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2008 | Buch

Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland

Eine Einführung

verfasst von: Wilfried von Bredow

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung: Lesarten für dieses Buch

Einleitung: Lesarten für dieses Buch
Auszug
Ein Studienbuch ist, so scheint es, durch seinen Namen bereits hinreichend definiert - ein Buch zum Studieren. Man nimmt es in der Regel nicht in die Hand, um es in Ruhe und mit mehr oder weniger Freude und Genuss zu lesen. Stattdessen benötigt es, wer sich in eine Materie einarbeiten will, was ja ziemlich seriös klingt, aber auch ein wenig freudlos. Studieren kann allerdings verschiedene Bedeutungen annehmen. Wenn man an der Universität ein Fach, etwa die Politikwissenschaft, studiert, setzt sich die empfohlene Studienliteratur in der Regel aus Spezial-Texten zusammen, auf die nicht unbedingt zurückgegriffen wird, wenn man einfach nur an einem bestimmten Thema, etwa der Außenpolitik Deutschlands, interessiert ist und sich darüber grundlegend informieren möchte.

Außenpolitik neuer Art oder traditionelles Großmachtstreben

1.. Nationales Selbstbewusstsein und außenpolitische Normalität
Auszug
Egon Bahr (2003) has als Motto für sein Buch „Der deutsche Weg“ eine Gedichtzeile von Hermann Hesse gewählt: „… nimm Abschied und gesunde“. Diese Aufforderung richtet sich an die deutsche Außenpolitik. Abschied soll sie nehmen von ihrer krankmachenden Fixiertheit auf die Vergangenheit. Denn damit würde der außenpolitische Handlungshorizont des Staates künstlich eingeengt: „Normal ist, dass jeder Staat seine Interessen vertritt und versucht, seine Ziele durchzusetzen, ohne sich von seiner Vergangenheit lähmen zu lassen“ (137) … „Wir brauchen keine Angst vor uns selbst zu haben … Eine Abart der Scheu vor Normalität ist die Angst vor Singularität. Als der Bundeskanzler (G. Schröder) zum ersten Mal vom deutschen Weg sprach, wiederholte sich reflexhaft, die Sorge der Welt vor dem abschreckenden deutschen Weg aus der Vergangenheit. Und das eigene Land verstärkte sogar das Echo! Als ob es deutsches Schicksal bleiben müsste, uns die ewige Lernunfähigkeit zu bescheinigen“ (137f.).
2.. Was ist Außenpolitik und wer macht sie?
Auszug
Warum nicht mit einem kleinen Gedankenspiel beginnen? Gesetzt also, es gäbe den von vielen als Retter vor organisierter Gewalt und Kriegen angesehenen Weltstaat — würde es im Kabinett seiner Regierung einen Außenminister geben? Vielleicht aus weltkoalitionspolitischen Rücksichten; aber er hätte nichts zu tun. Oder man muss sich gleich eine inter-galaktische science fiction-Welt hinzudenken, wie sie uns etwa in den verschiedenen Folgen von Star Wars vorgeführt wird. Die politische Grundkonstellation in diesen Filmen ist aber nichts anderes als die in den Weltraum projizierte und phantastisch kostümierte moderne Staatenwelt.
3.. Aus der Not ein Erfolgsrezept
Auszug
In diesem Kapitel gehen wir auf den Ausgangspunkt deutscher Außenpolitik nach 1945 zurück. Zur terminologischen Klärung: wenn von deutscher Außenpolitik die Rede ist, meine ich, sofern nicht ausdrücklich anders erwähnt, die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Das ist in gewissem Sinne nicht korrekt, denn es gab ja von 1949 bis 1990 zwei deutsche Staaten, die jeweils eine eigene deutsche Außenpolitik betrieben. Über die Außenpolitik der DDR folgt aber immerhin noch ein gesondertes Kapitel.

