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2025 | Buch

Design als Kulturpraxis

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Über dieses Buch

Die Beiträge des sechsten Bandes geben einen Einblick in gestalterische Forschungs- und Reflexionsprozesse an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, der Universität Leiden sowie der Akademie der bildenden Künste Wien. Im thematischen und methodischen Fokus der sechs Beiträge stehen Fragen nach der Einbettung und Anschlussfähigkeit von Designprozessen im Rahmen eines umfassenderen, sozial und politisch situierten Verständnisses von Praktiken der Kulturproduktion. Der Band verdeutlicht den Zusammenhang engagierter und forschender Designhaltungen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Transdisziplinarität, Verantwortung und Wissenschaftlichkeit eines als Kulturpraxis verstandenen Designhandelns
Zusammenfassung
Mit dem nunmehr sechsten Band der Würzburger Beiträge zur Designforschung, deren Fokus auf Master-Abschlussarbeiten von Designerinnen und Designern forschender Designpraxis ein Forum verschafft und zugleich mit Neugierde die Perspektive des sogenannten Designnachwuchses begleitet, zeigt sich erneut das fundamentale Bedürfnis der nächsten Generation, Verantwortung für die eigene Profession und für deren Handlungsoptionen in der Welt einzunehmen. Die sich hier herauskristallisierende, zentral an Erkenntnisprozessen beteiligte bzw. diese auslösende Gestaltungspraxis weist zugleich über eng gedachte professionelle Grenzen hinaus. Forschende Designpraxis entsteht nicht im Reagenzglas. Die Mühen wissenschaftlicher Arbeitsweisen im Gestaltungsprozess nimmt auf sich, wer Erkenntnisse gewinnen will, um an Veränderungsprozessen teilhaben zu können. Dabei steht der sogenannte Nachwuchs vor einem doppelten Dilemma angesichts der Konfrontation mit gestalterischer Ohnmacht und Macht. Nicht erst seit dem Aufstieg der KI-Technologie, sondern im Zuge aller bisherigen Automatisierungs- bzw. Industrialisierungsprozesse von Gestaltung, müssen die in diesem Bereich Tätigen ihre professionellen Fähigkeiten immer wieder neu unter Beweis stellen, befragen, kontextualisieren und auch behaupten. Ein Einfach-so-weiter-wie-gewohnt gab es bislang für keine Designgeneration. Gerade aber mit dem Wissen um den in permanenten, nicht zuletzt technologischen, Umorientierungen gewonnenen gesellschaftlichen Einfluss von Design auf menschliche Lebensverhältnisse sind alle, die aktuell an professionellen Gestaltungsprozessen teilhaben, zu einer besonderen Befragung von Designhandlungen aufgerufen.
Gesa Foken, Judith-Frederike Popp
Eine Kulturpraxis des Dazwischen. Design im Überall und Nirgendwo
Zusammenfassung
Die Beiträge dieses sechsten Bandes der Würzburger Beiträge zur Designforschung beschäftigen sich auf die eine oder andere Weise alle mit einem erweiterten Designverständnis. Im Fokus steht diese Kulturpraxis nicht allein als professionalisierte Herstellung von Alltagsgegenständen, die traditionell in den Bereichen Produkt- und Kommunikationsdesign im Kontext von Serialität, Exklusivität oder auch Nachhaltigkeit bestimmt wird. Vielmehr berühren die Forschungsprojekte über diesen Begriffsgebrauch hinaus weisend die Frage, was für eine Art umfassendere Orientierung in der Welt Design und Gestaltung konstituieren können.
