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2015 | OriginalPaper | Buchkapitel

5. Die Moralisierung der Finanzmärkte als eine Kritik der zunehmenden Finanzmarktorientierung? Die empirische Analyse

verfasst von : Eva-Maria Walker

Erschienen in: Die Moralisierung der Finanzmärkte als Fiktion

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Wir haben im vergangenen Abschnitt darauf verwiesen, dass sich in Kritik an den kurzfristigen Verzinsungsinteressen der Kapitalmarktakteure jüngst eine Debatte um das Verhältnis von „Wirtschaft“ und „Moral“ entsponnen hat. Zugrunde liegt dieser Debatte die Annahme, dass durch wirtschaftliches Handeln eine „moralische Gemeinschaft“ respektive eine „nachhaltige“ Wirtschaft etabliert werden kann. Problematisch sind die hier entworfenen Szenarien meines Erachtens aber deshalb, da die den Argumentationen zugrunde liegenden Moralverständnisse tautologisch sind oder den Moralbegriff funktionalistisch verkürzen. Mit Blick auf die empirische Frage, ob Märkte „moralische“ Gemeinschaften erschaffen können, sind diese folglich wenig trennscharf. Wir haben daher vorgeschlagen, für die Analyse „nachhaltiger“ Wirtschaftsformen ein sozial-konstruktivistisches Handlungsverständnis zugrunde zu legen, das die wechselseitigen Konstitutionsverhältnisse zwischen subjektivem Sinn und gesellschaftlich konventionalisiertem Sinn in den Blick nimmt. Damit kann nicht nur den historisch und sozial spezifischen Bedingungsverhältnissen von „Moral“ und dessen Wandel Rechnung getragen werden, sondern auch der strukturell bedingten Machtasymmetrie kapitalistischer Wirtschaftsordnungen.

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Fußnoten
1
Siehe ausführlicher Abschn. 5.3.2.
 
2
Anders als „konventionelle“ Finanzinvestoren verfügen „nachhaltige“ Finanzinvestoren meist über ein fachwissenschaftliches Studium (v. a. naturwissenschaftliche Studiengänge), das durch die Finanzausbildung lediglich ergänzt wird. Vergleiche dazu ausführlicher Abschn. 5.3.1.2.
 
3
Für eine Übersicht der „Strukturmerkmale“ der analysierten „nachhaltigen“ Aktienfonds, siehe Anhang 2. Dass diese nur bedingt Aufschluss über die Begründungsordnungen der Befragten geben, werden wir im Verlauf der Auswertung der empirischen Daten sehen.
 
4
Auf das Problem „interessierter Bewertungen“ sowie den strukturellen Interessenkonflikten zwischen Universalbanken und Investmentbanken kommen wir noch zu sprechen (vgl. Abschn. 5.2).
 
5
Legende: „→“ Kapitalfluss; „⇢ “ Informationsfluss. Die mit dem Fondsmanagement, dem Fondsvertrieb sowie der Fondsanalyse befassten Befragten haben die fett markierten Aufgabenfelder inne
 
6
Der der qualitativen Sozialforschung oftmals zum Vorwurf gemachten mangelnden Objektivität in der Datenauswertung wurde dadurch begegnet, dass die zentralen Auswertungsschritte im Methodenkolloquium an der Universität Bielefeld diskutiert wurden.
 
7
Wir sprechen hier bewusst nicht von „Typologien“ (Kelle und Kluge 2010, S. 83 ff.), da diese entlang von mehreren Kategorien gebildet werden, wir uns aber in der Auswertung auf nur eine Dimension beschränken.
 
