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2023 | Buch

Didaktik der Geowissenschaften

Lehre an Schulen und an außerschulischen Lernorten

herausgegeben von: Sylke Hlawatsch, Dirk Felzmann

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Die Menschheit steht heute vor der Herausforderung, globale Umweltveränderungen so zu beeinflussen, dass der Planet Erde langfristig als ihr Lebensraum erhalten bleibt. Wichtiges Wissen dafür liefern die Geowissenschaften, die heute interdisziplinär und auf naturwissenschaftliche Weise die Prozesse im System Erde erforschen. Ein Verständnis ihrer zentralen Ergebnisse und ihrer Denk- und Arbeitsweisen ist damit eine wichtige Voraussetzung, an der Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung teilhaben zu können. Mit diesem Sammelband liegt eine erste deutschsprachige Didaktik der Geowissenschaften vor, die anhand der international etablierten interdisziplinären Earth Systems Education Formate geowissenschaftlicher Vermittlung konkretisiert.
Im disziplinär organisierten deutschen Schulsystem bietet geowissenschaftlicher Unterricht innovativen Kompetenzerwerb im interdisziplinären Kontext System Erde und fördert das Verständnis grundlegender Fragen zur Erdgeschichte und zum Verhältnis zwischen Mensch und Natur.
Zahlreiche Praxisbeispiele veranschaulichen die naturwissenschaftliche Betrachtung der Erde als Gesamtsystem im Schulunterricht. Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler mit Interesse an der Vermittlung ihrer Inhalte lernen grundlegende pädagogische und didaktische Prinzipien und Methoden kennen. Sie erfahren, wie sie Schülerinnen und Schülern Lernerfahrungen ermöglichen, die das schulische Lernen passgenau ergänzen, und wie sie Lehrkräfte in deren geowissenschaftlichen Unterricht unterstützen.

Das Werk richtet sich an Lehramtsstudierende und Lehrkräfte der Geowissenschaften, Geographie, Biologie, Chemie und Physik genauso wie an alle, die Geowissenschaften außerschulisch vermitteln (z. B. Museen, Geoparks, Öffentlichkeitsarbeit).

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Fachwissenschaftliche Grundlagen
Zusammenfassung
In diesem Kapitel geht es um den Aufbau und die Entwicklung der verschiedenen Sphären der Erde in ihrem systemischen Zusammenhang. Das System Erde zeigt, dass alles, was im Erdkörper und auf der Erdoberfläche passiert, miteinander in Beziehung steht und nur im Gesamtzusammenhang eine sinnvolle Erklärung findet. Darüber hinaus werden Veränderungen im System Erde, die durch äußere Einflüsse durch das Sonnensystem, globale Naturereignisse oder durch den Menschen verursacht werden, erläutert. Die Inhalte wurden in Anlehnung an den International Syllabus for Geoscience Education (King, 2014) ausgewählt.
Martin Meschede
2. Einführung in die Geowissenschaftsdidaktik
Zusammenfassung
Dieses Kapitel möchte in die Didaktik geowissenschaftlicher Vermittlung einführen. Wir gehen davon aus, dass das bildungswissenschaftliche Hintergrundwissen der Leserschaft sehr unterschiedlich ist. Deshalb erläutern wir in Abschn. 2.1 an einem geowissenschaftlichen Beispiel, wodurch sich Allgemeine Didaktik und die Fachdidaktiken grundsätzlich auszeichnen. Diese Erläuterungen können an dieser Stelle nur in gebotener Kürze erfolgen.
Didaktische Praxis zu geowissenschaftlichen Inhalten erfolgt durch eine Vielzahl an Akteurinnen und Akteuren. Abschn. 2.2 gibt einen Überblick über die deutsche Bildungslandschaft und stellt zudem deutsche und internationale Fachgesellschaften und Verbände vor. Interessierte können dort neue Betätigungsfelder entdecken und Möglichkeiten einer Zusammenarbeit kennenlernen.
