Die „Neue Dolomitenbahn“. Das Herzstück der Vision einer alpinen Eisenbahnlinie von Genf nach Venedig.
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Zusammenfassung
1 Der verkehrspolitische Rahmen
Mit der Eröffnung des Brenner-Basistunnels (BBT)1 und der Fertigstellung wichtiger Eisenbahnverbindungen vor allem in Deutschland, Österreich und Frankreich – aber auch in Italien – wird Bozen, als Landeshauptstadt der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, sicherlich in der Nord-Süd-Verbindung ganz neue verkehrstechnische Potenziale ausschöpfen können. Von Bozen aus werden Dank des BBT innerhalb weniger Stunden wichtige Städte und Handelszentren wie München, Berlin, Paris, Prag oder Frankfurt erreichbar sein. Diesen Meilenstein der Mobilität macht die Politik des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V)2 der Europäischen Union möglich.
Die Europäische Union strebt die Entwicklung eines europaweiten Netzes an Eisenbahnlinien, Straßen, Binnenwasserstraßen, Seeschifffahrtswegen, Häfen, Flughäfen und Eisenbahnterminals an. Das Ziel dieses groß angelegten Verkehrskonzeptes für den europäischen Kontinent besteht darin, Verkehrslücken zu schließen, Engpässe und technische Barrieren zu beseitigen sowie den sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalt in der EU zu stärken und somit auch die Grundlage für die Entwicklung des Binnenmarktes und das Zusammenwachsen der Menschen zu erwirken.3
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Die Europäische Union hat allerdings in der eigenen TEN-V-Politik keine von Westen nach Osten durch die Alpen querende Verkehrsverbindung vorgesehen, was aus Sicht der EU durchaus verständlich und nachvollziehbar ist. Dabei wäre eine derartige Verbindung im Alpenraum nicht nur eng mit Nachhaltigkeit, Natur- und Landschaftsschutz und der Wahrung der Schönheit dieses Gebietes verbunden, sondern würde sich insbesondere auch positiv auf den öffentlichen Nahverkehr sowie auf den Tourismussektor auswirken.
Einige Avantgarde-Projekte in den Alpen beweisen, dass die Bahn seit Jahrzehnten auch in Bergregionen ein ideales Verkehrsmittel darstellen kann. Beispielhaft bezeugt dies der Glacier-Express.4 Der „langsamste Schnellzug der Welt“5 bringt Fahrgäste seit 1930 über 291 Brücken, durch 91 Tunnel und über den 2033 m hohen Oberalppass nahe der Quelle des Rheins. Heute gilt der Glacier-Express als eine der bedeutendsten touristischen Attraktionen in Europa.6 Ein nicht weniger eindrucksvolles Bahnprojekt ist der Bernina-Express (BEX),7 der zwischen St. Moritz (CH) und Tirano (ITA) verkehrt.
2 Die Vision einer Eisenbahnlinie zwischen Genf und Venedig
Vor wenigen Jahren präsentierte das Südtiroler Unternehmen SAD Nahverkehr AG/SAD Trasporto locale S.p.A.,8 welches im öffentlichen Personennahverkehr tätig ist, eine verkehrstechnische und verkehrspolitische Vision einer von Osten nach Westen die Alpen überquerenden Eisenbahnverbindung.
Der Grundgedanken besteht darin, zur Vervollständigung eines alpinen Verkehrskreuzes, nach der Verwirklichung der Eisenbahnachse Berlin – Palermo, dem TEN-Prioritätsprojekt Nr. 1, das von Norden nach Süden verläuft, auch eine alpine Eisenbahnachse von Westen nach Osten zu schaffen. Diese sollte in Genf/Genève (CH) beginnen und in Venedig/Venezia (ITA) enden. Von Genf aus sind Lyon und Marseille und somit das französische und spanische Eisenbahnnetz leicht erreichbar. Von Venedig aus kann über Triest der Osten Europas eisenbahnmäßig erschlossen werden.