8
Bereits lange vor Stehr (2007) hat Hedtke (2001) eine Konsumtheorie vorgelegt, die an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Gesellschaft ansetzt, auf die Stehr in seinem Anspruch eine „Gesellschaftstheorie“ entwickeln zu wollen, aber keinen Bezug nimmt. Dies muss deshalb überraschen, da Hedtke hier im Anschluss an die Konventionenökonomik die These vertritt, dass Konsum in all seinen Grunddimensionen (im Kern: „Knappheit“, „Bedürfnis“, „Nutzen“, „Präferenz“ sowie das „Konsumgut“ selbst) als sozial konstruiert zu betrachten ist (ebd.: S. 263 ff., 281 ff.). Damit ist seine Analyse des Konsumhandelns weitaus präziser als jene von Stehr. So kann es nämlich für eine Beantwortung der Frage, ob Marktteilnehmer ethisch und ökologisch bewusst konsumieren wollen und welche Handlungsmotive sie damit verbinden, m. E. nicht genügen zu erklären, dass die Motivstrukturen der Verbraucherrolle mit jener der Staatsbürgerrolle „im Verlaufe einer Moralisierung der Märkte in zunehmend hybriden Logiken des Handelns verschmelzen“ (Stehr 2007, S. 305) und dies darüber hinaus zu einem „Selbstverständnis vieler Menschen“ (ebd.) geworden sein soll. Damit ist weder geklärt, wie Konsumenten in ihrer Rolle und Verantwortung als Staatsbürger aktiviert werden können (Hedtke 1999) und welche „Eigenwilligkeiten“ hier aufseiten der Verbraucher zu finden sind, noch warum es überhaupt gesellschaftlich legitim sein soll, den Verbraucher in seiner Rolle als Staatsbürger zur Verantwortung zu ziehen. Dass dieser Legitimierungsprozess keinesfalls abgeschlossen ist, zeigte erst jüngst die Debatte um die skandalösen Arbeitsbedingungen bei dem Versandhandel amazon, bei der sich Verbraucherschutzverbände aktiv von ihrer Verantwortung gegenüber den Beschäftigten distanziert haben.
 
9
Dass die „Wirkmächtigkeit“ der Exit-Option kontextabhängig und je nach Kapitalmarktexposition des betreffenden Unternehmens zu beurteilen ist, haben wir in Abschn. 2.​2. im Anschluss an Faust und Bahnmüller (2010) bereits belegt.
 
10
Und auch aktuell gering geblieben ist: Der Anteil „nachhaltiger“ Anlageklassen (13,1 Mrd. €) (Eurosif 2012, S. 40) am gesamten deutschen Fondsvermögen (2.009,9 Mrd. €) (BVI 2013, S. 1) bleibt auch im Jahre 2012 unter 1 %.
 
11
„BRIC“ ist die Abkürzung für die vier Staaten Brasilien, Russland, Indien und China, die weltweit die größten Wachstumsraten aufweisen (vgl. C1_PM1). Wie bei jedem Investmenttrend besteht freilich auch hier die Gefahr einer Blasenbildung, wie der befragte Produktmanager bekennt: „Das war ein Trend, da war eine Nachfrage, die wurde befriedigt. So schlimm teilweise, dass man da sehr vorsichtig sein muss, denn, […] es gibt noch nicht so viele Unternehmen in diesen Ländern, in die investiert werden kann. […], da gibt es so Klumpenrisiken, die man gar nicht so richtig absehen kann.“ (C1_PM1).
 
12
Mit knapp 200 länderspezifischen „Governance Risk“-Indikatoren versucht die – mittlerweile zu MSCI gehörende – Ratingagentur ISS (Institutional Shareholder Services) die Risiken der Unternehmenskontrolle messbar zu machen. Grundsätzlich gilt gemäß der zugrunde liegenden These informationseffizienter Märkte, dass die Kontrolleffizienz – und damit die Unternehmensperformance – mit der Anzahl der externen Mitglieder im Kontrollgremium steigt (ISS 2010, S. 28 ff.). Allerdings werden im Rating die jeweils national-spezifischen Gesetzgebungen zur Unternehmenskontrolle berücksichtigt (bspw. dem dualen System der Unternehmenskontrolle in Deutschland versus dem monistischen System in Großbritannien).
 
13
Wie der Übersicht über die analysierten Fonds (siehe Anhang 2) zu entnehmen ist, haben wir nur Publikumsfonds untersucht. Es ist daher auf den ersten Blick überraschend, wenn wir uns hier auf die Erwartungen der institutionellen Investoren beziehen. Da mittlerweile aber auch institutionelle Kunden infolge von Bilanzierungsvorteilen in Retailfonds investieren, werden wir deren Erwartungen ebenfalls in Rechnung stellen.
 
