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2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Der Governance-Ansatz

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Zusammenfassung

Während der Governance-Ansatz in der internationalen Forschung anderen Quellen entspringt, ist die in Deutschland geführte wissenschaftliche Governance-Debatte im Wesentlichen aus der im vergangen Kapitel bereits skizzierten sozialwissenschaftlichen Steuerungstheorie hervorgegangen (Risse 2008, S. 150; Auer 2009, S. 178). Nachdem weiter oben explizit auf die Genese des hier propagierten Governance-Ansatzes eingegangen wurde, die sich größtenteils um die Forschung am MPIfG in Köln gruppiert, wird hier auf den Governance-Ansatz eingegangen Die Perspektive soll „zu den komplexesten der Sozialwissenschaften“ (Benz/Dose 2010: 17) zählen, und deshalb erfolgt im Abschnitt 4.1 zunächst die Vorstellung seiner mannigfaltigen Verwendungsweisen. Seit den 1990er-Jahren lässt sich zunächst eine steigende, später eine konstante Verwendung des Governance-Begriffes in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen, wo politisch reguliert wird, beobachten.

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Fußnoten
1
Zu den Grundsätzen von Good Governance zählen: Transparenz, Effizienz, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und Partizipation (World Bank 1989; vgl. dazu auch: Czada 2010, S. 204–208).
 
2
Auch wenn einige Autoren wie zum Beispiel Ulrike Klinger (2014, S. 37) darauf hinweisen, dass die Popularität von Governance nachlässt, indem sie auf die Homepage von Google-Trends verweist, wo die Zahl der Suchanfragen dazu zwischen 2004 und 2013 kontinuierlich abgenommen hat, hält sich das Schlagwort: Governance nach wie vor on top. Tatsächlich hält sich das Niveau der Suchabfragen seit 2007–2008 auf etwa einem gleichen Level, vgl. https://​trends.​google.​de/​trends/​explore?​date=​all&​q=​governance (21.06.2021).
 
3
Strukturelle Veränderungen werden zunehmend sowohl in der Gesellschaft als auch im Mediensystem im Besonderen wahrgenommen. Vgl. dazu statt vieler: (Habermas 1992b; Giddens 2008; OECD 2001).
 
4
Zu den bekanntesten Überblicksdarstellungen Governance betreffend können hinzugezählt werden insbesondere die Arbeiten von (Benz et al. 2007b; Bevir 2011b; Blumenthal und Bröchler 2006; Benz und Dose 2010b; Schuppert und Zürn 2008).
 
5
Es gibt durchaus Autoren, die Verfechter der engen Begriffsvariante, für die „im politisch-administrativen System keine souveräne Autorität existiert, die in der Lage wäre, effektive und legitime öffentliche Politiken in hierarchischen und vertikalen Strukturen durchzusetzen“ (Papadopoulos 2010, S. 225; vgl. darüber hinaus Heinelt 2008, S. 13).
 
6
So verweist Edgar Grande (2009, S. 78), Mitglied des Vorstandes von Munich Centre of Governance, Communication, Public Policy and Law (http://​www.​mcg.​uni-muenchen.​de/​index.​html), auf die weite Definition in Bezug auf die interdisziplinär angelegte Governance-Forschung. Am Münchener Centrum für Governance-Forschung widmen sich die Forscher schwerpunktmäßig den Problemen der Komplexität und der Medialität von Governance.
 
7
Diese bis heute gängige, idealtypische Hauptunterteilung wurde erstmals 1997 durch den Briten Roderick Arthur William Rhodes (Bevir und Rhodes 2001; 1997) vorgenommen. Seitdem wurden unzählige Versuche unternommen, das Governance-Themenfeld zu „sortieren“. Da es den Umfang dieser Arbeit sprengen würde, all diese Versuche vorzustellen, wird hier auf die Ausführungen der folgenden Autoren verwiesen: (Kooiman 2002, S. 72; Benz und Dose 2010a, S. 17–25 sowie explizit für die Kommunikations- und Medienwissenschaft Donges 2007b, S. 11–13). Einige Autoren wie beispielsweise Patrick Donges (2007b, S. 12) fügen zu den drei genannten Governance-Lesarten eine vierte hinzu: die wissenschaftlich-analytische Perspektive. Diese Kategorie würde jedoch den anderen Perspektiven ihren analytischen Charakter absprechen, weshalb sie hier nicht zur Anwendung gelangt.
 