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Diese Verbindung würde sich in ihrer Funktion jedoch tief greifend von jener der TEN-V Achsen unterscheiden: Sie sollte hauptsächlich dem Personenverkehr dienen und nicht eine Schnellstrecke darstellen, sondern für den regionalen Nahverkehr konzipiert sein. Der Zusammenschluss von Genf und Venedig würde die touristische Attraktivität der Verbindung maßgeblich steigern, aber bereits der Ausbau von regionalen Teilstücken, wie z. B. die Dolomitenbahn von Bozen bis Cortina d’Ampezzo, wäre für die betreffende Region äußerst bedeutsam.
2.1 Die Trasse
Innerhalb der Schweiz besteht bereits ein ausreichendes Eisenbahnnetz von Genf bis nach Scuol. Die Trasse führt dabei über eine Normalspur (standard gauge) auf dem Netz der Schweizerischen Bundesbahnen AG (SBB)9 von Genf über Lausanne, Fribourg, Bern, Zürich bis nach Landquart.
Ab Landquart führt die Trasse über Klosters Platz zum Bahnhof Scuol-Tarasp in Graubünden auf einer Schmalspur (narrow gauge) des schweizerischen Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmens Rhätische Bahn (RhB).10
Vom Bahnhof Scuol-Tarasp (CH) bis nach Mals/Malles Venosta (ITA) fehlt es an einer Bahnverbindung. Eine solche müsste errichtet werden, wobei es sich um keine unmögliche Aufgabe handeln dürfte, zumal Mals im Vinschgau rund 22 km Luftlinie von Scuol entfernt ist.
Ab Mals fährt die Vinschgaubahn,11 die von der SAD Nahverkehr AG als Eisenbahnverkehrsunternehmen betrieben wird, auf einer Normalspurbahn der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA), einer In-house-Gesellschaft der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, bis Meran/Merano (ITA).
Von Meran führt dann die Meraner Bahnlinie,12 eine einspurige Normalbahn unter der Verwaltung von Rete Ferroviaria Italiana (RFI),13 nach Bozen.
In Bozen (Region Trentino-Südtirol, Provinz Bozen-Südtirol) sollte dann die neue Dolomitenbahn starten, die zuerst für einen kurzen Teil der Brennerbahn14 folgen und dann über das Schlerngebiet und Gröden nach Cortina d’Ampezzo (Region Venetien/Veneto, Provinz Belluno) führen würde.
Von Cortina d’Ampezzo aus müsste wiederum eine Eisenbahnlinie errichtet werden, um den nächstgelegenen Bahnhof zu erreichen, der sich in Calalzo di Cadore (Venetien/Veneto, Provinz Belluno), rund 30 km weiter südlich befindet. Eine Eisenbahnverbindung zwischen Cortina und Calalzo bestand bereits im Rahmen der alten Dolomitenbahn bis zum Mai 1964.15 Ab Calalzo besteht bereits eine Eisenbahnlinie, welche über Belluno nach Venedig/Venezia Santa Lucia führt. Netzbetreiber letztgenannter Bahnlinie ist RFI, während der Dienst von Trenitalia abgewickelt wird.
3 Die „Neue Dolomitenbahn“
3.1 Der sozioökonomische Rahmen
Das Land Südtirol ist eine im Herzen der Alpen eingebettete Tourismusregion, welche sowohl im Sommer als auch im Winter auf zwei starke Saisonen aufbaut. Laut dem Südtiroler Landesinstitut für Statistik ASTAT16 verzeichneten die Beherbergungsbetriebe im Tourismusjahr 2018/2019 rund 33,6 Millionen Nächtigungen und 7,7 Millionen Ankünfte.17 Das Grödental18 wie auch das Hochabteital19 zählen vor allem im Winter – da sie auch Austragungsort von FIS Ski-Weltcuprennen sind20 – aber auch im Sommer zu den erfolgreichsten touristischen Destinationen Südtirols. Dasselbe darf von Cortina d’Ampezzo21 gesagt werden: Cortina war bereits in den Jahren 1932 und 1941 Austragungsort der alpinen Ski-Weltmeisterschaften und im Jahre 1956 sogar Austragungsort der VII. Olympischen Winterspiele. 2021 haben wiederum die alpinen Ski-Weltmeisterschaften22 stattgefunden und im Jahre 2026 soll Cortina gemeinsam mit Mailand/Milano die XXV. Olympischen Winterspiele23 austragen.
