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Digitaler Euro zwischen Vision und Widerstand

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Erste Tests der EZB zeigen das Potenzial des digitalen Euros für Innovation und Inklusion. Doch Kritiker fürchten Verzögerungen und setzen auf Wero als europäische Alternative zur US-Konkurrenz.

Während die EZB weiter auf den digitalen Euro setzt, ebbt Kritik an den Plänen nicht ab.


Die Europäische Zentralbank (EZB) versteht den digitalen Euro als eine digitale Form von Zentralbankgeld, die - ergänzend zu Bargeld und bestehenden Zentralbankeinlagen - für den täglichen Zahlungsverkehr im Einzelhandel gedacht ist. Er soll der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und direkt von der Zentralbank ausgegeben und verwaltet werden.

Zudem sieht die Notenbank in einer künftigen Digitalwährung einen potenziellen Innovationstreiber für das europäische Zahlungsverkehrssystem und ein Instrument zur Förderung finanzieller Inklusion. Das zeigen die nun vorgelegten Ergebnisse des ersten Iterationszyklus der im Oktober 2024 gestarteten Innovationsplattform. Diese dient als Kooperations- und Testumgbung für rund 70 ausgewählte Marktteilnehmer, die dort Anwendungsfälle und Zahlungsfunktionen des E-Geldes auf ihre Praxistauglichkeit hin abklopfen. Bei diesen handelt es sich um Banken und Fintechs, Handelsunternehmen sowie Zahlungsdienstleister. 

Marktakteure testen mögliche Einsatzgebiete

Die erste Runde bestand aus zwei Arbeitsgruppen, den sogenannten Workstreams: Die Visionaries (Visionäre) beschäftigten sich vor allem mit strategischen und nutzerzentrierten Ideen. Die Pioneers (Pioniere) nahmen die technische Machbarkeit und Implementierungsmöglichkeiten unter die Lupe. Beide Gruppen kamen zum Schluss, dass es harmonisierter Standards, einer gemeinsamen Infrastruktur und enger Zusammenarbeit mit dem Markt bedarf, um Skalierbarkeit, Zuverlässigkeit und Nutzbarkeit des digitalen Euro im gesamten Euroraum zu gewährleisten. 

Bereits in Planung ist das Digital Euro Scheme Rulebook. Das soll einheitliche technische Standards, Verfahren und Regeln für alle Euro-Länder enthalten. Es legt unter anderem fest, wie Zahlungen mit dem Digitalgeld abgewickelt und Verwender dabei geschützt werden.

Bedingte Zahlungen sollen Effizienz und Sicherheit verbinden

Als eine der zentralen Anwendungsmöglichkeiten ermittelten die Tests die bedingten Zahlungen. Dabei handelt es sich um Transaktionen, die nur dann ausgelöst werden, wenn zuvor definierte Bedingungen erfüllt sind. Damit ließen sich zahlreiche Alltagsprozesse automatisieren und sicherer gestalten. So wird beispielsweise im Online-Handel eine Zahlung erst nach bestätigtem Warenerhalt freigegeben. 

Auch könnte die Kostenrückerstattung bei Verspätungen laut derzeit- und kosteneffizienter gestaltet werden. Bei Verwendung bedingter Zahlungen für gemeinschaftlich genutzte Mobilitätsdienste sowie für öffentliche Verkehrsmittel sind ebenfalls kontaktlose Tap-and-Go-Transaktionen denkbar. 

Digitalen Handel neu definieren

Der digitale Euro stehe nicht nur für eine Transformation des Zahlungsverkehrs, "er soll Unternehmen stärken, das Kundenerlebnis verbessern und die Zukunft des europäischen Handels neu definieren", äußerte sich Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz auf einer Handelskonferenz in Brüssel Mitte September. 

So zeigen die im B2B-Bereich erprobten bedingten Zahlungen, dass der digitale Euro insbesondere bei komplexen, hochvolumigen Transaktionen mit vertraglichen Abhängigkeiten die Fragmentierung reduziert und Transaktionskosten verringert. Keine Aussagen trifft die EZB in den Ergebnissen allerdings zur Interoperabilität mit bereits bestehenden B2B-Zahlungssystemen wie SEPA oder SWIFT.

