In den letzten Jahren hat sich die Landschaft des nachhaltigen Finanzmarkts signifikant gewandelt. Entwicklungen auf internationaler Ebene, insbesondere die Verabschiedung der Agenda 2030 und der Sustainable Development Goals sowie das Pariser Klimaabkommen, haben nicht nur das Thema Klimakrise in den Fokus internationaler Debatten gerückt, sondern auch die Überzeugung wachsen lassen, dass eine Transformation hin zu einer dekarbonisierten Wirtschaft auch auf einen Finanzmarkt angewiesen ist, der eine nachhaltige Wirtschaftsweise befördert und auch selbst nachhaltiger wird. Im Zuge dieser Entwicklungen hat sich der nachhaltige Finanzmarkt sehr dynamisch entwickelt und zunehmend ausdifferenziert: Auf allen Ebenen (international, europäisch, national) sind vielfältige Akteur/innen und Initiativen zu beobachten, die um die zukünftige Ausgestaltung des nachhaltigen Finanzmarkts ringen. In diesem Beitrag unterbreite ich einen Vorschlag zur Kartierung dieses bunten und unübersichtlichen Feldes. Ausgehend von der Fragestellung Welches Verhältnis zu Geld ist für die Akteur/innen handlungsleitend? spanne ich ein Kontinuum an idealtypischen Handlungsorientierungen zwischen Geld als Selbstzweck und Geld als Mittel zum Zweck auf. Die jeweilige Ausprägung dieser Handlungsorientierungen kann sich in unterschiedlichen Wirkungskreisen auf Geld realisieren, von denen ich – ebenfalls wieder idealtypisch – drei unterscheide: A: Geld direkt lenken (eigenes/fremdes), B: Geld indirekt lenken (for-profit/non-profit), C: Geld durch Regulierung lenken (soft/hard law). Diese Wirkungskreise dienen dazu, das heterogene Feld des nachhaltigen Finanzmarkts systematischer erfassen und begreifen zu können. Im zweiten Teil des Beitrags ordne ich relevante Akteur/innen und Initiativen exemplarisch den Wirkungskreisen zu.
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Das diesem Beitrag zugrundeliegende Forschungsprojekt ‚Doppelte Dividende? Beitrag des nachhaltigen Investierens zur Stabilisierung des Finanzmarkts‘ wurde von April 2015 bis September 2018 im Rahmen der Förderinitiative ‚Finanzsystem und Gesellschaft‘ mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UF1504 gefördert und unter Leitung von Prof. Dr. Stefanie Hiß an der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin.
Im Jahr 2019 publizierte Facing Finance zusammen mit dem Südwind-Institut die Studie ‚Made in Cambodia‘, um explizit nicht nur die Arbeitsrechtsverstöße in der Textilindustrie, sondern auch die damit verbundene Rolle von Investor/innen in den Blick zu nehmen und insofern CSR mit dem Thema nachhaltiger Finanzmarkt explizit zusammenzubringen (Schneeweiß und Buch 2019).
„Dem Pariser Klimaschutzübereinkommen von 2015, den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und dem Sonderbericht des Weltklimarats vom Oktober 2018 (Special Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change) ist eines gemeinsam: Sie alle rufen zu beschleunigten und entschiedenen Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen (THG) und zur Schaffung einer CO2-armen, klimaresistenten Wirtschaft auf“ (Europäische Kommission 2019, S. 2).
Das UN PRI ist nicht Teil der Vereinten Nationen, wie der Name suggerieren könnte, wird aber von den Vereinten Nationen unterstützt. Siehe auch www.unpri.org, am 14.03.2020.
Siehe https://www.unpri.org/download?ac=6036%20/%20https://www.unpri.org/investor-tools/esg-integration-in-europe-the-middle-east-and-africa-markets-practices-and-data-/4190.article, am 14.03.2020.
Der Idealtypus „ist kein Abbild der empirischen Realität“, „sondern eine Konstruktion des Wissenschaftlers, ein Vorgang der Abstraktion und gedanklichen Steigerung einiger Elemente dessen, was man in der empirischen Realität vorfindet, sowie ein Vorgang der Herstellung von Kohärenz, die sich in der Wirklichkeit nicht in derselben Weise findet. In diesem Sinne trägt der Idealtypus laut Weber den Charakter einer ‚Utopie‘, im Sinne eines Nicht-Ortes“ (Przyborski und Wohlrab-Sahr 2014, S. 329).
Die Wirkungskreise unterscheiden sich bewusst von der häufig in der Praxis anzutreffenden Unterscheidung in Investor/innen und Intermediäre, um der für das Schema leitenden Fragestellung zum Verhältnis zum Geld nachkommen zu können. In Wirkungskreis B und C sind nicht nur die klassischen Marktintermediäre verortet, die Informationsdefizite ausgleichen, sondern auch darüberhinausgehende Akteur/innen und Initiativen.
