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2011 | Buch

Der Wandel der Alterssicherung in Deutschland

Die Rolle der Sozialpartner

verfasst von: Tobias Wiß

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Die jüngsten Rentenreformen in Deutschland, insbesondere die Reformen von 2001 und 2004, haben wesentliche Veränderungen des Alterssicherungssystems herbeigeführt. Da Deutschland repräsentativ für ein konservatives Wohlfahrtsregime mit Sozialversicherungen Bismarck’scher Prägung steht (Esping-Andersen 1990), wurde bisher von einer starken Kontinuität eines solchen Systems ausgegangen (Myles/Pierson 2001). Gründe hierfür sind die hohen umlagefinanzierten Leistungen mit Quasi-Eigentumscharakter für die Beitragszahler und Leistungsempfänger sowie das Doppelzahlerproblem beim Übergang zu einer stärkeren Kapitalfundierung, bei dem die erwerbstätige Bevölkerung mit ihren Beiträgen die Leistungen der heutigen Rentner finanzieren und zugleich Kapital für ihre eigenen zukünftige Renten sparen müsste. Diese sind verantwortlich für die Unbeweglichkeit, frozen landscapes (Esping-Andersen 1996), und die hohen Hürden des Wandels. In der bisherigen Literatur wurde Ländern mit besonders ausgeprägter institutioneller Trägheit nur sehr geringe Möglichkeiten des Wandels zugeschrieben, in der Regel wird dafür ein externer Schock beispielsweise in Form eines Krieges oder einer existenziellen Wirtschaftskrise benötigt. (Radikaler) Wandel kann hauptsächlich auf kurzfristige exogene „Penetration“ zurückgeführt werden (Pierson 2000), wie bspw. die jüngste Finanzkrise.
Tobias Wiß
2. Sozialpartner und Wohlfahrtsstaat aus vergleichender Perspektive
Zusammenfassung
Wie sieht der theoretische und analytische Rahmen der Arbeit aus? Welche theoretischen Ansätze helfen bei der Beantwortung der Forschungsfragen und können erste Thesen liefern? Hierzu wird in diesem Kapitel zunächst das Forschungsfeld zur Rolle der Sozialpartner in der politischen und in der kollektiven Arena ausgelotet. Die Rolle der Sozialpartner und die betriebliche Altervorsorge wurden bei bisherigen Analysen nicht ausreichend erfasst.
Tobias Wiß
3. Die kollektiven Akteure in der Sozialpolitik
Zusammenfassung
Warum kann ein Einfluss der Sozialpartner in der Alterssicherung erwartet werden? Hierzu stellt Abschnitt 3.1 die Bedeutung der Sozialpartner innerhalb der Politiknetzwerke in der GRV und in der BAV heraus. Anschließend wird zunächst auf spezifische Strukturen und Organisation von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden eingegangen, um herauszuarbeiten, welche Interessen diese vertreten. Qualifikationen der Beschäftigten und Mitglieder zusammen mit Machtressourcen können die Interessen und Einflusschancen der Sozialpartner erklären. Hinweise auf die tariflichen Machtressourcen in Form von Mitgliederentwicklung, Organisationsgrad und Tarifbindung liefern erste Erkenntnisse für die Stärke der Sozialpartner und deren Einflusschancen in der politischen und kollektiven Arena. Allerdings soll der Blick auf Machtressourcen nicht nur auf Klassenkonflikte abstellen, sondern vielmehr auch die gemeinsamen Machtressourcen von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften analysieren, die insgesamt in der kollektiven Arena abnehmen. Dieser Schritt ist notwendig, um darauf aufbauend die politischen Machtressourcen in Form von Verbindungen zu Parteien und Parlamenten zu analysieren, um gemeinsame Trends bzw. Unterschiede in der kollektiven und politischen Arena herauszustellen, was wiederum leitend für die Untersuchung des Gesetzgebungsprozesses (Kapitel 5) ist.
