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2014 | OriginalPaper | Buchkapitel

Die Verfassung Ägyptens von 2012 – Betrachtungen aus verfassungstheoretischer Perspektive

verfasst von : Dr. Anja Schoeller-Schletter

Erschienen in: Demokratie und Islam

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Die post-revolutionäre ägyptische Verfassung von 2012 entstand im Kontext eines heftigen politischen Machtkampfes. Auf der einen Seite standen die ‚Islamisten‘, auf der anderen sammelten sich alle anderen politischen Gruppierungen, Liberale, Linke, Nasseristen und Anhänger des alten Regimes. Mit dem Preis einer tiefen gesellschaftlich-politischen Spaltung wurde der von der Opposition heftig kritisierte Verfassungsentwurf der von den ‚islamistischen Gruppierungen dominierten Verfassunggebenden Versammlung in einem Referendum im Dezember 2012 mit 63,4 % Ja-Stimmen (bei einer Wahlbeteiligung von 32,9 %) angenommen und mit der Unterzeichnung durch den Präsidenten Mohammed Mursi in Kraft gesetzt.

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Fußnoten
1
Dekret von Übergangspräsident Adli Mansour am 8. Juli 2013 (siehe unten das Kap. 1.4 zum Verfassungsgebungsprozess).
 
2
Beispielsweise, Naseef Naeem 2008.
 
3
Solche leisteten etwa Al-Ali 2013 und Mabrouk 2013.
 
4
Zur Geschichte der ägyptischen Verfassungen siehe Perry 2004, S. 76, 89–90, 109–113; Botman 1998, S. 306–307 sowie Feuille 2011, S. 239–243.
 
5
Für eine Zusammenfassung der aus verfassungspolitischer Sicht kritischen Punkte in der Verfassung von 1971 und Hinweise auf änderungsbedürftige Regelungen im Vorfeld der Verabschiedung einer neuen Verfassung siehe Moustafa 2012.
 
6
Zur Übergangszeit siehe Naeem 2012.
 
7
Englische Übersetzung in Brown und Ottaway 2012.
 
8
Grundlage der Analyse ist der am 30. November 2012 von der Verfassunggebenden Versammlung beschlossene Entwurf in seiner inoffiziellen englischen Übersetzung in Youssef 2012. Die Zitate in deutscher Sprache beruhen auf einer Übersetzung der Autorin, teilweise unter Rückgriff auf das arabische Original. Seither erschien eine weitere englische Übersetzung in Saleh 2012.
 
9
Eine von der Übergangsregierung ernannte 10-köpfige Verfassungskommission aus Juristen wird mit der Ausarbeitung von Änderungsvorschlägen betraut. Diese werden dann von einem 50-köpfigen, ebenfalls durch die Übergangsregierung bestimmten Gremium, ähnlich wie in einer Verfassunggebenden Versammlung, überarbeitet und dem Volk in Form eines Referendums zur Abstimmung vorgelegt. Bei Annahme dieser Vorschläge per Referendum soll die entsprechend abgeänderte Verfassung von 2012 wieder in Kraft treten.
 
10
Teil I „Staat und Gesellschaft“ (2012) vereint die Teile I und II der Verfassung von 1971, und Teil II „Rechte und Freiheiten“ (2012) die früheren Teile III und IV.
 
11
In der Verfassung von 1971 stand in diesem Teil an erster Stelle das „Staatsoberhaupt“, danach die Legislative (nur „Volkskammer“), dann die Exekutive einschließlich Präsident, Regierung, Lokalverwaltung und speziellen nationalen Behörden. Der Schura-Rat, den die Reform von 1980 in die Verfassung von 1971 unter „Neue Bestimmungen“ einfügte, wurde am Ende des Dokuments geregelt, zusammen mit einem Kapitel zur Presse.
 
12
Die Verfassung von 1971 (Art. 164) sah die allgemeine Möglichkeit zur Einrichtung von speziellen nationalen Beratungsgremien vor, „in allen Bereichen von nationalem Interesse“.
 
13
In der Verfassunggebenden Versammlung war diskutiert worden, ob das semi-präsidiale System beibehalten werden solle. Die Partei der Muslimbruderschaft war für ein parlamentarisches System eingetreten, die liberalen Parteien für ein präsidiales System. Siehe Sabry 2012.
 
14
Gemäß den Verfassungsentwürfen vom 24. Oktober und 11. November 2012 hätte der Präsident nur 10 Mitglieder ernannt.
 
15
Im Vorfeld war diskutiert worden, den Schura-Rat gänzlich zu streichen, da er in bisheriger Form als bedeutungslos erachtet wurde. In der Verfassunggebenden Versammlung setzte sich dann aber die Meinung durch, der Schura-Rat sei durch die Zuweisung neuer Kompetenzen zu stärken.
 
16
Die Versetzung der Richter ist erfahrungsgemäß in autoritären Regierungssystemen ein Druckmittel, um politisch unliebsame Richter aus bestimmten Positionen zu entfernen und in entlegene Gebiete des Landes zu versetzen. Dies war beispielsweise gängige Praxis in Paraguay unter Stroessner und in Usbekistan unter Karimov.
 
17
Im Verfassungsentwurf vom 24.10.2013 war dem Verfassungsgericht noch die Kompetenz zu einer Art verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen zugesprochen.
 
18
Der Mangel an Festlegungen (Richterernennung, Verwaltung etc.) im Bereich der Justiz wurde als eines der Hauptdefizite schon der Verfassung von 1971 identifiziert. Vgl. Moustafa 2012, S. 9.
 