Judith-Frederike Popp
Fragile Stabilität. Gestalterische Studien zur dynamischen Organisation von Wahrnehmungsstrukturen
Zusammenfassung
Auf der Suche nach bedeutsamen Strukturen folgen wir einer Tendenz, die Ernst Gombrich als Ordnungssinn bezeichnete (vgl. Gombrich, 1979). Wahrnehmung ist demnach ein Prozess der Organisation und Sinnstiftung. Auf diese Weise ermöglicht sie überlebensdienliche Handlungen. Dabei ist Wahrnehmung keine passive Reiz-Abbildung; sie resultiert aus der dynamischen und verkörperten Wechselwirkung zwischen Organismus und Umwelt. In Momenten Semantischer Instabilität (vgl. Muth & Carbon, 2016) wird das offensichtlich: Wir wechseln zwischen Deutungen beim Betrachten von Kippbildern oder ertasten rätselhafte Objekte. Wahrnehmungsstrukturen organisieren sich demnach auf aktive Weise, sie sind von Affiliationids : Aff1, Correspondingaffiliationid : Aff1 fragiler Stabilität. Der vorliegende Text untersucht diese fragile Stabilität. Einerseits erkunde ich Wahrnehmungsstrukturen und Varianten phänomenaler Ordnung. Dabei frage ich weniger, welche Eigenschaften Ordnung besitzt, sondern eher, wie etwas als geordnet in Erscheinung tritt (im Sinne von Ekstasen, vgl. Böhme, 2001). Andererseits nähere ich mich Strukturen, die das Verhältnis zwischen Wahrnehmenden und ihrer Umwelt betreffen. Dieser Text vollzieht demnach eine Wendung vom Blick auf Wahrnehmungsstrukturen zu einem Blick auf Strukturen, die Bedeutung hervorbringen. Neben Ansätzen der Wahrnehmungsphilosophie, Kognitionswissenschaft, Bild- und Medientheorie, Psychologie und Kunsttheorie ist Gestaltung Teil dieses Erkenntnisprozesses.
Claudia Muth
Formen von Flexibilität in der Produktion und Rezeption von Design
Zusammenfassung
Forderungen nach immer mehr Flexibilität und Individualisierbarkeit sind in vielen Bereichen unserer Gesellschaft allgegenwärtig; sei es im Berufsleben oder im privaten Alltag. Diese Entwicklung hin zu Produkten, Systemen und Prozessen, die auf Anpassbarkeit und Veränderbarkeit ausgerichtet sind, können zum einen zu mehr Wahlfreiheit und Individualität führen, zum anderen aber auch zu Überforderung und Beliebigkeit. Auch im Design gewinnen Variabilität, Individualisierung und Flexibilität immer mehr an Bedeutung. Websites passen sich an die Präferenzen der Nutzer*innen an, Logos verändern ihr Aussehen abhängig von unterschiedlichen Faktoren, Magazine drucken auf jedes Titelblatt ein anderes Bild. Auch wenn es sich nicht bestreiten lässt, dass neue technische Umsetzungsmöglichkeiten diese Entwicklungen enorm vorantreiben, lassen sich darüber hinaus auch vollkommen technik- und branchenunabhängige Tendenzen und Muster finden, die Flexibilität als eine dem Design inhärente Eigenschaft deutlich werden lassen.
Milena Bolland
Variable Gestaltung von Information als Möglichkeit, individuelle und klassenspezifische ästhetische Präferenzen zu respektieren
Zusammenfassung
Auf der Basis dieses Selbstverständnisses von Designer*innen nicht als Künstler*innen, sondern als Teil eines Kommunikationsprozesses, als Schaffende von Informationsaustausch, beschäftigt sich dieser Aufsatz mit Klassismus als Diskriminierungsform in der visuellen Kommunikation, denn gerade mit der fortschreitenden Akademisierung des Grafiker*innenberufes werden Informationsmedien zunehmend von denjenigen gestaltet, die Hochschulen besuchen, dort einen bestimmten Geschmack ausbilden und nach erfolgreichem Abschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den Besserverdienenden gehören. Die Bedürfnisse, Ansprüche und Wünsche weniger privilegierter Gruppen verschwinden durch diese Entwicklung aus dem Blickfeld der Gestaltenden. Daher wird in dieser Arbeit die Frage diskutiert, wie individuelle und klassenspezifische ästhetische Präferenzen der Adressat*innen trotzdem respektiert werden können. Insbesondere überlebenswichtiges Wissen wie zum Beispiel zu den Themen finanzielle Grundbildung oder (mentale) Gesundheit ist in der Bevölkerung ungerecht verteilt. Letztendlich entscheidet aber genau dieses Wissen über die Lebenserwartung unterschiedlicher sozialer Gruppen. Wenn, wie angenommen, die individuell angepasste ansprechendere Gestaltung von Informationen deren Übermittlung verbessert, müsste sich visuelle Kommunikation vor allem im Bildungsbereich viel stärker an den ästhetischen Präferenzen sozio-ökonomisch benachteiligter Gruppen orientieren.
