Skip to main content

2016 | Buch

Designtheorie

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Das essential bietet eine ideengeschichtliche Erkundung moderner Konzepte von Design. Es schlägt Positions- und Kursbestimmungen für ein zukunftsfähiges Design vor und diskutiert Aspekte des engen und des erweiterten Designbegriffs. Die Ambivalenz von Design zwischen Entwurf für den bestehenden Bedarf und Entwurf eines noch nicht Seienden wird philosophisch fruchtbar gemacht.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Design und Geschichte
Zusammenfassung
Design ist Gestaltung von Lebensformen. Seine Entstehungsbedingungen konsolidierten sich in der Industrialisierung. Kapitalistisch organisierte Güterproduktion dient nicht primär dem Zweck der Bedürfnisbefriedigung, sondern der Profitmaximierung als solcher. Die Folgen gesellschaftlicher Arbeitsteilung in kapitalistischer Formbestimmtheit wurden ambivalent bewertet: Spezialisierung und Verfeinerung, Überschwemmung durch Wissen und Produkte sowie Entfremdung der Produzenten von ihren Produkten. Nachdenken über Design ist seither durch den Wunsch gekennzeichnet, die negativen Erscheinungen der Arbeitsteilung mit Hilfe integraler Gestaltung in einem sinnerfüllten Ganzen zu überwinden. Der Spagat zwischen sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen begleitet das Design bis heute. Heute wollen Designer mehr, als nur Waren entwerfen und über Warenästhetik Aufmerksamkeit dafür zu erzeugen. Nicht wenige setzen sich zum Ziel, Gesellschaft und „Technik zu humanisieren“ (Gui Bonsiepe).
Gerhard Schweppenhäuser
2. Design und Gestaltung
Zusammenfassung
Der Begriff „Gestaltung“ stammt aus der deutschen Philosophie und Dichtung. Er ist semantisch mit „Bildung“ verwandt. Gebilde und Gestalten sind Formatierungen von Ideen. Sie können als materielle Disposition in der Natur des Objekts angelegt sein und sich nach und nach zur Endgestalt entwickeln. Sie können aber auch als mentale Disposition angelegt sein, als Entwurf Gestalters, dessen Ausführung mehr oder weniger gut gelingt. Seit den 1980er Jahren hat sich ein erweiterter Designbegriff durchgesetzt. Gestaltung wird als soziale Praxis verstanden. Nun geht es nicht nur um Artefakte, sondern um Entwurf und Gestaltung von Beziehungen, Kommunikationsräumen und Kommunikationsformen. All das steht im Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis nach einer humanen Lebenswelt und dem Zwang zur Optimierung der Arbeitswelt. Die Arbeitsteilung auf diesem Sektor erweitert die Selbstbestimmung, schlägt jedoch immer wieder in Fremdbestimmung um.
Gerhard Schweppenhäuser
3. Design und Theorie
Zusammenfassung
Designtheorie operiert mit einem weiten Begriff von Design: Industriedesign, Grafikdesign, Informationsdesign, Medien- und Kommunikationsdesign sowie Architektur als Design von Lebensorten, Lebensräumen und Lebensformen. Aktivitäten auf diesen Gebieten liegen Welt- und Menschenbilder zugrunde: Vorstellungen, wie Menschen leben wollen, wie sie wahrnehmen, was sie denken und fühlen. Designtheorie ist eine hermeneutische Kulturwissenschaft. Sie rekonstruiert Erfahrungsweisen kultureller Ausdrucksgestalten. Sie hat semiotische und handlungstheoretische Aspekte, denn alle soziokulturellen Phänomene sind durch Zeichen vermittelt. Eine kritische Designtheorie rekonstruiert ihr Gegenstandsfeld als dialektisch verstandene „Gesamtkonstellation“. Deren Bestandteile sind unterschiedliche Perspektiven auf Handlungsregeln und „soziale Konflikte und Herrschaftsbeziehungen“ (Heinz Steinert). Die Begriffe einer kritischen Theorie des Designs sind deskriptiv und normativ. Beschreibungen können nur dann stimmig geraten, wenn man nicht nur nominalistisch beschreibt oder Fakten sammelt. Beschreibungen und Erklärungen werden in einer kritischen Theorie des Designs daher mit der normativen Explikation seines kontrafaktischen Möglichkeitsgehalts verbunden.