19
Dieses Gremium war im Verfassungsentwurf vom 24.10. noch nicht vorgesehen.
 
20
Im Verfassungsentwurf vom 24.10 war alternativ eine solche Ausnahmeregelung noch explizit ausgeschlossen worden. Gleichzeitig war eine Klausel in die Grundrechte aufgenommen, die ausnahmslos alle Verfahren gegen Zivilisten vor Militärgerichten verbot.
 
21
In der Verfassunggebenden Versammlung hatte die salafistische Nur-Partei auf eine Neufassung des Art. 2 gedrungen („The laws of Islamic Sharia are the source of legislation“ statt „The principles of Islamic Sharia are the principle source of legislation“). Art. 219 ist Ergebnis eines Kompromisses. Dazu erneut Sabry 2012.
 
22
´Zur bisherigen Rechtssprechung siehe Moustafa 2010.
 
23
Der Artikel geht auf einen Vorschlag durch die salafistische Nur-Partei zurück. Der amtierende Großscheich der al-Azhar, Ahmed El-Tayeb, kritisierte den Artikel, da er drohe, die al-Azhar zum Kern einer Theokratie zu machen und den Großscheich zu einem „islamischen Papst“ (Sabry 2012).
 
24
Der Verfassungsentwurf vom 24.10. sah, wie auch die Verfassung 1971, die einfache Mehrheit der Mitglieder beider Legislativkammern als ausreichend an.
 
25
Dies war bereits als einer der zentralen Mängel der Verfassung von 1971 identifiziert worden, mit dem wichtigen Hinweis darauf, dass „courts, that operate completely independant of majoritarian institutions can also pose a risk to democracy and the protection of basic rights“ (Moustafa 2012, S. 9, S. 12).
 
26
Dazu beispielsweise Schoeller-Schletter 2007.
 
27
Vgl. Naeem 2008.
 
28
Vgl. Moustafa 2012, S. 7.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Botman, Selma. 1998. The liberal age, 1923–1952. In The Cambridge history of Egypt, Bd. 2: Modern Egypt from 1517 to the end of the twentieth century, Hrsg. M. W. Daly, 285–308. Cambridge. Botman, Selma. 1998. The liberal age, 1923–1952. In The Cambridge history of Egypt, Bd. 2: Modern Egypt from 1517 to the end of the twentieth century, Hrsg. M. W. Daly, 285–308. Cambridge.
Zurück zum Zitat Feuille, James. 2011. Reforming Egypt’s constitution. Hope for Egyptian democracy? Texas International Law Journal 47 (1): 237–259. Feuille, James. 2011. Reforming Egypt’s constitution. Hope for Egyptian democracy? Texas International Law Journal 47 (1): 237–259.
Zurück zum Zitat Moustafa, Tamir. 2010. The Islamist trend in Egyptian law. Politics and Religion 3: 610–630.CrossRef Moustafa, Tamir. 2010. The Islamist trend in Egyptian law. Politics and Religion 3: 610–630.CrossRef
Zurück zum Zitat Moustafa, Tamir. 2012. Drafting Egypt’s constitution. Can a new legal framework revive a flawed transition? (Brookings Center—Stanford Project on Arab Transitions, Paper Series, Bd. 1). Moustafa, Tamir. 2012. Drafting Egypt’s constitution. Can a new legal framework revive a flawed transition? (Brookings Center—Stanford Project on Arab Transitions, Paper Series, Bd. 1).
Zurück zum Zitat Naeem, Naseef. 2008. Einflüsse der Religionsklausel auf die Verfassungsgebung in islamisch geprägten Ländern. In Islam und Rechtsstaat zwischen Scharia und Säkularisierung, Hrsg. Krawietz Birgit und Reifeld Helmut, 77–86. Konrad Adenauer Stiftung. Naeem, Naseef. 2008. Einflüsse der Religionsklausel auf die Verfassungsgebung in islamisch geprägten Ländern. In Islam und Rechtsstaat zwischen Scharia und Säkularisierung, Hrsg. Krawietz Birgit und Reifeld Helmut, 77–86. Konrad Adenauer Stiftung.
Zurück zum Zitat Naeem, Naseef. 2012. Vom Abgang des Staatspräsidenten bis zur Verkündung der verfassungsrechtlichen Erklärung für die Übergangszeit. Ein Bericht über den verfassungsrechtlichen Weg Ägyptens nach Mubarak. In Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Neue Folge 60: 643–660. Naeem, Naseef. 2012. Vom Abgang des Staatspräsidenten bis zur Verkündung der verfassungsrechtlichen Erklärung für die Übergangszeit. Ein Bericht über den verfassungsrechtlichen Weg Ägyptens nach Mubarak. In Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Neue Folge 60: 643–660.
Zurück zum Zitat Perry, Glenn E. 2004. The history of Egypt. Greenwood histories of the modern nations. Westport. Perry, Glenn E. 2004. The history of Egypt. Greenwood histories of the modern nations. Westport.
Zurück zum Zitat Schoeller-Schletter, Anja. 2007. Structural deficits in legal design and excessive executive power in the context of transition in Uzbekistan. In Patterns of transformation in and around Uzbekistan, Hrsg. Sartori Paolo und Trevisani Tommaso, 134–149. Reggio Emilia. Schoeller-Schletter, Anja. 2007. Structural deficits in legal design and excessive executive power in the context of transition in Uzbekistan. In Patterns of transformation in and around Uzbekistan, Hrsg. Sartori Paolo und Trevisani Tommaso, 134–149. Reggio Emilia.
Metadaten
Titel
Die Verfassung Ägyptens von 2012 – Betrachtungen aus verfassungstheoretischer Perspektive
verfasst von
Dr. Anja Schoeller-Schletter
Copyright-Jahr
2014
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19833-0_15