In Abschn. 2.3 wird die international etablierte Geowissenschaftsdidaktik (Geoscience Education) vorgestellt. Hierbei liegt der Fokus auf dem Konzept der Earth Systems Education, das heute als die zentrale Leitidee innerhalb der Geoscience Education fungiert. Eine frühe Initiative für die Implementation dieses Konzeptes in den deutschen Schulunterricht war das Projekt „Forschungsdialog: System Erde“ (Abschn. 2.3.3). Weiterhin werden relevante einzelfachliche Ansätze zur geowissenschaftlichen Vermittlung in Deutschland geschildert und diskutiert.
Abschn. 2.4 gibt schließlich einen kurzen kommentierenden Überblick über die aktuelle Situation geowissenschaftlicher Bildung in Deutschland.
Dirk Felzmann, Sylke Hlawatsch
3. Stand der Forschung im Bereich der Earth System Science Education
Zusammenfassung
Der earth system approach hat zu einer Neuorientierung innerhalb der Geowissenschaftsdidaktik geführt (Abschn. 2.3). In diesem Kapitel werden zentrale Ergebnisse geowissenschaftsdidaktischer Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu diesem didaktischen Konzept zusammengefasst (Abschn. 3.3). Ein besonderer Fokus wird dabei auf die Bedeutung geowissenschaftlichen Unterrichts im Freien gelegt und dessen Verzahnung mit dem vorangegangenen und nachfolgenden Unterricht (Abschn. 3.4). Ausgehend von empirischen Befunden in der Umsetzung des earth system approach wird die hohe Bedeutung emotional- sozialer Aspekte in der Planung und Durchführung von geowissenschaftlichem Unterricht im Klassenzimmer und im Freien herausgestellt und auf Basis der Theorie des learning instinct interpretiert (Abschn. 3.5). Abschließend werden die Konsequenzen einer solchen Perspektive für die Professionalisierung der Lehrkräfte diskutiert (Abschn. 3.6).
Nir Orion
4. Schulische Rahmenvorgaben und Anforderungen mit Relevanz für die Vermittlung von geowissenschaftlichen Sachverhalten
Zusammenfassung
Seitens der Kultusministerkonferenz wurden Bildungsstandards für die schulische Bildung entwickelt, die durch Lehr- und Bildungspläne der Länder zu konkretisieren sind (Abb. 4.1). Außerdem wurden Empfehlungen beschlossen für Bildung in einer digitalen Welt und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Diese Vorgaben, die in Deutschland bei der Planung von Unterricht für Naturwissenschaften und Geographie zu berücksichtigen sind, werden im Folgenden erläutert.
Alexander Kauertz, Dirk Felzmann, Ingrid Hemmer, Sylke Hlawatsch
5. Voraussetzungen auf Seiten der Lernenden
Zusammenfassung
Ein wesentlicher Faktor für erfolgreiche Lehr- und Lernprozesse ist Wissen darüber, mit welchen Vorstellungen, Einstellungen und Interesse aufseiten der Lernenden zu rechnen ist. Diese beeinflussen sehr wesentlich, wie neue Informationen aufgenommen und verstanden werden.
Interesse kann hierbei als eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Lernen gesehen werden oder aber auch eine Zielsetzung von Vermittlung darstellen, wenn etwa Interesse an geowissenschaftlichen Inhalten geweckt oder gefördert werden soll.
Vorstellungen sind Hemmnisse und Ansatzpunkte für das Lernen zugleich. Einerseits können bisherige Vorstellungen zum relevanten Sachverhalt das Aufnehmen neuer Informationen hierzu beeinträchtigen. Andererseits ist die Berücksichtigung von bisherigen Vorstellungen ein zentraler Ansatzpunkt für erfolgreiche Lernprozesse.
In diesem Kapitel werden theoretische Ansätze und empirische Befunde aus der fachdidaktischen Forschung zum Interesse an geowissenschaftlichen Inhalten (Abschn. 5.1) und zu Vorstellungen über geowissenschaftliche Inhalte (Abschn. 5.2) vorgestellt und daraus folgende praktische Hinweise für die Vermittlung gegeben.