14
Vergleiche dazu ausführlicher Abschn. 5.3.1.1. und 5.3.1.2.
 
15
Bei den genannten Befragten findet sich diese Systematisierung in „Reinform“. Sie findet sich allerdings ebenfalls – wir werden darauf jeweils verweisen – bei den oben bereits zitierten Fondsmanagern und Analysten.
 
16
Vergleiche dazu auch Abschn. 3.​3.​1.
 
17
Umgekehrt heißt dies dann aber auch, dass sich der Interessenpluralismus des „deutschen Modells“ nicht nur normativ mit den ideellen Grundfesten der „industriellen Demokratie“ erklären lässt, sondern diese den (damaligen) Qualifikationsvorsprung und die Innovationstätigkeit der deutschen Industrie gegenüber potentiellen Standorten im Ausland erst ermöglicht hat. Streeck (2008) spricht daher auch von „Fairness als Bedingung für Effizienz“ (ebd.: S. 172).
 
18
Auffällig ist, dass vier der analysierten Aktienfonds nach dem Anlagestil „growth“ investieren (siehe Anlage 2), allerdings nur im Fall von Investmentbank I6 „nachhaltige“ Bewertungskriterien als Begründung für die Wachstumsstrategie ins Feld geführt werden. Das heißt, aus der zugrunde liegende Anlagestrategie kann noch nicht kausal auf die tatsächliche Investmentpraxis geschlossen werden.
 
19
Zur Erinnerung: Das unternehmensspezifische Risiko gibt Auskunft über das Investitionsrisiko des betreffenden Unternehmens im Vergleich zum Markt. Eingang finden hier unterschiedliche Faktoren wie beispielsweise die Finanzierungsstruktur des Unternehmens, die Liquidität der Aktie, aber auch Fragen der Transparenz und damit der Unternehmensstruktur (Stichwort: Konglomeratsabschlag) (vgl. Abschn. 2.​3).
 
20
Wir kommen an dieser Stelle nicht auf alle, aus Sicht der Befragten relevanten Unternehmensrisiken zu sprechen. Als problematisch wird u. a. ebenfalls wahrgenommen: das Problem der Kinderarbeit sowie die fehlende Berücksichtigung der EU-Textilrichtlinie (I4_PF1) oder Qualitätsprobleme bei ausgelagerten Unternehmensteilen (I2_PF1).
 
21
Wir lassen hier die in der Theoriedebatte um den Neo-Institutionalismus so zentrale Frage unberücksichtigt, ob Meyer und Rowan (1977) als den Gründervätern des Neo-Institutionalismus ihrem Argument einen kontingenztheoretischen, also entscheidungstheoretischen Zuschnitt verliehen haben oder vielmehr konstitutionstheoretisch argumentieren, also die Annahme zugrunde legen, dass Unternehmen infolge von Pfadabhängigkeiten gar nicht anders können als Leitbildern zu folgen, da diese als selbstverständlich gelten und so strategisch gar nicht verfügbar sind (vgl. zu dieser Unterscheidung Türk 2000, S. 132 ff.). Entscheidend ist für uns an dieser Stelle, dass sich die befragten Analysten lediglich funktional auf die genannten Investmentleitbilder beziehen.
 
22
Damit zeigt sich erneut (vgl. Abschn. 5.1), dass das Erfolgskriterium „neue Ideen“ für die Beurteilung der Analystenarbeit nicht nur für die sell-side-Analyse gilt (Faust et al. 2010, S. 48 ff.) – also für jene Analysten, die dem Wertpapiervertrieb zugeordnet sind und dementsprechend neue Ideen generieren müssen, um den Wertpapierumsatz zu steigern –, sondern offensichtlich auch für die von uns befragten buy-side-Analysten, deren Erfolgsbeurteilung unabhängig vom Wertpapierumsatz ist. Ob sich hierin ein Aspekt des professionellen Selbstverständnisses von Analysten offenbart, können wir aber auf Basis unseres Materials nicht beurteilen.
 
23
Wir haben dies exemplarisch gezeigt am Beispiel des Wandels von der „Würdigung“ zur „Bewunderung“, der Segmentation von Anerkennung nach der strategischen Bedeutsamkeit der betreffenden Beschäftigtengruppe sowie des strategischen Charakters von symbolischer Anerkennung, die nicht bloß eine vergangene Leistung würdigt, sondern die Erwartung zukünftiger Leistungen mit kommuniziert (vgl. Abschn. 3.​3.​2).
 
