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2023 | Buch

Digitale Medien und Wirklichkeit

Eine aktuelle Einführung in den operativen Konstruktivismus

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Über dieses Buch

Dieser Band führt in Niklas Luhmanns erkenntnistheoretische Perspektive des operativen Konstruktivismus ein und diskutiert auf dieser Grundlage das Zusammenspiel von Massenmedien, Many-to-Many-Kommunikation und publizistischen Angeboten im Social Web in der gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstruktion. Wie bildet sich in der digitalisierten Gesellschaft, in der das Nebeneinander unterschiedlicher Sichtweisen zur Alltagserfahrung wird, eine gemeinsame Gegenwartsbeschreibung heraus? Welche Chancen und Herausforderungen bieten sich für die Integration neuartiger Standpunkte? Wie wirken Prozesse sozialer Komplexitätsreduktion und algorithmische Selektionsmechanismen ineinander?

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
„Die sogenannte Wirklichkeit“, gab Paul Watzlawick (1976: 7) vor fast 50 Jahren zu Protokoll, ist „das Ergebnis von Kommunikation“. Zweifelsohne wird unsere Lebenswelt durch physikalische, chemische, biologische und technisch-materielle Gegebenheiten sowie soziale Tatbestände geprägt, die sich auch mit Aufwand nicht wegdiskutieren lassen. Wie diese Gegebenheiten und Tatbestände allerdings verstanden und interpretiert werden, variiert je nach Beobachtungsperspektive erheblich. Dieser Einführungsband setzt sich damit auseinander, wie sich die sozialen Sinnbildungsprozesse in der Genese einer als geteilt markierten Wirklichkeit durch die Institutionalisierung von Social-Media-Plattformen als genuin neue Medienform wandeln und in welchem Verhältnis digitale Medien und Massenmedien in der gesellschaftlichen Gegenwartsbeschreibung zueinanderstehen. Dies geschieht aus der erkenntnistheoretischen Perspektive des operativen Konstruktivismus, die Niklas Luhmanns Soziologie im Kern als eine Theorie gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion ausweist.
Jan-Felix Schrape
Kapitel 2. Operativer Konstruktivismus: Grundlagen und Unterscheidungen
Zusammenfassung
Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme irritiert seit Generationen Studierende aller sozialwissenschaftlichen Disziplinen und ruft unter Sozialforschenden abweichender Provenienz regelmäßig Abwehrreaktionen hervor, die sich vor allem anderen auf die theorieelementare Entscheidung beziehen, „den Menschen als Teil der Umwelt der Gesellschaft“ anzusehen (Luhmann, 1984: 228 f.). Die folgenden Ausführungen fokussieren auf einen Erklärungsbereich, der sich von Fragen nach adäquaten Gesellschaftsmodellen ein Stück weit entkoppeln lässt: das Verhältnis von Kommunikation, Medienstrukturen und einer sozial kristallisierten Bezugswirklichkeit. Ausgehend von ihrer epistemologischen Grundlegung lässt sich Luhmanns Soziologie als eine Theorie gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion lesen, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie die Herstellung einer als geteilt markierten Wirklichkeit trotz der Kontingenz aller Erkenntnis möglich wird (Luhmann, 1988). Diese Kontingenz aller Wirklichkeitssichten tritt in der digitalisierten Gesellschaft angesichts der Vielzahl an Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten so offenkundig zutage wie niemals zuvor. Die Frage nach dem Zustandekommen einer als gemeinsam verstandenen gesellschaftlichen Wirklichkeitsbeschreibung, die nicht zuletzt als Bezugsgrundlage in politischen Entscheidungsprozessen dienen kann, ist mithin von außerordentlicher Aktualität und Brisanz.
Jan-Felix Schrape
Kapitel 3. Operativer Konstruktivismus in der digitalisierten Gesellschaft
Zusammenfassung
Aus der Sicht des operativen Konstruktivismus lässt sich die moderne Gesellschaft mithin als interdependentes Geflecht aus mehr oder minder ausgreifenden sozialen Sinnsystemen beschreiben, die jeweils eigensinnige Wirklichkeitssichten verfolgen. Massenmedien als Sinnsystem erfüllen in dieser Perspektive die Funktion, unter andauernder Konkurrenz der einzelnen Outlets eine als geteilt markierte Gegenwartsbeschreibung zu aktualisieren, die angesichts ihrer Selektivität von jedem spezifischeren Standpunkt aus lückenhaft erscheint. Nun hat Luhmann seine Thesen freilich weit vor dem gesellschaftsweiten Siegeszug von Smartphones und Social-Media-Plattformen formuliert, in deren Zuge einmal mehr das nahe „Ende der Massenmedien“ postuliert worden ist. Gleichwohl verweisen nicht nur regelmäßige Erhebungen zur Mediennutzung, sondern auch die nicht abreißende Kritik an den ‚Leitmedien‘ auf die nach wie vor hervorgehobene Rolle, die Massenmedien in der gesellschaftsübergreifenden Gegenwartsbeschreibung spielen – wenn auch weniger über lineare Ausstrahlungen als über zeitsouveräne On-Demand-Angebote und Beiträge im Social Web.
Jan-Felix Schrape
Kapitel 4. Digitale Medien und gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktion
Zusammenfassung
Niklas Luhmanns operativer Konstruktivismus eröffnet eine langfristige Perspektive auf die Prozesse gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktion und fokussiert auf die Frage, wie erwartungssichere Kommunikation und damit soziale Ordnung in einer polykontexturalen Gesellschaft möglich wird. Wie jede soziologische Theorie bietet dieser Ansatz nur eine mögliche – und fraglos abstrakte – Annäherung unter vielen an die Dynamiken des gegenwärtigen Medienwandels. Sie steht dem Eindruck eines disruptiven Umbruchs entgegen und stellt insofern eine instruktive Ergänzung zu der Flut an kurzfristigen Zeitdiagnosen im Digitalisierungsdiskurs dar.
Jan-Felix Schrape
Backmatter
Metadaten
Titel
Digitale Medien und Wirklichkeit
verfasst von
Jan-Felix Schrape
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-43021-4
Print ISBN
978-3-658-43020-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43021-4