Viessmann verkauft seine Wärmepumpen-Sparte an den US-Konkurrenten Carrier Global und Beobachter sind geschockt. Denn der Bedarf an Wärmepumpen explodiert aktuell. War diese Entscheidung des deutschen Marktführers wirklich durchdacht?
Robert Giebenrath ist Gründer der RG Finance GmbH, externer CFO und Unternehmensberater.
Robert Giebenrath
Hohe Nachfrage ist ein guter Grund für den Verkauf. Viessmann weiß, dass die zukünftigen Marktaussichten kaum besser als heute sein werden. Bei Transaktionen wie dem aktuellen Deal spielen sie eine wesentliche Rolle. Und diese Weitsicht wird sich für den Heizungsbauer auszahlen. Der Verkauf der Klimasparte von Viessmann war also ein kluger Schachzug. Andere Unternehmen können in Hinblick auf ihre strategischen Entscheidungen daraus lernen.
Viessmann schätzt eigene Zahlen realistisch ein
Die Zahlen von Heizungsbauer Viessmann sprechen für sich. So erzielt das Familienunternehmen alleine mit seinen Wärmepumpen jährlich Umsätze in Höhe von vier Milliarden Euro. Das EBITDA beläuft sich auf 700 Millionen Euro. Diese Kennzahlen erklären auch, warum viele Marktbeobachter den Verkauf der Sparte nicht nachvollziehen können. Um die derzeitige Bewertung aber richtig einzuordnen, darf der Blick auf den aktuell überdurchschnittlich hohen Bedarf an Wärmepumpen nicht fehlen. Er sorgt für die hohen Margen, die Viessmann in Zukunft kaum halten können wird.
Auch das Prüfen der EBIT-Multiples, die zwischen 8,1 und 9,8 liegen, lässt das vermuten. Gleiches trifft auf die Umsatz-Multiplikatoren des Familienbetriebs zu. Sie belaufen sich auf Werte zwischen 0,9 und 1,2. Für den Heizungsbauer bedeutet das errechnete Zahlen in Höhe von 6,3 Milliarden beziehungsweise 4,4 Millionen Euro. Jedoch beläuft sich der Verkaufserlös seiner Klimasparte auf satte zwölf Milliarden Euro.
Realistisch betrachtet war der Deal für Viessmann finanziell schlicht attraktiv. Die erstarkende Konkurrenz insbesondere aus dem asiatischen Raum spielt bei dieser Einschätzung ebenfalls eine wichtige Rolle. Unternehmen müssen also ihre Zahlen richtig einordnen können. Vor allem in temporär stark nachgefragten Märkten ermöglicht es der kritische Blick, nachhaltige Entscheidungen treffen zu können.
Heizungsbauer priorisiert dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit
Im Kampf gegen den Klimawandel setzt die Regierung ambitionierte Ziele. Eines davon bezieht sich auf den Einbau neuer Heizungen. Ab 2024 muss jede Anlage zu 65 Prozent mit regenerativen Energien betrieben werden. Somit erklärt sich, warum Wärmepumpen aktuell massiv nachgefragt sind.
Möchte Viessmann das komplette damit einhergehende Potenzial heben, müsste der Heizungsbauer jedoch viel investieren. Im internationalen Vergleich ergeben sich dadurch nicht zu unterschätzende Herausforderungen. Schließlich ist der Wettbewerb groß. Selbst als deutscher Marktführer wird es für das Familienunternehmen schwer, sich langfristig durchsetzen zu können.
Aus diesem Grund profitiert Viessmann von Carrier Global als starken Partner. Der deutsche Heizungsbauer hält dabei weiterhin 20 Prozent der Anteilsscheine. Somit wird er auch in Zukunft vom grünen Trend profitieren. Außerdem ist Maximilian Viessmann im Aufsichtsgremium von Carrier Global vertreten. Auch das spricht für den Deal. Schließlich sind nicht nur finanzielle Faktoren für nachhaltige Unternehmensentscheidungen ausschlaggebend. Strategische Überlegungen inklusive Blick auf den globalen Wettbewerb zahlen sich ebenso aus – nicht nur für Viessmann.