24
Ebenfalls außer Acht lassen wir sogenannte „best product“-Anlagestrategien, die in Investmentbank I6 und I8 als zusätzliche Anlagestrategie zum Einsatz kommen. Gemeint ist damit eine Anlagestrategie, die in Unternehmen wegen ihrer „nachhaltigen“ Produkte wie beispielsweise Solaranlagen, Ökostrom oder – bezogen auf die soziale Nachhaltigkeit – Mikrokredite investiert. Dies interessiert an dieser Stelle deshalb nicht, da es uns ja um die Frage geht, ob durch den Kapitalmarkt „sozial-nachhaltige“ Unternehmensstrategien initiiert werden können.
 
25
Entscheidend für die Investoren ist nie nur die Frage, so ein befragter Fondsmanager (I1_PF2), „Wie verändert sich die Firma? Die zweite Überlegung ist: Wie, denkt man, ändert sich die Wahrnehmung der anderen Investoren? Und dann muss man auch noch mal überlegen, wie könnte das eine mit dem anderen interagieren, welche Punkte sind dazwischen.“
 
26
Auf eine ausführliche Diskussion der Begründungsordnungen „nachhaltiger“ Anlagestrategien kommen wir in Abschn. 5.3.2 zu sprechen.
 
27
Wir haben festgehalten, dass wir weder aus der Fristigkeit des Anlagehorizonts auf die Fristigkeit von Unternehmensstrategien schließen können noch aus der erwarteten Investorenrendite auf die zu erwirtschaftende Unternehmensrendite und dem damit verbundenen Wandel in der Unternehmensstrategie (Abschn. 3.​2). Viel entscheidender im Hinblick auf den Vermarktlichungstrend betrieblicher Strukturen erscheint uns vielmehr die kontinuierliche Kommunikation von Fristigkeiten und Renditeerwartungen seitens der Investoren, die die betrieblichen Prozesse „kollektiven Lernens“ (Deutschmann 2005a) unterwandern (Abschn. 3.​3). Wenn wir hier nun trotzdem einen Vergleich zwischen konventionellen und „nachhaltigen“ Anlagehorizonten und erwarteten Investorenrenditen ziehen, dann deshalb, um den „nachhaltigen“ Anlageprozess auf seine Trennschärfe zu konventionellen Unternehmensbewertungen zu prüfen.
 
28
Wir können hierzu keine systematische Aussage treffen, da auch die konventionellen Analystenteams unterschiedlich stark aufgestellt sind. Daher an dieser Stelle nur der exemplarische Vergleich zwischen einem Automobilanalysten (I5_A1), der etwa 100 Unternehmen analysiert, während ein befragter Nachhaltigkeitsanalyst (I6_A) ungefähr 350 Unternehmen zu analysieren hat.
 
29
Dies ist zum einen die „Global Reporting Initiative“ (GRI) – einer Vereinigung „nachhaltiger“ Investoren –, die eine Standardisierung zentraler Nachhaltigkeitsindikatoren einfordert (Material C2/2; Global Reporting Initiative 2006) sowie die Bemühungen der DVFA – der Vereinigung „konventioneller“ Analysten und Fondsmanager – branchenspezifisch standardisierte „key performance indicators“ in die Konzernberichterstattung aufzunehmen.
 
30
Das unterzeichnende Investmenthaus verpflichtet sich hierbei – und die Einhaltung dieser Verpflichtung wird wiederrum vom Verband kontrolliert – über die Investmentkriterien, das Bewertungsverfahren sowie die Umsetzungstiefe transparent zu berichten (Eurosif 2009).
 
31
Der Vollständigkeit halber hier die Angaben für die von uns untersuchten Fonds: In drei von sechs Investmenthäusern wurde die eurosif-Transparenzleitlinie unterzeichnet (I4, I6, I7).
 