8
Zu den jeweiligen Komponenten wird weiter unten im empirischen Teil der Arbeit genauer Bezug genommen werden, denn sie verzahnen sich mit dem Akteur-Struktur-Dynamiken-Modell Schimanks, welches die Grundlage für die Analyse bildet.
 
9
„Democratic governance implies yet another view on governance. It is an inherently normative approach discussing ways to improve regulation and government“, schreibt zum Beispiel Manuel Puppis (2010b, S. 136).
 
10
Die Wurzeln der Vertreter der partizipativen Demokratietheorie reichen wiederum bis in die griechische Philosophie hinein. So forderte Aristoteles, dass in der Herrschaftsform der Demokratie (demos-Volk; kratie-Herrschaft) „mit Rücksicht auf den Nutzen der Mittellosen“ regiert, sowie dass das Volk unmittelbar an dem Willensbildungs- und Entscheidungsprozess beteiligt werde (Aristoteles 1989, S. 170). Ab dem Beginn der Moderne vertrat der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau die Idee von dem Gesellschaftsvertrag, wonach jedes Individuum, das zum Staatsbürger wird, seinen Individualwillen im Sinne des Gemeinwohls aller aufgibt, dafür aber als zur Gemeinschaft Gehörender Rechte in Anspruch nehmen darf. Rousseau wandte sich darüber hinaus gegen die Existenz von Parteien, denn er war der Ansicht, dass Souveränität unteilbar sei.
 
11
Zu den Mehrebenenverflechtungen vgl. insbesondere: (Benz 2009, 2010; Benz und Dose 2010b). Der vertikalen Ebenen-Ausweitung widmen sich unter anderen: (Kohler-Koch und Larat 2009).
 
12
Die bestehenden Analyseversuche stützen sich dabei oftmals auf das bereits bestehende Analyse-Instrumentarium der Steuerungstheorie und des akteurzentrierten Institutionalismus.
 
13
Grande (2012, S. 571) verweist auf die unzureichende Fundierung des analytischen Governance-Ansatzes im Hinblick auf „eine unüberschaubare Vielzahl von Fallstudien (…), deren gemeinsamer Nenner oft nur schwer zu erkennen ist und deren Ergebnisse sich überwiegend in spezialisierten Fachzeitschriften und voluminösen Sammelbänden wiederfinden“. Empirische Analysen mit größeren gesellschaftlichen Regelungsbereichen und Politikfeldern, die längere gesellschaftliche Zeiträume in den Blick nehmen würden, stellten dagegen Mangelware dar (ebd.). Für beide vom Autor genannten Punkte soll die hier vorgelegte Untersuchung einen Grundstein legen.
 
14
Dies sind gleichzeitig die Kernelemente beim ASD-Modell Uwe Schimanks und zwar der Akteurkonstellationsebene.
 
15
Die kollektiven Akteure werden durch institutionelle Strukturen konstituiert. Bei ihrer Definition der komplexen Akteure betonen Mayntz und Scharpf (1995a, S. 47–48) deren strukturellen Handlungszusammenhang, d. h. insbesondere die institutionellen Regelungen, die mitunter oft dafür ursächlich sind, dass diese Akteure überhaupt erst geschaffen werden. Oftmals definieren die staatlichen Akteure den Handlungsspielraum der komplexen Akteure und schaffen Anlässe und Arenen für sie.
 
