Im Interview geht Christian Kirschniak, Managing Director und Partner bei der Boston Consulting Group, der Frage auf den Grund, warum es vielen deutschen Unternehmen schwerfällt, im Bereich „Künstliche Intelligenz“ Fuß zu fassen, und sie damit im weltweiten Vergleich hinterherhinken.
Herr Kirschniak, wie gestaltet sich die derzeitige europäische KI-Landschaft?
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Die EU legt einen starken Fokus auf vertrauenswürdige und ethische Künstliche Intelligenz (KI) und verfolgt mit Initiativen wie dem EU AI Act eine Vorreiterrolle in der Regulierung. Dadurch soll sichergestellt werden, dass KI-Lösungen transparent, sicher und menschenzentriert gestaltet werden. Durch diverse Förderprogramme haben sich zwar ernstzunehmende Anbieter von KI-Lösungen im Markt etabliert, dennoch bleibt Europa im internationalen Vergleich hinter den USA zurück, insbesondere was die kommerzielle Nutzung und Skalierung von KI betrifft. Hier dominieren die US-Hyperscaler und Unternehmen wie OpenAI, die durch massive Investitionen und starke Netzwerke deutlich schneller Innovationen auf den Markt bringen.
Welchen Stellenwert besitzen insbesondere deutsche Unternehmen global gesehen im Bereich „Künstliche Intelligenz“?
Deutschland verfügt zwar über einige interessante Marktteilnehmer, steht hier jedoch gleichzeitig vor großen Herausforderungen. Eine zentrale Hürde ist die unzureichende Rechenzentrumskapazität, die speziell für KI ausgelegt ist. Während in den USA Unternehmen wie Nvidia mit leistungsstarken GPU-Architekturen die Grundlage für KI-Innovationen schaffen, hinkt Europa, insbesondere Deutschland, in der Infrastruktur deutlich hinterher. Hinzu kommen rechtliche Einschränkungen, die die Etablierung bestimmter KI-Dienste erschweren.
Woran hapert es bei vielen hiesigen Unternehmen noch, im Bereich „KI“ Fuß zu fassen?
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Die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz ist in deutschen Unternehmen mittlerweile stark gewachsen. Durch Tools wie ChatGPT wurde vielen bewusst, welches Effizienzpotenzial KI bietet. Allerdings gibt es noch deutliche Unterschiede bei der Tiefe der Integration von KI-Technologien in Unternehmensprozesse. Während analytische Verfahren und „klassische“ KI-Ansätze in vielen Unternehmen erfolgreich eingesetzt werden, zeigt sich bei generativer Künstlicher Intelligenz ein anderes Bild: Diese wird zwar häufig von Mitarbeitern genutzt, jedoch noch ohne eine klare Strategie oder unternehmensweite Orchestrierung. So wird der volle Mehrwert der Technologie nicht ausgeschöpft. Verstärkt wird dies durch die in Deutschland oft vorherrschende Skepsis, groß angelegte Transformationen anzugehen - welche jedoch notwendig wären, um Künstliche Intelligenz durchgängig in End-to-End-Prozessen zu etablieren.
Was sind die Herausforderungen bei der Implementierung des EU AI Acts?
Ähnlich wie bei der Einführung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung sorgt die Komplexität der Regelungen des EU AI Acts vor allem bei mittelständischen Unternehmen für Unsicherheit. Vielen Unternehmen ist nicht klar, welche Maßnahmen sie ergreifen müssen, um den Anforderungen zu entsprechen. Das führt zu Skepsis und einer zurückhaltenden Herangehensweise an den Einsatz neuer Technologien. Zudem erfordert die Implementierung des EU AI Acts umfangreiche Dokumentations- und Prüfprozesse. Für viele Unternehmen stellt dies eine erhebliche administrative und finanzielle Belastung dar und könnte deshalb als Innovationsbremse wahrgenommen werden.