Stationen einer Erfolgsgeschichte

4.. Der Beginn: Auf der Suche nach post-traumatischer Normalität
Auszug
Die Zäsur von 1990 ist tief. Dennoch aber ist es eine Zäsur, welche keineswegs die grundlegende Einheitlichkeit deutscher Außenpolitik seit Ende des Zweiten Weltkrieges oder seit Gründung der Bundesrepublik durchtrennt. Insofern gibt es in der Tat eine Kontinuität deutscher Außenpolitik über das Ende des Ost-West-Konflikts hinweg.
5.. Souveränität und Selbsteinbindung
Auszug
In diesem Kapitel werden drei der wichtigsten Felder deutscher Außenpolitik untersucht, nämlich die europäische und die transatlantische Ebene der West(integrations)politik und die Ost- und Deutschlandpolitik. Die Kapitelüberschrift variiert entsprechende Formulierungen von Helga Haftendorn. Ihr Erklärungsansatz für die deutsche Außenpolitik beruht auf der scheinbar paradoxen Feststellung, dass es gerade die wohlbedachte Hinnahme des anfangs sehr beschränkten außenpolitischen Handlungsspielraums war, die zur besten Voraussetzung für seine schrittweise Erweiterung wurde. Selbstbeschränkung und Selbstbe hauptung, so Haftendorn (2001), waren zwei Aktionsweisen deutscher Außenpolitik, die sich erstaunlicherweise gegenseitig nicht in die Quere kamen. Im Gegenteil. Nur wenn man glaubwürdig die Bereitschaft demonstrierte, Souveränität (die man zunächst ja noch gar nicht besaß) an eine Bündnisorganisation oder eine europäische Behörde wieder abzugeben, wenn man sie denn zugesprochen bekäme, konnte man die Widerstände anderer Akteure gegen eine Aufwertung der Bundesrepublik aushebeln. Die Kombination dieser Aktionsweisen war in den allermeisten Fällen nicht das Resultat eines kühlen oder gar zynischen Kalküls. Sie entsprang der inneren Überzeugung der Außenpolitiker von Adenauer bis Brandt und Kohl.
6.. Sicherheitsprobleme
Auszug
Die Bezeichnung, die sich in den Verhandlungen um den Wortlaut des Vertrags über die Europäische Union (des „Maastrichter Vertrags“) zu Beginn der 1990er Jahre für die zu erweiternde und zu vertiefende Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) der Außenministerien durchsetzte, heißt Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Darauf wird im Kapitel 9 näher eingegangen. Hier geht es zunächst einmal nur um den Aha-Effekt, den dieser Name auslöst: Außenpolitik überschneidet sich zu einem nicht unbeträchtlichen Teil mit Sicherheitspolitik. Sicherheit ist ein komplexer Begriff. Vor allem ist Sicherheit ein „nach oben offener“ Begriff, ähnlich wie Gesundheit oder Glück. Das soll besagen, dass man Sicherheit niemals „ein für allemal“ herstellen kann, ja dass bei der Vorstellung von Sicherheit immer auch eine Menge Subjektivität im Spiel ist.
7.. „Drüben“ — Die andere deutsche Außenpolitik
Auszug
Alle Grundlagen der deutschen Außenpolitik nach der Vereinigung waren westdeutschen Ursprungs, ob man an die Definition der entscheidenden Interessen und Werte denkt oder an das diplomatische Personal. Überlegungen zur Kontinuität oder Diskontinuität deutscher Außenpolitik über das Jahr 1990 hinweg beziehen sich so gut wie immer und ausschließlich auf die westdeutsche Außenpolitik. Was für ein Interesse könnte also heute noch am Studium der DDR-Außenpolitik bestehen? Zunächst einmal ein historisches Interesse, denn da es die DDR gab und sie außenpolitisch tätig war, ist es völlig angemessen, diese Tätigkeit und ihre Entscheidungsgründe sowie die Handlungen der außenpolitischen Entscheidungsträger zu erforschen. Aber es gibt darüber hinaus auch ein politikwissenschaftliches Interesse, dies alles in seinem Wechselspiel mit der westdeutschen Außenpolitik sowie mit anderen Akteuren näher zu untersuchen, weil die Existenz der DDR, gleichviel ob die Bundesrepublik ihr die Anerkennung als Staat verweigerte (bis 1972) oder sie anerkannte, für die Bundesrepublik von eminenter Wichtigkeit war. Außerdem ist die ostdeutsche Außenpolitik ein viele Aufschlüsse bereit haltender Studiengegenstand, wenn man dem eigenartigen Mit- und Gegeneinander ideologischer und machtpolitischer Elemente und Aspekte von Außenpolitik auf die Spur kommen möchte.

