2010 | OriginalPaper | Buchkapitel
Die Medien in Osteuropa
verfasst von : Marc Stegherr, Kerstin Liesem
Erschienen in: Die Medien in Osteuropa
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Die osteuropäischen Staaten Russland, Ukraine und Weißrussland haben als Kernländer der Sowjetunion mehr als sechs Jahrzehnte unter der kommunistischen Diktatur gelitten und haben noch heute mit den Folgen einer Gesellschaftslehre zu kämpfen, die offene Diskussion, Meinungs- und Pressefreiheit als illegitim betrachtet solange sie nicht das herrschende System unterstützt. Die Wirkung dieses Komplexes reicht von offener Einflußnahme, finanziellem Druck auf die Redaktionspolitik bis zu aktiver Verfolgung und Ermordung andersdenkender Journalisten und Medienschaffender. In Vorbereitung auf die olympischen Winterspiele im russischen Soči hörte man zwar allenthalben vom ehrlichen Willen, Russland der Welt als demokratische, offene Gesellschaft zu präsentieren. Zugleich mußten internationale Medienvertreter feststellen, daß sie an einer vorbehaltlosen Berichterstattung gehindert wurden. Berichte über Zwangsumsiedlungen, Natur-zerstörungen und Korruption im Vorfeld der Spiele führten zu Verwarnungen jener Journalisten, die darüber in westlichen Medien geschrieben hatten, bis hin zu offener Behinderung und Verweigerung von Akkreditierungen. In solchem und ähnlichem Verhalten erkennt mancher das Erbe der untergegangenen Sowjetunion wieder. Kritisches Denken ist verpönt, die Medien hätten den Staatsinteressen zu dienen, die gleichbedeutend mit denen der führenden Partei sind, genauer gesagt mit denen der Putin-Partei „Einiges Russland“ („Jedinaja Rossija“, Единая Россия). Auch die russische Gesellschaft hat gewisse Komplexe aus der Sowjetzeit noch nicht überwunden, was sich ebenfalls negativ auf die Medien auswirkt. Die sowjetische Gesellschaft war allen Verlautbarungen zum Trotz keineswegs anti-bourgeoise-offen, sondern ein Hort des Spießbürgertums, das nur akzeptieren wollte, was den Normen entsprach. Alles andere wurde negiert oder als Konsequenz westlich-dekadenten Einflusses abgetan.