Martin Xaver Müller, Dirk Felzmann
6. Spezifika geowissenschaftlicher Vermittlung
Zusammenfassung
Für die Planung von konkreten Vermittlungsangeboten, z.B. einer Schulstunde, einer Führung oder einer Ausstellung, werden Unterrichtsfaktoren, Rahmenbedingungen und Lernvoraussetzungen einzeln und in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit analysiert (Tab. 6.1, Abschn. 2.1). Hierbei führen die Spezifika geowissenschaftlicher Inhalte und der geowissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen zu Konsequenzen bei der Planung für
- die Bestimmung der Ziele im Rahmen eines kompetenzorientierten Unterrichts (Abschn. 6.1),
- die Bestimmung der konkreten Fachinhalte (Abschn. 6.2),
- methodische Entscheidungen zur Unterrichtsstrukturierung (Abschn. 6.3),
- Darstellungsformate für Systeme (Abschn. 6.4) und
- konkrete Unterrichtsmethoden (Abschn. 6.5).
In diesem Kapitel werden solche Konsequenzen erläutert, wobei diese in Beziehung zu Beispielen aus dem Unterrichtskonzept „System Erde für die Sekundarstufe I“ (Kap. 8) gesetzt werden.
Dirk Felzmann, Sylke Hlawatsch, Dominik Conrad, Gregor C. Falk, Mathias Faller
7. Earth Learning Ideas (ELI)
Zusammenfassung
Earth Learning Ideas (ELIs) wurden für Schulen, Hochschulen und die breite Öffentlichkeit zur kostenlosen Nutzung entwickelt und sind frei online abrufbar (https:// www.earthlearningidea.com). Seit dem internationalen Jahr des Planeten Erde (2008) wird alle zwei Wochen eine neue ELI veröffentlicht. In englischer Sprache sind es bald 430. Sie werden heute weltweit im Schulunterricht und an außerschulischen Lernorten eingesetzt. Davon sind schon 70 auf Deutsch übersetzt.
ELIs sind praktische Übungsaufgaben, die geowissenschaftliche Kenntnisse vermitteln und für eine vertiefte Beschäftigung mit der Erde motivieren. Den ELIs liegen Unterrichtsanregungen zugrunde, die ursprünglich für Lehrerfortbildungsveranstaltungen der Earth Science Education Unit (Keele University, GB) ausgewählt, erprobt und evaluiert wurden. Sie vermitteln nicht nur Sachwissen über die Erde, sondern fordern und fördern gleichzeitig die Fähigkeit zum kritischen Denken. Dafür ist jede Aktivität nach den Grundsätzen des Programms Cognitive Acceleration Through Science Education (CASE) konzipiert. In Abschn. 7.1 wird dieser Ansatz am Beispiel ausgewählter ELIs erläutert.
Chris King, Sylke Hlawatsch
8. Geowissenschaften in der Schule – das Beispiel der Richard-Hallmann-Schule (RHS) in Schleswig-Holstein
Zusammenfassung
Die Menschheit steht heute vor der Herausforderung, globale Umweltveränderungen so zu beeinflussen, dass der Planet Erde als Lebensraum erhalten bleibt. Wichtiges Wissen dafür liefern die Geowissenschaften (Kap. 2). Ihre Fragen, Vorgehensweisen und Ergebnisse müssen auch über die Schule in die Gesellschaft getragen werden, damit diese an den erforderlichen Strategien und Maßnahmen mitwirken kann.
Die Richard-Hallmann-Schule (RHS) in Schleswig- Holstein bietet für ihre Schülerinnen und Schüler von der 5. Klasse bis zur Sekundarstufe II fünf frei kombinierbare geowissenschaftliche Angebote. Zentral ist der Wahlpflichtunterricht „Angewandte Naturwissenschaften – Geowissenschaften“, der mit vier Wochenstunden von Jahrgang 7 bis 10 durchgängig belegt wird. Weitere Angebote mit der Bezeichnung „System Erde“ sind der Wahlpflichtunterricht in den Jahrgängen 9/10 sowie Arbeitsgemeinschaften für die Jahrgänge 5/6, 7/8 sowie 10 bis 12. Für besonders interessierte Schülerinnen und Schüler ist zudem die Teilnahme am Auswahlverfahren für den Schülerwettbewerb International Earth Science Olympiad (IESO) möglich (Kap. 9).
Der Unterricht erfolgt kompetenzorientiert nach dem Konzept Earth Systems Education (Kap. 2, 3) und berücksichtigt die Anforderungen der bundesweit geltenden Bildungsstandards für die Fächer Biologie, Chemie, Physik (Tab. 8.1) und Geographie (Kap. 4).