Aus dem Windschatten des Ost-West-Konflikts

8.. Zäsur 1989/90
Auszug
Anhänger der neo-realistischen Denkschule in den Internationalen Beziehungen behaupten zumeist, dass die internationalen Rahmenbedingungen, die Struktur des internationalen Systems in der Hauptsache also die Außenpolitik von Staaten entscheidend beeinflussen. Die innenpolitischen Verhältnisse seien demgegenüber zweitrangig. Mit derselben Verve bestreiten Anhänger der verschiedenen neo-idealistischen Denkschulen, einschließlich ihrer konstruktivistischen Filialen, diese Reihenfolge und betonen die entscheidende politik-gestaltende Kraft von innergesellschaftlich wirksamen Ideen, Normen und Werten für den außenpolitischen Kurs eines Landes. Eigentlich, denkt man zunächst, müsste dieser Streit doch leicht zu entscheiden sein. Ist er aber nicht. Denn aus der einen wie aus der anderen Perspektive lassen sich plausible Erklärungen für das außenpolitische Verhalten staatlicher Akteure formulieren — aber es gibt eben auch wieder andere Vorgänge und Verhaltensweisen, die den jeweiligen Interpretationsschemata widerstehen.
9.. Welches Europa?
Auszug
Im Rückgriff auf einen Ausdruck des Historikers A. H. L. Heeren, der am Anfang des 19. Jahrhunderts in Göttingen lehrte, hat Hans-Peter Schwarz das vereinte Deutschland als „Zentralmacht Europas“ bezeichnet.
10.. Gegenwärtige Probleme und Aufgaben
Auszug
Die Gedächtnisfeiern zum 60. Jahrestag des Kriegsendes 1945 machten einmal mehr deutlich, dass die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands und die Erinnerung an die von Deutschen begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Menschheit) nach wie vor die Innen- und die Außenpolitik Deutschlands beeinflussen. Es wäre allerdings falsch, würde man dies nur als Behinderung ansehen. Aber die im ersten Kapitel genannten Schlüsselbegriffe für den außenpolitischen Diskurs: Normalität, Kontinuität, Gestaltungsmacht, werden es noch auf längere Zeit bleiben. Die ersten beiden sind gewissermaßen ein deutsches Spezifikum.

Schluss: Nomalität ja, aber welche?

Schluss: Nomalität ja, aber welche?
Auszug
Am Beginn der Niederschrift dieses Buches stand der deutsche Anspruch auf einen Ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als Ausdruck eines neuen außenpolitischen Selbstverständnisses der Bundes- regierung für kurze Zeit im Vordergrund außenpolitischer Debatten. Seit- her ist es um diesen außenpolitischen Programmpunkt zwar nicht stiller geworden. Die Aussichten auf seine Durchsetzung haben sich eher ver- düstert. Trotzdem verfolgt auch die Regierung der großen Koalition die- ses Ziel weiter - es wurde von Bundeskanzlerin Merkel auf der UNO- Generalversammlung im September 2007 ebenso unverdrossen wiederholt wie vor ihr von Außenminister Fischer oder Bundeskanzler Schröder. Hier gibt es also keine große, nein:überhaupt keine Diskontinuität zwi- schen der Außenpolitik der rot-grünen Koalition von 1998 bis 2005 und der großen Koalition seither. Frank-Walter Steinmeier, der Außenminis- ter seit 2005,verkörpert sozusagen die sozialdemokratische Kontinuitäts- linie dieser Außenpolitik, wohingegen Angela Merkel in mancher Bezie- hung die Fortsetzung der grünen Außenpolitik betreibt, was man an vie- len ihrer Einzelentscheidungen ablesen kann.
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland
verfasst von
Wilfried von Bredow
Copyright-Jahr
2008
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91070-3
Print ISBN
978-3-531-16159-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91070-3