Lisa Dittgen
Die Kosmographie der Gestaltung – Designpotenziale im Kontext des Politischen
Zusammenfassung
Die Verortung des Politischen im Design ist oft unklar: Die politische Dimension der Gestaltung wird teilweise nicht mitgedacht, zugunsten ästhetischer oder funktionaler Maßstäbe vernachlässigt oder auf gestalterische Formen reduziert, die politische Botschaften kommunizieren und bewerben sollen. Gleichzeitig stellt das Politische im Design oft eine undefinierte Grundannahme dar. Durch verallgemeinernde Zuschreibungen (Design ist immer politisch) wird dieses Politische von einer möglichen zu einer vorweggenommenen Eigenschaft, die auf alles Design zutrifft, grundsätzlich vorhanden ist und daher nicht weiter reflektiert werden muss. Auch wenn nicht zu bestreiten ist, dass Gestaltung per se – als transformative, entwerfende Handlungsweise, die sich auf das Soziale, die gestaltete Welt und die Zukunft bezieht – als politische Tätigkeit gesehen werden kann und sollte, ist die genaue politische Dimensionierung abhängig von verschiedenen Faktoren. Diese unterscheiden sich je nach Auffassung des Politischen. Im Zentrum der Arbeit steht daher nicht in erster Linie die Frage, ob Design politisch ist, sondern vielmehr auf welche Weise Design politisch wirkt.
Madita Flohe
Über den (Kunst) Aktivismus als (Design) Forschung
Zusammenfassung
Ich möchte mit einer kleinen Provokation beginnen – wohlwissend, dass Provokationen etablierte Selbstverständnisse anfechten und Wahrheiten herausfordern, indem sie Widerrede hervorrufen und damit eine kritische Aufmerksamkeit fördern: Meine Provokation lautet: Design – vielleicht insbesondere Kommunikationsdesign – gestaltet die Vermittlung von Informationen und wirbt damit für Inhalte durch deren Formung. Daher eignet sich Design – vielleicht insbesondere Kommunikationsdesign – als Werkzeug für das Eingreifen in öffentliche Diskurse und damit als Werkzeug in das Eingreifen n geteilte Wahrheiten. Design – vielleicht insbesondere Kommunikationsdesign – kann dabei die Vermittlung von Informationen durch Gestaltung ausrichten und daher die Hoheit darüber behalten, wie eingegriffen wird: manipulativ verschleiernd oder kritisch herausfordernd. Mit anderen Worten: es liegt am Design, ob verblendet wird oder aufgeklärt, ob die Informationsvermittlung verschleiert oder kritische Fragen aufwirft. Und noch eine Provokation: Ein provokatives Design, dass Informationen so vermittelt, dass Unruhe auftritt und nicht Beruhigungen, kann als Aktivismus verstanden werden aber auch als Forschung.
Anke Haarmann
Metadaten
Titel
Design als Kulturpraxis
herausgegeben von
Judith-Frederike Popp
Gesa Foken
Copyright-Jahr
2025
Electronic ISBN
978-3-658-46953-5
Print ISBN
978-3-658-46952-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-46953-5