Inhaltlich orientiert sich der Unterricht am International Syllabus for Geoscience Education (King, 2014). Die Anpassung des Konzeptes Earth Systems Education an die Anforderungen des deutschen Bildungssystems erfolgte durch das Projekt „Forschungsdialog: System Erde“ am Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) in Kiel (Kap. 2). In Kooperation der Fachdidaktiken und Lehrkräfte der beteiligten Schulfächer Biologie, Chemie, Geographie und Physik mit geowissenschaftlichen Institutionen in Deutschland wurden Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufe II und für die Primarstufe entwickelt, erprobt und evaluiert. Das Fachcurriculum „Angewandte Naturwissenschaften – Geowissenschaften“ der Richard-Hallmann- Schule knüpft mit einem konkreten Konzept für den Unterricht in der Sekundarstufe I daran an.
Das vorliegende Kapitel beschreibt das Organisationsmodell für den geowissenschaftlichen Unterricht und ausgewählte Praxisbeispiele. Lehrkräfte sind herzlich eingeladen, die Beispiele als Gerüst für die Entwicklung schulinterner Fachcurricula zu verwenden. Verschiedenste Organisationsstrukturen vom geographischen Fachunterricht über das Wahlpflichtfach „Angewandte Naturwissenschaften“ bis hin zum fachübergreifenden und fächerverbindenden naturwissenschaftlich- geographischen Unterricht sowie Arbeitsgemeinschaften und Projekte sind denkbar.
Sylke Hlawatsch
9. International Earth Science Olympiad (IESO) - ein naturwissenschaftlicher Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II
Zusammenfassung
Die International Earth Science Olympiad (IESO; Internationale Olympiade der Geowissenschaften) ist ein naturwissenschaftlicher Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler, der als Initiative der International Geoscience Education Organisation (IGEO) jährlich an wechselnden Orten weltweit ausgetragen wird (Greco et al., 2013; Orion et al., 2020). Der Ablauf und die Organisation einer IESO sind durch Statuten geregelt (IESO, 2016). Durch nationale Auswahlverfahren werden jeweils vier Schülerinnen und Schüler identifiziert, die ihr Land beim internationalen Wettbewerb vor Ort vertreten. Deutschland ist seit 2012 dabei.
Die Teilnehmenden stellen ihre geowissenschaftlichen Kompetenzen im freundschaftlichen Wettstreit mit Gleichgesinnten unter Beweis. Dafür sind sie in international gemischten Teams gefordert, kooperativ Lösungsvorschlage für aktuelle Herausforderungen des Systems Erde zu entwickeln und zu präsentieren. Zudem nehmen sie an theoretischen und praktischen Einzelwettbewerben teil.
Gegenstand sind die Geowissenschaften, insbesondere ihre charakteristische interdisziplinär-naturwissenschaftliche Betrachtung der Erde als Gesamtsystem. Diese Sicht auf die Erde kann in Schulen durch das Konzept Earth Systems Education vermittelt werden – auch in Deutschland (Kap. 2).
Sylke Hlawatsch
10. Unterstützungsmaßnahmen von der Wissenschaft für die Schule – didaktische Brücke
Zusammenfassung
Für die Vermittlung geowissenschaftlicher Inhalte in Schulen fehlen Strukturen im deutschen Bildungssystem, die für die anderen naturwissenschaftlichen Wissensdomänen Biologie, Chemie und Physik institutionell fest verankert sind (Kap. 2). Es gibt kein Lehramtsstudium, keine fachdidaktischen Institute an den Hochschulen und keine Fachberater bzw. Fachberaterinnen an den Landesinstituten. Fachdidaktische Forschungs- und Entwicklungsarbeit für die Geowissenschaften erfolgt in Deutschland aus einzelfachlichen Perspektiven der Biologie‑, Chemie‑, Geographie- und Physikdidaktik – wenn überhaupt.
Zur Überbrückung dieser Lücke ergreifen seit einigen Jahren Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler beherzt Initiative. Sie unterstützen Lehrkräfte, die an der Vermittlung geowissenschaftlicher Themen interessiert sind, auf vielfältige Weise. Einige besuchen Schulen für Vorträge, andere versorgen Lehrkräfte mit Fossilien sowie Gesteins- und Mineralproben oder entwickeln und pflegen digitale Medien.
