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16.11.2022 | Digital Leadership | Schwerpunkt | Online-Artikel

Charismatisch führen wie in Game of Thrones

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

4:30 Min. Lesedauer

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Charisma entfaltet sich auch auf Distanz. Führungskräfte, die charismatische Taktiken beherrschen, können Mitarbeitende besonders gut über digitale Kanäle im Homeoffice für Aufgaben und Ziele begeistern, ergibt eine Forschungsarbeit. Drachenmutter Daenerys Targaryen macht es vor.

Vor allem im Austausch über Videocall sorgt Charisma für einen stimmigen Gesamteindruck, der motivierend wirkt, so ein Teilergebnis der Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die in der Zeitschrift "The Leadership Quarterly" veröffentlicht wurde. Aber ist Charisma nicht eine Gabe, die einem Menschen in die Wiege gelegt wurde? Kaum. Wer als Führungskraft noch den Ideen der Great-Man-Theory nachhängt, die postuliert, dass Menschen als Leader geboren werden müssen und Eigenschaften wie Charisma deshalb nicht erlernbar sind, irrt gewaltig. Auch darüber klärt die Studie auf. Doch vorab ein Sprung ins Fantasy-Abenteuer.

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Charismatische Leader nutzen die Distanz

Distanz lässt Ausstrahlung, Würde und Autorität – also Charisma – entstehen, schreibt Springer-Autorin Brigitte Biehl. Die Professorin für Media and Communication Management an der SRH Berlin zieht in ihren Arbeiten Parallelen zwischen Leadership-Archetypen der Populärkultur und Strategien von Führung in der modernen Managementforschung. Erst die Distanz zu einer Person schaffe Freiräume für die "Magie" der Ausstrahlung (Seite 93), schreibt sie. 

Theaterbesucher erleben diese Energie idealerweise im Wechselspiel zwischen Bühne und Zuschauerraum. Räumliche Distanz ermöglicht Idealisierung und weckt Neugier: "Auf Distanz gehen, im räumlichen, sozialen oder kulturellen Sinn, wird auch als Komponente von charismatischer oder heroischer Führung gesehen" (Seite 93). Was es mit diesem Charisma auf sich hat, erzählt sich an einem langen Fernsehabend.

Licht und Schatten charismatischer Führung

Die Figur der Drachenmutter Daenerys Targaryen aus der HBO-Serie "Game of Thrones" analysiert Brigitte Biel als Führungspersönlichkeit, die die Herzen ihrer Gefolgsleute durch geschickt inszenierte Auftritte und charismatische Techniken gewinnt – Blickkontakt, Lächeln, kleine Witzeleien, souveräne Reaktionen, Körperhaltung, Stimme. Das alles muss sie sich im Laufe ihrer Entwicklung allerdings aneignen. Charisma ist ihr nicht angeboren. Sie nutzt charismatische Techniken, um ihr Anliegen durchzusetzen: sozial akzeptiert werden, Follower und Autorität gewinnen, den Anspruch auf Führung legitimieren.

Erst zum Ende hin dramatisiert die Serie die dunkle Seite der ungezügelten charismatischen Aufladung. Deanerys scheitert, weil der Sinn von Charisma (Seite 101) verloren gegangen und nur noch die inszenierte, ins Totalitäre verdrehte, Hülle übrig ist. Ähnliches berichtet die Managementliteratur, wenn sie die Schattenseiten charismatischer Führung kritisiert. Bis es aber so weit kommt, dockt die Gestaltung der Drachenmutter an jene soziologischen Betrachtungen an, die Charisma als das Ergebnis einer erlernbaren performativen Interaktion zwischen Führenden und Geführten verstehen. 

