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2016 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Die Herkunft macht den Unterschied: Kapitalien, Klassenlage und die Chancen des Erwerbs von transnationalem Humankapital

verfasst von : Jürgen Gerhards, Silke Hans, Sören Carlson

Erschienen in: Klassenlage und transnationales Humankapital

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die Frage, inwieweit soziale Ungleichheiten den Erwerb von transnationalem Humankapital bei Jugendlichen prägen und welche konkreten Ungleichheitsfaktoren diesbezüglich von Relevanz sind. Die theoretische Fundierung unserer empirischen Analysen bildet Pierre Bourdieus Klassen- und Kapitalientheorie. Wir untersuchen zunächst, in welchem Maße die Kapitalienausstattung von Familien den Zugang von Jugendlichen zu Schüleraustauschprogrammen beeinflusst; hierzu greifen wir auf die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zurück. Im nächsten Schritt ergänzen wir unsere Betrachtungen durch eine Analyse des Zugangs zu Kindertagesstätten mit bilingualen oder anderen fremdsprachlichen Programmen. Diese zweite Analyse beruht auf Daten der Studie „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A). Abschließend untersuchen wir mithilfe von Eurobarometer-Daten, ob junge Europäer je nach Herkunftsland unterschiedliche Chancen haben, an einem längerfristigen schulischen Auslandsaufenthalt teilzunehmen. Insgesamt zeigen unsere Analysen signifikante soziale Ungleichheiten und deutliche Klassenunterschiede im Zugang junger Menschen zu transnationalem Humankapital.

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Fußnoten
1
Der kurzfristige Einbruch der Wachstumsraten zu Beginn der 2000er Jahre dürfte vor allem auf einen Teilnehmerrückgang bei den USA-Programmen, dem Hauptzielland des Schüleraustauschs, zurückzuführen sein und in einem Zusammenhang mit den dortigen Terroranschlägen vom 11. September 2001 stehen. Zudem scheint sich seitdem die Haltung vieler Eltern gegenüber den USA verändert zu haben: In den Interviews mit Organisationsmitarbeitern wurden uns als Gründe für die veränderte Einstellung zu den USA die Angst vor Terroranschlägen, die Ablehnung der damaligen Bush-Regierung und die Angst vor Gewaltexzessen an Schulen genannt.
 
2
Auf Basis der Aussagen der von uns interviewten Mitarbeiter von Internatsvermittlungen ist allerdings davon auszugehen, dass Großbritannien das dominante Zielland für solche Auslandsaufenthalte im nichtdeutschsprachigen Ausland darstellt.
 
3
Die zahlenmäßig stärkste Gruppe bilden Schüler aus Hongkong (1816) – bis 1997 Kronkolonie des Vereinigten Königreichs –, gefolgt von Schülern aus China (1716). Hinter Deutschland belegt 2013 Russland mit 1056 Neuzugängen den vierten Platz.
 
4
Auch hierbei wird selbstverständlich transnationales Kapital erworben. Jedoch sind die Art des Auslandsaufenthalts und auch das Motiv häufig anders gelagert als bei Personen ohne Migrationshintergrund. Die Ergebnisse der Migrations- und Integrationsforschung lassen zudem darauf schließen, dass das so erworbene Kapital andere Konsequenzen hat als dasjenige, das von deutschen Schülern z. B. durch Austauschprogramme erworben wird. So argumentiert Hartmut Esser (2006, 2009), dass sich herkunftslandbezogene Ressourcen nicht förderlich für die Lebenschancen von Einwanderern auswirken, da sie vom deutschen Arbeitsmarkt kaum nachgefragt werden. Sie können sogar den Erwerb des wichtigeren aufnahmelandspezifischen Kapitals verzögern oder verhindern und sich damit eher negativ auf die beruflichen Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland auswirken.
 
5
Auch im Fall gemeinnütziger Anbieter sind die von den Familien zu tragenden Kosten nicht wirklich geringer (vgl. Kap. 5).
 
6
Eine genauere Beschreibung aller Variablen findet sich im Anhang. Im Fall des ökonomischen Kapitals führen alternative Operationalisierungen, z. B. über das Haushaltsvermögen bzw. über die Frage, ob die Familie Wohneigentum besitzt, zu ähnlichen Ergebnissen.
 
