8.1 Einleitung
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Welche unter dem Begriff der Digitalisierung subsumierbaren Trends sind für das HRM weshalb von Bedeutung?
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Was sind in personaler Hinsicht zentrale Chancen und Problemfelder der Digitalisierung?
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Welche Konsequenzen und Gestaltungsempfehlungen lassen sich aus den wichtigsten Trends für die einzelnen Politikfelder des HRM ableiten?
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Wie sind einzelne Digitalisierungstrends aktuell im HRM Schweizer Unternehmen eingegangen?
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Wie bzw. in welche Richtung entwickelt sich das HRM Schweizer Unternehmen im Kontext der Digitalisierung in den nächsten Jahren weiter?
8.2 Personalbezogene Aspekte der digitalen Transformation
8.2.1 Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
8.2.2 Human Resource Management im Digitalisierungskontext
8.2.3 Digitalisierungsansätze mit besonderer HRM-Relevanz
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3,42 Mrd. Menschen sind aktiv im Internet (=46 % der Weltbevölkerung).
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31 % der Internetuser nutzen soziale Medien wie Facebook, Twitter etc.
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1,5 Mrd. Menschen haben einen Facebook-Account.
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3,5 Mio. Facebook-User gibt es in Österreich.
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28 Mio. Facebook-User gibt es in Deutschland.
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3,7 Mio. Facebook-User gibt es in der Schweiz.
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3,1 Mio. Menschen sind mit mobilen Geräten in der Schweiz auf sozialen Medien aktiv.
Relevante HRM-Handlungsfelder | |||||
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Plattformen | Direkte Steuerbarkeit | Employer Branding | Stellenan-zeigen | Bewerber-recherche | Active Sourcing |
1) Kununu | Nein | Ja | Ja | Nein | Nein |
2) Glassdoor | Nein | Ja | Ja | Nein | Nein |
3) Staufenbiel (Stellenbör-senforum) | Nein | Nein | Ja | Nein | Nein |
4) Xing | Ja | Ja | Ja | Ja | Ja |
5) LinkedIn | Ja | Ja | Ja | Ja | Ja |
6) Google+ | Ja | Ja | Ja | Ja | Ja |
7) Facebook | Ja | Ja | Ja | Nein | Indirekt |
8) Instagram | Ja | Ja | Ja | Nein | Nein |
9) Snapchat | Ja | Bedingt | Bedingt | Nein | Nein |
10) Twitter | Ja | Bedingt | Ja | Nein | Nein |
11) WhatsApp | Ja | Bedingt | Bedingt | Nein | Nein |
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Was ist passiert? (Beschreibung)
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Warum ist es passiert? (Analyse)
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Was wird passieren? (Voraussage)
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Was sollte geschehen? (Beeinflussung).
8.2.4 Demografie und Neupositionierung des HRM
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Talentmanagement
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Strategische Personalplanung
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HR Big-Data-Management
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HR IT-Management
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Führungskräfteentwicklung
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Mitarbeiterengagement.