32
Dass dieses einem externer Beobachter nicht zur Verfügung gestellt wird, ist wenig überraschend, wenn man weiß, dass dieses das proprietäre Gut eines jeden Fondsmanager ist. Wenn die Stiftung Warentest nun gleichwohl beansprucht, Nachhaltigkeitsfonds zu „überprüfen“ (Stiftung Warentest 2010, S. 29 ff.), so tut sie dies lediglich auf einer Formalebene und prüft die Kriterien der Nachhaltigkeitsanalyse (z. B. Art und Umfang der Ausschlusskriterien, Transparenz der Kriterien); von einer „Kontrolle“ der Umsetzung kann daher m. E. nicht die Rede sein.
 
33
Gerade bei Unternehmen mit einer geringen Marktkapitalisierung (als Richtgröße wird eine Marktkapitalisierung von 500 Mio. genannt, I2_PF1) kann die Exit-Strategie gar nicht kurzfristig gewählt werden, ohne damit nicht selbst kursbeeinflussend zu wirken (vgl. I2_PF1; Faust et al. 2010, S. 16 ff.).
 
34
Die Daten für diese Auflistung stammen zum einen aus der öffentlich zugänglichen Indexzusammensetzung des DJSI STOXX, die Auskunft über die investierten Unternehmen gibt (SAM 2010, S. 98 ff.), und zum anderen wurde uns die mittlerweile nicht mehr öffentlich zugängliche Zusammensetzung des DJ STOXX zum obigen Stichtag (05.11.2009) freundlicherweise vom Indexanbieter STOXX zur Verfügung gestellt.
 
35
Für eine Übersicht über alle Branchen, siehe Anhang 5.
 
36
Vergleiche dazu Abschn. 2.​3.
 
37
Bis auf zwei Analystenteams wird die Nachhaltigkeitsanalyse von der Finanzanalyse auf die hier dargestellte Art und Weise unterschieden. Bei den anderen beiden Teams „rahmt“ die Nachhaltigkeitsanalyse tatsächlich die Interpretation der Finanzdaten (vgl. Abschn. 5.2.2.2).
 
38
Hier eine Kausalrelation aufzustellen, wäre – neben den beiden oben benannten Gründen – auch deshalb schwierig, da das Investitionsvolumen „nachhaltiger“ Aktienfonds gemessen am Grundkapital der investierten Unternehmen viel zu gering ist, um über eine Exit-Androhung im Unternehmen der Option „Voice“ Gehör zu verschaffen.
 
39
Gemäß der konventionellen Unterscheidung zwischen Privatkunden und institutionellen Kunden ist es mit Blick auf die Übersicht über die analysierten Fonds (siehe Anhang 2) irritierend, wenn wir hier von institutionellen Investoren sprechen, wir aber nur Publikumsfonds untersucht haben. Diese Trennlinie zwischen den beiden Kundengruppen kann mittlerweile aber nicht mehr so strikt gezogen werden, da auch institutionelle Kunden vermehrt in Retailfonds investieren und zwar deshalb, da diese infolge der täglichen Kurswertbestimmung leichter zu bilanzieren sind (vgl. I1_PF1; I4_PF1).
 
40
Wenn wir hier von den Erwartungen der Kunden sprechen, dann beziehen wir uns auf die Erwartungserwartungen der Fondsmanager bzw. auf empirische Befunde aus der Literatur.
 
41
Allerdings wird sowohl von den von uns befragten Fondsmanagern als auch in den zitierten Studien kritisiert, dass es grundsätzlich – und bei Nachhaltigkeitsfonds im Speziellen – methodisch schwierig ist, eindeutige Korrelationen zwischen der Outperformance eines Fonds und bestimmten Fondseigenschaften (z. B. Anlagestil, regionaler Anlageschwerpunkt) zu ermitteln, da sich Scheinkorrelationen einschleichen können. Für den vorliegend interessierenden Fall der „nachhaltigen“ Aktienfonds sind es die „size effects“, die die Performanceanalyse verzerren: So galten zum Zeitpunkt der Befragung kleinere Unternehmen (small caps) als performancestark und gleichzeitig investieren Nachhaltigkeitsfonds vor allem in kleinere Unternehmen; eine eindeutige Kausalursache ist somit nur schwerlich methodisch sauber zu begründen. So fasst ein befragter Fondsmanager zusammen: „Meine Aussage ist nicht: Nachhaltigkeit performt besser oder schlechter. Sondern die Aussage ist: man muss ein bisschen vorsichtig sein, denn es ist nicht alles Apfel gleich Apfel.“ (I2_PF1). Allerdings investieren alle von uns untersuchten „nachhaltigen“ Aktienfonds in „large cap“-Unternehmen (siehe Aufstellung über die Fonds, Anhang 2), sodass wir zumindest für deren Performance dieses Methodenproblem nicht in Rechnung stellen müssen.
 