7
Die Bedeutung inkorporierten kulturellen Kapitals für den Bildungserfolg wurde in einer Reihe von Studien in mehreren Ländern empirisch überprüft und verifiziert (DiMaggio 1982; DiMaggio und Mohr 1985; Hartmann 1999; Lange-Vester und Teiwes-Kügler 2006; Lareau und Weininger 2003). Für Deutschland bestätigen beispielsweise Jörg Rössel und Claudia Beckert-Zieglschmid (2002) einen Einfluss des inkorporierten kulturellen Kapitals der Eltern auf die Bildungsbeteiligung und die Schulnoten von Kindern. Im Hinblick auf die Lesekompetenz von Schülern konnte Monika Jungbauer-Gans (2004) für Deutschland, Frankreich und die Schweiz die Bedeutung des kulturellen Kapitals des Herkunftshaushalts nachweisen. Rolf Becker und Frank Schubert (2006) zeigen darüber hinaus, dass schon die Lesekompetenz in der Grundschule u. a. vom inkorporierten kulturellen Kapital des Haushalts abhängt.
 
8
Eine Ausnahme bilden hierbei die sehr teuren Internatsprogramme, z. B. in Großbritannien. Hierbei kann mangelnder schulischer Erfolg durch ausreichendes ökonomisches Kapital quasi kompensiert werden (vgl. Kap. 5).
 
9
Diese Angaben beruhen auf einer Auswertung der Portraits der Schulen auf den Seiten der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft: www.​berlin.​de/​sen/​bildung/​schulverzeichnis​_​und_​portraets/​anwendung (letzter Zugriff: 13.09.2015).
 
10
Hierbei kann man natürlich einwenden, dass bessere Fremdsprachennoten umgekehrt auf den Auslandsaufenthalt zurückzuführen sind. Allerdings zeigen sich ähnliche Zusammenhänge auch für die Deutsch- und Mathematiknoten, bei denen man sicher keinen positiven Effekt eines Auslandsaufenthalts erwarten kann. Da die Noten ohnehin stark korrelieren – wer in Deutsch oder Mathematik gut ist, hat in der Regel auch bessere Noten im Fremdsprachenunterricht –, beschränken wir uns hier nur auf die Note in der ersten Fremdsprache.
 
12
Aufgrund der hohen Korrelation zwischen der elterlichen Bildung und ihren hochkulturellen Aktivitäten können beide Variablen nicht gleichzeitig in das Modell aufgenommen werden, das heißt, es kann hier nicht zwischen institutionalisiertem und inkorporiertem kulturellem Kapital unterschieden werden. Das Modell enthält nur den Einfluss der Bildung der Eltern und damit ihres institutionalisierten kulturellen Kapitals.
 
13
Zwar sind die Effekte hier insgesamt etwas geringer ausgeprägt als im Fall des schulischen Auslandsaufenthalts (wie z. B. am geringeren Pseudo-R² von nur knapp 10 % zu erkennen ist), aber dies könnte vor allem der Tatsache geschuldet sein, dass wir die lokale Verfügbarkeit bilingualer Kindertagesstätten nicht besonders gut messen konnten. Diese ist aber eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Kinder eine solche Einrichtung besuchen können und dass die anderen Erklärungsfaktoren ihre Wirkung entfalten können. Wo es ein solches Angebot nicht gibt, haben Kapitalien und Investitionsverhalten keinen Effekt, da ohnehin niemand ein bilinguales Programm besuchen kann.
 
14
Wir gehen natürlich trotzdem von einem Einfluss der sozialen Klasse auf den Erwerb transnationalen Humankapitals auch in anderen Ländern aus und kontrollieren diesen Einfluss in unseren Modellen. Da aber für diesen Zusammenhang die gleichen theoretischen Argumente gelten wie innerhalb Deutschlands auch, gehen wir darauf nicht noch einmal gesondert ein. Den Einfluss der sozialen Klasse auf transnationale Aktivitäten weisen auch Jan Delhey und Koautoren (2015) nach.
 
15
Dies gilt nicht gleichermaßen für ökonomisch motivierte Auslandsaufenthalte, das heißt für Arbeitsmigration. Hier kann es gerade die Unzufriedenheit mit der ökonomischen Situation im eigenen Land sein, die zur Migration motiviert.
 
17
Die verwendeten Eurobarometer-Daten enthalten auch Informationen zur aktuellen Fremdsprachenkompetenz der Befragten. Hier ist aber unklar, ob diese Kenntnisse schon vor einem eventuellen Auslandsaufenthalt erworben wurden oder erst später.
 
18
Hier ist die Fremdsprachenkompetenz nicht so stark ausgeprägt, aber im einzigen geografisch nahen Nachbarland, Großbritannien, wird ohnehin die gleiche Sprache gesprochen.
 
Metadaten
Titel
Die Herkunft macht den Unterschied: Kapitalien, Klassenlage und die Chancen des Erwerbs von transnationalem Humankapital
verfasst von
Jürgen Gerhards
Silke Hans
Sören Carlson
Copyright-Jahr
2016
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-12539-4_3