Ein guter Teil Südtirols ist bereits im Halbstundentakt mit der Eisenbahn vernetzt, welche inzwischen eine tragende Säule des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) bildet.24
Bislang blieben allerdings – zumindest in den letzten 50 Jahren – konkrete Bestrebungen, das Dolomitengebiet mittels Eisenbahn zu erschließen, aus. Ein alpines Eisenbahnangebot – wie wir es aus der Schweiz beispielsweise mit dem genannten Glaciere-Express oder dem Bernina-Express kennen – fehlt bislang gänzlich in den Dolomiten. Während des Ersten Weltkrieges, als das Dolomitengebiet noch Teil der Österreichisch-Ungarische Monarchie war, wurden mehrere „alpine“ Eisenbahnen betrieben, die teilweise auch in den Kriegsjahren aus militärischen Nachschub-Notwendigkeiten entstanden sind.25 In diesem Zusammenhang sind die „alte“ Dolomitenbahn (oder Ampezzanerbahn)26 von Toblach nach Calalzo, die im Jahre 1964 aufgelassen wurde, sowie die Grödnerbahn27 von Klausen nach Wolkenstein/Plan, die im Jahre 1915 errichtet und im Jahre 1960 eingestellt wurde, hervorzuheben. Beide Bahnen würden heute touristische Hochburgen bedienen.
Eine neue Dolomitenbahn zwischen Bozen und Cortina d’Ampezzo würde heute neun Gemeinden mit rund 30.000 Einwohnern,28 rund 55.000 Gästebetten29 und weitere rund 30.000 Betten in Zweitwohnungen, sowie jährlich 1,3 Millionen Ankünfte und 6,8 Millionen Nächtigungen30 bedienen.
Aus ethnopolitischer Sicht würde die neue Dolomitenbahn das dolomitenladinische Gebiet, d. h. das geschlossene Siedlungsgebiet der dolomitenladinischen Bevölkerung,31 das im Jahre 192332 und 192733 auf drei verschiede Provinzen aufgeteilt wurde, zumindest zwischen Gröden und Ampezzo eisenbahntechnisch verbinden.
3.2 Die Verpflichtung zum nachhaltigen Landschafts- und Umweltschutz in den Alpen und Dolomiten
Am 26. Juni 2009 hat das Welterbe-Komitee der UNESCO34 im Rahmen seiner 33. Sitzung in der Stadt Sevilla in Spanien weite Teile der Dolomiten in die Liste des Welterbes der Menschheit aufgenommen.
Die landschaftliche Schönheit dieses Gebietes sowie ihre geologische und geomorphologische Bedeutung wurden als weltweit einzigartig eingestuft.35 Daraus entsteht für die öffentlichen Körperschaften eine klare Verpflichtung zum nachhaltigen Schutz der Landschaft und Umwelt.
Der ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreter Südtirols und Präsident der Stiftung Dolomiti – Dolomiten – Dolomites – Dolomitis UNESCO36 Richard Theiner machte im Rahmen der Aktion des Landes Südtirols Dolomitesvives37 darauf aufmerksam, dass jährlich rund 1,2 Millionen Fahrzeuge allein rund um den Sella-Stock in den Dolomiten unterwegs sind, was einer Anzahl von 2300 Fahrzeuge pro Tag entspricht.38
Es gibt mittlerweile auch Beispiele von Tourismusdestinationen, die sich autofrei entwickeln wollen und dabei auf die Erreichbarkeit mittels Bahn setzen, so z. B. Zermatt im schweizer Kanton Wallis.39 Die Dolomitenbahn könnte ein geeignetes Instrument für ähnliche Entwicklungen in den Dolomiten darstellen.
