Mittel-Manager haben in Unternehmen seit jeher einen schweren Stand. Über den eigenen Mitarbeitern, aber unter zahlreichen anderen Führungskräften angesiedelt, sind sie in der Sandwich-Position gefangen. Das hybride Arbeiten bereitet ihnen zusätzlich Stress.
Das Plus an Flexibilität schätzen die meisten Beschäftigten, die zwischen Präsenzarbeit im Büro und dem Homeoffice in hybriden Arbeitsmodellen wechseln. Sie profitieren zumeist von weniger Pendelstress, der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie mehr Produktivität. Doch wie so oft im Leben ist dem einen Freud' des anderen Leid. So lesen sich jedenfalls die Ergebnisse einer Studie des Kienbaum Institut @ ISM zum Thema "Remote Leadership", an der rund 240 Führungskräfte online teilnahmen.
Mittel-Manager haben mehr Stress
Demnach erhöht das Homeoffice den Druck auf drei Viertel der befragten Mittel-Manager. Teamleiter dieses Karrierelevels fühlen sich gestresst und erschöpft (62 Prozent), ergibt die Kooperationsstudie mit dem Bundesverband der Personalmanager und Kienbaum Consultants International von September 2022.
Das mittlere Management wird im Sandwich zermürbt, heißt es gar in der Studienzusammenfassung. Ein Auslöser dafür ist unter anderem das People Management, welches Teamleiter in der hybriden Arbeitswelt als besonders fordernd erleben. So gestalten sich nach ihrem Empfinden das Teambuilding, die kulturelle Entwicklung (jeweils 75 Prozent) sowie die Mitarbeiterbindung (66 Prozent) schwierig. Zwei Drittel sehen eine Verschlechterungen der Onboarding-Prozesse und etwa ein Drittel der Mitarbeitergespräche. 38 Prozent beklagen zudem einen Negativtrend bei Konflikten im Team.
Arbeitslast schadet der Gesundheit
Gleichzeitig fühlen sich mehr als die Hälfte der Teamleiter verantwortlicher für ihre Mitarbeitenden als vor der Pandemie und verspüren einen erhöhten Leistungsdruck. Denn 47 Prozent der Befragten müssen verfügbarer sein als zuvor und knapp die Hälfte leidet unter der wachsenden Beanspruchung durch das Top-Management. Insgesamt gehe die gesteigerte Arbeitsbelastung auf Kosten der mentalen Gesundheit im mittleren Management.
Die Diskrepanz zwischen dem eigenem Erleben und der Wahrnehmung der Mitarbeiter, scheint Mittel-Managern ebenfalls an die Nieren zu gehen. So glauben sie, ihre Teams erleben das mobile Arbeiten zu 23 Prozent positiver als sie selbst. 21 Prozent der befragten Führungskräfte finden Remote Work sogar negativ und gehen davon aus, dass nur sieben Prozent ihrer jeweiligen Teammitglieder es auch so sehen.
Dass Führungskräfte meinen, ihr Team profitiere mehr vom Homeoffice als sie selbst, mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass sie während der Corona-Krise häufiger im Büro präsent sein mussten und sich der Eindruck, minderprivilegiert zu sein, verfestigt hat, mutmaßen die Studienautoren.
Führung remote verbesserungswürdig
Kienbaum schlussfolgert, dass es offenbar noch immer Defizite beim Führen aus der Distanz gebe. Sie empfehlen daher, die "soziale Konnektivität" zu verbessern, indem Führungskräfte für das Remote-Setting geschult werden und auch Tools an die Hand gegeben bekommen, die sie bei diesem Ziel unterstützen.
Führungskräfte müssen also ihren Führungsstil an die hybride Arbeitswelt anpassen. Das betont auch Silke M. Jürgensen im Buchkapitel "Konsequenzen für virtuelle Teams und Arbeit im Homeoffice". Die Springer-Autorin erklärt, wie digitale Nähe beim Führen aus der Ferne entstehen kann. Da weniger direkter Kontakt bestehe, müssen Führungskräfte manches bewusster im Auge behalten und besonders sorgsam pflegen, lautet ihr Rat. Für die Beraterin sind dies die sieben Führungsaufgaben (Seite 212 f.):
- Klarheit: Gemeinsame Ziele sollten allen klar sein.
- Potenziale: Diese entfalten sich durch ein jährliches persönliches Treffen als Teamentwicklung beziehungsweise Zukunftsworkshop und setzen Energien fürs Homeoffice frei.
- Informationen: Der informelle Austausch beim Führen aus der Ferne kommt tendenziell zu kurz. Führungskräfte sollten diesem einen angemessenen Raum geben.
- Entscheidungen: Je höher die Entscheidungskompetenz beim Mitarbeiter ist, desto höher kann die Entscheidungsgeschwindigkeit sein.
- Planung: Klare Absprachen zu gegenseitigen Erwartungen und geltenden Regeln sind in hybriden Teams besonders relevant, um Missverständnisse, Konflikte und Reibungsverluste zu verhindern.
- Delegation: Aufgaben zu verteilen, ist auch im Homeoffice die Königsdisziplin, die Führungskräften die nötige Entlastung schafft.
- Kontrolle und Motivation: Eine gute Vertrauensbasis zahle sich gerade in virtuellen Teams aus. Dazu gehöre Leistungstransparenz bei der Erreichung von Zielen ebenso wie eine offene Feedbackkultur. Wenn es allerdings wichtige sowie konflikthafte Themen gebe, sollten Teamleiter dies unbedingt mündlich, nie schriftlich klären.
Als Mittel-Manager Nein sagen
Unabhängig von den eigenen Führungskompetenzen in der hybriden Arbeitswelt sollten sich Mittel-Manager aber auch klar darüber werden, was zu ihrer Rolle gehört und was nicht, so Coach Gudrun Holtz im Buchkapitel "Führungskräfte sind in einer Sandwich-Position zwischen Unternehmensleitung und Teams" (Seite 139). Um nicht von den unterschiedlichen Ansprüchen zerrieben zu werden, muss sich der Teamleiter vor Augen führen, das er auf keinen Fall alles umzusetzen hat, was der Vorgesetzte verlangt.
Auch wenn die Führungskraft in einer Sandwich-Position grundsätzlich den Vorgesetzten bei seinen Tätigkeiten loyal unterstützen sollte, muss sie auch kritischer Berater sein dürfen. "Dazu gehört es auch, eigene Bedenken und Überlegungen zu äußern oder Alternativen aufzuzeigen – vorausgesetzt, diese sind wohlbegründet." Die eigene Überlastung durch zu viele To Dos und Anforderungen darf dabei keinesfalls vergessen werden.