Charismatische Führungstechniken als Erfolgsfaktoren

Zurück zur Forschung. Charismatische Führungstechniken lassen sich lernen und objektiv beobachten, schreibt Petra Nieken, Professorin für Human Resource Management am Institut für Unternehmensführung des KIT in ihrem Forschungspaper "Charisma in the gig economy: The impact of digital leadership and communication channels on performance". Das macht Charisma zu einem Erfolgsfaktor der digitalen Führung. Durch die Corona-Pandemie und eine wachsende Gig-Economy hat sich der Wandel zur Remote-Arbeit beschleunigt. Aufgaben und Ziele werden nicht mehr im persönlichen Gespräch geklärt, sondern über digitale Medien ausgetauscht. Wer jetzt sympathisch und ausdrucksstark auftritt, spornt zu besseren Leistungen an.

Wollen Digital Leader wirkungsvoll aus der Entfernung kommunizieren und motivieren, sind sie gut beraten, so Nieken, "charismatic-leadership-tactics (CLTs)" zu lernen. Gemeint sind damit verbale und nonverbale Mittel, wie sie die Springer-Autoren Ronald Deckert und Hendrik Müller in ihrem Buchkapitel "Anspruch und Wirklichkeit" auflisten (Seite 16): 

Verbale CLT:

  • Metaphern, Vergleiche und Analogien
  • Geschichten und Anekdoten
  • Kontraste
  • Rhetorische Fragen
  • Drei-Punkte-Listen
  • Ausdrücke moralischer Überzeugungen
  • Reflektionen der Gefühle in der Gruppe
  • Setzen hoher Ziele
  • Vermittlung von Vertrauen, dass diese erreicht werden können

Non-verbale CLT:

  • Animierte Stimme
  • Gesichtsausdrücke
  • Gesten

Wie charismatische Taktiken Mitarbeitende motivieren

Kann das gesamte Spektrum der CLTs noch im persönlichen Gespräch ausgeschöpft werden, fallen in der digitalen Kommunikation je nach Kanal (Mail, Sprachnachricht, Videocall) entscheidende charismatische Taktiken weg. Vor allem nonverbale Signale wie Mimik und Tonfall lassen sich nicht so einfach übertragen, wenn Bild oder Ton nicht mit transportiert werden. Wie sich das Fehlen dieser CLTs auf die Leistung von Mitarbeitenden und die Ausstrahlung der Führungsperson auswirkt, untersuchte die Wissenschaftlerin in einem Feldexperiment.

Im ersten Teil ihrer Studie wurde Mitarbeitenden eine Aufgabenbeschreibung jeweils über Text, Video und Audio übermittelt. Einmal wurde die Anweisung neutral und einmal unter Einsatz möglichst vieler CLTs übertragen. Im zweiten Teil der Studie mussten die verschiedenen Setups mit traditionellen Fragebögen zu Charisma und Führungsstil bewertet werden (Multifactor Leadership Questionnaire, MLQ). Die Auswertung beider Teilstudien ergab:

  • Es gibt eine positive Wechselwirkung zwischen Video- und charismatischer Kommunikation.
  • Das charismatische Video führte zu besseren Ergebnissen als das neutrale Video.
  • Führungskräfte müssen vor allem dann einen stimmigen Eindruck vermitteln, wenn sie den Videokanal nutzen.
  • Traditionelle Fragebögen wie der MLQ eignen sich nicht zur Vorhersage der Leistung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei mobilem Arbeiten.

Mit Charisma Veränderung kommunizieren

Charismatic-leadership-tactics lassen sich für Veränderungen besonders in Zeiten von Krisen und großen Herausforderungen strategisch einsetzen. Sie unterstützen Führungskräfte dabei, ihren Mitarbeitenden Ziele glaubwürdig zu vermitteln und Vertrauen zu gewinnen. Nur eines können Charisma und CLTs nicht ersetzen: "Ein wesentlicher Ausgangspunkt ist, dass Führungskräfte wahrhaftig an die Erreichung der Ziele glauben, die sie wirksam vertreten wollen" (Deckert & Müller, Seite 22).

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