Ideen
23,91
Expertise Jugendlicher/Expertenwissen
15,22
Gute Projektergebnisse
8,70
Erweiterung des Blickwinkels, neue Methoden und Verfahren
4,35
Reichweite
Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen
15,22
Viele Jugendliche werden erreicht/Jugendliche als Multiplikatoren
4,35
Positive Aspekte für beteiligte Jugendliche
Jugendliche identifizieren sich mit Ergebnissen/hohe Akzeptanz
6,52
Selbstverwirklichung Jugendlicher/fühlen sich ernst genommen
6,52
Jugendliche lernen viel Neues und erweitern ihren Blickwinkel
4,35
Interessenssteigerung Jugendlicher für Planung und weitere Partizipation
4,35
Hinsichtlich der abgegebenen Empfehlungen wurde von den 84 gemeldeten Projekten in 27 Fällen keine Rückmeldung gegeben und 9 Rückmeldungen enthielten keine verwertbaren Informationen. Somit konnten 48 Rückmeldungen analysiert und kategorisiert werden. Genannt wurden verfahrensbezogene, reichweitenbezogene und themenbezogene Aspekte. Eine thematisch gruppierte Gesamtübersicht der identifizierten Empfehlungen inkl. Gewichtung über die Häufigkeiten ist in Tab. 3 dargestellt.
Tab. 3
Rückmeldungen zu Empfehlungen für die Durchführung von Planungsprojekten mit Jugendbeteiligung (Urheber: u3Green Team)
 
Genannt in % der gültigen Rückmeldungen (n = 48)
Verfahrensbezogene Aspekte (Durchführung)
Strukturen, Abläufe, Ziele, Ergebnisse (von Anfang an) klar kommunizieren
22,92
Nutzung von Online-Tools zur Unterstützung
18,75
Kommunikation auf Augenhöhe/Wünsche und Interessen ernst nehmen
12,50
Ressourcen für Mehraufwand einplanen
10,42
Jugendlichen Raum geben, Ideen zu entfalten
6,25
Einzelveranstaltungen/Formate gesondert für Jugendliche (ohne z. B. Eltern/LehrerInnen)
6,25
Gamification-Ansatz nutzen
4,17
Altersgerechte Formate in Workshops/Veranstaltungen
4,17
Reichweitenbezogene Aspekte (Ansprache, Erreichbarkeit)
Zusammenarbeit mit Schulen oder Jugendeinrichtungen wichtig
31,25
Persönlicher Kontakt wichtig
18,75
Direkte Ansprache/Einladung von Jugendlichen
18,75
Frühe Einbindung der Jugendlichen
6,25
Themenbezogene Aspekte (Einbettung)
Gestaltungsspielraum und zeitnahes Umsetzungspotenzial der Ergebnisse wichtig
16,67
Punktuelle Teilhabe in konkreten Projekten
8,33
Sonstiges
Veranstaltungstermine möglichst konkurrenzfrei legen
2,08
Ergebnisse der Jugendlichen öffentlichkeitswirksam publizieren
2,08
Relevanz von Jugendbeteiligung immer wieder betonen
2,08
Was das Verfahren angeht, ist der am häufigsten genannte Aspekt, dass es von zentraler Bedeutung ist, den Jugendlichen sowohl den Ablauf als auch die Ziele des Projekts von Anfang an und kontinuierlich transparent zu kommunizieren. Ebenso wichtig erachtet und klar empfohlen wird eine Kommunikation auf Augenhöhe, dass Jugendliche sich selbst im Prozess ernstgenommen fühlen (Abb. 6 und 7). Recht häufig wird auch der Mehraufwand erwähnt, der von Anfang an mit eingeplant werden sollte. Interessant ist, dass fast jede fünfte Rückmeldung die (zusätzliche) Nutzung von Online-Tools und -Plattformen empfiehlt, obwohl aus den im vorangegangenen Kapitel präsentierten Daten hervorgeht, dass diese in den bisherigen Initiativen kaum genutzt wurden.
Hinsichtlich reichweitenbezogener Empfehlungen wurde einerseits häufig empfohlen, Jugendliche direkt anzusprechen und einzuladen und im Zuge dessen wurde die Wichtigkeit des persönlichen Kontakts betont. Von fast einem Drittel und damit (auch insgesamt) am häufigsten wurde die Zusammenarbeit mit Schulen und jugendbezogenen Einrichtungen hervorgehoben. Dies bezieht sich einerseits auf die Akquise von Jugendlichen für entsprechende Partizipationsprojekte über z. B. Schulen und andererseits aber auch auf die erfolgreiche und kontinuierliche Zusammenarbeit mit Jugendlichen. Es wird häufig herausgestellt, dass entsprechende Einrichtungen hier als Multiplikatoren fungieren und für den Erfolg des Projekts eine zentrale Rolle spielen.
Bei den themenbezogenen Aspekten wurde empfohlen, dass darauf geachtet werden sollte, dass die Themen der Projekte so gewählt werden sollten, dass sie auch (v. a. zeitnah) umgesetzt werden können, sodass die beteiligten Jugendlichen auch die direkten Folgen der Partizipation wahrnehmen. Andererseits wurde thematisch ähnlich empfohlen, eher auf kurzfristige, punktuelle Teilhabe an konkreten Projekten zu setzen, da Jugendlichen die Weitsicht und die Geduld für längerfristig angelegte Projekte fehle.