16
Für weiterreichende Informationen zu den jeweiligen Akteurstypen vgl. (Schimank 2007c, S. 128–129).
 
17
Sowohl beim akteurzentrierten Institutionalismus als auch bei der Governance-Forschung stehen die verschiedenen Modi sozialer Handlungskoordination im Zentrum der Aufmerksamkeit. Auf diese Weise erfolgt die Beschreibung der Struktur von gesellschaftlichen Teilsystemen (Mayntz und Scharpf 1995a, S. 60).
 
18
Die Anfänge der theoretischen Verbindung der Akteur- und Strukturebene reichen jedoch viel weiter zurück; vgl. dazu die Ausführungen im Abschnitt zu Steuerung (3.​2) sowie die Ausführungen zur Verbindung von Governance und dem ACI (4.4.2). Insbesondere sind hier jedoch die differenzierungstheoretischen Überlegungen Uwe Schimanks sowie das Grundverständnis des akteurzentrierten Institutionalismus von Mayntz und Scharpf von Bedeutung.
 
19
Autoren der Politikwissenschaft plädieren dafür, die Komponente Governance-Inhalte mitaufzunehmen. So schlägt Michael Zürn (2008, S. 555–556) etwa vor, den Governance-Begriff entsprechend den drei Dimensionen des Politikbegriffs zu teilen. Es ergibt sich die Trias von Governance-Inhalt (entspricht Policy), Governance-Struktur (entspricht Polity) und Governance-Prozess (entspricht Politics). Eine ähnliche analytische Unterscheidung wird von Gunnar Folke Schuppert (2011, S. 33) im Rahmen eines Vortrages, den er am 17. Mai 2010 am Munich Center on Governance gehalten hatte, vorgenommen.
 
20
Beispielsweise stellt ein Netzwerk wegen der „Relationierung der Einheiten“ ein Strukturmuster dar, während Solidarität eine Interaktion darstellt (Mayntz und Scharpf 1995a, S. 60).
 
21
Wie bereits im Abschnitt 4.3 ausgeführt, ist die Governance-Perspektive in ihrem Kern als eine institutionalistische Perspektive bekannt und fokussiert auf Regelungsstrukturen, während die Steuerungstheorie als akteurszentriert gilt (Mayntz 2004).
 
22
Schimank 2010 unterteilt sein Struktur-Verständnis weiter in Erwartungs-, Deutungs- und Konstellationsstrukturen. Auf diese Unterteilung wird separat im Abschnitt Bezug genommen.
 
23
Andere vorfindbare Bezeichnungen für Governance-Strukturen sind Koordinationsstrukturen bzw. -formen, Ordnungsmodelle, Modelle sozialer Ordnung sowie Governance-Modi.
 
24
Für eine ausführliche Entstehungsgenese der Governance-Formen s. statt vieler: (Mayntz 2004; Börzel 2006, 2008; Schimank 2007b; Lange und Schimank 2004b).
 
25
Es wurde die Bezeichnung Wettbewerbssystem und nicht Markt verwendet, weil es sich beim Markt um keine intentionale Ordnungsstruktur, sondern um eine spontane handele (Börzel 2006).
 
26
Mayntz/Scharpf (1995a, S. 61) unterschieden 1995 noch die einseitige oder wechselseitige Anpassung, die Verhandlung, die Abstimmung sowie die hierarchische Entscheidung. Dabei wäre die den Mechanismen zugrundeliegende analytische Dimension das Ausmaß der individuellen Autonomie.
 
27
Vgl. für eine noch detailliertere Beschreibung von elementaren Governance-Mechanismen: (Lange und Schimank 2004b; Schimank 2007b, 2007a).
 
28
Donges (2007b, S. 20) verweist daraufhin, „dass Governance-Regime von einzelnen Akteuren nicht zentral geplant und entwickelt werden können – ansonsten könnte man auch von Steuerung sprechen und bräuchte diese neue Perspektive nicht“.
 
29
Zu dem Mehrebenen-Charakter und Mehrebenen-Analysen, auch unter dem Stichwort „multilevel governance“ bekannt, siehe: (Benz 2009, 2010). Die Betrachtung der Mehrebenen-Dimension speziell von Media Governance erfolgte bereits im Abschnitt 5.​2.
 
