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2010 | OriginalPaper | Buchkapitel

Die Medien in Mittelosteuropa

verfasst von : Marc Stegherr, Kerstin Liesem

Erschienen in: Die Medien in Osteuropa

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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In den mittelosteuropäischen Staaten beklagen sich die einheimischen Journalisten weniger über ihren mangelnden Einfluss auf Politik und Gesellschaft als über die auch inhaltliche Dominanz westeuropäischer Medienkonzerne. Was in Rumänien die WAZ, ist in Tschechien die Verlagsgruppe Passau. 85 Prozent des Medienmarktes in Osteuropa wird von ausländischem Kapital kontrolliert, darunter drei Viertel von deutschem Kapital. Dabei wird gerne gefragt, wie die deutschen Leser reagieren würden, wenn deutsche Traditionsblätter wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Süddeutsche Zeitung“, „Handelsblatt“, „Spiegel“, „Stern“ und „taz“ alle im Besitz US-amerikanischer und Schweizer Verlage wären. Lediglich das linke „Neue Deutschland“ und die rechte „Junge Freiheit“ erschienen in einem deutschen Verlag. Mag sein, dass diese dennoch alle gute Zeitungen wären, aber würden die Deutschen das akzeptieren? Nicht nur in den beschriebenen südosteuropäischen, auch in mittelosteuropäischen Staaten sind vergleichbare Verhältnisse längst Realität. Deutsche Verlage kontrollieren bereits über die Hälfte des gesamten Pressemarktes, ganz vorne dabei der WAZ-Konzern und die Verlagsgruppe Passau, die in Deutschland mit ihrer Regionalzeitung „Passauer Neue Presse“ bekannt ist. In Prag gehört lediglich eine Zeitung einem tschechischen Verlag – das ehemals als „Rude Pravo“ bekannte Organ der Kommunistischen Partei, eine jetzt nur noch „Pravo“ genannte Tageszeitung. Alle übrigen Zeitungen und Magazine befinden sich im Besitz ausländischer Verlage. Fünf Unternehmen, zwei deutsche, ein Schweizer und ein finnisches kontrollieren 80 Prozent der tschechischen Zeitungen und Zeitschriften. Der größte Verleger, gemessen an der Auflage, ist die „Vltava-Labe-Press“ (VLP), die mehrheitlich der „Passauer Neuen Presse“ gehört. Die Passauer nutzten die Gunst der Stunde und kauften zahlreiche Regionalblätter, die sich oft im Besitz von weitgehend zahlungsunfähigen Kommunen befanden. Die „Vltava-Labe- Press“ besitzt heute elf Regionalzeitungen und 13 Wochenzeitungen. Zwar erklärte das Passauer Verlagshaus, der Verlag nehme keinen Einfluss auf die Inhalte, schon deshalb nicht, weil „man als Deutscher keine tschechische Zeitung machen könne“. Prager Journalisten machten aber andere Erfahrungen. Sie erklären, dass es in bestimmten Fällen Direktiven seitens der deutschen Verlagseigner gegeben habe. So habe es, als „VLP“ 1999 den traditionsreichen Fußballclub „Sparta Prag“ kaufen wollte, Anweisungen für die Redaktionen gegeben, die Kaufabsicht der Verlagsgruppe in der Berichterstattung zu unterstützen. Nachdem die Passauer den Fußballclub gekauft hatten, sollten dann die „Vorteile für Sparta“ herausgestellt werden. Neben der Passauer Verlagsgruppe ist auch die Düsseldorfer „Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft“ („Rheinische Post“) in Tschechien aktiv. Sie besitzt einen Anteil von 20 Prozent an der „VLP“. Die „Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft“ bringt über ihre Gesellschaft „Mafra“ die „Mladá fronta Dnes“, die auflagenstärkste seriöse Tageszeitung Tschechiens (350.000 Exemplare), sowie die liberalkonservativeine Tageszeitung, „Lidové noviny“, (70.000 Exemplare), heraus. In der Frage der Sudetendeutschen kam es zum offenen Konflikt zwischen der tschechischen Regierung und den deutschen Medien. In beiden Blättern wurde die Politik der tschechischen Regierung scharf kritisiert. Die „Mladá fronta Dnes“ verlangte von der Regierung in Prag nicht nur eine offizielle Entschuldigung bei den Sudetendeutschen, sondern auch Entschädigungen für die Vertreibung der Deutschen. Kulturminister Pavel Dostal beklagte sich nach einer Kabinettssitzung, dass die Zeitungen des eigenen Landes, die sich „in deutscher Hand“ befänden, zunehmend einseitig über die Beneš-Dekrete berichteten.

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Metadaten
Titel
Die Medien in Mittelosteuropa
verfasst von
Marc Stegherr
Kerstin Liesem
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92487-8_3