Diskussion

In Anlehnung an die o. g. Ergebnisse und gespiegelt an Literatur werden im Weiteren hinsichtlich verfahrensbezogener, reichweitenbezogener und themenbezogener Aspekte im Kontext der Jugendpartizipation Empfehlungen formuliert.

Verfahrensbezogene Aspekte

Zielgruppenspezifische Verfahren sowie geeignete unterstützende Materialien (z. B. Anleitungen, Tutorials), die dem Hintergrund und Fähigkeiten der Mitwirkenden entsprechen, sind für die Bevölkerung inkl. junger Menschen für eine erfolgreiche Partizipation entscheidend (Hennig und Vogler 2016; Meier 2023). Unsere Fragebogenergebnisse unterstreichen, dass insbesondere altersgruppenspezifische Formate, Methoden und Werkzeuge zum Einsatz kommen sollten.
Der hohe Umfang der Nutzung analoger Werkzeuge sowie der gemeinsame Einsatz von analogen und digitalen Verfahren spiegelt vielfach die derzeitige Situation wider. Dabei wird v. a. einer zielgruppengerechten Auswahl und systematischen Kombination analoger und digitaler Werkzeuge großes Potenzial zugesprochen (Diller und Karic 2023; Willis et al. 2014).
Hennig et al. (2020) erklären, dass insbesondere die persönliche Begegnung inkl. Projekteinführung (als analoges Verfahren) nicht nur zum Aufbau einer Projektgemeinschaft führen kann, sondern auch das Interesse am Mitwirken längerfristig aufrechterhält. Im Zusammenhang damit stehen auch Arbeiten vor Ort. Diese ermöglichen den Mitwirkenden u. a. einen konkreten Bezug zur eigenen Lebenswelt herzustellen, was für Partizipation per se ein wichtiger Motivationsfaktor ist (Coleman et al. 2009; Meier 2023). Was die Befragungsergebnisse ebenso deutlich zeigen, ist der hohe Stellenwert einer Kollaboration auf Augenhöhe.
Für den bisher geringeren Einsatz digitaler und/oder online Methoden und Werkzeuge werden in der Literatur eine Reihe von Gründen diskutiert, wie etwa fehlendes Wissen und Bewusstsein (Lindner-Fally und Zwartes 2012; Schulze 2015). Jedoch wird digitalen und/oder Online-Methoden und -Werkzeugen generell ein großer Mehrwert zugesprochen (vgl. McCully et al. 2011). So genießt die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) inkl. digitaler Geomedien (Online Karten, 3D-Modelle, Augmented/Virtual Reality, ortsbezogene Dienste etc.) generell große Beliebtheit und ist ein wichtiger Aspekt, um die Bevölkerung und speziell junge Menschen zu (dauerhafter) Teilhabe zu motivieren (Budhathoki und Haythornthwaite 2013; Hennig und Vogler 2016). Seitens der Stadtplanung werden große Erwartungen in digitale Verfahren gesetzt, da sie in vielerlei Hinsicht flexibleres Arbeiten erlauben, wie einerseits die Literatur (Diller und Karic 2023) und andererseits die Befragungsergebnisse belegen.

Reichweitenbezogene Aspekte

Für Partizipation mit Kindern und Jugendlichen kommt der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und der Ausbildung interdisziplinärer Teams großer Stellenwert zu. Neben der Möglichkeit, Prozesse durch Experten fachlich und professionell zu begleiten, betonen die Antworten der Befragten aber auch Derr et al. (2018) und Jansson et al. (2022) die zentrale Rolle von Kooperationen mit Einrichtungen wie Jugendzentren und v. a. Schulen. Dies bezieht sich zum einen auf die Kontaktaufnahme, da Kinder und Jugendliche ansonsten eher schwer zu erreichen und für Partizipation zu interessieren sind und zum anderen auf die Leitung von Arbeitssitzungen und Diskussionen sowie die Unterstützung bei der Kooperation mit jungen Menschen an sich (Stenberg und Fryk 2021). So können angemessenere Erklärungen gegeben, Kommunikation und Austausch zwischen ExpertInnen und jungen Menschen verbessert und sichergestellt werden, dass Jugendliche nicht mit den Aufgaben und deren Umfang sowie den verwendeten Methoden und Werkzeugen überfordert werden. Weiters können die Mitwirkenden motiviert und darin unterstützt werden, Vertrauen in ihre Arbeit und die Bedeutsamkeit ihrer Meinung aufzubauen. Schließlich ermöglicht die Zusammenarbeit mit jugendspezifischen Einrichtungen den Aufbau langfristiger Kooperationen und Partnerschaften, um die Partizipation junger Menschen als festen Bestandteil in Stadtplanung zu etablieren und in ein entsprechendes Netzwerk einzubetten, in dessen Rahmen sich kontinuierlich ausgetauscht und voneinander gelernt werden kann (Derr et al. 2018; Hennig und Vogler 2016).