30
Im empirischen Teil dieser Arbeit erfolgt die Integration der hier vorgestellten analytischen Elemente in die Kategorien des Akteur-Struktur-Dynamiken-Modells im Sinne einer akteurzentrierten Differenzierungstheorie.
 
31
„Jede dieser drei Strukturen stellt sich nochmals unterschiedlich dar, je nachdem ob sie innerhalb von etablierten Nationalstaaten oder jenseits des Nationalstaates auftritt. Im Falle von Governance by Government sind es nationale Regierungen, die nationalstaatliche Regelungen hierarchisch setzen und auch durchsetzen. Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Schnellstraßen stellen ein einfaches Beispiel dar. Governance by Government gibt es nur innerhalb konsolidierter Nationalstaaten. Auf der globalen Ebene bräuchte es hierfür einen mit Sanktionsgewalt ausgestatteten Weltstaat oder zumindest ein stark formalisiertes Imperium. Jenseits des Nationalstaates beobachten wir daher häufig Governance with Governments. In diesem Fall koordinieren und harmonisieren nationale Regierungen ihre Politik, um grenzüberschreitende Problemlagen zu bewältigen“ (Zürn 2008, S. 558). Eine ähnliche Unterteilung wird in Bezug auf die europäische Politikebene durch Alfonso und Papadopoulos (2013) vorgenommen.
 
32
Zu den neuen Governance-Formen und deren Entdeckungs- und Entwicklungsgeschichte vgl. darüber hinaus statt vieler: (Mayntz 2008, S. 47–48; Schimank 2007b, S. 32–34).
 
33
„Die Government-Perspektive erfasst den Staat als Institution, die sich vom Markt und der Gesellschaft unterscheidet; der Markt bzw. die Gesellschaft gelten als eigenständige und besondere Institutionen“ […] „In der Governance-Perspektive gelten der Staat, der Markt, soziale Netzwerke und Gemeinschaften als institutionelle Regelungsformen, die in variablen Kombinationen genutzt werden“ (Benz und Dose 2010a, S. 26). Diese Definition verweist auf eine gewisse Durchlässigkeit der Systemgrenzen der jeweiligen Institutionen. Neben der institutionellen Terminologie wird auf die akteurtheoretische Definition von einem System verwiesen.
 
34
Die Governance-Regime „entstehen immer aus bereits existierenden Regimen heraus, folgen also einem bestimmten Pfad. Governance-Regime reflektieren das politische System und die politische Kultur, innerhalb derer sie entstanden sind“ (Donges 2007b, S. 19).
 
35
„Der Begriff der Präferenz bedeutet dabei mehr als Interessen im Sinne einer Nutzenmaximierung. Präferenzen schließen auch Wertvorstellungen, kognitive Orientierungen etc. ein. Regelungsstrukturen prägen damit die an ihnen beteiligten Akteure, gewinnen einen Eigenwert, sodass ihre Veränderung – von plötzlichen Umbrüchen abgesehen – nur mühsam vonstattengeht“ (Donges 2007b, S. 20).
 
36
Neben dem Begriff „Regelungsstruktur“ finden in der Governance-Debatte auch Begriffe Verwendung, wie „Interaktionsmuster“ (Scharpf 2006) und „Modi kollektiven Handelns, welche sich im Rahmen von Institutionen ergeben” (Benz und Dose 2010a, S. 25).
 
37
Der „Problemlösungsbias“ kann sowohl dem steuerungstheoretischen Paradigma als auch dem Governance Ansatz unterstellt werden (Mayntz 2001).
 
38
Mit dem Hauptadressaten der öffentlichen Verwaltung unterstellte die Steuerungstheorie Problemlösung als die primäre Steuerungsfunktion des Politiksystems. Zum Selbstverständnis der öffentlichen Verwaltung gehört es, „dass sie mit ihrem Tun dem öffentlichen Wohl dient. Das gilt genauso für die Ministerialbürokratie, deren Fachleute die Sachentscheidungen des Parlaments vorbereiten, wie für nachgeordnete Verwaltungsebenen und die kommunale Selbstverwaltung“ (Mayntz 2001).
 