3.3 Die Trasse
Die Bahntrasse der neuen Dolomitenbahn würde in Bozen starten, da mit der Fertigstellung des BBT und der Dynamisierung der TEN-Linie Berlin-Palermo viele Züge in Südtirol – um eine schnelle Anbindung der europäischen Millionenstädte entlang der TEN-Linie zu garantieren – wahrscheinlich nur mehr dort – wenn überhaupt – halten werden. Da die neue Dolomitenbahn vor allem auch touristischen Interessen zu Grunde liegt und Touristen aus der ganzen Welt ansprechen soll, scheint es unumgänglich, diese beim Südtiroler Hauptbahnhof in Bozen abzuholen.40
Die Eisenbahntrasse soll von Bozen über das Schlern-Hochplateau (Völs, Seis, Kastelruth) durch das Grödental (Pontives, St. Ulrich, St. Christina, Wolkenstein) ins Gadertal (Kolfuschg, Corvara, Stern, St. Kassian) und schließlich über den Valparola- und Falzaregopass bis nach Cortina d’Ampezzo führen. Die Gesamtstrecke wäre ca. 85 km lang und in 2 Stunden und 17 Minuten zu bewältigen.
Das Projekt sieht 19 Bahnhöfe/Haltestellen vor, wobei die Züge auf der Gesamtstrecke im 30-Minuten-Takt und in Gröden im 15-Minuten-Takt verkehren würden. Als Haltestellen wurden strategische Knotenpunkte gewählt, um sich auch der bereits bestehenden Aufstiegsanlagen zu bedienen, die Teil der wichtigen touristischen Infrastrukturen sind. Die Bahn könnte auch nachts oder in den Wintermonaten für den Güterverkehr genutzt werden.
Nachstehend findet sich eine Übersicht der Bahnhöfe mit den zu bewältigenden Kilometern ab dem Startbahnhof in Bozen samt der jeweils notwendigen Zeit im simulierten Normalbetrieb:41
Nr. 1: Bozen | km 0,0 | 0 min |
Nr. 2: Blumau | km 8,3 | 8 min |
Nr. 3: Völs | km 14,9 | 22 min |
Nr. 4: Seis | km 20,9 | 30 min |
Nr. 5: Kastelruth | km 24,5 | 34 min |
Nr. 6: Pontives | km 30,5 | 43 min |
Nr. 7: St. Ulrich | km 33,7 | 46 min |
Nr. 8: St. Christina | km 38,7 | 51 min |
Nr. 9: Wolkenstein | km 41,2 | 59 min |
Nr. 10: Plan de Gralba | km 43,4 | 63 min |
Nr. 11: Grödnerjoch | km 46,9 | 70 min |
Nr. 12: Kolfusch | km 53,1 | 86 min |
Nr. 13: Corvara | km 54,1 | 89 min |
Nr. 14: Stern | km 58,1 | 92 min |
Nr. 15: St. Kassian | km 61,0 | 95 min |
Nr. 16: Falzarego-Pass | km 70,3 | 110 min |
Nr. 17: Cinque Torri | km 72,0 | 117 min |
Nr. 18: Pocol | km 77,0 | 125 min |
Nr. 19: Cortina d’Ampezzo | km 83,0 | 137 min |
3.4 Das Rollmaterial – Eine Zahnradbahn die gleichzeitig normale Eisenbahn ist.
Für die neue Dolomitenbahn ist ein eigenes Rollmaterial notwendig, um den unterschiedlichen Notwendigkeiten des Geländes gerecht zu werden.
