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2020 | Buch

Demokratietheorie im Zeitalter der Frühdigitalisierung

herausgegeben von: Dr. Michael Oswald, Dr. Isabelle Borucki

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Die Effekte der Digitalisierung auf die Demokratie sind vielfältig. Die Einschätzungen der Debatte fächern sich von Gefahren für Demokratien bis hin zur basisdemokratischen Revolution auf, wobei die tatsächlichen und finalen Folgen derzeit kaum absehbar sind. Das Fazit beinhaltet daher die Antwort, dass wir uns noch in der Phase der Frühdigitalisierung befinden, in der lediglich Abschätzungen und eine Bestandsaufnahme möglich sind. Daher wird in dem vorliegenden Band insbesondere ein Gewicht auf die Theoriebildung gelegt, in der die Demokratietheorie einem Update unterzogen werden soll, um den Digitalen Wandel zu inkludieren. Zudem soll die Demokratietheorie dafür genutzt werden, um die stattfindende digitale Transformation zu erklären und zu verstehen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einführung

Frontmatter
Die Vision der Digitaldemokratie und die Realität – Versuch über einen Dialog
Zusammenfassung
In dem vorliegenden Beitrag führen Isabelle Borucki und Michael Oswald in die Vision der Digitaldemokratie und die Realität ein. Sie definieren grundlegende Begriffe, wie ‚Digitization‘, ‚Digitalization‘ sowie ‚Digital Transformation‘ und konzeptionalisieren die Demokratie als dynamisches Projekt. Darunter gliedern sie den 1) Liberalismus und das Projekt der offenen Gesellschaft, 2) den Kommunitarismus und die bedrohte Gemeinschaft sowie 3) den deliberativen Republikanismus: diskursive Verständigung, öffentlicher Vernunftgebrauch. Zuletzt gehen sie auf die Frage der Rekonzeptualisierung von Demokratie ein.
Isabelle Borucki, Michael Oswald
Demokratie und Theorie in der Frühdigitalisierung
Zusammenfassung
Im Folgenden geben die HerausgeberInnen einen kurzen Überblick über die Beiträge des Bandes. Mit der Einleitung versuchen Isabelle Borucki und Michael Oswald, eine leitende Grundlage und Einbettung für die verbleibenden Kapitel dieses Bandes zu legen. Im Kontext des Zeitalters der Frühdigitalisierung wird hier versucht, auf Fragen von der Entwicklung der Öffentlichkeit, der Belastbarkeit von Theorien bis hin zur Begründung eines Verbotes der Fake News, eine Antwort zu geben.
Isabelle Borucki, Michael Oswald

