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2006 | Buch

Die Massenmedien im Wahlkampf

Die Bundestagswahl 2005

herausgegeben von: Christina Holtz-Bacha

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Die Überraschung, die Parteien und Wahlkampfprofis bei Schröders N- wahlankündigung erlebten, traf in ähnlicher Weise diejenigen, die sich w- senschaftlich mit Wahlkämpfen beschäftigen: Mit Blick auf den regulären Wahltermin im Herbst 2006 waren bestenfalls die Designs für die nächsten Wahlkampfstudien entworfen und die Anträge auf finanzielle Unterstützung kaum formuliert. Insofern war es alles andere als selbstverständlich, dass die Untersuchungen, die sich in vielen Fällen mittlerweile zu Zeitreihen fügen und ihren Wert daher gerade im Vergleich von Wahl zu Wahl haben, wieder durchgeführt werden konnten. Erst recht war es unter solchen Bedingungen schwierig, gänzlich neue Studien auf die Beine zu stellen. Vor diesem H- tergrund gilt zunächst die Anerkennung denjenigen, die dennoch und oft mit so genannten Bordmitteln Untersuchungen realisieren konnten und ihre Ergebnisse zu diesem Buch beigetragen haben. Damit kann zum fünften Mal ein Sammelband mit Studien zur Bundestagswahl vorgelegt werden, die die Rolle der Massenmedien im Wahlkampf in den Mittelpunkt ihres In- resses stellen und unter vielfältigen Perspektiven beleuchten. Jacob Leidenberger hat dafür gesorgt, dass aus den verschiedenen T- ten eine einheitliche Druckvorlage wurde. An ihn geht ein besonderer Dank sowie an all diejenigen, die auf andere Weise am Zustandekommen dieses Bandes beteiligt waren. Christina Holtz-Bacha Nürnberg, Ende August 2006 Bundestagswahl 2005 Die Überraschungswahl Christina Holtz-Bacha Die Bundestagswahl 2005 war eine Überraschungswahl. Das galt für die Ankündigung ebenso wie für das Ergebnis der Wahl. Die Ankündigung des Bundeskanzlers am Abend der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Bundestagswahl 2005 — Die Überraschungswahl
Auszug
Die Bundestagswahl 2005 war eine Überraschungswahl. Das galt für die Ankündigung ebenso wie für das Ergebnis der Wahl. Die Ankündigung des Bundeskanzlers am Abend der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai kam nicht nur für die Öffentlichkeit überraschend, seine Partei traf sie ebenfalls unerwartet. Auch im Nachhinein, bei dem Versuch, das Zustandekommen der Entscheidung und nicht zuletzt die Beweggründe zu analysieren, sah es nach einer recht einsamen Entscheidung von Gerhard Schröder und Franz Müntefering aus, obwohl angeblich erste Überlegungen dafür schon nach dem Debakel um die Ministerpräsidentinnenwahl in Schleswig-Holstein stattgefunden haben sollen. So war dann auf diese Wahl keiner vorbereitet, die Parteien nicht und auch nicht ihre Wahlkampfberater. Dieser Wahlkampf musste gleichsam aus dem Boden gestampft werden. Auch wenn die Parteien und ihre professionellen Unterstützer mit ihren Kampagnenplänen nicht erst warteten, bis Bundespräsident und Bundesverfassungsgericht den Weg für die Neuwahl freigemacht hatten, sie hatten wenig Zeit. Gerade mal dreieinhalb Monate standen ihnen zur Verfügung.
Christina Holtz-Bacha
“Hinten sind die Enten fett”. Der Bundestagswahlkampf der SPD und die Mobilisierung der eigenen Mitglieder
Auszug
“Jeder Wahlkampf ist ein Unikat!” Mit diesen Worten brachte der ehemalige SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering Ende Mai 2005 auf den Punkt, was den Bundestagswahlkampf 2005 retrospektiv betrachtet sicherlich am sinnvollsten charakterisiert: Es handelte sich um ein ganz besonderes Ereignis in der jüngeren Geschichte Deutschlands. Das lag schon in der Ausgangssituation begründet, zeigte sich aber auch während der relativ kurzen Zeitspanne der Kampagne und zumal dann am Wahltag mit einem überraschenden Ergebnis.