Mit elektronischen Belegen Geld sparen und Umwelt schonen

Als weiteres Innovationsfeld hebt die Notenbank elektronische Belege hervor. Diese ließen sich nahtlos in das Ökosystem des digitalen Euro integrieren, heißt es. Verbraucher erhielten damit strukturierten Zugriff auf ihre Kaufhistorie, was Rückgaben, Garantieansprüche, Haushaltsplanung und Buchhaltung erleichtern würde. Händler spare der Wegfall gedruckter Belege Kosten und mache Prozesse effizienter. 

Jedes Jahr würden Milliarden gedruckter Belege wegfallen. Dies wäre nicht nur eine Erleichterung im Leben der Menschen, sondern auch ein enormer ökologischer Nutzen, etwa durch Reduzierung von Chemieabfällen, einen schonenderen Umgang mit Ressourcen und Emissionssenkungen", so die EZB.

Inklusive Funktionen für Kinder oder Studenten denkbar

Die inklusive Funktion eines zukünftigen Digitalgeldes bietet zudem zahlreiche praktische Einsatzmöglichkeiten. Hierzu gehören unter anderem digitale Geldbörsen für Kinder oder Wallets für Studierende mit speziellen Rabatten und Förderprogrammen. Die Schnittstelle für den digitalen Euro ließe sich außerdem mit benutzerfreundlichen Funktionalitäten wie Sprachsteuerung, Textvergrößerung und geführten Onboarding-Prozessen ausstatten.

Die genannten Nutzungsideen sollen in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Marktakteuren fortgesetzt werden. Damit möchte die EZB sicherstellen, dass der digitale Euro marktnah, nutzerzentriert und zukunftsfähig ausgestaltet wird. Eine zweite Testrunde ist für das erste Halbjahr 2026 geplant. 

Durch die Vertiefung der Zusammenarbeit und die Bereitstellung einer harmonisierten Infrastruktur kann der digitale Euro das Zahlungserlebnis für die Menschen in Europa verbessern und Marktteilnehmern die Entwicklung innovativer Dienstleistungen und Geschäftsmodelle ermöglichen", erklärte EZB-Direktoriumsmitglied Piero Cipollone anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse des ersten Iterationszyklus Ende September in Mailand. 

Bezahlfunktion Wero schneller ausbauen

Kritik an den Ideen zum digitalen Euro gibt es unter anderem von Stefan G. Reuß, Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen. Er forderte Mitte September mehr Tempo beim Ausbau einer europäischen Alternative im Zahlungsverkehr im Wettbewerb mit den USA. Dabei geht es ihm um die neue Bezahlfunktion Wero. Diese wurde von der European Payments Initiative (EPI) initiiert und ist seit Sommer 2024 am Start. Sie ermöglicht Finanztransaktionen von Smartphone zu Smartphone.

In Deutschland bieten bislang Kunden von Sparkassen und Genossenschaftsbanken den Zahlungsdienst in ihrer jeweiligen Banking-App an. Die eigenständige Wero-App stellt unter anderem die Postbank zur Verfügung. Und die Direktbank ING hat den Service seit August in ihrem Angebot. Außerhalb der Bundesrepublik gibt es den Zahlungsdienst bislang nur in Frankreich und Belgien.

Digitaler Euro kommt "zu spät"

Die Pläne für einen digitalen Euro für Privatkunden behindere deren Wachstum massiv, kritisiert Hessens Sparkassen-Chef. In Europa wollten manche Banken keine Parallelstrukturen aufbauen und warteten daher lieber ab. Die von der EZB avisierte Einführung eines digitalen Euros nicht vor Ende 2028 sei mit Blick auf das Ziel der europäischen Souveränität im Zahlungsverkehr viel zu spät, betont Reuß. Besser sei es, auf den digitalen Euro für Privatkunden zu verzichten und stattdessen Wero offiziell als einziges europaweites Bezahlverfahren und Alternative zu US-Anbietern wie Paypal, Mastercard oder Visa einzusetzen.

Dabei greife Reuß zufolge die zahlungsverkehrspolitische Neutralität der Notenbank nicht als Argument. Europa müsse in diesem Feld abwehrbereit werden und sich möglichst schnell für den möglichen Fall rüsten, dass sich die bisher dominanten US-Zahlungsverkehrsdienstleister aufgrund von politischen Verwerfungen kurzfristig aus dem europäischen Markt verabschieden.

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