Öffentlichkeit

Frontmatter
Grenzenlos, frei und politisch? Öffentlichkeit unter den Bedingungen der Digitalisierung aus radikaldemokratischer Perspektive
Zusammenfassung
Angesichts des Bedeutungsgewinns radikaldemokratischen Denkens in der Politischen Theorie, insbesondere von AutorInnen wie Chantal Mouffe und Jacques Rancière, diskutiert dieser Beitrag den digitalen Wandel politischer Öffentlichkeit aus einer explizit radikaldemokratischen Perspektive. Er argumentiert, dass nicht nur liberale und deliberative Maßstäbe, sondern auch die zentralen Anforderungen radikaler Demokratie an öffentliche Kommunikation – Offenheit, Gleichheit und Konfliktivität – durch die Eigenschaften und Qualitäten digitaler Technologien vor eine Herausforderung gestellt werden.
Claudia Ritzi, Alexandra Zierold
Zwischen Skylla und Charybdis? Die Zukunft der Demokratietheorie im digitalen Zeitalter
Zusammenfassung
Die erweiterte Massenkommunikation des Internets wurde von Optimisten als Chance begriffen, die Krise der demokratischen Öffentlichkeit zu überwinden. Der vorliegende Beitrag stellt diese Zuversicht auf den Prüfstand und pointiert zwei problematische Entwicklungen: Die Digitalisierung beschleunigt die Tendenz der Personalisierung des Politischen und den Wandel der Öffentlichkeit in eine fragmentierte, affektive, ideologisch-polarisierte und manipulierte Öffentlichkeit. Welche Spannungszonen und Möglichkeiten ergeben sich heraus für die radikale und deliberative Demokratietheorie?
Gizem Kaya
Demokratischer Wandel, dissonante Öffentlichkeit und die Herausforderungen vernetzter Kommunikationsumgebungen
Zusammenfassung
In unserem Beitrag diskutieren wir Entwicklungen in der politischen Kultur und der Kommunikationsinfrastruktur, die mit einem Strukturwandel der Öffentlichkeit in westlichen Demokratien verbunden sind. Öffentlichkeiten sind danach maßgeblich von Dissonanzen geprägt. Darunter verstehen wir Situationen, in welchen öffentliche Deliberationsprozesse und Debatten vielstimmiger, unübersichtlicher und oftmals konträr zueinander verlaufen und somit die kollektive Willensbildung und demokratische Reflexivität öffentlicher Meinungen erschweren. Wir argumentieren, dass die dissonanten Öffentlichkeiten innerhalb westlicher Gegenwartsdemokratien durch zwei langfristige Entwicklungen bedingt sind: einem grundlegenden Wandel innerhalb der demokratischen Kultur, welcher von sinkendem Vertrauen in politische Institutionen geprägt ist, sowie den Prozessen der Digitalisierung, die mit einer Fragmentierung von Mediensystemen und neuartigen Vernetzungsstrukturen einhergeht. Als unbeabsichtigte Folge dieser Entwicklungen sind Opportunity Structures für neuartige politische Bewegungen und Challenger-Akteure entstanden, die bestehende Institutionen massiv unter Druck setzen.
Curd Knüpfer, Barbara Pfetsch, Annett Heft
Europas digitale Souveränität. Bedingungen und Herausforderungen internationaler politischer Handlungsfähigkeit
Zusammenfassung
Seit Beginn der 1990er Jahre hat die Debatte um eine europäische Öffentlichkeit zunehmende Aufmerksamkeit erfahren. Zentraler Grund dafür ist das immer deutlichere Vordringen der Europäischen Union (EU) in Kernbereiche nationalstaatlicher Demokratien. Der hierbei entstehende Legitimationsbedarf erfährt im Rahmen des digitalen Strukturwandels eine grundlegende Veränderung, welche auch die demokratie- und kommunikationswissenschaftliche Forschung zur europäischen Öffentlichkeit vor neue Herausforderungen stellt. Der vorliegende Artikel spezifiziert diese Herausforderungen und zeigt mit John Deweys Konzept einer pragmatischen Öffentlichkeit einen fruchtbaren Ansatz zur Analyse einer digitalen europäischen Öffentlichkeit auf.
Annegret Bendiek, Jürgen Neyer
Zur Konstitution der digitalen Gesellschaft. Alternative Infrastrukturen als Element demokratischer Digitalisierung
Zusammenfassung
Der Beitrag argumentiert, dass auch die Konstitutionsweise digitaler Infrastrukturen politiktheoretisch als Institutionalisierung gelesen werden sollte, um die demokratische Qualität der Digitalisierung angemessen zu reflektieren. Die techniksoziologische Rekonzeptualisierung der demokratietheoretischen Norm einer maximalen Verteilung von Kommunikationsmacht gestattet uns, das Argument anhand des sozialen Mediums Mastodon zu veranschaulichen. Der Blick auf die Praktiken der Technikgestaltung offenbart die Potenziale und Hindernisse dezentraler Infrastrukturen für demokratische Entscheidungs-, Meinungs- und Willensbildungsprozesse in der digitalen Konstellation.
Sebastian Berg, Daniel Staemmler