So wird ein gemischtes Bahnsystem aus Adhäsions- und Zahnradantrieb vorgeschlagen, welches steile Gelände als Zahnradbahn meistern und flachere Strecken als Adhäsionsbahn bewältigen kann.
Die Vorteile eines solchen Systems sind nicht unerheblich: Die Länge der Bahnlinie wird verringert, große Eingriffe – lange Tunnels oder Brücken – werden vermieden und für die Fahrgäste würde die Fahrt ein Naturerlebnis in den Dolomiten darstellen. Während die Adhäsionsstrecke 35 km betragen soll, sind für die Zahnradstrecke 40 km vorgesehen, wobei die maximale Steigung bei 12 % liegt.
3.5 Die Kosten und die Finanzierung
Das Projekt Dolomitenbahn wurde im Jahr 2016 mit Kosten von ca. 1,8 Milliarden Euro veranschlagt: Davon würden 1,6 Milliarden Euro für den Bau der Strecke und 200 Millionen Euro für den Kauf der Züge eingeplant.
Als Finanzierungsmodell schlug die SAD Nahverkehr AG eine öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP)42 vor, bei welcher im Kernpunkt dem privaten Unternehmen als Gegenleistung für den Bau der Bahnlinie eine möglichst lange öffentlich-rechtliche Konzession für den Betrieb der Bahnlinie eingeräumt werden sollte.
Darüber hinaus sollte bei einem Projekt dieser Größenordnung aber auch eine direkte Beteiligung der Länder/Regionen, des Staates und der EU erfolgen. Im Modell des vorgenannten privaten Unternehmenssollte diese zusätzliche Finanzierung zu 50 % durch öffentliche Zuschüsse (davon 30–40 % durch die Europäische Union und die restlichen 10–20 % durch das Land Südtirol und die Region Veneto), zu 35 % durch Darlehen (z. B. durch die Europäische Investitionsbank oder die Cassa Depositi e Prestiti) und zu 15 % durch Risikokapital, also durch von privaten oder institutionellen Anlegern bereitgestelltes Eigenkapital (equity) erfolgen.
Bei einer angenommenen Konzessionsdauer von 50 Jahren würde dieses Modell einen jährlichen Betriebszuschuss von rund 50 Million Euro bedürfen.
Die Neue Dolomitenbahn würde neun Gemeinden mit zwar nur rund 30.000 Einwohnern, jedoch mit einem starken, durch den Tourismus generiertes Bruttoinlandsprodukt, bedienen. So könnte der veranschlagte Kosten-Betrag von 1,8 Milliarden Euro zu einem beträchtlichen Teil durch Einsparungen sowie durch zusätzliche Steuereinnahmen, welche durch die Bahn generiert würden, gedeckt werden. Im simulierten Modell würden beispielsweise Einsparung aus reduzierten Busdiensten (ca. 3 Millionen Euro), der Besteuerung des Einkommens der Betreibergesellschaft (ca. 10 Millionen Euro), den Steuern aus zusätzlichem Bruttoinlandsprodukt bei einer zusätzlichen Million an Nächtigungen (ca. 32 Millionen Euro) oder eventuelle zusätzliche Tourismusabgaben (ca. 16 Millionen Euro) eine zusätzliche Finanzierungshilfe generiert. Die Ersparnisse bzw. Steuereinnahmen der eben genannten ersten drei Positionen, welche einen Gesamtbetrag von 45 Millionen Euro ausmachen, würden ausschließlich durch die Existenz der Bahn generiert. Des Weiteren würde sich im genannten Modell bei vorgesehenen jährlichen Betriebskosten von 16 Millionen Euro und Einnahmen von 21 Millionen Euro sogar ein Verwaltungsüberschuss in Höhe von 5 Millionen Euro ergeben.