42
Für Fondsmanager, die institutionelle Kunden wie Kirchen, Stiftungen oder Versicherungen betreuen, ist die Performanceeinschätzung des eigenen Fonds noch schwieriger. Diese sind in ihrer Beurteilung nicht nur mit der mangelnden Vergleichbarkeit der Benchmark konfrontiert, sondern der Vergleichsmaßstab ist ihnen nicht einmal bekannt. So konkurriert der Fondsmanager hier mit anderen Anlageklassen wie beispielsweise dem Geldmarkt und mit Konkurrenzfonds, deren Zusammensetzung für ihn nicht transparent ist (I1_RM1).
 
43
Dies begründet sich darin, dass Ratinganbieter in einem Wettbewerb zueinander stehen und so in ihrer Konzeption der Messindikatoren auf ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Konkurrenzanbietern achten (Postert 2007).
 
44
Freilich lässt sich hier nun methodisch einwenden, dass wir mit diesem Design nur die Selbsteinschätzung der Fondsperformance durch die Fondsmanager erhoben haben und diese aber nicht – aus den oben genannten Gründen der mangelnden Vergleichbarkeit – vermittels eines eigenen Performancevergleichs überprüft haben. Gerade weil es uns ja aber vorliegend nicht um eine Aussage über die absolute Renditehöhe von Nachhaltigkeitsfonds im Vergleich zu konventionellen Fonds geht, sondern um die Frage nach dem Wechselverhältnis zwischen Fremderwartung durch die Kunden und Selbsterwartung des Fondsmanagements, erscheint uns dieses Vorgehen als angemessen.
 
45
So könnte man neben der hier getroffenen Unterscheidung zwischen Privatinvestoren und institutionellen Investoren noch überprüfen, ob und wenn ja, wie sich die Erwartungen der Kunden von Privatbanken von jenen der Landesbanken sowie der Genossenschaftsbanken unterscheiden.
 
46
Er hat die in der Investmentbranche übliche Ausbildung zum „Chartered Financial Analyst“ (CFA) absolviert, die ihm neben Finanzwissen die Legitimation in der Finanzbranche sicherstellt.
 
47
Vergleiche dazu Abschn. 4.​3.
 
48
Bekannte Nachhaltigkeitsratingagenturen sind oekom, SiRi, sarasin (ist Teil der Investmentgesellschaft sarasin und gilt daher in der Bewertung als nicht unabhängig), innovest und KLD (gehören mittlerweile beide zur RiskMetricsGroup, einem konventionellen Risikoanalysten), SAM (ist Teil der Investmentgesellschaft robeco und gilt daher in der Bewertung ebenfalls als nicht unabhängig) und asset 4.
 
49
Für eine Übersicht aller Indikatoren zur Bemessung sozialer Nachhaltigkeit, siehe Anhang 3.
 
50
Dieser Wandel verliefe dann analog zu dem Befund, den Streeck und Thelen (2005) für den Wandel der Mitbestimmung festhalten: Die Institution der Mitbestimmung bleibt in ihrer formalen Struktur unangetastet, allerdings ändern sich ihre Zielsetzungen („conversion“). Höpner (2003) belegt dies am Beispiel der ausgeprägten „co-management“-Orientierung der Betriebsräte.
 
51
Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass freiwillige betriebliche Sozialleistungen in der Bewertungspraxis dann doch keine Rolle spielen. Alle Indikatoren zur Beurteilung der sozialen Nachhaltigkeit werden laut der vorliegenden Nachhaltigkeitsratingbögen gleich stark gewichtet.
 
52
Für eine ausführliche Übersicht der Nachhaltigkeitsindikatoren zum Thema „Mitbestimmung“ (darunter fallen beispielsweise auch Fragen zur Gesundheits- und Arbeitssicherheit, zur Arbeitszeit, zum Anteil der befristeten Verträge sowie zur Entlohnung) siehe Anhang 3.
 