Thomas Bosch
Politische Farbenlehre: Plakatwahlkampf 2005
Auszug
Farben spielen eine wichtige Rolle in der Politik. Das hat der Wahlkampf 2005 wieder einmal gezeigt und erst recht die Farbspielerei nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses, als über eine Jamaika-Koalition und andere Farbkombinationen spekuliert wurde. Farben dienen ganz allgemein der Identifikation der Parteien und gehören insofern auch zu ihrem Image. Diese Farbsymbolik begegnet uns fast bei jeder Berichterstattung über den Stand der Sonntags frage, zur Darstellung der Sitzverteilung im Bundestag und zur Etikettierung möglicher oder tatsächlicher Koalitionen. Im Wahlkampf kombiniert sich diese Funktion bei den visuellen Kampagneninstrumenten mit dem Ziel, Aufmerksamkeit bei den Wählerinnen und Wählern zu wecken und damit deren Auseinandersetzung mit dem Wahlkampf herbeizuführen und zu lenken.
Christina Holtz-Bacha, Eva-Maria Lessinger
Die Anzeigenkampagne zur Bundestagswahl 2005
Auszug
Mit seiner Ankündigung von vorgezogenen Bundestagswahlen noch am Abend der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005 trat Gerhard Schröder die Flucht nach vorne an. Er verlangte nach einer neuerlichen Legitimierung seiner rot-grünen Regierung, die seit der Bundestagswahl 2002 aus allen Landtagswahlen als Verlierer hervorgegangen war und mit der Niederlage in NRW auch die letzte rot-grüne Landesregierung verloren hatte (vgl. Jesse, 2006, S. 72). Die Bürger waren von diesem „Neuwahl-Coup“ (Feldenkirchen et al., 2005, S. 22) mehr als überrascht, für die politischen Parteien bedeutete er vor allem eines: in relativ kurzer Zeit ein überzeugendes Wahlprogramm auf die Beine zu stellen und den Wähler davon zu überzeugen.
Sandra Lieske
Wie die Lustlosigkeit konterkariert wurde: Fernsehwahlwerbung 2005
Auszug
Die Wahlwerbung der Parteien in Fernsehen und Radio gehört zu den Standardinstrumenten der Kampagnenkommunikation. Ebenso wie auf der Straße mit Plakaten gilt es, in den Rundfunkmedien präsent zu sein, nicht zuletzt auch deshalb, weil den Parteien bei den öffentlich-rechtlichen Sendern die Zeit für ihre Werbefilme standardmäßig und kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Öffentliche Aufmerksamkeit finden die Wahlspots immer dann, wenn den Anstalten Spots angeliefert werden, die aus der Reihe fallen. Die Geschichte der Wahlwerbung im Fernsehen ist auch eine Geschichte der Auseinandersetzung über umstrittene Spots. In den letzten 10 bis 15 Jahren ging es da zumeist um Spots rechtsextremer Parteien, die die Rundfunkanstalten nicht ausstrahlen wollten. Da ihre Handhabe zur Ablehnung von Parteienspots gering ist, landen solche Ablehnungen stets bei den Gerichten. Zwar stellen diese sich nicht immer auf die Seite der Parteien, generell aber werden ihre Entscheidungen von dem Grundsatz geleitet, dass den Parteien im Wahlkampf Gelegenheit zur Selbstdarstellung zu geben ist (vgl. dazu auch Holtz-Bacha, 2001; Holtz-Bacha & Kaid, 1996).
Christina Holtz-Bacha, Eva-Maria Lessinger
Professionalisierung im Online-Wahlkampf? Ein Längsschnittvergleich deutscher Partei-Websites zu den Bundestagswahlen 2002 und 2005
Auszug
www.​wahlkampfchance-verpasst.​de” hieß es zum Wahltermin in der Welt am Sonntag (Beckermann, 2005, S. 9), “Under Construction” kommentierte die Financial Times Deutschland (Virtel, 2005, S. 25) und von einem “Wahlkampf wie vor dreißig Jahren” sprach gar die FAS (Niggemeier, 2005, S. 33) — das Fazit der journalistischen Beobachter zum Online-Wahlkampf 2005 hätte kaum einhelliger formuliert werden können. Während die vorangegangene Parlamentswahl in Großbritannien und die US-Präsidentschaftswahl des Jahres 2004 neue Maßstäbe in der interaktiven und dezentralen Wahlkampfführung setzten, bewiesen deutsche Online-Kampagnen eine erschreckende “Mutlosigkeit der Parteien” (Wenzel, 2005, S. 2). Die Internetauftritte seien “bunt, banal und bisweilen auch polemisch” (Hannemann & Lehmkuhl, 2005, S. 88), in jedem Fall jedoch “höchst einfallslos” (Virtel, 2005, S. 25) und kaum mehr als “eine Fortführung des herkömmlichen Wahlkampfes“ (Schemel, 2005, S. 15). Es fehle “die Interaktivität, die Metakommunikation und die Denke vom ‚Netz‘ aus” (ebd.), vor allem aber eine Riege an “Visionäre[n]” (Wenzel, 2005, S. 1), um die Potenziale des OnlineEngagements auch hierzulande richtiggehend auszuschöpfen. “Willkommen [also] im Internetwahlkampf, unterste Schublade” (Virtel, 2005, S. 25), im “digitale[n] Entwicklungsland” (Beckermann, 2005, S. 9)?