41
Wobei in der systemtheoretischen Makroperspektive das Konzept der Institution als analytisch überholt angesehen wird (Schimank 2007d, S. 161).
 
42
Stark vereinfacht dargelegt, wird bei dem Historischen Institutionalismus, welcher dem traditionellen Institutionalismus am nächsten steht, auf Pfadabhängigkeit unter dem Motto: „Bringing the State Back In“ sowie die Besonderheiten der politischen Organisationen Wert gelegt. Innerhalb der Rational-Choice Spielart des Institutionalismus geht es vorwiegend darum, Institutionen in das übergeordnete Konzept des rationalen Handelns der Akteure einzubinden. Schließlich betonen die Vertreter der organisatorischen Soziologie insbesondere ihren breit angelegten Institutionenbegriff, der ebenso kulturalistische Elemente enthält. Für eine umfassendere Beschäftigung mit dem Vergleich der neo-institutionalistischen Ansätze siehe statt vieler: (Hall und Taylor 1996, Peters 2001 sowie Schulze 1997). Uwe Schimank (2007d) fügt zu den hier genannten drei Strängen die Institutionenökonomik sowie den akteurzentrierten Institutionalismus hinzu, und Manuel Puppis verweist darüber hinaus auf den in den Politikwissenschaften gebräuchlichen Diskursiven Institutionalismus (Puppis 2016; Schmidt 2008).
 
43
Damit ist die Verwendung des auf dem neuen soziologischen Institutionalismus (NSI) basierenden Governance Ansatzes gemeint, wie ihn zum Beispiel die Vertreter der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Donges und Puppis, propagieren (vgl. 4.4.4.2). Es kam dort zu einer Verschiebung der traditionellen engen Definition von Institutionen, die auf Struktur oder Funktionalität basieren, auf eine umfassendere Bedeutung dieses Begriffs. Hall und Taylor fassen die Grundprämisse des NSI zusammen, wobei „even the most seemingly bureaucratic of practices have to be explained in cultural terms“ (Hall und Taylor 1996, S. 947). Der NSI bricht deshalb die vorherige Dichotomie von Institutionen und Kultur auf, indem der Ansatz diese beiden Konzepte miteinander verbindet: Institutionen werden nicht nur als „formal rules, procedures or norms“ konzipiert, sondern umfassen auch „symbol systems, cognitive scripts, and moral templates“, die menschliche Handlung strukturieren, während Kultur selbst als Institution konzipiert werden kann (ebd., S. 947–948).
 
44
Schimank (2004, S. 292) verweist ferner auf „gewichtige Anleihen“ des ACI bei dem rational-choice Neo-Institutionalismus, was der Weiterentwicklung des Ansatzes durch Fritz Scharpf (1997) geschuldet ist.
 
45
Es ist insbesondere das Verdienst Fritz Scharpfs, der den ACI in der Form weiter vertiefte, dass der Ansatz für Bereiche praktischer Politik fruchtbar gemacht werden konnte. Nach Scharpf (2006, S. 85) soll der ACI dabei helfen, „realisierbare Problemlösungen zu entwickeln oder Institutionen zu entwerfen, die im allgemeinen die Formulierung und Implementation gemeinwohlorientierter Politik begünstigen.“ Nachdem sich Scharpf zunächst Fragen der allgemeinen Steuerbarkeit innerhalb der nationalen Arbeits- und Sozialpolitik gewidmet hatte, fokussierte er sich später auf den Bereich der europäischen Integration. Für eine weiterführende Recherche in Bezug auf Scharpfs Werk vgl.: (Wagner 2012a und Schneider und Janning 2006, S. 82; Baumgartner 2010) sowie bezüglich der Anwendbarkeit des ACI international vgl.: (van Lieshout 2012; Boessen 2008; Coleman 2001).
 
