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2023 | Buch

Der Rechtsstaat als Geflecht von Erwartungen

Eine neue Sicht auf Wirtschaft und Recht für eine gerechtere Zukunft

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Über dieses Buch

In diesem Buch argumentiert Kaushik Basu, einer der weltweit führenden Wirtschaftswissenschaftler, dass die traditionelle ökonomische Analyse des Rechts erhebliche Mängel aufweist und bestimmte kritische Fragen nicht zufriedenstellend beantworten kann. Warum werden gute Gesetze formuliert, aber nie umgesetzt? Wenn Gesetze nicht durchgesetzt werden, ist das dann ein Versagen des Gesetzes oder der Vollstrecker? Und, was am wichtigsten ist, wenn man bedenkt, dass Gesetze nur Worte auf dem Papier sind, warum sind sie dann wirksam? Basu bietet eine provokante Alternative, wie die Beziehung zwischen Wirtschaft und realer Rechtsdurchsetzung verstanden werden kann.
Basu fasst die neoklassische Rechts- und Wirtschaftswissenschaft zusammen, bevor er sich mit den Schwächen dieser Disziplin befasst. Mit Hilfe der modernen Spieltheorie entwickelt er einen "Brennpunkt"-Ansatz, der nicht nur die eigennützigen Handlungen der Bürger modelliert, die Gesetze befolgen müssen, sondern auch die Funktionäre des Staates - Politiker, Richter und Bürokraten -, die diese Gesetze durchsetzen. Er veranschaulicht die Zusammenhänge zwischen sozialen Normen und dem Gesetz und zeigt, wie gut durchdachte Ideen das menschliche Verhalten verändern und fördern können. Zum Beispiel werden sich Geber und Nehmer von Bestechungsgeldern zusammentun, wenn sie vor dem Gesetz gleich behandelt werden. Und bei Nahrungsmittelhilfeprogrammen sollten Gutscheine direkt an die Armen ausgegeben werden, um zu verhindern, dass Ladenbesitzer subventionierte Rationen auf dem freien Markt verkaufen. Basu liefert ein neues Paradigma für das Zusammenspiel von Recht und Wirtschaft - ein Rahmen, der sowohl für weniger entwickelte Länder als auch für die entwickelte Welt gilt.
"Der Rechtsstaat als Geflecht von Erwartungen" zeigt die Grenzen und Möglichkeiten von Recht und Wirtschaft auf und schlägt eine neue Denkweise vor, die wirksamere Gesetze und eine gerechtere Gesellschaft ermöglichen wird.


Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Ökonomen und Juristen sind schon lange an der Frage interessiert, warum so viele Gesetze ein wirkungsloses Dasein fristen. Noch interessanter und in philosophischer Sicht beunruhigend ist aber die umgekehrte Frage: Warum sind so viele Gesetze so effektiv, insofern als dass sie sowohl von den Funktionsträgern des Staates durchgesetzt als auch von den Bürgerinnen und Bürgern geachtet werden? Schließlich ist ein Gesetz nichts als eine Ansammlung von Wörtern auf Papier. Wenn man einmal innehält und darüber nachdenkt, ist es in der Tat verwunderlich, warum das reine Beschreiben von Papier das Verhalten von Menschen ändern sollte, warum die in einem Buch festgehaltene neue Geschwindigkeitsbegrenzung Fahrzeuge verlangsamen und die Verkehrspolizei dazu bewegen sollte, diejenigen Fahrzeuge anzuhalten, die sich nicht an die Regel halten, und ihnen eine Strafe aufzuerlegen.
Kaushik Basu
2. Eine kurze Geschichte von Law and Economics
Zusammenfassung
Dieses Buch hat eine ambitionierte Agenda. Es soll gezeigt werden, dass durch große Teile der ökonomischen Analyse des Rechts eine Verwerfungslinie läuft, die dafür verantwortlich ist, dass diese Disziplin trotz einiger großer Erfolge vor fundamentalen Herausforderungen steht. Ihre Defizite sind nirgends so sichtbar wie in den Entwicklungsländern, wo oftmals moniert wird, dass das Recht auf dem Papier zwar nicht zu beanstanden sei, in der Praxis aber schlicht nicht umgesetzt werde. Fragt man, warum das so sei, bekommt man typischerweise eine von vagem Handwedeln begleitete Erklärung, die irgendetwas mit Korruption, schlechter Staatsführung und mangelndem Willen der politischen Führung zu tun hat. Das Hauptziel dieses Buches ist es, die Aufmerksamkeit auf einen konzeptionellen Fehler zu lenken, der einen Großteil der zeitgenössischen ökonomischen Analyse des Rechts durchzieht, um schließlich zu einem tieferen Verständnis darüber zu gelangen, wie und warum das Recht menschliches Verhalten steuert – und auch, warum es das so oft nicht schafft.
Kaushik Basu
3. Die Methode des Fokalen Punktes
Zusammenfassung
Der grundlegende Denkfehler der traditionellen Herangehensweise der ökonomischen Analyse des Rechts liegt auf der Hand. Sie beruht vor allem auf zwei Annahmen, die – wie gerade gezeigt – einander widersprechen: einerseits, dass die Menschen exogen gegebene Präferenzen, Nutzen- oder Auszahlungsfunktionen haben, die sie zu maximieren suchen, und andererseits, dass ein neues Gesetz das Ergebnis des Spiels beeinflusst, indem es die Auszahlungen verändert, die die Spieler von ihren Handlungen erwarten können, also indem es die Spielregeln und somit das Spiel selbst verändert. Sobald eine vollständige Beschreibung des Spiels des Lebens vorliegt, die nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch alle relevanten staatlichen Akteure umfasst, sehen wir, dass das Recht an sich keinen Einfluss hat auf die Aktionen, die den Akteuren zur Verfügung stehen, oder auf die daraus erwachsenden Auszahlungen. Kurz gesagt: Das – vollständig beschriebene – Spiel, das die Mitglieder einer Gesellschaft spielen, ändert sich nicht durch die Novellierung eines Gesetzes oder die Verabschiedung eines neuen.
Kaushik Basu
4. Sequenzielle Spiele und First-Mover Advantage
Zusammenfassung
Bislang habe ich die Interaktionen zwischen allen beteiligten Spielern im Spiel des Lebens – Bürgerinnen und Bürger, aber auch staatliche Akteure – immer so behandelt, als passierten sie simultan. In der Spieltheorie spricht man dann von der Normalform oder der strategischen Form eines Spiels. Dabei werden einige Details ausgeblendet, sodass es so aussieht, als passiere das ganze Spiel zu einem einzigen Zeitpunkt. Die im vorangegangenen Kapitel präsentierten Argumente erlauben aber noch weitergehende Einsichten, wenn wir das Spiel so darstellen, wie es tatsächlich im Zeitverlauf (sequenziell) gespielt wird, also – um den Fachbegriff zu verwenden – in seiner extensiven Form.
Kaushik Basu
5. Soziale Normen und das Recht
Zusammenfassung