Tobias Wiß
4. Die politischen Verbindungen der Sozialpartner
Zusammenfassung
Ausgehend von den Überlegungen zur Rolle der Sozialpartner innerhalb des politischen Systems (siehe Kapitel 2) sollten deren Interessen umso stärker berücksichtigt werden, über je mehr Kontakte sie zu Parteien und Parlamenten verfügen. Es wird im Folgenden überprüft, wie sich die Machtressourcen auf der politischen Ebene in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben und ob Verluste in der tariflichen Arena mit einer Stärkung in der politischen Arena kompensiert werden konnten. Insgesamt ist es schwieriger, Verflechtungen von Parteien und Parlamenten mit Arbeitgeberverbänden und Unternehmen zu untersuchen, da hier nicht Einzelpersonen, sondern Firmen die Mitglieder sind. Folglich stehen im anschließenden Abschnitt die Gewerkschaften im Vordergrund.
Tobias Wiß
5. Die Sozialpartner im Gesetzgebungsprozess
Zusammenfassung
Nachdem die Machtressourcen der Sozialpartner in der tariflichen und der staatlichen Arena erläutert worden sind, soll dieses Kapitel klären, inwieweit die Sozialpartner diese Machtressourcen nutzen konnten, um ihre Interessen im Gesetzgebungsprozess durchzusetzen. Um dies zu veranschaulichen werden die Positionen der Sozialpartner, Veränderungen von Gesetzesentwürfen im Politikgestaltungsprozess und die Inhalte der verabschiedeten Reformen miteinander abgeglichen, um so erste Hinweise auf mögliche Übereinstimmungen oder Differenzen zwischen Positionen der Sozialpartnern und politischen Inhalten zu ermitteln. In Bezug auf die Frage des „Wie“ und „Wo“ von Einfluss geht es im Folgenden um die Sozialpartner in ihrer Rolle als ideelle Vetospieler an politischen Vetopunkten.
Tobias Wiß
6. Regulierung der betrieblichen und privaten Zusatzrenten
Zusammenfassung
Um den Wandel der Alterssicherung und des Public-Private-Mix zu verstehen, müssen die staatliche und nicht-staatliche Ebene inklusive staatlicher und nichtstaatlicher Regulierung berücksichtigt werden. Als Voraussetzung für die Analyse der Gestaltungsspielräume der Sozialpartner in der kollektiven Arena werden in diesem Kapitel die staatlichen Regulierungen für Zusatzrenten dargestellt, die im Gesetzgebungsprozess von den Sozialpartnern zum Teil mitgestaltet wurden und diesen mehr oder weniger Spielraum lassen. Auf dieser Grundlage kann dann Kapitel 7 analysieren, welchen Beitrag die Sozialpartner in der kollektiven Arena zum Wandel der Alterssicherung beigetragen haben und wie ihre Rolle nach den Reformen aussieht. Berücksichtigt werden muss hier allerdings, dass neben dem top-down- Prozess die unteren Regulierungsebenen auch an Entscheidungen der höheren Ebenen partizipieren und versuchen, Einfluss auszuüben (bottom-up-Prozess). Nachdem im vorherigen Kapitel die historische Entwicklung des Gesetzgebungsprozesses mitsamt Reformen nachgezeichnet wurde, stehen nun die aktuellen Rahmenbedingungen im Vordergrund (vgl. zu den folgenden Ausführungen: Ebbinghaus/Gronwald/Wiß 2011). Nach einem Überblick über die verschiedenen Durchführungswege werden Regulierungen bezüglich des Versichertenkreises, Art der Leistungen, Finanzierung und Aufsicht erläutert.