Themenbezogene Aspekte

Um Interesse, Teilnahmebereitschaft und Motivation der Zielgruppe zu adressieren, kommt der Themenauswahl ein großer Stellenwert zu. Basierend auf unseren Befragungsergebnissen und den darin geäußerten Empfehlungen spielen die Umsetzbarkeit, aber auch der zeitlich überschaubare Horizont eine zentrale Rolle bei der Partizipation Jugendlicher. Dies sollte bei der Projektplanung berücksichtigt werden. Wie die Literatur (vgl. Meier 2023) sowie die Befragungsergebnisse unterstreichen, sollten die Themen der Projekte auf die Lebensrealität der Jugendlichen eingehen. Die Befragten involvieren junge Menschen primär in Fragen zur (Lebens‑)Qualität in Städten als auch zur Gestaltung von Spielplätzen und -räumen sowie Bewegungs‑, Aufenthalts- bzw. Freiräumen, die für die Zielgruppe relevante Aktivitäten ermöglichen. Während die Auseinandersetzung mit Spielplätzen und -räumen vorrangig jüngere Kinder adressiert, sind Themen zur (Lebens‑)Qualität in Städten sowie Bewegungs‑, Aufenthalts- bzw. Freiräumen inkl. entsprechender Eigenschaften und Elementen für Jugendliche von Interesse.
Dabei haben sich Anforderungen und Bedürfnisse junger Menschen mit der Zeit durchaus geändert: Während Hennig und Vogler (2016) primär die Relevanz informeller Treffpunkte für Jugendliche hervorheben, betonen Vogler et al. (2023) die Bedeutung von Spazierengehen und im Zusammenhang damit die Nachfrage nach urbanem Grün sowie Infrastrukturen, wie z. B. Sitzmöglichkeiten. Zentrale Themen für Jugendliche sind derzeit zudem Ruhe, Sicherheit und Sauberkeit sowie der soziale Umgang miteinander (Shu et al. 2022; Vogler et al. 2023). Angesichts dieser Veränderungen ist es wichtig, Themen gemeinsam mit jungen Menschen auszuwählen bzw. zu entwickeln, um aktuelle Trends berücksichtigen zu können.

Ausblick

Der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen kommt in der Stadtplanung zunehmend Bedeutung zu. Diese bietet nicht nur Vorteile, sondern stellt StadtplanerInnen auch vor Herausforderungen. Hier zeigen die Ergebnisse unserer Online-Befragung von StadtplanungakteurInnen in der D‑A-CH-Region, dass diese zumeist mit dem Projektverlauf und deren Ergebnissen zufrieden sind, hingegen Schwierigkeiten u. a. bei Teilnahmebereitschaft und Zeitaufwand sehen. Um diese Probleme zu adressieren und bestehendes Potenzial zu nutzen, spielen die herausgearbeiteten Empfehlungen eine entscheidende Rolle.
Natürlich hat die Befragung gewisse Grenzen. Sie bildet nicht die objektiv beobachtbare Situation ab, sondern die Selbsteinschätzung der Projektdurchführenden. Ebenso besteht darüber hinaus ein Bedarf an einer umfassenden Erhebung der Erfahrungswerte Jugendlicher in diesem Kontext, die in der vorliegenden Studie nicht adressiert wurden. Nichtsdestotrotz konnten hier in einer breiter angelegten Erhebung Kriterien aus PlanerInnenperspektive erarbeitet werden, die zwar in der Literatur diskutiert werden, sich meist jedoch auf punktuelle Erfahrungen und einzelne Projekte beziehen. Die hier vorgestellte Erhebung liefert somit ein Stimmungs- und Erfahrungsbild, das als Fundament für weitere Initiativen dienen kann, denn es zeigt sich, dass die Wichtigkeit von Jugendpartizipation zwar stetig steigt, hier aber ein nach wie vor großer Bedarf an Erfahrungsaustausch besteht. Basierend auf den Befragungsergebnissen kommt hier der Kooperation mit Schulen zentrale Bedeutung zu. Entsprechende Rahmenprogramme, wie z. B. die Initiative Sparkling Science in Österreich (https://​www.​sparklingscience​.​at/​), können hier eine fruchtbare Brückenrolle einnehmen.

Danksagung

Das Projekt u3Green ist vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung im Programm Sparkling Science 2.0 (https://​www.​sparklingscience​.​at/​) gefördert.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
Zur Situation und Verbesserung von Partizipation junger Menschen in der Stadtplanung
verfasst von
Sabine Hennig
Robert Vogler
Daniela Waltl
Tim Schötz
Publikationsdatum
07.08.2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Standort
Print ISSN: 0174-3635
Elektronische ISSN: 1432-220X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00548-024-00936-8