Akteure

Frontmatter
Kapitale Konsequenzen für organisierte Interessenvertretung in Demokratien – Pierre Bourdieu, politische Organisationen und webbasierte Technologien
Zusammenfassung
Pierre Bourdieu zählt ohne Zweifel zu den großen Soziologen des 20. Jahrhunderts (ähnlich u. a. Ignatow und Robinson, Information, Communication & Society 20:950–966, 2017, S. 950). Dabei steht sein Name besonders mit seinen Überlegungen zu verschiedenen Kapitalformen und deren Einfluss auf die Werdegänge von Individuen in Verbindung (z. B. Bourdieu und Köhler, Titel und Stelle. Über die Reproduktion sozialer Macht, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main, 1981). Bourdieu differenziert verschiedene Arten von Kapital, die akkumuliert und ineinander konvertiert werden können. Grundlegend sind dabei vor allem das ökonomische Kapital, das kulturelle Kapital und das soziale Kapital (Bourdieu, P., Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In R. Kreckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten. (S. 183–198). Schwartz, Göttingen (Soziale Welt. Sonderband, 2), 1983.). Während die Konzeptionen anderer Autoren zu Sozialkapital in der politikwissenschaftlichen Betrachtung Würdigung erfahren – vor allem ( Putnam, R D., Bowling Alone: The Collapse and Revival of American Community. Simon & Schuster., 2000) und (Granovetter,.The American Journal of Sociology 78:1360–1380, 1973) sind hier zu nennen –, scheinen Bourdieus Überlegungen eher ein Schattendasein zu fristen. Sie verdienen jedoch gerade aus der Perspektive von Beobachtern politischer Organisationen Aufmerksamkeit.
Jasmin Fitzpatrick
Europas pragmatische Netzöffentlichkeit
Zusammenfassung
Seit Beginn der 1990er Jahre hat die Debatte um eine europäische Öffentlichkeit zunehmende Aufmerksamkeit erfahren. Zentraler Grund dafür ist das immer deutlichere Vordringen der Europäischen Union (EU) in Kernbereiche nationalstaatlicher Demokratien. Der hierbei entstehende Legitimationsbedarf erfährt im Rahmen des digitalen Strukturwandels eine grundlegende Veränderung, welche auch die demokratie- und kommunikationswissenschaftliche Forschung zur europäischen Öffentlichkeit vor neue Herausforderungen stellt. Der vorliegende Artikel spezifiziert diese Herausforderungen und zeigt mit John Deweys Konzept einer pragmatischen Öffentlichkeit einen fruchtbaren Ansatz zur Analyse einer digitalen europäischen Öffentlichkeit auf.
Moritz Wiesenthal