8.2.5 Anbieter und Nachfrager von HRM-Digitalisierungslösungen in der Schweiz
8.2.6 Problemfelder der Digitalisierung im Personalbereich
8.2.7 Reifegradmodell
Stufe | Beschreibung |
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(1) Beginnen | Prozesse sind noch nicht digitalisiert. Der Handlungsbedarf wird jedoch erkannt und erste Ansätze für eine digitale Transformation sind erkennbar |
(2) Aufbauen | Digitale Projekte werden priorisiert und vorangetrieben. Digitale Kompetenzen sind bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden eine wichtige Selektionsbasis |
(3) Verankern | Das Thema „Digitalisierung“ ist auf strategischer Ebene verankert. Es wird als Change-Projekt kontinuierlich und systematisch verfolgt. Digitale Schlüsseltechnologien für das Unternehmen sind definiert. Mobile Kanäle sind in allen Leistungsfeldern integriert |
(4) Managen | Neue digitale Technologien werden schnell aufgegriffen und überprüft. Neue digitale Schlüsseltechnologien werden auf ihre strategische Bedeutung hin analysiert. Die Automatisierung von Prozessen schreitet voran. Analytics-Tools werden zur Optimierung eingesetzt und ausgebaut |
(5) Optimieren | Der Digitalisierungsprozess wird systematisch und fortlaufend anhand von Steuerungsindikatoren optimiert. Der digitale Entwicklungsstand in den Kernprozessen ist auf Best-Practice-Niveau |
Dimension | Beschreibung |
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(1) Kundenverhalten | Digital Natives orientieren und bewegen sich in der Arbeitswelt bevorzugt auf digitalen Kanälen. Das HRM einer Digital Company trägt dem dadurch Rechnung, dass Informationen zu gegenwärtigen und zukünftigen Beschäftigten (Kunden) fortlaufend aus verschiedenen digitalen Quellen generiert und zur Entscheidungsoptimierung eingesetzt werden (Verhaltensprognosen). Die Kommunikation mit aktuellen und potenziellen Mitarbeitenden erfolgt nahtlos und konsistent über alle digitalen Kanäle (z. B. Self Service-Intranetplattformen). Gesellschaftliche und demografische Veränderungen schlagen sich in einer kundenorientierten digitalen HR-Infrastruktur nieder (hohe Usability und User Experience als Ziel) |
(2) Strategie | In digitalisierten Unternehmen ist die Digitalisierung ein zentraler Baustein von Geschäftsmodell und -strategie und auch der Personalstrategie. Dies schlägt sich in optimierten Stellen- und Strukturlösungen für das HRM und auf Mobilität, Flexibilität und Vernetzung ausgerichtete ganzheitliche Systemlösungen für HR-Manager und die Beschäftigen nieder (z. B. Homeoffice-Angebot) |
(3) Prozessdigitalisierung | In Digital Companies sind die internen HR-Prozesse durchgängig digitalisiert, integriert und auf Prozesseffizienz und Kundenorientierung ausgerichtet (z. B. Einsatz einer umfassenden HRM-Softwarelösung wie HCM Suite von SAP) |
(4) Social Media | Digitalisierte Unternehmen setzen in der Interaktion mit Menschen sehr stark auf die sozialen Medien (YouTube, Xing, LinkedIn, Facebook etc.) und tragen damit dem veränderten Kommunikationsverhalten relevanter Zielgruppen Rechnung. Die breite professionelle Nutzung in verschiedenen HR-Gestaltungsbereichen geht mit einer hohen Sensibilität in Bezug auf mögliche Problembereiche einher (z. B. Erreichbarkeit, Qualität und Aktualität der Inhalte, Umgang mit Negativ- und Falschinformationen etc.) |
(5) Data Mining | Digital Companies betreiben aktives und systematisches Data Mining und verwandeln damit früher brachliegende Informationen über aktuelle und potenzielle Mitarbeitende in wertgenerierendes Wissen. Der Einsatz von Big Data-Applikationen und Business Intelligence-Lösungen für das HRM ist selbstverständlich (z. B. Social Media-basierte Employer Branding-Analysen) |
(6) Cloud-Lösungen | Cloud-Tools und -Systeme für den HR-Bereich (z. B. PeopleDoc) sind in Digital Companies etabliert und stehen für innovative, flexible und kostengünstigere Anwendungsmöglichkeiten. Jeder Berechtigte kann von überall, respektive von jedem internetfähigen Gerät auf HR-Daten zugreifen. |