Die folgenden Beispiele wurden ausgewählt, um die Vielfalt der Aktivitäten aufzeigen – zum Nachahmen und Mitmachen. Allen gemeinsam ist, dass die didaktischen Überlegungen und Entscheidungen für den konkreten Unterricht in der Verantwortung der Lehrkraft verbleiben. Um eine vollumfängliche Sammlung bemüht sich derzeit der Dachverband der Geowissenschaften (DVGeo, 2022; Abschn. 10.7).
Maria Mrosko, Sylke Hlawatsch, Dieter Kasang, Martin Meschede, Yamirka Rojas-Agramonte, Christian Winter, Germaine Damm, Peter Appel, Gösta Hoffmann, Edouard Grigowski, Valeska Decker, Tamara Fahry Seelig
11. Vermittlungsansätze der außerschulischen Lernorte Natur, Museum und Schülerlabor
Zusammenfassung
Außerschulische Lernorte wie Themenpfade, Geoparks, Weltkulturerbestätten, Museen und Schülerlabore an geowissenschaftlichen Forschungseinrichtungen sind von essenzieller Bedeutung für die Kommunikation geowissenschaftlicher Wissensbestände hinein in die Schulen und an die Öffentlichkeit.
Das vorliegende Kapitel zeigt die Vielfalt der Angebote. An der Vermittlung interessierten Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftlern können die Beschreibungen der Vermittlungsansätze als Anregung für eigene Projekte dienen. Lehrkräfte erhalten einen Überblick über außerschulische Lernorte, die sie mit ihren Lerngruppen aufsuchen können, und erfahren, was sie dort erwarten wird.
Ingrid Hemmer, Tobias Fischer, Mariam El Hourani, Marie-Luise Frey, Chr. Hogefeld, P. Schmitz, K. Wolf, Gilla Simon, Andrea Koch-Hillmaier, Dorothée Kleinschrot, Kristina Riemenschneider, Sven Hille, Joachim Dengg, Marion Kanwischer, Una Reck, Sylke Hlawatsch, Barbara Hentzsch, Kristin Beck
12. Outreach – Wie sich die Wissenschaftskommunikation der modernen Mediennutzung anpasst
Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Selbstverständnis der Geowissenschaften vom Charakter einer starken Binnendifferenzierung in eigenständige Disziplinen hin zum systemischen Verständnis verändert. Dies hat auch einen Wandel im Verständnis von Kommunikation bewirkt. Wissen wird nicht mehr nur präsentiert – es werden aktiv der Dialog, die Anschlussfähigkeit und der Wechsel von Perspektiven und Betrachtungsweisen gesucht. Dies hat in engem Bezug zu den sich im System Erde vollziehenden Wechselwirkungen und deren Konsequenzen z. B. auf die Anthroposphäre dazu geführt, dass die Kommunikation in alle Teile der Öffentlichkeit hinein einen immer größeren Stellenwert innerhalb der Geowissenschaften zugesprochen bekommt. Outreach ist so zu einer Kernaufgabe der Geoforschung geworden.
In diesem Kapitel wollen wir uns dieses moderne Verständnis von Wissenschaftskommunikation aus der Perspektive der Geowissenschaften genauer ansehen. Wie bereits angedeutet, geht es in der Wissenschaftskommunikation nicht mehr nur um die Vermittlung von Forschungsergebnissen. Vielmehr will Wissenschaftskommunikation authentisch sein, den Wissenschaftsprozess selbst und die daraus gewonnenen Erkenntnisse vermitteln. Zudem bezieht Wissenschaft heute immer öfter auch Stellung. Neben Themen der Medizin (z. B. Stammzellenforschung) oder der Biologie (Gentechnik) sind hier besonders die Themen und Erkenntnisse der Geoforschung zunehmend im Licht der gesellschaftlichen Verantwortung zu sehen.
