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02.06.2022 | Digitale Währungen | Schwerpunkt | Online-Artikel

Mit dem digitalen Euro dominierende Standards setzen

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4 Min. Lesedauer

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Seit einigen Monaten befasst sich die Europäische Zentralbank intensiv mit dem digitalen Euro. Die Bundesbank sieht in ihm die Chance, sich in Europa von Bigtech-Plattformen und -Ökosystemen unabhängiger zu machen und selbst eine technologische Führerschaft im Zahlungsverkehr aufzubauen.

Über die Frage, welche Aufgaben digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, kurz CBDC) in Europa erfüllen kann, haben Experten lange diskutiert. Seit Sommer 2021 untersucht die Europäische Zentralbank (EZB) in einem auf zwei Jahre angelegten Projekt die mögliche Ausgestaltung eines digitalen Euros und dessen Einfluss auf die Geldpolitik sowie die Finanzstabilität. Währenddessen schaffen die großen Tech-Konzerne aus den USA in ihren digitalen Ökosystemen allerdings längst Fakten.  

Dieses Resümee zieht auch Burkhard Balz, im Vorstand der Deutschen Bundesbank für Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme zuständig, auf einer Bafin-Veranstaltung Mitte Mai. "Bigtechs machen sich die Reichweite ihrer Plattformen zunutze und sind imstande, maßgeschneiderte Lösungen für verschiedenste Nutzergruppen anzubieten. Häufig setzen sie aber ihre eigenen Regeln und Standards."

Bigtech-Plattformen verhindern Innovation

Damit einher gehen Einschränkungen der Nutzungs- und Zugangsrechte für Dritte. Das gefährde die Marktneutralität auch im Zahlungsverkehr. Wenn Apple mit der Begrenzung der NFC-Schnittstelle auf das kontaktlose Bezahlen mit Apple Pay den Wettbewerb behindert, haben Käufer weniger Auswahl "und Innovationen werden signifikant reduziert".

Ein digitaler Euro könne einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, das Payment-Segment der Zukunft zu gestalten. "Auf der ganzen Welt arbeiten Zentralbanken an entsprechenden Konzepten und Prototypen. Nigeria und die Bahamas haben bereits digitales Zentralbankgeld eingeführt. China führt umfangreiche Pilotversuche durch", so Balz. 

CBDC in Supply-Chain-Prozesse einbinden

"Monetäre Angelegenheiten sind seit Jahrhunderten der Treiber von Handel und Wachstum. Mit der Zunahme von weltweiten Finanz-Transaktionen und der Notwendigkeit, diese Transaktionen sicher in die digitale Welt zu transformieren, wird der Einsatz neuer Technologien interessant", schreibt dazu auch Katarina Adam im Buchkapitel "Der nächste Hype?" auf Seite 171. "Vereinfachend gesagt, könnten Prozesse entlang der Supply Chain über ein CBDC ebenso abgedeckt werden, wie der Einkauf eines europäischen Verbrauchers an der Supermarktkasse oder beim Online-Handel", erklärt die Blockchain-Expertin, die an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin lehrt.

Zu diesem Schluss kommt auch Balz: "Die Menschen bezahlen immer seltener mit Bargeld. So wird inzwischen im stationären Handel nicht einmal mehr 40 Prozent des Umsatzes an der Ladenkasse mit Münzen und Scheinen abgewickelt." Hinzu komme der wachsende Online-Handel mit immer neuen Geschäftsmodellen, die von Lieferdiensten, über das Streaming digitaler Inhalte bis hin zu direkt im Auto integrierten Zahlungsmöglichkeiten reichen.

E-Euro als Basis digitaler, europäischer Ökosysteme

Dabei gehe es laut Balz nicht nur um die Währung, "sondern auch um technologische Führerschaft, um dominierende Standards und multilaterale Plattformen, die vielleicht auch von anderen Ländern für ihr digitales Zentralbankgeld genutzt werden können". Ein E-Euro habe das Potenzial, künftig möglicherweise auch digitale Prozesse zu unterstützen – etwa beim Einsatz in programmierbaren Umgebungen. "Damit wären eventuell vollständig automatisierte Zahlungen auf Grundlage von Smart Contracts, einschließlich ganz neuer Anwendungsfälle im Internet der Dinge vorstellbar", betont der Bundesbank-Experte. 

Grundsätzlich könne der digitale Euro "effiziente, moderne, digitale Zahlungen mit paneuropäischer Reichweite verbinden". Eine passende Regulierung vorausgesetzt, ergänze er das klassische Bargeld "im digitalen Raum" und diene dort als gesetzliches Zahlungsmittel, "das sicher, kostengünstig und wertstabil wäre". E-Geld biete allen, auch nicht digital affinen Bevölkerungsgruppen, einen "einfachen und bequemen Zugang zu einem digitalen Zahlungsmittel". Da die Herausgabe "frei von geschäftlichen Interessen" stattfindet, würden die bei der Zahlung entstehenden Daten durch die Zentralbanken nicht kommerziell verwertet, erläutert Balz. 

Für mehr als 340 Millionen Menschen entstünde so ein digitales Zentralbankgeld, mit dem diese grenzüberschreitend und unabhängig von internationalen Anbietern im gesamten Euroraum bezahlen können. "Dies würde im schnell wachsenden Zahlungsmarkt, ein zusätzliches, wirklich europäisches Angebot schaffen und so die Souveränität Europas stärken", betont der Bundesbanker. Nicht zuletzt könne ein digitaler Euro bei der Entwicklung paneuropäischer digitaler Ökosysteme helfen.

Unternehmen sollten E-Euro als Chance nutzen

"Die Aufmerksamkeit, die die Europäische Zentralbank dem Thema widmet, sollte auch Unternehmen als Hinweis dienen, dass Änderungen im Zahlungsverkehr bevorstehen", sagt auch Springer-Autorin Adam (Seite 171 f.). "Die Vielschichtigkeit des Themas  von der Entwicklung eigener Token über privatwirtschaftlich erzeugte Kryptowährungen bis hin zur Frage, ob es ein digitales Äquivalent zum Euro geben wird oder sogar noch darüber hinaus einen programmierbaren, digitalen Euro, der Smart Contracts Funktionen einbinden kann, darf nicht abschrecken", mahnt die Professorin. Es solle vielmehr die Fantasie beflügeln, wie gerade auch kleine und mittelständische Unternehmen diese Entwicklungen nutzen können, "um sich im Wettbewerb (neu) zu positionieren".
 

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