(7) Mobility | Mobile Geräte werden zunehmend auch zu universellen Arbeitsgeräten die mit einer wachsenden Vernetzung aller Lebenssphären einhergehen. Digitalisierte Unternehmen tragen dem Rechnung, indem alle digitalen Lösungen im HRM-Bereich auf eine sinnvolle mobile Nutzung hin geprüft und entsprechend implementiert werden (z. B. Gehaltsabrechnung ist auf dem Handy einsehbar). Responsive designte Applikationen sind Standard |
(8) Kultur | Damit die Digitalisierung im HRM die intendierten Erfolgswirkungen entfalten kann, ist eine große Offenheit der HR- und aller anderen Mitarbeitenden gegenüber neuen digitalen Technologien und der damit einhergehenden dynamischen Veränderungen erforderlich. Digitalisierung wird in Digital Companies visionär „gelebt“ und ist als wichtiges Kulturelement weitgehend etabliert (Digital Culture) |
(9) Produktinnovationen | Digitalisierte Unternehmen profilieren sich mit technologiebasierten Innovationen bei HR-Dienstleistungen. Dies gilt auch und insbesondere in Bezug auf die Anbieter von HR-Digitalisierungslösungen, die als Innovationstreiber im HRM-Segment agieren (z. B. ADP, Atoss, Oracle, SAP etc.) |
8.3 Empirische Erhebung – Digital HRM in der Schweiz
8.3.1 Zielsetzung und Methodik
Unternehmen | Branche | Experte |
---|---|---|
BKW AG | Energieversorgung/-verteilung | Leitungsperson HR |
BLS AG | Bahnen/Öffentlicher Verkehr | HR-Expertin und HR-Business Partner |
Bystronic Laser AG | Maschinenindustrie | Leitungsperson HR |
Calida AG | Bekleidungsindustrie | Zwei Leitungspersonen HR |
Frutiger AG | Bau | Leitungsperson HR |
Genossenschaft Migros Aare | Detailhandel | Leitungsperson HR |
SAP (Schweiz) AGa | Computer/Informatik | Anonym (mit HRM-Markt-kenntnis) |
Schweizerische Mobiliar Holding AG | Versicherungen und Vorsorge | Leitungsperson HR |
Schweizerische Post AG | Dienstleistungen | Leitungsperson HR |
Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) | Mediendienstleistungen | Leitungsperson HR |
Schweizerische Bundesbahnen (SBB) | Bahnen/Öffentlicher Verkehr | HR-Experte |
Swisscom AG | Telekommunikation | Leitungsperson HR |
Valiant Bank AG | Banken | Leitungsperson HR |
Ypsomed AG | Medizinaltechnik | Leitungsperson HR |
Unternehmen Automobil- und Motorfahrzeuggewerbe | Automobil-/Motorfahrzeuggewerbe | Leitungsperson HR |
Bundesbehörde (im 3. Kreis)b | Öffentlicher Dienst | Leitungsperson HR |
Unternehmen Rüstungsgüterindustrie | Rüstungsgüterindustrie | Leitungsperson HR |
8.3.2 Ergebnisse
Forschungsfrage | Kernaussagen |
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Welche unter dem Begriff der Digitalisierung subsumierbaren Trends sind für das HRM weshalb von Bedeutung? |
HR Social Media (Stufe 2 – Aufbauen)
• Hohe Relevanz für junge Nachwuchskräfte. • Zunehmende Notwendigkeit zum Einbezug bei Rekrutierung und Employer Branding (Mitarbeitende als Markenbotschafter) insbesondere auf Xing und LinkedIn. • Aktuell in Auf- und Ausbauphase mit geringem Integrationsgrad. Private Netzwerke nur rudimentär im Scope.
HR Data Mining (Stufe 1 – Beginnen)
• Prozesstransparenz und Mustererkennung als Effizienzpotenzial. • Lediglich ca. 20 % der befragten Unternehmen setzen aktuell Data Analytics ein. Nutzungspotenzial wird vor allem in der Zukunft gesehen. • Risiken werden gesehen: Gewährleistung von Datenschutz und -sicherheit (gesetzliche Vorgaben), Fehlinterpretationen, Datenfriedhöfe, fachliche Überforderung, „Big Brother“-Ängste der Belegschaft.
HR Cloud Computing (Stufe 3 – Verankern)
• Einsatz zur Kostensenkung, Innovationsförderung, Flexibilitätsverbesserung. • Steigende Tendenz zur Auslagerung bei zunehmender Kleinheit großer Unternehmen. • Positive Korrelation mit Einsatz von Mobility-Anwendungen. • Gros der Unternehmen hat Cloud-Lösungen vor allem bei Rekrutierung, Bewerbungsmanagement, Lohnabwicklung, Zeiterfassung und HR Performance Management. Für die Zukunft wachsende Bedeutung. • Grundskepsis bezüglich Datensicherheit – Serverstandort in der Schweiz präferiert.