Wissenschaftskommunikation ist daher heute auch durch eine selbstkritische Perspektive geprägt, die sich mit den Auswirkungen von Forschung auf alle Bereiche des Lebens befasst. Dieses neue Selbstbild der Wissenschaftskommunikation hat zu einer Professionalisierung eben dieser geführt, was sich z.B. im Konzept der Geoethik (International Association for the Promotion of Geoethics, IAPG; www.geoethics.org) oder auch in der vermehrten Nutzung integrierter Vermittlungskonzepte zeigt. Solche integrierten Konzepte nutzen nicht nur die volle Bandbreite an Medienkanälen – von klassischen Massenmedien bis zu sozialen Medien –, sondern sie nutzen zunehmend auch Dialogformate und partizipatorische Elemente. So sind heute Bürgerforen und Citizen Science – also die aktive Partizipation von nichtwissenschaftlichen Gesellschaftsgruppen an Forschung – eng mit der Wissenschaftskommunikation verbunden.
Simon Schneider
13. Der Arbeitskreis Polarlehrer (Polar Educators Germany)
In der Schule aktuelle Forschung authentisch durch aktive Expeditionsteilnahme vermitteln
Zusammenfassung
Mit Beginn des Internationalen Polarjahres (International Polar Year, IPY) 2007/08 wurde auf schulischer und wissenschaftlicher Seite schnell klar, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Schulen und der deutschen Polarforschung geben soll. Vertreter der Deutschen Kommission für das Internationale Polarjahr und schulische Teilnehmende initiierten das Projekt „Coole Klassen“, aus dem innerhalb eines Jahres der Arbeitskreis Polarlehrer der Deutschen Gesellschaft für Polarforschung (DGP) hervorging.
Die Zusammenarbeit zwischen Schulen und der Polarforschung basiert auf dem Interesse von Schülerinnen und Schülern sowie ihren Lehrkräften an den Polargebieten und insbesondere am Klimawandel, der sich in diesen Gebieten dramatisch bemerkbar macht. Das Interesse der Polarwissenschaft, ihre Forschungsfragen, -methoden und -ergebnisse auch an junge Menschen heranzutragen, führte und führt maßgeblich zu einer engen Zusammenarbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Lehrkräften auf Projektebene.
Zahlreiche unterschiedliche Ansätze und Werkzeuge werden in einem Netzwerk aus nationalen und internationalen Kontakten des Arbeitskreises mit der Polarforschung genutzt. Zentraler Punkt ist hierbei die Einbindung von Lehrkräften in aktuelle Forschungsarbeiten der Polarforschenden. Die Partizipation der Lehrkräfte ist aktiv und individuell auf die jeweiligen gemeinsamen Projekte zugeschnitten. Die Lehrkräfte sind Multiplikatoren und erhalten die notwendigen Informationen zu den Angeboten einer Mitarbeit durch den Arbeitskreis. Eigene Ideen der Lehrkräfte für Projekte sind stets willkommen.
Eine Besonderheit ist hierbei die Möglichkeit, als Lehrkraft an wissenschaftlichen Polarexpeditionen teilzunehmen. Die unmittelbare Anbindung an die aktuelle Polarforschung führt zu einer hohen Motivation bei Lehrkräften und Lernenden und deren Umfeld. Lehrkräfte arbeiten aktiv an Forschungsarbeiten in den Polargebieten mit und vermitteln ihre Erfahrungen an ihre und viele andere Schulen, an Museumsbesucher und -besucherinnen sowie die Öffentlichkeit.
Zwei Beispiele der Teilnahme an Polarexpeditionen in die Arktis und die Antarktis zeigen spannende und völlig unterschiedliche Möglichkeiten, wie Lehrkräfte ihre Erfahrungen aus den Polargebieten in die Gesellschaft transferieren können. Wichtige Ergebnisse werden für einen breiten Kreis von Interessierten bereitgestellt, um diesen eine Partizipation zu ermöglichen. Dabei spielen neben der direkten Begegnung, beispielsweise bei Vorträgen, die Veröffentlichung von Publikationen und die Durchführung von Fortbildungen eine wichtige Rolle.
Die Voraussetzungen zur Teilnahme am Arbeitskreis sowie mögliche Herausforderungen bei der Realisierung einer Mitarbeit zeigen auf, worauf interessierte Lehrkräfte achten sollten, wenn sie sich für eine Mitarbeit im Arbeitskreis entscheiden.