Dieses Kapitel hat zwei Ziele, nachdem uns die Analyse im vorangegangenen Kapitel zu einer wichtigen Frage geführt hat: Wenn sich jedes gesellschaftliche Ergebnis, das durch Gesetzgebung erzielt werden kann, auch ohne sie einstellen kann, indem die Akteure das vom Gesetz vorgeschriebene Verhalten imitieren, da sich solches Verhalten selbst verstärkt, sobald alle es angenommen haben – können wir dann überhaupt sinnvoll zwischen Gesetzen und Normen unterscheiden? Das erste Ziel dieses Kapitels ist es, diese Frage bejahend zu beantworten. Ich will zeigen, dass obwohl es aus grundlegender Sicht keinen Unterschied macht, ob das Verhalten durch soziale Normen oder durch das Recht gelenkt wird, wir in gewisser Weise dennoch zwischen diesen beiden Effekten unterscheiden können. Zu dieser Schlussfolgerung gelange ich über einige Beispiele, die dem zweiten Ziel dieses Abschnitts dienen: Während der Großteil meiner Analysen bisher relativ abstrakter Natur war, möchte ich nun zeigen, dass die bereits entwickelten Ideen wie multiple Gleichgewichte, fokale Punkte und selbstverstärkende Verhaltensweisen wichtige Zutaten für ein besseres Verständnis zahlreicher Phänomene des echten Lebens sind. Zur Unterscheidung zwischen sozialen Normen und dem Recht gebe ich in jedem der folgenden drei Unterabschnitte ein Beispiel und kann so beide Ziele dieses Kapitels auf einmal angehen.
Kaushik Basu
6. Recht, Politik, KorruptionKorruption
Zusammenfassung
Der 9. Januar war ein wichtiger Tag im Leben Adam Smiths. An diesem Tag im Jahr 1751 wurde er zum Professor für Logik an der Universität Glasgow gewählt, und so nahm seine Karriere in der Lehre Fahrt auf. Während er eigentlich Logik unterrichten sollte und seine Vorlesungen auch so tituliert waren, dozierte er wohl mehr darüber, was er gerade am interessantesten fand, und lieferte so ein Anschauungsbeispiel individueller Rationalität. John Millar, einer seiner Studenten, notierte dazu respektvoll: „Mr. Smith … hielt es für angebracht, großzügig von dem Lehrplan seiner Vorgänger abzuweichen und die Aufmerksamkeit seiner Studenten auf interessantere und nützlichere Inhalte als Logik und Metaphysik … zu lenken.“ (Smith 1762, S. 1). Stattdessen unterrichtete er Moralphilosophie und Jura. Diese Vorlesungen beeindruckten Millar, der sich im Alter von 11 Jahren an der Universität Glasgow eingeschrieben hatte und mit 16 erstmals Smiths Ausführungen lauschte, so sehr, dass er bald Smiths Anhänger und später Professor für Zivilrecht an eben jener Universität wurde.
Kaushik Basu
7. Rationalität, Recht, LegitimitätLegitimität
Zusammenfassung
Abgesehen von gelegentlichen Streifzügen in weitergehende menschliche Beweggründe bin ich bislang innerhalb der Annahme rationaler Individuen mit exogen gegebenen Nutzen- oder Auszahlungsfunktionen geblieben. Diese Annahme ist der Standard im Economics-Mainstream und auch die Grundlage der modernen ökonomischen Analyse des Rechts. Die zwei vorangegangen Kapitel haben mit Stigmata und gesellschaftlichen Sanktionen jedoch auch Themen behandelt, die in Lehrbüchern der Mainstream-Volkswirtschaftslehre eher selten zu finden sind. Gestützt auf einige neuere Literatur haben wir den Analyserahmen erweitert, indem wir berücksichtigt haben, dass die Menschen ihren Nutzen nicht nur aus ihrem Konsum beziehen, sondern auch daraus, wie andere sie behandeln und was sie von ihnen halten. Gesellschaftliche Anerkennung macht Freude, soziale Stigmatisierung tut weh.
Kaushik Basu
8. Lose Enden
Zusammenfassung
Der Aufstieg der ökonomischen Analyse des Rechts in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ist eine der großen Erfolgsgeschichten der Vermischung zweier wissenschaftlicher Disziplinen. Unser Verständnis des menschlichen Verhaltens und der effektiven Gestaltung politischer Instrumente hat davon enorm profitiert. Wie viele bahnbrechende intellektuelle Entwicklungen hatte aber auch dieser Aufstieg seine Schwächen, und zwar ziemlich tief liegende. Ich habe in diesem Buch zu zeigen versucht, dass die Grundlagen der traditionellen ökonomischen Analyse des Rechts einige interne Widersprüche aufweisen. Diese Widersprüche sind so schwerwiegend, dass wir sie nicht ignorieren können, sobald wir uns ihrer einmal bewusst werden. Auch habe ich zeigen wollen, dass einige weitverbreitete Defizite der Rechtsgestaltung und -umsetzung wie die mangelhafte Rechtsdurchsetzung in vielen Entwicklungsländern und die hartnäckige Verbreitung von Korruption zumindest teilweise auf eben jene konzeptionellen Schwächen in den Grundlagen der Disziplin zurückzuführen sind.
Kaushik Basu
Backmatter
Metadaten
Titel
Der Rechtsstaat als Geflecht von Erwartungen
verfasst von
Kaushik Basu
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-39694-7
Print ISBN
978-3-658-39693-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-39694-7

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