46
Mayntz und Scharpf (1995a, S. 48) weisen insbesondere auf die Gemeinsamkeiten des ACI und „einer reale Sozialstrukturen betonenden Differenzierungstheorie.“ Beide Perspektiven weisen institutionell geprägte Formen sozialer Differenzierung auf; beispielsweise im Hinblick auf das Nebeneinander von Lehre und Forschung in der Wissenschaft sowie das Gesundheitswesen in Deutschland. Durch institutionelle Regelung werden „Aufgaben zugewiesen und Akteure zueinander in definierte Beziehung gesetzt“ (ebd.). Dadurch werden „Strukturen der Arbeitsteilung geschaffen, die sich auch mit den Begriffen der sozialen Differenzierung beschreiben lassen“ (ebd.). Die Differenzierungstheorie betone somit „sowohl einen für die Beschreibung von Sektorstrukturen und Akteurkonstellationen wichtigen Aspekt (die Arbeitsteilung) wie auch eine wichtige Komponente (die funktionelle) der Handlungsorientierung“ (ebd.).
 
47
Vgl. dazu die Ausführungen zu der akteurtheoretischen Steuerungstheorie unter 3.​2.​2.​1.
 
48
Uwe Schimank (2004, S. 295) unterscheidet drei Arten von institutionellen Strukturen, die er in sein Analysemodell des weiter unten thematisierten „handelnden Zusammenwirkens“ (4.4.3) einflechtet. Als solche sind zu nennen: materielle oder formale Verhaltensvorschriften für spezifische Situationen, Regelungen der Zuweisung und Nutzung spezifischer Ressourcen und normative Festlegungen der Relationen zwischen bestimmten Akteuren.
 
49
Institutionen stellten „als normative Vorgabe eine, aber keineswegs die einzige oder stets stärkste Determinante des Handelns“ dar (Schimank 2004, S. 295).
 
50
Dabei geben die Autoren zu bedenken, dass „in Konstellationen interdependenter staatlicher und nichtstaatlicher Akteure, die es mit einem gemeinsamen Problem zu tun haben, […] eine spontan übereinstimmende Wahrnehmung der Situation, der eigenen und fremden Handlungsoptionen und ihrer zu erwartenden Wirkungen eher unwahrscheinlich“ sei (Mayntz und Scharpf 1995a, S. 53).
 
51
Scharpf (2006, S. 116) nennt die motivationalen Aspekte Präferenzen und gliedert diesen Begriff in vier Komponenten: Interessen, Normen, Identitäten und Interaktionsorientierungen.
 
52
Die Standardinteressen sind „im Kern auf ein langfristig erfolgreiches Bestehen gerichtet“ und „auf ein Subjekt bezogene Handlungsziele, die um des eigenen Überlebenserfolgs willen verfolgt werden sollten. Physisches Wohlergehen, Handlungsfreiheit und die Verfügung über wichtige Ressourcen, zu denen auch Macht, soziale Anerkennung und der Besitz einer gesicherten Domäne gehören mögen, können als gewissermaßen vorgegebene Standardinteressen bei Lebewesen allgemein unterstellt werden. Ähnlich haben auch korporative Akteure generell unterstellbare Interessen am eigenen Bestand, an Ressourcen und an Autonomie“ (Mayntz und Scharpf 1995a, S. 54–55). Schimank (2007d, S. 172, 2007e, S. 262–263) definiert in ähnlicher Weise die durch ihn erkannten „reflexiven Interessen“, die aus „Autonomiesicherung, Domänenabgrenzung, Wachstum oder Erwartungssicherheit“ bestehen (vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 3.​2.​2.​2).
 