Eva Johanna Schweitzer
Weblogs als Medium politischer Kommunikation im Bundestagswahlkampf 2005
Auszug
In den vergangenen Jahren haben sich Weblogs als neues Format im Internet entwickelt. Sie dienen der Veröffentlichung persönlicher Inhalte und Meinungen. Es handelt sich dabei um regelmäßig aktualisierte Webseiten, deren Einträge in umgekehrt chronologischer Reihenfolge aufgelistet sind. Die meist vorhandene Kommentarfunktion sowie die Adressierbarkeit der einzelnen Einträge ermöglichen eine einfache und interaktive Nutzung der Inhalte. In den USA waren Weblogs im Präsidentschaftswahlkampf 2004 erstmals Bestandteil der Online-Kampagnen. Sie wurden genutzt, um den Bürgern politische Informationen zu vermitteln und ihnen die Möglichkeit zu verstärkter politischer Partizipation zu geben.
Raphaela Ott
Politische Dialogkommunikation im Bundestagswahlkampf 2005
Auszug
Der rasante gesellschaftliche und mediale Wandel, dem sich Unternehmen seit Jahren stellen müssen, um erfolgreich im Wettbewerb um Kunden zu bleiben, macht auch vor der Politik nicht Halt. Einer schwindenden Markenloyalität in der Wirtschaft stehen im politischen Betrieb eine abnehmende Wählerbindung sowie ein kontinuierlicher Rückgang der Wahlbeteiligung gegenüber. So hat die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland an den Wahlen seit 1949 auf allen Ebenen des politischen Systems tendenziell abgenommen. “In den letzten 14 Jahren hat sich die Zahl der Nichtwähler mehr als verdoppelt.” (Körte, 2005b, S. 1) Diesen Abwärtstrend bestätigt auch die Bundestagswahl 2005. Die Wahlbeteiligung übertraf zwar immer noch deutlich die Beteiligungsraten bei Landtags-, Kommunaloder Europawahlen. Doch im Vergleich zur Bundestagswahl im Jahre 2002 fiel die Beteiligung mit insgesamt 77,7 Prozent 1,4 Prozentpunkte geringer aus als noch bei der Wahl 2002 (79,1 Prozent). Dies war die bisher niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Bundestagswahl überhaupt (Jung & Wolf, 2005, S. 8). Dieser Abwärtstrend stellt sich auf Landesebene noch viel dramatischer dar. Die Wahlbeteiligungen, die im März 2006 in den drei Bundesländern Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gemessen wurden, waren im Vergleich zu den vorangegangenen Landtagswahlen massiv eingebrochen: in Sachsen-Anhalt minus 21 Prozent, in Baden-Württemberg minus 15 Prozent und in Rheinland-Pfalz minus sechs Prozent.
Kerstin Plehwe
“Trotzdem nochmal nachgefragt, Frau Kirchhof …”. Eine dialoganalytische Untersuchung des Fernseh-Duells im Wahlkampf 2005
Auszug
Die überraschende Ankündigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Mai 2005, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen — mit der klaren Absicht, diese zu verlieren und den Prozess zu frühzeitigen Neuwahlen in Gang zu bringen — hatte vermutlich die gesamten Langzeitplanungen der Parteien, aber auch der Medien durcheinander gewirbelt. Es mussten nun die Vorbereitungen für die Wahlkampfberichterstattung zu den eigentlich für 2006 geplanten Bundestagswahlen vorangetrieben werden. Bei den TV-Sendern mit angedacht: Fernsehduelle zwischen den beiden aussichtsreichsten Kandidaten.