Rainer Lehmann, Monika Kallfelz, Friederike Krüger
14. Hochschuldidaktik in den Geowissenschaften
Zusammenfassung
Die geowissenschaftliche Hochschulausbildung fördert eine Vielzahl unterschiedlicher fachspezifischer, aber auch allgemeiner Kompetenzen. Es ist besonders die Fülle an unterschiedlichen Lehrformaten, die ein Studium der Geowissenschaften so vielfältig macht. Studierende lernen somit nicht nur in Vorlesungen, Seminaren und Übungen, sondern können durch Gelände- und Laborarbeit ihr Wissen direkt in der Praxis erlernen. Diese besondere Vielfalt an Lehrformaten führt dazu, dass Lehrende sehr viele unterschiedliche hochschuldidaktische Lehr-Lernmethoden anwenden können. Insbesondere die Entwicklung im Bereich von E-Learning in den letzten Jahrzehnten durch die Einbindung von digitalen Medien ermöglicht es, Lernziele von Lehrveranstaltung vielseitig zu erreichen. Diese Methoden reichen von virtueller oder eigenständiger Geländearbeit bis zur Erstellung von Wikis.
Diese Methoden im Sinne des Flipped Classroom zielen auf einen lernendenzentrierten Ansatz. Lehrende an Hochschulen und Universitäten können die Fülle an Lehr-Lernmethoden, Theorien zur Hochschullehre und hochschuldidaktische Fähigkeiten in strukturierenden Qualifizierungsprogrammen erlernen. Diese Programme werden in den meisten deutschsprachigen Universitäten angeboten, und Teilnehmende erhalten zum Abschluss in der Regel ein Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme an diesen Qualifizierungsprogrammen.
Malte Junge, Silke Weiß, Donja Aßbichler, Johannes Miocic
15. Geowissenschaftsdidaktische Forschung
Zusammenfassung
Der Beitrag beschreibt die Entwicklung eines interdisziplinären, digital gestützten Lernzirkels für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II in den Fächern Biologie und Erdkunde für den außerschulischen Lernort des Botanischen Gartens der RPTU in Kaiserslautern. Eine Herausforderung besteht darin, das Lernmaterial in Umgebungen ohne direkten Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen. Während der 18-monatigen Erprobungsphase wurden Videoaufzeichnungen an ausgewählten Stationen des Lernzirkels angefertigt und in Korrelation mit den Schülerantworten ausgewertet, um die analogen und digitalen Lernmaterialien in mehreren Re-Designs schülerorientiert zu optimieren.
Dirk Felzmann, Sascha Henninger, Tanja Kaiser, Maike Sauer, Alexander Kauertz, Sandra Nitz
16. Die Evaluation von geowissenschaftlichem Unterricht
Zusammenfassung
Die Einführung von geowissenschaftlichem Unterricht sollte immer von einer Evaluation begleitet werden, damit sichergestellt werden kann, dass die mit den neuen Unterrichtsmaßnahmen einhergehenden Ziele auch tatsächlich erreicht werden konnten. In diesem Kapitel werden systematisch die verschiedenen Stufen beschrieben, die im Rahmen einer Evaluation von Unterrichtsmaßnahmen bearbeitet werden. Diese Stufen starten bei der Eingrenzung des Evaluationsgegenstandes, gehen dann weiter zu der Festlegung der Zwecke und der Ziele der Evaluation sowie zu der methodischen Planung und Durchführung einer Evaluationsstudie. Die letzten Stufen beschreiben die Auswertung und die Interpretation der Evaluationsergebnisse. Dabei wird zum einen der Anspruch verfolgt, die theoretischen Grundlagen einer Evaluation nach wissenschaftlichen Standards zu vermitteln, damit Studierende in ihren Abschlussarbeiten beispielsweise den Einsatz neu entwickelter geowissenschaftlicher Unterrichtseinheiten systematisch untersuchen können. Zum anderen werden viele Praxisbeispiele mit konkreten Anregungen und Vorlagen für die Evaluation von Unterricht beschrieben, damit Lehrkräfte einfach und ohne große Hürden ein möglichst systematisches Feedback über die Qualität ihres geowissenschaftlichen Unterrichtes erhalten und den Unterricht entsprechend optimieren können.
Markus Lücken
Metadaten
Titel
Didaktik der Geowissenschaften
herausgegeben von
Sylke Hlawatsch
Dirk Felzmann
Copyright-Jahr
2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-66354-7
Print ISBN
978-3-662-66353-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-66354-7