4 Abschließende Betrachtungen
Die Idee einer alpinen Eisenbahnlinie von Genf nach Venedig als verkehrstechnische Ergänzung zu den alpenquerenden Nord-Südkorridoren der TEN-V-Politik der Europäischen Union verdient vertieft zu werden. Dies allein deshalb, weil eine derart gestaltete Eisenbahntrasse neben dem sanften Mobilitäts- und Transportaspekt, sowohl im schweizerischen wie im italienischen Teil, einen touristischen und insgesamt wirtschaftlichen Mehrwert generieren könnte.
Dieser Umstand spiegelt sich in besonderer Weise gerade bei der „Neuen Dolomitenbahn“ wider. Zum einen ist sie so konzipiert – und das wurde oben beim simulierten Zeitplan im Normalbetrieb dargestellt –, dass sie die Funktion des öffentlichen Personennahverkehrs übernehmen und verbessern kann. Zum anderen wäre sie eine touristische Attraktion – vor allem für das dolomitenladinische Gebiet (Gröden-Gadertal-Cortina) – und würde eine umweltbewusste und ökologisch vertretbare Erschließungsmöglichkeit für das einzigartige UNESCO Weltnaturerbe der Dolomiten darstellen.
Die Trassierung der Bahnlinie der Neuen Dolomitenbahn würde über eine Strecke von rund 85 km zwischen Bozen und Cortina d’Ampezzo über das Schlerngebiet, das Grödental, das Hochabteital und den Falzarego Pass verlaufen und dabei neun Gemeinden mit rund 30.000 Anrainern durchqueren, die in zwei unterschiedlichen italienischen Regionen (und Provinzen) liegen. Die Neue Dolomitenbahn würde drei Sprachgebiete – und zwar das italienische, das deutsche und das ladinische – durchqueren.
Die Fahrzeit würde insgesamt zwischen 120 und 150 Minuten betragen, wenn sie rund 20 Haltestellen bzw. Bahnhöfe anfahren würde. Das Fahrdienstangebot könnte im 30-Minuten-Takt verlaufen, für das touristische Gröden sogar im 15-Minuten-Takt.
Die Gesamtinvestition dürfte grob geschätzt bei 1,8 Milliarden Euro liegen, wobei rund 1,6 Milliarden Euro für den Bau und der Rest für den Erwerb von Zügen, die sowohl mit einem Adhäsions- wie auch mit einem Zahnrad-System ausgestattet wären, eingesetzt werden müssten. Dieser technologische Ansatz, nämlich die Alternanz von Adhäsionstechnologie bei der Fortbewegung in ebenem Gelände und das Zahnradsystem bei den Steigungen (die maximale Steigung beträgt beim vorliegenden Projekt ca. 12 %) ist innovativ und in der Praxis heute noch selten.
Grundsätzlich ist die Idee, dieses Projekt über eine öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) zu verwirklichen, sicherlich zu befürworten. Aufgrund der Größe des Projektes ist eine direkte finanzielle Beteiligung der Länder/Regionen, des Staates und der EU unumgänglich. Eine private Beteiligung würde zudem die unternehmerischen Elemente einfließen lassen, die bei Pionierleistungen einen klaren Mehrwert bringen können. Zudem könnte eine langjährige Konzession an ein privates Unternehmen, das an der Planung und Verwirklichung der Bahn beteiligt ist, die Anfangsschwierigkeiten besser bewältigen und eine gewisse Kontinuität und Beständigkeit des Projektes in den ersten Jahrzehnten nach dem Bau der Linie garantieren.
Die Grundvoraussetzung für die Verwirklichung ist zum einen die Akzeptanz der Anrainerbevölkerung, zum anderen aber auch ein politischer Wille, der nicht nur auf regionaler sondern auch auf staatlicher Ebene vorhanden sein muss, zumal ohne den Einsatz Italiens ein Zugriff zu den Fördermöglichkeiten der Europäischen Union kaum möglich sein dürfte.
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