53
Gemäß des Prinzipal-Agenten-Theorems werden „Unternehmen als Ansammlung sicherungsbedürftiger Verträge beschrieben“ (Maurer 2008, S. 20). Infolge der Informationsasymmetrie zuungunsten der Eigentümer (Prinzipale) sind nun zuvorderst deren Interessen zu sichern und nicht jene der Agenten in Form der (Unternehmens-)Mitbestimmung.
 
54
Die Argumente der Mitbestimmungskritiker berufen sich oftmals auf theoretische Plausibilitätsüberlegungen in der Tradition der Institutionenökonomik, ohne diese empirisch zu überprüfen. So wird beispielsweise befürchtet, dass größere Aufsichtsräte wegen der längeren Entscheidungswege ineffizientere Entscheidungen treffen (widerlegt durch die Studie von Jürgens und Lippert 2012); eine Vergrößerung des Aufsichtsrates infolge der Aufnahme von Arbeitnehmervertretern muss folglich gemäß der Annahmen des Prinzipal-Agenten-Theorems mit Blick auf die „Entscheidungseffizienz“ als nachteilig beurteilt werden. Zum zweiten sehen die Kapitaleigentümer in ihrer Position als externe Beobachter in der Unternehmensmitbestimmung die Gefahr einer Koalition zwischen dem Management und der Belegschaft („Koalitionsthese“, Streeck 2007), was die Möglichkeit zur Kontrolle durch die Kapitaleigentümer einschränke. In beiden Argumenten blendet die institutionalistische Kritik an der Unternehmensmitbestimmung damit den Gegenstand der Kontrolle aus (Vergütungsfragen des Managements versus unternehmensstrategische Entscheidungen, Abschn. 3.​1) und beschränkt sich auf Indikatoren der Transaktionskostentheorie wie der Größe des Aufsichtsrats oder der Kontakthäufigkeit der Aufsichtsratsteilnehmer.
 
55
Bereits sprachlich bleibt man im Duktus der Prinzipal-Agenten-Debatte.
 
56
Ähnliche Hoffnungen werden auf Mitbestimmungsforen kommuniziert, wie beispielsweise dem Mitbestimmungsforum „Zukunftsfähige und nachhaltige Arbeitsgesellschaft durch Mitbestimmung, Partizipation und Teilhabe“ (24.06.2009) in Hannover.
 
57
Auch wenn wir die „Versuchung“ der gewerkschaftlichen Interessenvertreter, in den „nachhaltigen“ Investoren neue Bündnispartner zu suchen, eher kritisch beurteilen, darf freilich nicht ausgeblendet werden, dass Tarifparteien eine Antwort auf die Erosion der klassischen Sozialpartnerschaft finden müssen (Dietmar Hexel, Geschäftsführender DGB-Bundesvorstand); eine Erosion, die sich nicht nur auf der Makroebene begründet (Erosion des Flächentarifvertrags), sondern eben auch in einem gewandelten Selbstverständnis der Mitglieder nach gesellschaftlicher Teilhabe. In den „nachhaltigen“ Unternehmensstrategien wird sodann eine Chance zur Interessenvertretung jenseits des „ideologischen Ballasts“ gesehen.
 
58
Wir haben im vergangenen Abschnitt den Wandel in der deutschen Mitbestimmungslandschaft knapp skizziert.
 
59
Dass sich die Kapitalseite an einer Verknüpfung beider Gesprächsformen wenig stört, zeigt – nebenbei bemerkt – ebenfalls der Tarifvertragsentwurf der Arbeitgeberseite. Auch hier wird die Möglichkeit, das Qualifizierungsgespräch mit dem Leistungsbeurteilungsgespräch zu verknüpfen, explizit eingeräumt (Bahnmüller und Fischbach 2005, S. 111).
 