Christoph Tapper, Thorsten Quandt
Die Kampagne im Fernsehen — Agens und Indikator des Wandels. Ein Vergleich der Kandidatendarstellung
Auszug
Bisher hat noch immer das Fernsehen die größte Bedeutung für die Orientierung der Wähler im Wahlkampf. In Umfragen rangiert das Fernsehen mit Abstand an der Spitze relevanter Informationsquellen der Wähler (Geese, Zubayr & Gerhard, 2005). Es behauptet seine dominierende Stellung trotz vieler neuer Möglichkeiten der Internet-basierten Kampagnenführung. Das liegt nicht zuletzt an der für die Zuschauer attraktiven, durch Personalisierung lebendigen und durch Dramatisierung spannenden Politikvermittlung. Die Fernsehdebatten der Kanzlerkandidaten in den Wahlkämpfen 2002 und 2005 haben das eindrucksvoll unterstrichen. Das Fernsehen ist besonders empfänglich für Inszenierungen und für spektakuläre Aktionen. Es reflektiert in den Nachrichten schlaglichtartig die auffälligsten Ereignisse und Themen des Wahlkampfs und wird dabei gern auch für die “politische Kampagne” der Parteien vereinnahmt (Radunski, 1980).
Winfried Schulz, Reimar Zeh
Die Normalisierung des Sonderfalls? Die Wahlkampfberichterstattung der Presse 2005 im Langzeitvergleich
Auszug
Die Bundestagswahl am 18. September 2005 war die sechzehnte seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 (und die fünfte seit der Wiedervereinigung 1990). Nach so vielen Wahlen über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg handelte es sich inzwischen längst um einen Vorgang demokratischer Routine. Gleichwohl stellte diese Bundestagswahl einen “Ausnahmefall” dar. Denn sie fand ein Jahr vor Ablauf der regulären Legislaturperiode statt und kam auf verfassungsrechtlich problematische Weise zustande. Nach mehreren für die SPD verloren gegangenen Landtagswahlen, zuletzt am 22. Mai 2005 in Nordhein-Westfalen, strebte Bundeskanzler Gerhard Schröder vorzeitige Neuwahlen noch im gleichen Jahr an. Er wollte — nach eigenen Worten — sich und der rot-grünen Bundesregierung damit ein neues Mandat verschaffen und insbesondere deren Durchsetzungsvermögen gegenüber einem von CDU/CSU (und der FDP) dominierten Bundesrat zurückgewinnen. Die Auflösung des alten Bundestages und die Ansetzung von Neuwahlen waren jedoch umstritten, konnten aber erreicht werden, nachdem die damit befassten Verfassungsorgane — der Bundespräsident und das Bundesverfassungsgericht — den Weg dafür frei gemacht hatten.
Jürgen Wilke, Carsten Reinemann
Stimmungen und Wählerstimmen — was die Papstwahl mit der Bundestagswahl zu tun hat (und mit Fußball)
Auszug
Wie wir etwas beurteilen, hängt nicht nur vom Objekt ab und von den Maßstäben, die wir daran anlegen. Es wird vielmehr auch davon beeinflusst, in welcher Stimmung wir uns befinden. Dieser psychologische Mechanismus vermag auch die polische Urteilsbildung zu beeinflussen und kann daher bei Wahlen eine Rolle spielen. Der Einfluss von Stimmungen auf Wahlergebnisse ist nicht so erheblich, wenn gute und schlechte Laune der einzelnen Bürger, je nach subjektivem Befinden, in der gesamten Bevölkerung zufällig verteilt sind und sich somit im Aggregat tendenziell aufheben. Stimmungen sind vielmehr dann ein wichtiger Faktor, wenn sie sich gleichgerichtet in der Bevölkerung ausbreiten. Bestimmte Ereignisse sind nämlich dazu geeignet, die Stimmung weiter Teile einer Nation synchron zu erfassen. Die wichtigsten Bedingungen hiefür liegen darin, dass ein solches Ereignis erstens für einen Großteil der Bevölkerung emotionales Potenzial besitzen muss und darüber hinaus, zweitens, einem Großteil auch zur Kenntnis gelangt — was im Wesentlichen durch die Massenmedien zustande gebracht wird. Beide Kriterien treffen regelmäßig auf sportliche Großereignisse mit nationaler Beteiligung zu, die Rekordreichweiten in Presse und Fernsehen erzielen. In Deutschland ist in dieser Hinsicht zuvorderst der Fußballsport dazu geeignet, die Laune einer ganzen Nation zumindest kurzfristig zu synchronisieren.
Weimar Zeh, Lutz M. Hagen
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Massenmedien im Wahlkampf
herausgegeben von
Christina Holtz-Bacha
Copyright-Jahr
2006
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90383-5
Print ISBN
978-3-531-15056-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90383-5