Disruptionen in Freiheit und Demokratie

Frontmatter
Was bedeutet „Freiheit“ in einem sozio-technischen Kontext?
Zusammenfassung
Der Zusammenhang zwischen Freiheit und Technik muss grundlegend neu gedacht werden. In den letzten zwei Jahrzehnten hat es im Rahmen der Digitalisierung eine breite öffentliche Debatte über das Verhältnis von Freiheit und Technik gegeben. Dieser Dialog wird meist bloß implizit geführt. Die Annahmen, welche die Debatte bestimmen, werden jedoch nicht deutlich genug definiert. Gleichzeitig ist in vielen Fällen nicht klar, welche Konsequenzen solche Annahmen mit sich bringen, da sie nicht trennscharf voneinander abgegrenzt und entwickelt werden.
Ben Wagner
Diskriminierungen und Verzerrungen durch Künstliche Intelligenz. Entstehung und Wirkung im gesellschaftlichen Kontext
Zusammenfassung
Die Entwicklung und Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) geht einher mit sozialen und ethischen Herausforderungen insbesondere in Form verzerrender oder diskriminierender KI-Ergebnisse. Oftmals werden gesellschaftliche Vorurteile und Verhaltensweisen gegenüber Minderheiten von KI-Technologien erlernt und entsprechend reproduziert. Dieser Beitrag widmet sich den zugrunde liegenden Wirkungsmechanismen. Dabei wird ein theoretisches Erklärungsmodell anhand gegebener Literatur abgeleitet, welches die Entstehung, Funktionsweise und Auswirkungen der Verzerrungen und Diskriminierung bei KI-Technologien darstellt.
Paul F. Langer, Jan C. Weyerer
Demokratie und digitale Kommunikationsökonomie: Lässt sich ein Fake-News-Verbot liberal-demokratisch begründen?
Zusammenfassung
Die massenmediale Kommunikation von Fake News tangiert einen Grundpfeiler der liberalen Demokratie, nämlich die kooperative Bewahrung der gesellschaftlichen „Vertrauensallmende“. Die in der digitalen Kommunikationsökonomie vorherrschenden Anreizstrukturen werden dem öffentlichen Gut des Vertrauens womöglich stark zusetzen. Insbesondere von Deepfakes geht ein erhebliches Schadenspotenzial aus. Um das Schadensausmaß wissen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar nicht sicher, doch sollten wir gerade deshalb keine unnötigen Risiken eingehen und Gegenmaßnahmen prüfen. Wer bewusst gefälschte Information massenkommunikativ verbreitet, schädigt andere epistemisch und praktisch. Sein Sprechakt ist nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, denn er äußert keine Meinung, die er tatsächlich hat, sondern agiert manipulativ. Ein qualifiziertes Fake-News-Verbot ist daher liberal-demokratisch begründbar.
Adriano Mannino
Die Digitalisierung der Hassrede in den USA – Bedrohung oder Bestandteil der Demokratie?
Zusammenfassung
Das weite Verständnis der Meinungsfreiheit, verbürgt durch die Free-Speech-Klausel der US-Verfassung und bestätigt in einer Vielzahl von Supreme-Court-Urteilen, führt dazu, dass auch Hassredebeiträge von ihr in den USA geschützt sind. Moderne Internetplattformen wie Google, Facebook oder Twitter ermöglichen es, dass Hassredebeiträge in kürzester Zeit ein Millionenpublikum erreichen. Durch eine Reihe von Selbstregulierungsansätzen versuchen die Internetdienstleister, die schädlichen Auswirkungen der Hassrede auf Politik und Gesellschaft zu begrenzen. Hinsichtlich der Langzeitfolgen der digitalisierten Hassrede auf den Zustand der US-Demokratie gibt es zwei konkurrierende Einschätzungen, eine optimistisch und eine pessimistisch gehaltene.
Sebastian Dregger
Political Implications of the Digital Transformation – The Role of the Democratic State in Multi-Stakeholder Internet Governance
Abstract
The evolution of digital technologies, with the decentral Internet at the forefront, has brought significant transformations to the authority of national states. Regarding Internet regulation, numerous stakeholders with differing interests and competencies are engaged,which ultimately leads to a setting of increasing interrelations and dependencies. As this paper argues, this presents challenges for democratic governmental institutions as their legitimacy is in danger of being undermined by non-state actors. This is demonstrated by applying the competence-control-tradeoff-model to Internet Governance, synthesizing perspectives of democracy theory and governance.
Die Entwicklung digitaler Technologien, insbesondere des dezentralen Internets, hat die Autorität von Nationalstaaten erheblich verändert. In Bereich der Internetregulierung sind zahlreiche Akteure mit unterschiedlichen Interessen und Kompetenzen involviert, was zu zunehmenden Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten führt. Wie in diesem Beitrag dargelegt, stellt dieses demokratische Regierungsinstitutionen vor Herausforderungen, da ihre Legitimität von nicht-staatlichen Akteuren untergraben werden könnte. Dies wird anhand des competence-control-tradeoff-Modells demonstriert, welches auf Internet-Governance übertragen wird und Perspektiven der Demokratietheorie und Governance synthetisiert.
Carolin Stötzel
Digitale Profile, Reputation Scoring und Social Credits am Beispiel von Chinas National Credit Management System
Zusammenfassung
Der Beitrag beschreibt die Auswirkungen eines Social Credit Systems, wie es von der chinesischen Regierung getestet und auf nationaler Ebene etabliert werden soll. Dabei werden die zugrunde liegenden Elemente abgeleitet und diskutiert. Das erste Element ist die Erstellung digitaler Bürgerprofile auf Basis sozialen Verhaltens. Das zweite Element ist die Vergabe einer einzelnen Reputationskennzahl, die aus den digitalen Profilen abgeleitet wird. Das dritte Element ist das Designen eines staatlichen Gesellschaftsideals durch entsprechendes Verteilen von Reputationspunkten und der Setzung reputationsabhängiger Anreize. Das System wird mit etablierten Praktiken verglichen und in seinen Auswirkungen kritisch diskutiert.
Paul F. Langer

Fazit und Ausblick

Frontmatter
Digitale Disruption: Demokratietheorie im Paradigma der entgrenzten Individualkommunikation
Zusammenfassung
Michael Oswald beleuchtet in dem Beitrag ‚Demokratietheorie im Paradigma der entgrenzten Individualkommunikation‘, den Paradigmenwechsel, den die Digitalisierung mit sich bringt. Er geht dabei auf die Probleme ein, die entstehen, wenn ein grundlegend neues Phänomen durch Beobachtungen einer neuen Struktur aus einer Perspektive des alten Paradigmas theoretisiert wird. Weiterhin diskutiert er die Bedeutung von normativen Leitbildern in neuen Paradigmen und er geht auf die großen Medienwandel als auch ihre Effekte ein.
Michael Oswald
Backmatter
Metadaten
Titel
Demokratietheorie im Zeitalter der Frühdigitalisierung
herausgegeben von
Dr. Michael Oswald
Dr. Isabelle Borucki
Copyright-Jahr
2020
Electronic ISBN
978-3-658-30997-8
Print ISBN
978-3-658-30996-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-30997-8