60
Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass sich nur Kapitalmarktakteure – und nicht auch das unternehmensinterne Human Resource Management – für die „Performancerelevanz des Personals“ interessieren. Auch hier besteht die Gefahr, dass betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen mit Blick auf die Realisierung der Unternehmensziele instrumentalisiert werden (Kels und Vormbusch 2005, S. 42). Dies liegt zum einen in dem gewandelten Selbstverständnis des Personalwesens begründet und zum anderen in der Tatsache, dass das Personalwesen – als einer Abteilung, die an der Unternehmenswertschöpfung nicht unmittelbar beteiligt ist – seit der marktorientierten Dezentralisierung unter einen Legitimationsdruck geraten ist, seinen Beitrag zur Gesamtwertschöpfung des Unternehmens zu begründen (Faust et al. 2010, S. 139 ff.). Wir werden diese Parallele in der folgenden Argumentation nun deshalb nicht weiter ausführen, da es uns ja um die Frage geht, ob es „nachhaltigen“ Kapitalmarktakteuren – im Unterschied zu „konventionellen“ Investoren – gelingen kann, gemäß ihres Selbstanspruches die organisationalen und personalen Voraussetzungen für innovatives Handeln zu schaffen.
 
61
Wir kommen noch darauf zu sprechen, dass auch in der konventionellen Unternehmensbewertung Personalabbauprogramme nicht zwangsläufig und vor allem nicht dauerhaft positiv honoriert werden müssen (Faust et al. 2007; Mausbach 2008).
 
62
Vergleiche dazu Abschn. 2.​2: So belief sich die Umsatzrendite deutscher Aktiengesellschaften im Jahr 2000 auf durchschnittlich 9,4 % und war damit im Vergleich zu britischen Aktiengesellschaften gerade einmal halb so hoch (19,2 %) (Streeck und Höpner 2003, S 25).
 
63
Dass Rentabilitätsfragen auch aus Sicht „nachhaltiger“ Investoren relevant sind bzw. relevant bleiben – so haben wir in Abschn. 5.3.1.2. festgehalten – kann allerdings nicht nur mit den Erwartungen des Anlegerpublikums begründet werden, sondern vor allem auch mit der (professionellen) Selbsterwartung der Fondsmanager.
 
64
Dieses Argument reiht sich ein in eine Auswertung der Deutschen Bundesbank von Jahresabschlüssen der in Deutschland ansässigen Unternehmen für den Zeitraum von 1997 bis 2007. So ist der durchschnittliche Lohnkostenanteil von 19,7 % auf 16 % abgesunken (Deutsche Bundesbank 2009, S. 21) und die Lohnstückkosten sind in den osteuropäischen Staaten bzw. China – als den „klassischen“ Verlagerungsstandorten – angestiegen (Stein et al. 2012). Beides hat zur Folge, dass mit der Verlagerung von Unternehmensteilen nur noch bedingt Produktivitätsvorteile infolge von Lohnkostenvorteilen zu erzielen sind.
 
65
Dies heißt weder, dass Unternehmensverlagerungen überhaupt nicht mehr stattfinden, noch dass auf diese Weise keine Wettbewerbsvorteile mehr erzielt werden könnten; nur: diese begründen sich nicht mehr primär in den Lohnkosten. Wenn Verlagerungen stattfinden, so jüngst eine Fraunhofer-Studie, so finden diese vor allem mit dem Ziel der Markterschließung statt (Kinkel und Maloca 2008; vgl. auch Dohmen 2009; Magenheim 2008).
 
66
Vergleiche Abschn. 3.​3.
 
67
Abgesehen davon, sind die Risiken aus Sicht der externen Beobachter auch schwieriger einzuschätzen als die entstehenden Kostenvorteile, die leicht rechenbar gemacht werden können, wie ein von den Autoren befragter Analyst zu bekennen gibt (Faust et al. 2010, S. 88).
 
68
Im Gegensatz zur zweiten Form der Segmentierung, die dem spezifischen Blick der Kapitalmarktakteure geschuldet ist. Nur der Kapitalmarkt – und nicht das Management – kann „objektive“ und damit „effiziente“ Anlageentscheidungen treffen, weshalb auch die Entscheidung, in welchen Branchen Weiterbildungsmaßnahmen erfolgsversprechend sind, gemäß der neoklassischen Portfoliotheorie besser den Investoren zu überlassen ist.
 
69
Vergleiche Abschn. 3.​3.
 
70
Vergleiche Abschn. 5.3.1.2.
 
Metadaten
Titel
Die Moralisierung der Finanzmärkte als eine Kritik der zunehmenden Finanzmarktorientierung? Die empirische Analyse
verfasst von
Eva-Maria Walker
Copyright-Jahr
2015
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-05502-8_5