Gerhard Schweppenhäuser
4. Design und Gesellschaft
Zusammenfassung
Das Design des industriellen Arbeitsprozesses geht auf Frederick W. Taylor, den Begründer der Arbeitswissenschaft, zurück. Er hatte die Produktionsvorgänge in kleinste Einheiten zerlegt. Der Arbeitsprozess im Dienstleistungssektor wurde durch den Einzug von Schreibmaschinen in die größer werdenden Büros ebenfalls ‚taylorisiert‘. Die Menschen mussten immer flexibler werden, um den Anforderungen moderner Arbeitsprozesse zu genügen. Im Gegenzug sollten sie mehr Zeit für die wesentlichen Dinge im Leben bekommen. Doch nichts ist nur annähernd so wichtig ist wie konsumieren. Der Kapitalismus steuert heute auf eine Systemkrise zu. In seinen Produktionsverhältnissen steht die Erweiterung der Produktivkräfte unter dem Diktat der optimalen Verwertung von investiertem Kapital, die Bedürfnisse der Produzierenden sind Nebensache geworden. Designer machen sich Gedanken, wie ihr Leben wirklich erleichtert und verschönert werden könnte. So entsteht ein widersprüchliches Gemenge aus dem Wunsch, das Leben arbeitender Menschen zu verbessern, und dem Zwang, Produktionskosten zu reduzieren.
Gerhard Schweppenhäuser
5. Äußeres und inneres Design
Zusammenfassung
Otl Aicher meinte, Designer könnten als Mitgestalter neuer Welt- und Menschenbilder Freiheit, Demokratie und Humanität im Alltag verwirklichen. Doch wenn nur „additives Design“ betrieben wird, um Produkte oder Serviceleistungen von Gestaltern oder Grafikern im Nachgang „verschönern“ zu lassen, werde Design zum Schwindel. Gui Bonsiepe hat beobachtet, dass Designer zunehmend „als Kulturbeauftragte der industriellen Produktion“ angesehen werden. Dies sei problematisch, wenn Design deren Produkten im Nachhinein „einen Hauch von visueller Qualität verleihen“ soll. Wolfgang Fritz Haug hat solche Überlegungen mit einem provokanten Vergleich auf die Spitze getrieben. Additives Design „in kapitalistischer Umwelt“ lasse sich „mit dem Roten Kreuz im Krieg vergleichen“; es pflege die „Wunden, die der Kapitalismus schlägt“. Es dürfte kaum Designer geben, die das auf sich sitzen lassen wollen. Viele treten die Flucht nach vorn an und wollen einen Beitrag leisten, die Welt durch moralisch reflektiertes Design zu retten.
Gerhard Schweppenhäuser
6. Stellvertretendes Design
Zusammenfassung
Design will Gebrauchswerte maximieren. Die Welt kann durch den Entwurf von Dingen, Beziehungen und Lebensformen nutzerfreundlicher werden. Im sozioökonomischen Rahmen, in dem Design entstanden ist und bis heute steht, scheint das aber nur möglich zu sein, indem Design den Tauschwert von Dingen und Menschen maximiert. Es inszeniert den Warencharakter der Dinge, der Beziehungen und der Lebensformen - vom Gebrauchsgegenstand in Arbeit und Freizeit über Transportmittel und Medienträger bis hin zu Form und Inhalt der Kommunikation in sozialen Netzwerken. Häufig gelingt es nicht, Gebrauchswert über Tauschwertmaximierung zu vergrößern; der Tauschwert wird zum Selbstzweck. Als uneingelöstes Versprechen erinnert die konkrete Utopie des Designs der Moderne an ihre mögliche Verwirklichung. Einstweilen kann „stellvertretendes Design“ den Vorschein einer Lebensform entwerfen, in der Menschen, Natur und Objektwelt vernünftig, selbstbestimmt, solidarisch und ästhetisch existieren könnten – also in größtmöglicher Freiheit.
Gerhard Schweppenhäuser
Backmatter
Metadaten
Titel
Designtheorie
verfasst von
Gerhard Schweppenhäuser
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-12660-5
Print ISBN
978-3-658-12659-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-12660-5