Tobias Wiß
7. Die Gestaltungsspielräume der Sozialpartner in der betrieblichen Altersvorsorge
Zusammenfassung
Nach dem Gesetzgebungsprozess und der Regulierung der BAV von oben (staatlich), stehen in diesem Kapitel die nicht-staatlichen Regulierungen in Form von Tarifverträgen und kollektiven Versorgungswerken im Fokus. Wie und wo können die Sozialpartner ihre Interessen umsetzen und Einfluss auf die Alterssicherung nehmen? Neben dem Gesetzgebungsprozess tragen die Sozialpartner insbesondere in der kollektiven Arena zum Wandel der Alterssicherung bei, teils in Form von Implementierung staatlicher Vorgaben, teils durch Selbstregulierung. Wie in den vorangegangen Kapiteln gezeigt wurde, sind die Sozialpartner zunehmenden Verlusten von tariflichen Machtressourcen und weniger starken Verbindungen zu Parteien und Parlamenten konfrontiert. Hierauf aufbauend wird folgende These untersucht: Wenn die Sozialpartner nicht in der Lage sind, Ressourcenverluste in der tariflichen Arena mit stärkerer Einflussnahme auf staatliche Politik zu kompensieren, dann versuchen sie aus eigener Kraft Erfolge in der kollektiven Arena und bei der Implementierung der BAV zu verzeichnen. Ein stärkeres Engagement in der BAV kann dazu beitragen, das tarifpolitische Machtfeld zu erweitern und damit auf verlorene Machtressourcen zu reagieren.
Tobias Wiß
8. Sozialpartnerschaft und Wandel der Alterssicherung
Zusammenfassung
Was lässt sich nun als Ergebnis der Untersuchung zur Rolle der Sozialpartner in der Alterssicherung in Deutschland festhalten? Zunächst bedarf es eines kurzen Rückblicks auf die Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte. Bis in die 1990er Jahre entsprach das deutsche System dem Idealbild einer koordinierten Marktökonomie, kooperativen sozialpartnerschaftlichen Beziehungen und einem konservativen Wohlfahrtsstaat mit hohen staatlichen Rentenleistungen. Die staatlichen Rentenausgaben steigen kontinuierlich an, dagegen geht das Nettorentenniveau zurück. Durch den durchschnittlich höheren Finanzierungsanteil bei der BAV und individuellen Beiträgen bei Riester-Renten beteiligen sich die Beschäftigten nach den Reformen stärker an der Finanzierung der Alterssicherung als die Arbeitgeber. Im Bereich der industriellen Beziehungen geht der gewerkschaftliche Organisationsgrad zwischen 1985 und 2005 trotz Bevölkerungsanstieg durch die Wiedervereinigung zurück, zusammen mit der Tarifbindung der Beschäftigten. Begleitet wird dieser Prozess durch vermehrte Tarifverhandlung auf Unternehmensebene und weniger stark als noch in den 1980er Jahren auf Industrieebene. Koordiniert werden die Tarifverhandlungen allerdings nach wie vor landes- und industrieweit. Der Anteil der Pensionsfondsvermögen am BIP steigt zwischen 1990 und 2007 lediglich um 2 Prozent, wobei hier aber nur Pensionskassen- und Pensionsfonds und nicht Direktzusagen und Direktversicherungen berücksichtigt sind. Ein großer Anteil der deutschen BAV ist immer noch über interne Rückstellungen durch Direktzusagen organisiert, hier scheinen klassische Muster der koordinierten Marktökonomie nachzuwirken. Der Anteil der Beschäftigten in der Privatwirtschaft, die über eine BAV verfügen, hat sich zwischen 1989 und 2009 erhöht, insbesondere das Tief 2001 (38 %) und der anschließende Anstieg weisen auf einen Erfolg des beabsichtigten Umstiegs zum Mehr-Säulen-Modell hin.
Tobias Wiß
Backmatter
Metadaten
Titel
Der Wandel der Alterssicherung in Deutschland
verfasst von
Tobias Wiß
Copyright-Jahr
2011
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92899-9
Print ISBN
978-3-531-18211-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92899-9