53
Schimank (2007d, S. 173) verweist hierbei daraufhin, dass der ACI sich damit nicht theoretisch vorsehbare Erklärungsfaktoren offenhält. Als mögliche Faktoren benennt der Autor etwa den Zusammenbruch des Sozialismus Ende der 1980er-Jahre sowie plötzliches Umschlagen „von relationalen Orientierungen“ oder „Erstarrung eines bestimmten Koordinationsmodus trotz allseitig erkannter Ineffektivität.“
 
54
Damit nähern sich die Autoren des ACI sehr an die Zielvorgaben des Governance-Ansatzes, womit gesellschaftspolitische Untersuchungen auf horizontaler und vertikaler Ebene des politischen Systems anstrebt werden. Den Autoren ist dieses sehr ambitionierte Ziel bewusst. Dies wird deutlich in dem folgenden Zitat: „Ein Forschungsdesign, in dem ein mehrschichtiger institutioneller Kontext, individuelle wie korporative Akteure, ihre jeweiligen Handlungsorientierungen, Wahrnehmungen und interaktiven Beziehungen gleichermaßen systematisch einbezogen werden, läßt sich in einer empirischen Untersuchung kaum anwenden“ (Mayntz und Scharpf 1995a, S. 67). Deshalb sind innerhalb der Studien am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung meist lediglich Ausschnitte des komplexen Analyserasters zur Anwendung gekommen (vgl. ebd.).
 
55
Neben Schimanks handlungs- und differenzierungstheoretischen Versuch, die Theorieperspektiven des Handelns und der Strukturen zu versöhnen, verdienen an dieser Stelle insbesondere die strukturationstheoretischen Überlegungen von (Giddens 1997 sowie von Esser 1999, 2000) Erwähnung.
 
56
Mayntz und Scharpf (1995, S. 54–55) sind der Auffassung, dass individuelle Interessen „im Kern auf ein langfristig erfolgreiches Bestehen gerichtet“ sind. Zu den bereits weiter oben angesprochenen Standardinteressen der korporativen Akteure gehören dagegen „generell unterstellbare Interessen am eigenen Bestand, an Ressourcen und an Autonomie“. Thomas Kron (2010, S. 39) macht in seiner Abhandlung zu zeitgenössischen Theorien seinerseits darauf aufmerksam, dass hinter den durch Schimank herausgestellten Entwicklungsdynamiken orientierender Deutungsstrukturen immer Akteure als „energetische Antreiber“ steckten. Er verweist darüber hinaus auf konkrete Handlungsantriebe, die sehr vielfältig sein können. Dabei seien „vier basale reflexive Interessen, die sich auf die generellen Bedingungen spezifisch substantieller Interessen beziehen. Akteure streben immer danach, (a) die Reichweite ihrer Interessenrealisierung auszudehnen; (b) möglichst viele zur Zielerreichung relevante Ressourcen zu akkumulieren; (c) Dominanz in einer relevanten Interessenssphäre ausüben zu können und (d) Kontrolle über die eigene Interessenrealisierung zu erwerben.“
 
57
„Jedes Handeln ist intentional in dem Sinne, dass der betreffende Akteur damit einen ‚subjektiven Sinn‘ verbindet. Fehlte dieser, läge nur Verhalten vor. Intentionalität bedeutet allerdings nur in den seltensten Fällen, dass ein Akteur ein genaues Ziel vor Augen hat […]“ (Schimank 2007c, S. 123).
 
58
Vgl. dazu die Ausführungen unter 5.​2.
 
59
Dabei wurde Medienregulierung nicht nur als Institution, sondern auch als Organisation konzeptualisiert (Puppis et al. 2004, S. 19–31; Puppis 2016).
 
60
„Eine Statusfunktion muss, damit sie existiert, als allgemeingültig repräsentiert werden, was vor allem durch die Sprache und andere Symbole erfolgt“ (Kiefer 2010: 33). Die Straßenverkehrsordnung wäre ein Beispiel für solch ein Institutionenverständnis, das auf den Philosophen John R. Searle (1999) zurückgeht.
 
61
Zu der Thematik der Mediamatik Governance siehe ferner: (Latzer 1999; Latzer et al. 2003; Latzer 2007).
 
Metadaten
Titel
Der Governance-Ansatz
verfasst von
Magdalena Ploch
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-40693-6_4