HR Mobility (Stufe 2 – Aufbauen)
• Geht einher mit Flexibilisierung der Arbeitszeit und von Arbeitsräumen (insbesondere Homeoffice, Open Space-Büro, Third Place-Konzepte). • Positive Grundeinstellung (Motivation der Mitarbeitenden, Signale für Arbeitsmarkt und smarte Infrastrukturnutzung). • Grundvertrauenskultur erforderlich und neue Regelungsbedarfe (Vermeidung von Kommunikationsverwässerung, Teamkonflikten, Burn-out-Risiken).
HR Self Services (Stufe 4 – Managen)
• Zunehmende Relevanz für Kostensenkungen erkennbar, aber größere Unterschiede bei Nutzung und Ausprägung der Self Service-Lösungen. • Einsatz vor allem bei Spesenabrechnung, Weiterbildung, Personalbeantragung, Lohnabrechnung, Zeit- und Absenzenerfassung und Personal-/Stammdatenadministration.
Künstliche Intelligenz (Zukunftsperspektive)
• Noch nicht im operativen HRM-Alltag angekommen. • Wird als vielversprechender Trend für die Zukunft wahrgenommen |
Was sind in personaler Hinsicht zentrale Chancen und Problemfelder der Digitalisierung? |
Chancen für das HRM
• Kostensenkungen und Qualitätsverbesserungen durch Prozessoptimierung und Entscheidungsunterstützung. • Unterstützt Wertschöpfung und Serviceorientierung im HRM: Beratung statt Administration; strategische statt operative Personalarbeit.
Problemfelder für das HRM
• Datenschutz und Datensicherheit. • Akzeptanz bei Mitarbeitenden (Self Services, „Big Brother“). • Entgrenzung von Privat- und Berufswelt. • Fachliche Überforderung von HR-Mitarbeitenden. • Wachsende Abhängigkeit von Systemanbietern mit Folgekosten. |
Welche Konsequenzen und Gestaltungsempfehlungen lassen sich aus den wichtigsten Trends für die einzelnen Politikfelder des HRM ableiten? | • Trends beeinflussen alle Funktionsfelder, bzw. HR-Prozesse in mehr oder minder großem Umfang. • Positive Digitalisierungskultur und Neueinstellungen als wichtige Stellhebel für die Zukunftsfähigkeit der Human Resources und des HRM. • Förderung von digitalen und von Beratungskompetenzen für HR-Mitarbeitende – Digital Change als Dauerzustand. • Digital HR-Experte als neues Berufsprofil im HRM. • Stärkere Zusammenarbeit zwischen IT- Bereichen und HRM zur gemeinsamen Change-Bewältigung. • Stärkere Bedarfsorientierung bei Digitalisierung im HR-Bereich (nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch gut für die „Kunden“ in der Linie). |
Wie sind einzelne Digitalisierungstrends aktuell im HRM Schweizer Unternehmen eingegangen? | • Anstöße für neue HR-Digitalisierungslösungen kommen entweder von internen Experten oder von externer Anbieterseite (Spezialistenlösungen mit eher gering konkretisierter Bedarfsorientierung in Bezug auf Mitarbeitende und Führungskräfte als HR Service-Kunden). • Kostensenkung, Arbeitgeberattraktivität und damit verbundene Wettbewerbsfähigkeit am Arbeitsmarkt als kausale Haupttreiber der Digitalisierung. |
Wie, bzw. in welche Richtung entwickelt sich das HRM Schweizer Unternehmen im Kontext der Digitalisierung in den nächsten Jahren weiter? | • Wachstumstendenzen in allen identifizierten Trendbereichen. Geschwindigkeit der Umwälzungen ist ungewiss, aber tendenziell hoch. • Weitere forcierte Fortführung von HR-Prozessautomatisierungen. • HRM als wertschöpfungsgenerierendes internes Service-Center mit hohem Digitalisierungsgrad. • Digitalisierungsbedingte Profilveränderungen für HR-Mitarbeitende. |