Die Unterscheidung zwischen Non-Profit- und Not-for-Profit-Organisationen ist nicht einheitlich definiert. Im Folgenden verwende ich den Begriff non-profit und möchte damit lediglich anzeigen, dass die Organisationen ihre Orientierung nicht primär an der Mehrung des Gewinns orientieren, sondern am damit ermöglichten Zweck.
Siehe für internationale Fallstudien etwa zu Brasilien, China, Marokko, Indien, verschiedene europäische Länder oder Russland auch UN Environment und World Bank Group (2017, S. 87 ff.).
Diese 14 Banken (Bank im Bistum Essen eG, Bank für Kirche und Caritas eG, Bank für Kirche und Diakonie eG – KD-Bank, Bank für Orden und Mission, Bank für Sozialwirtschaft AG, DKM Darlehnskasse Münster eG, Evangelische Bank eG, EthikBank, Evenord-Bank eG-KG, GLS Bank, Pax-Bank eG, Steyler Ethik Bank, Triodos Bank N.V. Deutschland, UmweltBank AG) verzeichneten von 2017 bis 2018 ein Wachstum von acht Prozent an Kundeneinlagen (FNG 2019b, S. 17).
Ein Beispiel führt Bergius aus: „So beauftragte das Bundesland Sachsen-Anhalt im November 2018 nach einer Ausschreibung die britischen Hermes Equity Ownership Services (EOS) für 200.000 € mit Proxy Voting und ESG-Engagement für sein Anlageportfolio von gut 2,2 Mrd. €, inklusive des Pensionsfonds (844 Mio. €). Hermes EOS durchleuchtet dafür Unternehmensanleihen, Wandelanleihen und Aktien nach Nachhaltigkeitskriterien. Stellt Hermes EOS dabei Missstände fest, ist ‚eine aktive und begleitende Dialogführung mit den betreffenden Unternehmen zur Beseitigung der Missstände‘ vereinbart, wie es in der Vertragsnotifizierung heißt. Der Dienstleister soll eine positive Entwicklung bei solchen Unternehmen erwirken. Er hat Rechenschaft abzulegen, ob die Gespräche fruchten oder nicht“ (Bergius 2019a, S. 4 f., dort auch weiterführende Informationen zur Hermes EOS).
Es gäbe auch gute Argumente, diese Aktivitäten auch in den Bereich B.2 dieses Schemas einzuordnen, denn der teilweise nur symbolische, aber faktisch sehr geringe Stimmanteil ist lediglich als Eintrittskarte zur Hauptversammlung zu verstehen, aber nicht als Entscheidungsmacht über die Lenkung von Finanzströmen.
SSE hat im Jahr 2018 den ‚Report on Progress‘ (SSE 2018a) veröffentlicht, der veranschaulicht, was die Mitgliedsbörsen der SSE alles in puncto Nachhaltigkeit auf den Weg bringen. Im gleichen Jahr kam auch der Bericht mit dem Titel ‚How Securities Regulators Can Support the Sustainable Development Goals“ (SSE 2018b) heraus, in dem SSE den Aufsichtsbehörden empfiehlt, die SDGs besser zu berücksichtigen.
Siehe dazu auch die vom ‚Head Sustainable Finance‘ des WWF Deutschland, Matthias Kopp, mitherausgegebene Publikation (Stapelfeldt, Granzow und Kopp 2018).
Diese sechs Prinzipien lauten: „Principle 1: We will incorporate ESG issues into investment analysis and decision-making processes. Principle 2: We will be active owners and incorporate ESG issues into our ownership policies and practices. Principle 3: We will seek appropriate disclosure on ESG issues by the entities in which we invest. Principle 4: We will promote acceptance and implementation of the Principles within the investment industry. Principle 5: We will work together to enhance our effectiveness in implementing the Principles. Principle 6: We will each report on our activities and progress towards implementing the Principles.” Siehe https://www.unpri.org/pri/an-introduction-to-responsible-investment/what-are-the-principles-for-responsible-investment, am 13.03.2020.
Die sechs Bereiche sind: climate change mitigation; climate change adaptation; sustainable and protection of water and marine resources; transition to a circular economy; pollution prevention and control; protection and restoration of biodiversity and ecosystems (TEG 2020).
Unterzeichnende Finanzministerien: „Austria, Chile, Costa Rica, Cote d’Ivoire, Denmark, Ecuador, Finland, France, Germany, Iceland, Ireland, Kenya, Luxembourg, Marshall Islands, Mexico, Netherlands, Nigeria, Philippines, Spain, Sweden, Uganda, and the United Kingdom. Since the formal announcement the following countries have also signed on: Colombia, Fiji, Guatemala and Norway“ https://www.worldbank.org/en/news/press-release/2019/04/13/coalition-of-finance-ministers-for-climate-action, am 20.03.2020.